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Von secarts

Die NDR-Fernsehansagerin Eva Herman, die seit geraumer Zeit mit ihren ewiggestrigen Ideen zur Rolle der Frau (bevorzugt am Herd), zu den Ursachen der Kriminalität (Krippenerziehung in der ehemaligen DDR) und zum Sinn des Lebens (Kinder kriegen, Kerzen anzünden und Plätzchen backen für Frauen, für Männer alles andere) durch Presse und Talkshows mäandert, hat sich wieder in die öffentliche Präsenz katapultiert: nachdem bereits ein (unter Druck später abgesagter) Auftritt vor der rechtsextrem-deutschvölkischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) für - unverständliches - Erstaunen sorgte, macht Frau Herman nun auch im historischen Gewerbe. Im Dritten Reich, diesen Spruch kennen wir, sei ja viel schlecht gewesen... "zum Beispiel Adolf Hitler". Aber: "einiges [war] auch sehr gut, zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter."

Als ich vor rund einem Jahr zu Herman und den in ihrem Traktat "das Eva-Prinzip" dargelegten reaktionären Ansichten zu Frau und Familie mein Schärflein beitrug und diesen Artikel neckischer Weise mit einer Abbildung des NS-"Mutterkreuzes" garnierte, war mir - zugegebener Maßen - nicht ganz wohl bei dieser Illustration. Geht das nicht etwas weit? Steht man gleich im Ruche brauner Ansichten, wenn man, als Frau, irgendwie nicht recht klar kommt mit den modernen Zeiten, den ganzen Freiheiten, den Möglichkeiten? Darf frau sich nicht an den Herd zurücksehnen, wenn ihr das behagt, ist allein das schon wie damals, mit den Nazis? Doch wie so oft, auch hier: die Realität ist gnadenloser als jede Polemik und drückt die Halbwertszeit derselben in atemberaubendem Tempo. Das Mutterkreuz neben Hermans Elaboraten ist mehr als richtig plaziert gewesen, niemand anders als Frau Herman höchstselbst lässt es verlauten: die "Wertschätzung" der Mutter, genau darum und um nichts anderes ging es den deutschen Faschisten ja bekanntlich. Muttertag, Mutterkreuz, Kinder kriegen für den Krieg. Schade nur, das Adolf Hitler dazwischen rumtoben musste, mit diesem albernen Bärtchen. Sonst wär's nicht mal so übel gewesen...

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...wenn nur der Hitler nicht gewesen wäre! Das reaktionäre Frauenbild war eminenter Bestandteil des Faschismus.
Eigentlich fällt mir nicht mehr viel ein zu Frau Herman. 60 Millionen Kriegstote, Millionen Mütter, die ihre Kinder in einem sinnlosen Krieg verheizt sehen mussten, zig Tausende verdummte und von vorne bis hinten belogene Menschen in Deutschland, denen eingetrichtert wurde, dass es um die Ehre der "deutschen Mutter" und der "deutschen Heimat" ginge, als man zum Raub- und Mordzug gegen Polen, Sowjetbürger, Franzosen, Juden, Sinti und Roma auszog - die NS-Frauenpolitik war nur ein Rädchen im Getriebe, aber ein Nötiges. Dies alles genügt noch nicht?

Die Frauenpolitik des deutschen Faschismus zu legitimieren bedeutet - ob gewollt oder nicht ist hierbei höchstgradig irrelevant - zwangsläufig, auch die Intention dieser Politik zu legitimieren. Entsprang das reaktionäre Verständnis von dem, was eine Frau zu tun und zu lassen hat ("die deutsche Frau raucht nicht!", "die deutsche Frau schminkt sich nicht"...) der Vorstellungswelt verstockter und verklemmter Gehirne eines kleinbürgerlichen Pfaffen- und Muckertums, das im deutschen Faschismus Gestaltungsdominanz über Kunst, Kultur und Literatur errang, richtete sich die Intention nur auf Eines: die Frau zur unselbständigen Reichsgebärmaschine zu degradieren, die für Nachwuchs an Kriegern und Kolonialisatoren zu sorgen hatte. Nachdem in den zwanziger Jahren, forciert durch die Arbeiterbewegung, in allen Klassen der Weimarer Republik ein befreiender Wind in die muffige Vorstellungswelt der patriarchalischen Gesellschaft Einzug gehalten hatte, mussten die faschistischen Demagogen vielfältigste Register ziehen, um sich zunächst ideologisch der Köpfe - nicht zuletzt derer der nun endlich auch wahlberechtigten Frauen - zu bemächtigen. Mit Zwang alleine wäre weder die Mehrheit der Bevölkerung zu gewinnen gewesen, noch die Frau zurück an den Herd gebracht worden.

