Acht- oder 10-spurige Highways durchziehen die Stadt: Guangzhou wandelt sich schneller, als Karten gedruckt werden koennen.
Dass die Stadt Guangzhou ihr Gesicht schnell wandelt, schrieb ich schon – jedes Jahr kommen neue Straßen, U-Bahn-Linien und Hochhäuser hinzu, und die Straßenkarten werden so schnell unbenutzbar, wie sie gedruckt werden. Was den Menschen, die tagtäglich hier leben, wohl kaum so auffällt, ist für mich bzw. jeden, der einige Zeit nicht hier war, umso auffälliger. Durchschnittlich 20 Jahre stehen die Gebäude, danach kommt das Abrisskommando: statt ihrer werden neue, höhere und modernere Wolkenkratzer errichtet. Die typischen, in den 80ern errichteten Wohnblocks mit ungefähr fünf Etagen verschwinden nach und nach aus dem Stadtbild. Das neue Guangzhou hat 30 oder 40 Etagen, Glasfassaden und avantgardistische Formen.
Doch auch das alte Straßenbild findet man noch: Ma-Jong-Spieler in engen Altstadtgassen, unter freiem Himmel arbeitende Friseure, Näherinnen und Händler, die allerlei Trödel oder Nahrungsmittel erkaufen; lebendige Tiere auf den Märkten, Qi-Gong-praktizierende Rentner in den städtischen Parks: Gemütlich und langsam fließt das Leben nur zwei, drei Parallelstraßen neben den Hauptgeschäftszonen. Hier kann man ein Gefühl dafür bekommen, wie das Leben in China einige Jahrzehnte früher ausgesehen haben muss.
Der Stadtteil von Guangzhou, in dem ich mich derzeit aufhalte, zählt sicherlich zur engeren Innenstadt – internationale Hotels, riesige Geschäfte, 40-stöckige Wohn- und Geschäftshäuser dominieren das Stadtbild. Noch vor 20 Jahren (!) gab es hier nur Reisfelder und kleine Dörfer, der Weg in die damalige Innenstadt war eine kleine Reise... heute wird gerade die sechste U-Bahn-Linie fertiggestellt. Acht sind fertig oder noch im Bau, 11 sind geplant – der Bau der allerersten Linie begann erst vor wenigen Jahren. Als ich vor zwei Jahren hier war, fuhren gerade zwei Linien der „Metro“ von Guangzhou. Und jetzt hat man Probleme, die U-Bahn-Karte zu lesen. Zu viele neue Stationen und Linien sind hinzu gekommen.
10.09. bis 19.10.2007: eine Reise durch die VR China
Vom 10. September bis zum 19. Oktober bereise ich die Volksrepublik China - und auch über die zweite große China-Reise werde ich (nach technischen Möglichkeiten), ähnlich wie vor zwei Jahren, auf secarts.org multimedial berichten: mit regelmäßigen Artikeln, Bildern und Impressionen aus diesem großen Land, vom Aufbauwerk seiner Menschen und dem Eintritt in eine - selbstbestimmte - Moderne für 1,4 Milliarden Menschen. Ein besonderes Reiseziel innerhalb Chinas ist die Autonome Region Tibet, die mit der vor einem Jahr neu eröffneten Eisenbahn bereist werden wird: Dieses technische Wunderwerk, auf Permafrost und eine Höhe von ~ rund 4000 bis 5000 Höhenmetern erbaut, macht erstmals in der Geschichte Tibets einen regelmäßigen Austausch von Menschen, Industrie und Konsumgütern mit dem restlichen China möglich, und wird so die Modernisierung des dünn besiedelten und früher schwer erreichbaren Gebietes beschleunigen. Durch die neuen technischen Möglichkeiten, Internet und digitale Medien, ist eine "Live"-Berichterstattung möglich geworden - und so hoffe ich, meine Freunde und Leser mit auf die Reise nehmen zu können!
Die Qinghai-Tibet-Bahn (Qingzang-Bahn, chin. qing zà ng tielù), ist eine Eisenbahnstrecke in der Volksrepublik China. Sie verbindet die Provinz Qinghai mit der Hauptstadt Lhasa des Autonomen Gebietes Tibet. Mit einem Scheitelpunkt von 5.072 Metern ist sie die höchstgelegene Bahnstrecke der Erde und hat auf 5.068 Metern mit Tanggula auch den höchsten Bahnhof der Welt. In Höhen von mehr als 4.000 Metern verlaufen rund 960 der 1.956 Streckenkilometer. Die Reise von Golmud in der Provinz Qinghai nach Lhasa dauert zwölf, von Beijing aus 48 Stunden.
Damit ist die Lhasa-Bahn, deren bautechnische Fertigstellung im Oktober 2005 verkündet wurde, das bisher größte Eisenbahnbauprojekt des 21. Jahrhunderts. Der technische Probebetrieb begann Anfang Februar 2006, der offizielle Eröffnungszug verließ Peking am 1. Juli 2006, dem 85. Gründungstag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), und erreichte Lhasa am 3. Juli 2006. Im August 2006 ist die Strecke in den Regelbetrieb übergegangen.
