Vor einer Woche wurden 16 Männer vor dem Brandenburger Tor abgelichtet. Das war der Fototermin anlässlich der Innenministerkonferenz in Berlin. Aus der Berichterstattung über diese Konferenz ging hervor, dass es um das Vorgehen gegen Rechtsextreme und Scientology gegangen sei. Über ein neues NPD-Verbotsverfahren gebe es unterschiedliche Auffassungen, einig sei man sich aber darin, die Neonazi-Szene "finanziell auszutrocknen". Die finanzielle Schwächung könne ein Zwischenschritt sein, meinte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Berliner Innensenator Körting, der ein Verbot der NPD forderte. Auf Antrag des Hamburger Innensenators sollen Bund und Länder Material gegen die Organisation Scientology sammeln, um die Basis für ein Verbot zu prüfen. Die Organisation verstoße gegen das Grundgesetz.
Zu den kleingedruckten Ergebnissen gehörte, dass die Herbstkonferenz der Innenminister nun grünes Licht für den Ausbau des Bundeskriminalamtes (BKA) zu einer Art deutschem FBI gegeben hat. Man sei einig über künftige "präventive Befugnisse" des BKA zur "Abwehr von Terrorgefahren", so Innensenator Körting. Das BKA soll auch für die "Gefahrenabwehr" zuständig werden. Lediglich bei den heimlichen Online-Durchsuchungen zierte sich die SPD noch etwas, werde jedoch auch hier nachgeben, falls das Bundesverfassungsgericht Anfang 2008 über das NRW-Gesetz zum Ausspähen privater Computer positiv entscheide.
Der Runde der Innenminister waren auch andere Maßnahmen, die in Vorbereitung sind, bekannt. So drängen BKA und die Landeskriminalämter auf erhebliche Ausweitungen ihrer rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten. So berichtete der Spiegel, dass der Große Lauschangriff durch den "Großen Spähangriff" ergänzt werden soll. Hierbei geht es um "eine optische Überwachung" von Wohnungen mit Videokameras. Ausbauen wollen die Fahnder die Beobachtung von Internet-Cafes, für die es "einen wesentlich höheren Bedarf an Überwachungstechnik für breitbandige Call-Shops" gebe. Zudem regt das BKA die bundesweite Beschaffung sogenannter W-Lan-Catcher an. Diese Geräte, die bislang nur beim BKA sowie in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden, simulieren einen Zugangspunkt für das Internet - und ermöglichen so die Überwachung des Datenverkehrs. Wenn man die freundlich lächelnden Herren auf dem Foto vor dem Brandenburger Tor ansieht, können sich viele kaum vorstellen, was diese im Schilde führen: Schaffung eines totalen Polizei- und Überwachungsstaat, auf dem rechten Auge blind.
Genauer zu betrachten sind daher auch die Diskussionen über ein NPD-Verbot und die verabredeten Maßnahmen, deren Tätigkeit "auszutrocknen". Es bestünden im Kreise der Innenminister keine Zweifel "an der Verfassungsfeindlichkeit" der NPD, so erklärten verschiedene Innenminister, wohl aber "am Erfolg eines Verbotsverfahrens". Weil ein Teil des von der Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag im Jahre 2003 vorgelegten Beweismaterials auf Informationen von V-Leuten basierte, war das Verbotsverfahren formal nicht in Gang gekommen. Der schlitzohrige Bundesinnenminister Schäuble hält aber ein neues Verbotsverfahren nur dann für aussichtsreich, wenn die Beobachtung der NPD mit nachrichtendienstlichen Mitteln eingestellt würde - diese Beobachtung aber sei aus "sicherheitspolitischen Erwägungen notwendig". So forderte Hessens Innenminister Bouffier (CDU), die Debatte über ein NPD-Verbot nun endlich abzuschließen. "Wir dürfen uns nicht mit einer Placebo-Diskussion beschäftigen, wir müssen den Extremismus bekämpfen." Der niedersächsische Innenminister Schünemann (CDU) meinte sogar, dass die Diskussion über ein Verbot der NPD in die Hände spiele.