Der Appell an durch jahrtausendelanges Patriarchat zementierte Verhaltensmuster, das Wecken irrationaler und mystischer Sehnsüchte des zu Unselbstständigkeit und lustvoller Unterwerfungshaltung gedrillten weiblichen Bevölkerungsteils glich im Wesentlichen dem, was uns Frau Herman heute mit poppiger Aufmachung als "modern" und als "Tabubruch" verkaufen will: die Angst des Menschen vor der entfremdeten, individualisierten Gesellschaft, die Orientierungslosigkeit in einer als asozial empfundenen Umgebung und die drohende Pauperisierung durch Hartz IV und Langzeitarbeitslosigkeit, die Frauen - wir haben eben Patriarchat - immer härter trifft als Männer: als alleinerziehende Mutter, als (noch deutlicher) unterbezahlte Lohnabhängige, als doppelt und dreifach Beladene...

Die "originär weibliche Bestimmung", die Herman entdeckt zu haben glaubt und die im Wesentlichen aus freiwilligem Rückzug vom Arbeitsmarkt, genußvoller Unterwerfung unter den Gatten und individueller Verblödung bei sinnlosen Reproduktionstätigkeiten (O-Ton Herman: "das Haus heimelig machen, schöne Kerzen platzieren (sic!), Blumen aufstellen und Apfelkuchen backen") besteht, ist die Bestimmung des unmündigen, fremdbestimmten Menschen. "Lieber tot als kein Sklave", hat Karl Krauss dieses paradoxe Verhalten treffend genannt. Es ist dies weniger "angeborene Mentalität", wie Herman postuliert, sondern vielmehr Ergebnis einer höchst effektiven Abrichtung, die Jungs zur Modelleisenbahn und Mädels zur Barbiepuppe zieht, Frauen "mehr Kommunikationsfähigkeit" und "Einfühlsamkeit" vermittelt und jungen Männern die Freiheiten zum "Austoben" und "Rumprobieren" gibt, wo identisch handelnde Mädchen sofort zur "Schlampe" gemacht werden. Immer noch. Denn dort hat sich, Frau Herman könnte eigentlich kündigen, gar nichts Wesentliches geändert. Die Rollenmuster sind nach wie vor intakt, und ein üppiger Markt an Ratgeber- und Verdummungsliteratur bedient all die angeblich "natürlichen" Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die zu mangelnder Einparkfähigkeit bei XX-, und schlechtem Zuhörvermögen bei XY-Geborenen führen...

Dass all dies rein biologisch betrachtet der gröbste Unfug ist, muss wohl kaum ausgeführt werden. Es gibt keine menschlichen Gene oder geschlechtsspezifisch determinierten Eigenschaften, die Frauen sanftmütig, geschwätzig, besonders kinderlieb und friedfertig, Männer hingegen viril, grob, unkommunikativ und latent aggressiv machen. All dies ist Ergebnis von jahrtausendealter Rollenprägung, die so tief - in jedem von uns - drinsteckt, dass der Trugschluß der Angeborenheit noch irgendwie plausibel erscheinen mag. Nur noch unnachvollziehbar und im Spiegel ihres persönlichen Lebensweges geradezu grotesk mutet der anachronistische Vorschlag Hermans an, dass diesen Rollenklischees in letzter Konsequenz entsprochen werden müsse, um zu persönlichem Glück und Frieden zu finden - die selbst dreifach geschiedene Karrierefrau (den Ehemännern das Heim "so gemütlich einrichten, dass es eine Zuflucht" ist, so Hermans Vorschlag), erst mit vierzig (Herman: der ideale Zeitpunkt für die lieben Kleinen liege jedoch "viel früher, als es heute meist passiert") und dann nur einmal schwanger ("fünf Kinder" sind für sie die Mindestgrenze weiblicher Verwirklichung...), arbeitet sich hemmungslos an ihrer als gescheitert empfundenen Lebensplanung ab und drechselt daraus Allheilmittel.
"Niedersächsisches Familienidyll auf Speed" wurde das gesellschaftliche Wunschbild von Ursula v. d. Leyen, der zweiten deutschen Karrierefrau, die den Wert der Familie in solch stürmischer Zeit wie der unsrigen hochhält (und die - Herrschaftszeiten! - gegenüber Eva Herman souverän die reinste Kampfemanze markieren könnte!), in der "konkret" mal genannt. Eva Hermans Familienidyll ist auf Wodka-Valium à la Hausfrauenart; und dazu gibt's weiblich-artgerechte Beschäftigungstherapie mit Windowcolor-Painting.

