BERLIN/PARIS (08.08.2007) - Deutsche Unternehmen setzen ihren seit Jahren anhaltenden globalen Aufschwung auf Kosten europäischer Konkurrenten fort. Grundlage der Erfolge sind ungebrochen steigende Exporte. Während die Ausfuhren französischer, italienischer und spanischer Firmen unter der Euro-Stärke leiden, nehmen deutsche Unternehmen den geschwächten südeuropäischen Mitbewerbern Marktanteile ab. Pariser Proteste seien "ohne jede Chance", heißt es in Berlin über Bemühungen von Staatspräsident Nicolas Sarkozy, den Euro zum Schutz der französischen Wirtschaft politischer Einflussnahme zu unterwerfen. Politischen Einfluss nimmt Berlin hingegen zur Abschottung der deutschen Wirtschaft gegen Übernahmen aus Russland und der Volksrepublik China. Entsprechende Abwehrmechanismen sind Gegenstand einer Klausurtagung der Bundesregierung, die für Ende August angekündigt ist. Die dort zu beschließenden Schritte müssten EU-weit übernommen werden, um die Konkurrenzvorteile deutscher Firmen nicht zu gefährden, verlangt Berlin. Deutschland stellt inzwischen ein Sechstel der 50 weltgrößten Konzerne.
GewinnplusDie deutschen Großkonzerne erwarten für dieses Jahr erneut steigende Gewinne. Nach Berechnungen des Finanzdatenspezialisten Factset/JCF werden die im Deutschen Aktienindex (Dax) verzeichneten 30 größten Unternehmen ihren Nettogewinn 2007 um durchschnittlich mindestens zwölf Prozent steigern und damit das sechste Jahr in Folge prozentual zweistellig zulegen.
1 Mit diesem Plus stehen Deutschlands Konzerne unter den großen Industrieländern auf Platz eins, deutlich vor ihren Konkurrenten im übrigen Europa und in den USA, die mit einem Gewinnplus von nur knapp acht Prozent rechnen können. "
Die Konjunktur spielt Deutschland ganz besonders in die Hände", schreibt die Wirtschaftspresse.
2 Davon profitiert auch der deutsche Staat: Für das erste Halbjahr gibt das Finanzministerium einen Anstieg der Steuereinnahmen des Bundes um 18,4 Prozent bekannt. Die staatlichen Gesamteinnahmen wuchsen mit 14,4 Prozent fast doppelt so stark wie erwartet.
3Auf Kosten EuropasAuch die Ausfuhren des Exportweltmeisters Deutschland steigen weiter an und führen zu einem neuen Rekord beim Außenhandelsüberschuss.
4 Trotz schwieriger Rahmenbedingungen - das Öl wird teurer, der Euro und die Zinsen steigen - halten die Experten im Wirtschaftsministerium die Rahmenbedingungen für Deutschland "
nach wie vor (für) günstig", ganz im Gegensatz zu Frankreich, Italien oder Spanien, deren Unternehmen unter dem starken Euro leiden. Zwar könne sich der Höhenflug der Währung mittelfristig auch auf deutsche Exporteure nachteilig auswirken, geben die Fachleute zu, erkennen jedoch überwiegend neue Chancen: Die deutschen Unternehmen könnten dank ihrer größeren Wettbewerbsfähigkeit Marktanteile von den unter Druck stehenden europäischen Konkurrenten hinzugewinnen. "
Ein Teil der deutschen Exporterfolge geht so gesehen auf Kosten der anderen", schreibt die Deutsche Bank: "
Für viele Südeuropäer ist die Schmerzgrenze längst überschritten (...). Das dürfte für innereuropäische Spannungen sorgen."