Die Strecke beginnt in Golmud, Endpunkt der in den 1980er Jahren fertiggestellten, 814 Kilometer langen Strecke aus Xining, der Hauptstadt der Provinz Qinghai. Sie führt über die kleinen Orte Budongquan, Wudaoliang, Tuotuoheyan (Gemeinde Tanggulashan) zum 5.220 Meter hohen Tanggula-Pass. An dieser Stelle befindet sich ein Tunnel auf einer Höhe von 5.072 Metern, der den Scheitelpunkt der Strecke und den Übergang ins Autonome Gebiet Tibet darstellt. Wie schon zuvor führt die Strecke zunächst weiter durch die tibetische Hochebene, bis sie nach Damxung ins Tal des Flusses Doilung Qu absteigt und schließlich in Lhasa endet.
Mit Google EarthT lassen sich einzelne Ziele der Reise via Satellitenbild ansehen: im Folgenden sind einige Städte verlinkt. Vorraussetzung zum Anschauen ist die Installation des Gratis-Programms Google EarthT, welches hier zum Download steht. Es ist für Windows (2000, XP, Vista), Mac OS X (ab 10.3.9) und Linux verfügbar; und mit Linux-Emulation auch unter BSD-Derivaten lauffähig. Die Links sind im KML-Format gespeichert und lassen sich mit Google EarthT öffnen.
Mount Everest (Grenze zwischen der VR China und Nepal)
Dieses enorme Wachstum hat auch Schattenseiten. Das „Business“, welches die Wohnräume der Erdgeschossetage in Geschäfte verwandelt hat, macht die Stadt laut, anstrengend und quirlig – zu quirlig, manchmal. Als „fremder Teufel“ durch die Fußgängerzone von Guangzhou gehen, das heißt: alle drei Minuten kommt ein aufdringlicher Verkäufer aus einem Laden gestürmt, baut sich mit farbiger Produktliste im Weg auf und versucht, bevorzugt nachgemachte Rolex zu verhökern: „Watch! Watch! Look! Look!!“… zunächst versuchte ich, mit abwehrendem Handgewedel der Belästigung Herr zu werden; später entdeckte ich einen weitaus effektiveren Trick: die Digitalkamera zücken und den Verkäufer in’s Visier nehmen – prompt zogen die Männer ihres Weges – warum, das ist mir bis jetzt nicht klar geworden: sei es, weil sie sich für wenig fotogen hielten, sei es, weil ihr Gewerbe höchstens halblegal ist und der fotographische Beweis ihrer Tätigkeit gefürchtet wird… Wie auch immer: die Methode funktioniert.
Ich bin jetzt noch genau zwei Tage hier in Guangzhou; danach wird es wiederum einen Zivilisationsschock geben: zunächst geht es per Flugzeug nach Xining, Provinzhauptstadt von Qinghai, und vor dort über Golmud per Qingzang-Eisenbahn nach Tibet. Ich bin gespannt, was mich dort erwarten wird – zumindest wird es ein neuerlicher Wechsel werden, was das Lebensniveau, die Mentalität und die Infrastruktur anbelangt.
Anmerkung: ich bediene mich sowohl auf der Karte als auch in den Artikeln der offiziellen chinesischen Pinyin-Umschrift, die vielfach von der hierzulande bekannten, allerdings überholten Umschrift abweicht. "Guangzhou" ist gleichbedeutend mit "Canton", "Beijing" mit "Peking" und so weiter. Wenn einmal ein Wort nicht verständlich ist, bitte gleich in den Kommentaren nachfragen!
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Na, das klingt doch sehr fein. Freue mich schon auf weitere Berichte und Bilder.
Kommentar zum Artikel von secarts:
Montag, 17.09.2007 - 09:11
Hallo, zusammen,
viele Gruesse aus Xining aus Nordwestchina! Konnte doch gleich ins Web, und nutze dies natuerlich gerne kurz, um Bescheid zu geben: der Flug war OK., Xining ist kuehl (Nachts +1 Grad, tagsueber so 15 Grad) und staubig... und vom Feeling her ist man schon auf einem orientalischen Basar an der Seidenstrasse: Tibeter, Hui (Moslems) mit typischem Kaeppchen und Fez, ein buntes und lautes Gemisch... sehr unterhaltsam!
So - jetzt werde ich mir wohl erstmal das erste "Lhasa-Beer" reinziehen, das es hier schon gibt, und dazu Lamm essen!
Vielleicht folgt heute oder morgen ein laengerer Artikel aus Xining!
Gruss, euer secarts
Kommentar zum Artikel von secarts:
Sonntag, 16.09.2007 - 14:28
hallo zusammen,
ich melde mich nochmal aus Guangzhou, bevor es auf meiner Tour weitergeht: morgen in aller Fruehe springen wir in den Flieger und landen dann zwei Stunden spaeter in Xining, der Hauptstadt der Provinz Qinghai. Und dort bleiben wir einige Tage, bis es mit der Eisenbahn nach Lhasa geht!
Ich gehe davon aus, mich aus Xining melden zu koennen... garantieren kann ich das natuerlich nicht. Es kann also durchaus einige Tage dauern, bis ich mich wieder melden kann!