Das wirklich Schlimmste ist, dass genau diese Stereotypen - die angeblich biologisch fundierte Ungleichheit (und vor allem Ungleich-wertigkeit) der Geschlechter, die "angestammten" Verhaltensmuster, die "natürlichen Bestimmungen" - auch heute, immer noch, wie 1933, auf unbewußte und irrationale Strömungen im modernen Menschen treffen werden, die für solches Gewäsch anfällig machen. Der arbeitslosen Frau das häusliche Glück als höchstes Ziel zu verkaufen, der alleinerziehenden Lohnabhängigen die "Überforderung" der weiblichen Seele mit der entfremdeten Tätigkeit vorzukauen, der tagtäglichen Hatz um's nötige Kleingeld zum Leben das heimelige Tranquilizer-Dasein als hegende und pflegende Gattin im häuslichen Arrest entgegenzustellen -
Die Grundkonstanten sind wieder da: Massenarbeitslosigkeit, "zu wenig deutsche Kinder", wehleidiges Bejammern der "aussterbenden deutschen Familie", der Schrei nach militärischen Raubzügen um die Welt, wenn auch diesmal aus rein "humanitären" Motiven...

Deutschland hat wieder eine Mission, und Deutschland braucht wieder Gebärmaschinen. Nicht alles, da sind sich Herman und viele andere, die man nicht so laut hören muss, einig, war im "Dritten Reich" schlecht. Die Autobahnen. Die Ehrung der deutschen Mutter. Der Stammtisch darf ergänzen: Die Größe und der Stolz der deutschen Nation. Die Ehre der Waffen-SS. Vielleicht auch das mit den Juden.

Never ending Muttertag. Geschichte ereignet sich zweimal, bemerkte Hegel mal irgendwo. Marx ergänzte: Ja, aber das erste Mal als Tragödie. Das zweite Mal als Farce.

 
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  Kommentar zum Artikel von Lars:
Sonntag, 09.09.2007 - 21:14

das war wohl nun doch etwas zuviel für den NDR, was die Nazi da abgezogen hat. Es zeigt sich, Faschismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft ! Egal, ob sie sagen:
"Es war nicht alles schlecht an Hitler, das mit den KZs hätte er nicht tun dürfen" (Standardvariante)
oder
"Es war nicht alles schlecht, das mit den Autobahnen hätte er nicht tun dürfen" (grüne Variante)
oder eben
"Es war nicht alles schlecht, nur Mutterkreuze hätte es nicht schon ab drei Kindern geben dürfen" (Variante Herman)


  Kommentar zum Artikel von Stephan:
Sonntag, 09.09.2007 - 16:21

ach einer umstrittenen Äußerung von Eva Herman im „Bild am Sonntag“ trennt sich der Norddeutsche Rundfunk (NDR) von seiner Moderatorin. Im „Bild am Sonntag“ wurde die Autorin und Fernsehmoderatorin unter anderem mit dem Satz zitiert „im Dritten Reich sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter.“

