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Von rwk

Nach 10 Streiktagen rief die IG BAU ihre Mitglieder aus Niedersachsen zu einer zentralen Streikversammlung nach Hannover. Bis dahin waren 260 Baustellen mit 1 780 Beschäftigten bestreikt worden. Über 600 Kollegen aus allen Regionen Niedersachsens versammelten sich auf dem Klagesmarkt gegenüber dem DGB-Haus - eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass es sich bei den bestreikten Betrieben durchweg um kleine Firmen handelt, in denen ein unmittelbarer Kontakt zwischen Chef und Kollegen besteht. Ohne beharrliche persönliche Überzeugungsarbeit ist es da kaum möglich, für den Streik zu mobilisieren.

In seiner Begrüßungsrede wies Klaus Wiesehügel, Vorsitzender der IG BAU, auf diese Schwierigkeit hin und bedankte sich bei den Kollegen für ihren unermüdlichen Einsatz. Er schilderte auch, mit welch rabiaten Methoden viele Unternehmen besonders in Hamburg versuchten und versuchen, den Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaft ihr Zugangsrecht zu den Baustellen zu verweigern, von der Abriegelung mit Gitterzäunen bis zum Einsatz von privaten, mit Knüppeln bewaffneten Wachschutzleuten. Lobend erwähnte er dabei das neutrale Verhalten der Polizei. (Was sonst sollte man von den Beamtinnen und Beamten in einem demokratischen Rechtstaat erwarten, zu dessen obersten Prinzipien die Koalitionsfreiheit gehört?!) Dabei gebe es massive Versuche zur Kriminalisierung der Streikposten. Mit Briefen an die Familien, in denen mit Arbeitsplatzverlust gedroht werde, werde zusätzlich Druck ausgeübt. Mit Streikbrecherkolonnen besonders aus Ostdeutschland werde versucht, den Streik zu unterlaufen. Vielfach sei es aber auch gelungen, diese Kollegen in den Streik zu ziehen, da ihnen klar wurde, dass eine Niederlage in dieser Auseinandersetzung auch alle Aussichten auf Tarifverträge in ihren Gebieten zunichte machen würde!

Wiesehügel stellte noch einmal heraus, dass es bei diesem Streik nicht nur um Prozente gehe, sondern darum, den frontalen Angriff auf den Flächentarifvertrag abzuwehren, den die Arbeitgeberverbände in Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit ihrer Weigerung zur Unterschrift unter das Schlichtungsergebnis vorgetragen hatten (siehe UZ vom 29. Juni, S. 6). Deshalb könne es hier keine Verhandlungen und keinen Separatfrieden geben. Die Kollegen müssten sich auf einen langen Arbeitskampf einstellen. Dabei könne der Streik aber auch noch bedeutend ausgeweitet werden. "Noch sind die Muskeln gar nicht richtig angespannt!"

Auch der DGB-Vorsitzende Michael Sommer war gekommen und kritisierte das Verhalten der Arbeitgeber scharf, die erst den Schlichterspruch akzeptiert hatten, dann aber nicht zu ihrem Wort standen. Er warnte sie davor, darauf zu hoffen, dass die Gewerkschaft einen längeren Streik nicht durchhalten könne, und sicherte die Solidarität des DGB als Dachorganisation zu: "Wir unterstützen euch, wo immer es die IG BAU will - organisatorisch und auch finanziell. Wer immer hofft, die IG BAU aushungern zu können, wird sein rotes Wunder erleben!" Schließlich wisse der DGB, was es heißt, für den Flächentarifvertrag zu streiten.

Kämpferische Stimmung

In Grußworten versicherten Wolfgang Jüttner, Fraktionsvorsitzender und Spitzenkandidat der SPD bei der kommenden Landtagswahl, und Ina Kortner von den Grünen den Bauleuten ihre Solidarität. Nun sei es an der Zeit, sie nach jahrelanger Zurückhaltung endlich auch am "Aufschwung teilhaben zu lassen". Angesichts der kümmerlichen 3,5 Prozent, die bei dem Schlichterspruch des Herrn Clement heraus gekommen waren, ein merkwürdiges Argument. Entsprechend verhalten war auch der Beifall der Kollegen, die wohl zu wissen schienen, dass es hier nicht um "Teilhabe" an irgend etwas, sondern um die Verteidigung ihrer elementaren Koalitionsrechte geht. Danach folgten noch kurze Grußworte von einer Vertreterin der Linkspartei und einem Vertreter des evangelischen Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA).

Nasskaltes Wetter und Regenschauer konnten der guten und kämpferischen Stimmung auf dem Platz nichts anhaben. Den meisten Kollegen genügten aber auch Freibier und Würstchen nicht als Abschluss der Kundgebung. Sie organisierten eine spontane Demonstration, die zwei mal rund um einen wichtigen Kreisverkehr und auf eine zentrale Verbindung zur Innenstadt führte und einigen Verkehrsstau verursachte. ("So kommen wir wenigstens in die Medien!") Die Polizei, aber auch die Veranstalter der IG BAU reagierten sichtlich nervös. Diese meinten, man möge doch das gute Verhältnis zur Polizei nicht gefährden, man brauche es noch...


 
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