Unterrichtsausfall, welcher Schüler kennt das nicht, wenn die Mathelehrerin auf Klassenfahrt ist oder der Geschichtslehrer eine Grippe hat. Die hessische Landesregierung hat seit dem Schuljahr 2006/07 die sogennante »Unterrichtsgarantie Plus« (U-Plus) gestartet, sie soll dafür sorgen, dass der Unterricht immer stattfindet, auch wenn der Geschichtslehrer überarbeitet und krank zu Hause im Bett liegt. Für solche Fälle wurde einen Kreis von Leuten zusammengekratzt, die einspringen, um ebensomal den Unterricht einer Klasse fortzuführen. Diese Leute, sind als potentielle U-Plus-Kräfte registriert. Sie müssen keine ausgebildeten Lehrer sein und sie brauchen auch keine pädagogischen Qualifikationen zu haben. Es sind Hausfrauen, Rentner, Erwerbslose, Busfahrer, Studierende, Abiturienten oder auch Hausmeister. Die U-Plus-Kräfte werden von jeder Schule selber bezahlt. Sie bewerben sich an Schulen ihrer Wahl und die jeweillige Schulleitung sucht sich dann einen oder mehrere U-Plus-Kräfte aus. Die Bezahlung wird zwischen der Schulleitung und der U-Plus-Kraft geregelt. Sie ist abhängig von den vorrausgegangenen Qualifikationen der U-Plus-Kraft. Demensprechend kann sich eine Schule mit viel Geld qualifiziertere U-Plus-Kräfte leisten, als eine arme Schule, die zum Beispiel keinen fetten Förderverein im Rücken hat. Die eingestellten U-Plus-Kräfte sollen dann Vertretungsunterricht machen und die SchülerInnen auf anstehende Klassenarbeiten oder zentrale Abschlussprüfungen vorbereiten. Das ist in der Regel unmöglich! Die U-Plus-Kräfte kennen die SchülerInnen, ihre Stärken und Schwächen nicht. Sie können in einer einzigen Vertretungsstunde nicht einschätzen, was wichtiger zu behandelnder Unterrichtsstoff wäre. Genausowenig kennt die Klasse die U-Plus-Kräfte.
Unterrichtsqualität minusSchülerInnen aus einem Gymnasium in Nordhessen haben sich über den schlechten Vertretungsunterricht ihrer U-Plus-Kräfte beklagt. Die U-Plus-Kräfte sind überarbeitet, hetzen von U-Plus-Stunde zu U-Plus-Stunde und schlafen während der Unterrichtsstunde ein, während sich die Klasse langweilt oder an die Klassenarbeit denkt, die in dem ausgefallenen Unterrichtsfach trotzdem, wie unter normalen Bedingungen geschrieben werden muss.
Denn die SchülerInnen müssen trotz schlechtem oder gar keinem Unterricht Klassenarbeiten schreiben und werden genauso streng wie vorher benotet. Insbesondere SchülerInnen aus ArbeiterInnen- und Migrantinenfamilien haben schlechte Karten. Sie haben es am schwersten Unterricht, der in der Schule nicht stattfindet zu Hause nachzuholen und sich für anstehende Klassenarbeiten vorzubereiten. Weil sie sich z.B. ein Zimmer mit mehreren Geschwistern teilen müssen oder keinen eigenen Schreibtisch haben, an dem sie in Ruhe lernen können. Auch können sie sich häufig keinen Nachhilfeunterricht leisten, um all das nachzuholen, was ihnen an der Schule nicht vermittelt wird.
Kampf um BildungDas neue hessische Schulgesetz, dass u.a. die Verkürzung der Schulzeit an Gymnasien um ein Jahr und die Einführung zentraler Abschlussprüfungen beinhaltet sowie »Unterrichtsgarantie Plus« erschweren uns den Zugang zur Bildung. Das haben viele hessische SchülerInnen seit dem letzten Schuljahr am eigenen Leibe erfahren. Sie haben sich im letzten Jahr vermehrt für bessere Lernbedingungen an ihren Schulen ausgesprochen und sogar schulenübergreifende Streiks organisiert. Solche Streiks fanden in mehreren Schulen in Hessen statt, alleine vier mal an Frankfurter Schulen.
Sie wurden von den Schülervertretungen der jeweiligen Schulen in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Stadt-, Kreis- oder der Landesschülervertretung Hessen, der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) und anderen unabhängigen Jugendverbänden, sowie auch der SDAJ unterstützt.