In einer Stellungnahme zu dem Zitat sagt der NDR, dass er die Zusammenarbeit mit Eva Herman mit sofortiger Wirkung beendet. Volker Herres, NDR-Programmdirektor Fernsehen, sagte: „Frau Hermans schriftstellerische Tätigkeit ist aus unserer Sicht nicht länger vereinbar mit ihrer Rolle als Fernsehmoderatorin und Talk-Gastgeberin. Dies ist nach ihren Äußerungen anlässlich einer Buchpräsentation in der vergangenen Woche deutlich geworden.“
Am Wochenende hatten mehrere Zeitungen berichtet, dass Eva Herman bei der Vorstellung ihres neuesten Buches in Berlin den Umgang der Nationalsozialisten mit Werten wie „Kinder, Mütter, Familie, Zusammenhalt“ als „das, was gut war“ bezeichnet habe. Dem NDR gegenüber bestätigte Eva Herman am Sonntag ihre dazu in der „Bild am Sonntag“ zitierte Aussage, wonach „Werte wie Familie, Kinder und das Mutterdasein, die auch im Dritten Reich gefördert wurden, anschließend durch die 68er abgeschafft wurden. Vieles, was in dieser Zeit hochgehalten wurde, wurde danach abgeschafft.“
Auftritt bei der rechtspopulistischen FPÖ geplant
Programmdirektor Herres weiter: „Leider ist es nicht der erste Vorfall dieser Art. Auch Frau Hermans geplanter Auftritt bei einer Unterorganisation der rechtspopulistischen FPÖ, den sie erst nach Intervention absagte, war ein solches Missverständnis.“
Anlässlich dieses Beinahe-Auftritts hatte der Sender die Moderatorin im März eindringlich gebeten, alle Handlungen und Äußerungen zu unterlassen, die geeignet seien, ihr öffentliches Bild als Talk-Moderatorin und damit auch das des NDR zu beschädigen. Zugleich war Eva Herman darauf hingewiesen worden, dass eine klare Trennung zwischen ihrer Arbeit als Talk-Moderatorin und als Buchautorin unabdingbar sei, hieß es in der Pressemitteilung des NDR weiter.
Stattdessen sei es jedoch immer wieder zu Vermischungen gekommen. So habe Eva Herman, die beim NDR bisher als freie Mitarbeiterin tätig gewesen ist, in der vergangenen Woche am Rande der Internationalen Funkausstellung in Berlin die Kirchen zu einer stärkeren Präsenz in Talk-Shows aufgefordert, um zum „Auftrag von Mann und Frau“ Stellung zu nehmen.
„Äußerungen wie diese wirken polarisierend. Das Ergebnis spürt unsere Redaktion: Gäste sagen ihren Auftritt bei 'Herman und Tietjen' ab oder stehen von vornherein nicht zur Verfügung. Einer solchen Entwicklung können wir nicht tatenlos zusehen. Frau Herman steht es frei, ihren 'Mutterkreuzzug' fortzusetzen, aber mit der Rolle einer NDR-Fernsehmoderatorin ist dies nicht länger zu vereinbaren“, sagte Programmdirektor Herres.
Er kündigte an, die Besetzung beider Freitagabend-Talkformate – neben „Herman und Tietjen“ aus Hannover also auch der „NDR Talk Show“ – komplett neu zu überdenken. In der vergangenen Woche hatte Jörg Pilawa im Einvernehmen mit dem NDR erklärt, sein Engagement bei der „NDR Talk Show“ spätestens im kommenden Jahr niederzulegen.
Kritik an Hermans Äußerungen auch von Hamburgs Grünen
Die Grünen-Politikerin Julia Seeliger sagte: "Wer wie Eva Hermann derart penetrant die Bevölkerungspolitik der Nazis lobt, ist als Mitarbeiterin eines öffentlich-rechtlichen Senders nicht länger tragbar.“ Schon die in ihrem vorigen Buch "Das Eva-Prinzip" vertretenen Thesen könnten nur in eine Ecke mit der Nazi-Bevölkerungspolitik gestellt werden, so Seeliger.

aus der Springerpostille Welt-online
http://www.welt.de/fernsehen/article1170135/NDR_trennt_sich_von_Moderatorin_Eva_Herman.html [externer link]


  Kommentar zum Artikel von klemens:
Sonntag, 09.09.2007 - 16:02

Wie ich soeben gelesen hab hat der NDR jetzt Eva Herman gefeuert, wegen ihres "Mutterkreuzzuges".