5Euro-AußenrepräsentantTatsächlich schwelt schon längst ein heftiger Streit über die europäische Wirtschaftspolitik - vor allem mit Frankreich. Der neue Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat die für Deutschland nützliche Euro-Stärke bereits mehrfach kritisiert und drängt auf Korrekturen. Ein Nachgeben der Bundesregierung gilt aufgrund der Chancen für deutsche Firmen, sich auf Kosten der europäischen Konkurrenten zu bereichern, als völlig ausgeschlossen. Sarkozys Verlangen nach stärkerer Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik könne allenfalls in der Euro-Außenrepräsentanz entsprochen werden, schreibt die Wirtschaftspresse. "
Die 13 Euro-Mitgliedsstaaten sind jeder für sich Mitglied im Internationalen Währungsfonds", heißt es
6: "
Zusammen haben sie 23 Prozent aller Stimmen, mehr als die Amerikaner mit 17 Prozent. Aber sie sind längst nicht so mächtig." Derselbe Einflusswunsch trifft auch andere "
internationale Gruppen wie die G7", in denen deutsche Firmeninteressen gegen US-Pläne konkurrieren: "
Das Euro-Gebiet braucht dringend einen Außenrepräsentanten (...), einen Solana für die Wirtschaftspolitik".
GeschmolzenDabei startet die US-Konkurrenz ohnehin nur mit gemischten Aussichten in die zweite Jahreshälfte. Nach Jahren mit prozentual ebenfalls zweistelligen Gewinnsteigerungen hat sich das US-Wachstum vor allem im eigenen Land spürbar abgeschwächt. Wall-Street-Analysten rechnen für die 500 im Börsenindex S and P abgebildeten Firmen nur noch mit einem durchschnittlichen Ergebnisplus von 4,4 Prozent. Damit sind sie den europäischen Großkonzernen unterlegen, die mehr als die Hälfte ihrer Waren exportieren und daher in besonderem Maße vom Aufschwung der Weltwirtschaft profitieren.
7 Zwar behaupten US-Firmen bislang ihre führende Position unter den 50 umsatzstärksten Unternehmen weltweit, doch schmilzt ihre einstige Dominanz dahin. Während die Vereinigten Staaten 2002 noch knapp die Hälfte der globalen Spitzenkonzerne stellten, sind es heute nur noch 15. Deutschland hingegen stellt jetzt mit acht Konzernen unter den "Top 50" - statt mit nur sechs wie noch vor fünf Jahren - mehr als jedes andere europäische Land und überholt Japan, das es auf sechs Spitzenunternehmen bringt.
8 Während alle Top-50-Konzerne ihren Umsatz im Durchschnitt um elf Prozent steigern konnten, kommen die acht deutschen Firmen unter ihnen auf 15 Prozent. Noch stärker ist die Diskrepanz beim Nettogewinn; hier verzeichnen die Deutschen mit durchschnittlich 26 Prozent doppelt so viel wie die Gesamtheit.
AblösungSorge bereitet der aufstrebenden deutschen Wirtschaft allerdings die noch dynamischere Aufholjagd der großen ehemaligen Planwirtschaften Chinas und Russlands, deren Staatskonzerne schneller als erwartet an die Weltspitze vorrücken.
9 Die Volksrepublik China, vor acht Jahren noch die siebtgrößte Wirtschaftsnation der Erde, überholte mit ihrer Wirtschaftsleistung nach Italien und Frankreich auch Großbritannien und dürfte noch in diesem Jahr Deutschland, die bislang drittgrößte Wirtschaftsnation, überflügeln.
10 Zudem wird sie im kommenden Jahr die Bundesrepublik als Exportweltmeister ablösen. Die deutsche Wirtschaft tröstet sich noch damit, dass fast 60 Prozent aller Ausfuhren Chinas von Unternehmen mit deutscher Beteiligung getätigt werden; über diesen Umweg profitieren auch deutsche Firmen vom Boom der chinesischen Wirtschaft.
11SchutzbedürftigDennoch hält Berlin umfangreiche Maßnahmen für nötig, um die russische und die chinesische Konkurrenz auf Dauer in Schach zu halten, und plant zum Schutz deutscher Firmen vor Übernahmen aus Moskau oder Beijing eine Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes. Dieses beschränkt schon jetzt die Möglichkeiten ausländischer Investoren, deutsche Rüstungsunternehmen und deren Zulieferer zu kaufen.