Der Widerstand der SchülerInnen richtete sich immer gegen U-Plus, die Einführung von Studiengebühren, sowie den gesamten Kurs der hessischen Bildungspoltik, die Hessen zum »Bildungsland Nr. 1« – einer kleinen Elite machen soll.
»Masterplan 2006-2010«Um den Druck auf die SchülerInnen weiter zu verschärfen hat sich die Landesregierung noch einen “Masterplan” einfallen lassen. Dieser sieht die verstärkte Einführung von Vergleichsarbeiten und zentralen Prüfungen in allen Schulformen vor, sogar an Grundschulen. Außerdem soll jede Schule gezwungen werden U-Plus-Kräfte einzusetzen und den Unterricht vermehrt über diese Laufen zu lassen. Wenn sich Schulleiter dagegen aussprechen mehr oder überhaupt U-Plus-Kräfte einzustellen wird ihnen seitens des hessischen Kultusministeriums mit Zwangsversetzung gedroht!
Verschärfter Wettbewerb unter den SchulenOb Hauptschule oder Gymnasium, im sozialen Brennpunkt oder im Bonzenviertel - jede hessische Schule soll die gleichen Standards erfüllen. Z.B. soll es weniger Schulschwänzer und mehr SchulabgängerInnen mit Abschluß geben. Dabei wird die Schule in regelmäßigen Abständen unangemeldet kontrolliert. Wenn der sogenannte »Schul-TÜV« bei einer solchen Kontrolle feststellt, dass die Schule die Standards nicht umgesetzt hat, werden ihr die Mittel gestrichen.
Im Rahmen des »Masterplans«, wird die Struktur einer Schule umgestellt. Der Schulleiter wird in seiner Position gehoben. Er bekommt mehr Verantwortung zugeteilt, nämlich jene die Standards der Landesregierung an seiner Schule durchzusetzen. Gleichzeitig kriegt er ein wesentlich höheres Gehalt, als seine Kollegen und darf nicht mehr unterrichten. Er muss ein Leitungsteam aufbauen, das unter ähnlichen Konditionen wie er arbeitet. Es entsteht also eine Gruppe von »Führungskräften«, eine Art »Schularistokratie«,die mehr Lohn erhalten und weniger arbeiten müssen. Diese Gruppe bestimmt, wer an der Schule unterrichtet. Gleichzeitig sollen auch sie bestimmen, wofür das Geld ausgegeben werden soll.
»Eigenverantwortlichkeit« bedeutet Alleingelassen zu werdenFür den Masterplan wird häufig unter dem Titel der »eigenverantwortlichen Schule« geworben. Das bedeutet erst mal, dass die Schule noch weniger Geld aus staatlichen Quellen erhält. Sie muss sich selbst, „eigenverantwortlich“ darum kümmern, woher sie ihr Geld erhält und für was sie es ausgibt Dabei ist die Schule darauf angewiesen, Drittmittel zu beziehen und sich private Investoren oder einen fetten Förderverein zu suchen.
Schulen, deren Schüler überwiegend aus Arbeiterfamilien kommen, haben keine reichen Fördervereine. Die Familien haben so schon zu wenig Geld, was sollten sie dann noch in einen Förderverein stecken?! Gleichzeitig sind diese Schulen auch für private Investoren uninteressant. Warum sollten sie Geld und Zeit in Schüler stecken, deren Arbeitskraft sie nach einem Schulabschluss nicht gebrauchen können?
Ende offenDie Schulen müssen also selber sehen wo sie bleiben. Wie eine Schule in einem sozialen Brennpunkt, die Standards überhaupt umsetzten soll, ohne Geld und ohne Zeit und wie die Schüler einer Schule von heute auf morgen, ohne vernünftigen Unterricht, ohne Zeit und ohne lerngerechte Bedingungen zu Superschülern werden sollen, wenn ihnen Schritt für Schritt alle Bedingungen dafür gestrichen werden, diese Fragen kann der Masterplan nicht heute und auch nicht morgen beantworten!
Die hessischen SchülerInnen müssen die hessische Landesregierung unter Druck setzten sich in ihren SVen organisieren und für ihre Mitspracherechte und vernünftige Lernbedingungen für alle SchülerInnen kämpfen! Das ist die einzige Antwort!