Nun wollen die Innenminister also der NPD finanziell an den Kragen. Das hört sich zunächst gut an. Aber zu recht kommt Christoph Seils in der "Zeit" zu dem Schluss, dass dies ein "Alibi-Programm" sei. Bereits vor einem Jahr hatten die Innenminister beschlossen, die Finanzquellen der Neonazis aufzuspüren. Die Analysen der Länderminister haben ergeben, dass 64 Prozent des NPD-Haushalts vom Steuerzahler in Folge des Parteiengesetzes finanziert werden. Allein im Jahr 2006 bezahlten die Steuerzahler der NPD mehr als 1,3 Millionen Euro. Denn für jede gültige Zweitstimme erhält die NPD vom Staat 70 Cent. Hinzu kommen 38 Cent für jeden Euro, den die Partei aus Spenden oder Mitgliedsbeiträgen einnimmt. In Sachsen bekommt die NPD-Landtagsfraktion 1,3 Millionen Euro für Büro- und Personalkosten, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit sowie natürlich die Diäten der Abgeordneten. Die Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern erhält 600 000 Euro. Diese Mittel werden einer Partei, die weder verboten noch aufgelöst wurde, aufgrund der bestehenden Gesetze kaum zu nehmen sein.
Was NPD-nahe Stiftungen angeht, stellt Seils in der "Zeit" fest, dass es bislang keine NPD-Stiftung gibt, der man den Geldhahn zudrehen könnte. Im Umfeld der sächsischen NPD gebe es das "Bildungswerk für Heimat und nationale Identität", die jedoch keine staatlichen Zuschüsse erhält, denen zudem der Landtag zustimmen müsste. Auch die DVU in Brandenburg habe für ihre Bildungsarbeit bisher keine staatlichen Zuschüsse, wie von ihr gefordert, erhalten. Ob derartiges Verhalten allerdings Bestand haben wird, ist aufgrund der bisher geltenden gesetzlichen Regelungen nicht sicher. Denn wenn NPD oder DVU zum dritten Male hintereinander die Fünf-Prozent-Hürde bei einer Landtagswahl überspringen, ist aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Parteiengesetzes eine staatliche Förderung zu gewähren - Innenminister hin oder her ...
Seils kommt in der "Zeit" zu dem Schluss, dass "die finanziellen Folgen eines gemeinsamen Vorgehens der Länder gegen rechtsextreme Vereine sowieso nicht sehr groß sein" werden. Selbst die Länderinnenminister hätten ermittelt, dass "die finanziellen Ressourcen in diesem Bereich von den Verfassungsschutzbehörden für unbedeutend gehalten" werden. Daher sei der Beschluss "vor allem Symbolik, weil die Politik die Hauptquelle der NPD nicht unterbinden kann: die staatliche Parteienfinanzierung. Solange die NPD nicht verboten ist, hat sie einen Anspruch darauf wie jede andere Partei behandelt zu werden."
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), hat eine klare Position bezogen: "Die NPD ist ausländerfeindlich, rassistisch, antisemitisch und aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestellt, jedes vierte Mitglied des Bundesvorstands war früher ein gewaltbereiter Neonazi - deshalb halte ich ein Verbot für wünschenswert."
Edathy hält daher die von der Innenministerkonferenz angekündigten Schritte gegen die NPD für nicht ausreichend. "Es gibt diverse rechtsextremistische Vereinigungen, denen man sofort das Handwerk legen muss", sagte er der "Osnabrücker Zeitung". Der Bundesinnenminister und die Länderinnenminister hätten die Möglichkeit, neonazistische Organisationen nach dem Vereinsrecht unverzüglich aufzulösen. "Davon sollten sie rigoros Gebrauch machen."