12 Nach einer längeren Debatte über Abwehrmechanismen gegen ausländische Kapitalgesellschaften
13 erklärte Finanzminister Peer Steinbrück, die Bundesregierung werde dafür sorgen, dass deutsche Unternehmen der Sektoren "
Telekommunikation, Banken, Post, Logistik und Energie im Inland wie im Ausland erfolgreich sind".
14 Steinbrücks Äußerung wird als Hinweis auf die Branchen verstanden, auf die Berlin die Schutzbestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes ausweiten will. Ein von Kanzleramt, Finanz- und Wirtschaftsministerium erarbeitetes Konzept ist Grundlage für die Regierungsklausur am 23. und 24. August, auf der über das Vorhaben entschieden werden soll; ein entsprechender Gesetzentwurf ist noch für dieses Jahr angekündigt.
15Europäische LösungUm Wettbewerbsnachteile durch etwaige abweichende Regelungen der europäischen Konkurrenz zu vermeiden, soll die EU-Kommission auf deutsches Verlangen europaweit einheitliche Schutzvorschriften durchsetzen. "
Ich habe die Sorge, dass jetzt jedes Mitgliedsland der Europäischen Union ein eigenes Gesetz machen könnte", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt und eine EU-weite Lösung zum Schutz von Schlüsselindustrien vor ausländischen Staatsfonds verlangt.
16 Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat sich des Themas bereits angenommen und sucht jetzt nach Abwehrmechanismen zugunsten europäischer Technologie- und Infrastrukturkonzerne.
17 Entscheidende Hinweise werden von den deutschen Beschlüssen erwartet, die die Bundesregierung Ende August fällen wird.
Anmerkungen:
1 Gewinne steigen. Firmen rechnen mit starkem Jahr; Handelsblatt 03.08.2007. S. auch Phantastisch
2 Deutschlands Konzerne: Höher, schneller, weiter; Handelsblatt 20.07.2007
3 Steuereinnahmen übertreffen alle Erwartungen; Die Welt 19.07.2007
4 s. dazu Überschüsse und Expansion im Ausland
5 Deutsche Unternehmen nicht zu bremsen; Die Welt 17.07.2007. S. auch Auf Kurs
6 Eine Antwort auf Sarkozy; Financial Times Deutschland 10.07.2007
7 Europäer sind Amerikanern überlegen; Handelsblatt 10.07.2007. S. auch Eine leichte Abkopplung
8 Die Top 50 der Welt: Das Zeitalter der Angreifer; Handelsblatt 30.07.2007. Deutsche Konzerne preschen vor; Handelsblatt 30.07.2007. Deutschland überholt Japan; Tagesspiegel 30.07.2007. S. auch Deutsche Weltmeister
9 Die größten börsennotierten Staatsunternehmen der Welt, Chinas Ölkonzern Petrochina und Russlands Energieriese Gasprom, werden mit 268 und 242 Milliarden US-Dollar bewertet; die größte staatliche Aktiengesellschaft des Westens, Frankreichs Strommonopol EDF, kostet am Markt 198 Milliarden US-Dollar, die schwerste deutsche Börsengesellschaft Siemens beläuft sich auf 129 Milliarden US-Dollar.
10 Neue Angst vor China und Russland; Frankfurter Allgemeine Zeitung 03.07.2007. S. auch Ãœberholspur und Weltkrieg um Wohlstand
11 Kammern rechnen mit Exportweltmeister China; Spiegel online 26.07.2007
12 s. dazu Politischer Zugriff
13 Regierung fürchtet um deutsche Konzerne; Handelsblatt 24.06.2007
14 Ausländisches Kapital raushalten. Steinbrück plant Schutzwall um Industrie; Handelsblatt 05.07.2007
15 Entwurf zum Schutz deutscher Firmen noch 2007; Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.07.2007. Schutz vor Staatsfonds wird eng begrenzt; Financial Times Deutschland 02.08.2007
16 Merkel für EU-Lösung zum Schutz vor Staatsfonds; Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.07.2007
17 EU will Firmen vor ausländischen Fonds schützen; Berliner Zeitung 20.07.2007