Seit dem Krieg der USA und ihrer "Koalition der Willigen" gegen den Irak kursiert in der Linken eine Kritik an der Irakischen Kommunistischen Partei, die sich vor allem auf folgende Punkte stützt:
- Die ausschließliche Macht im Irak hätten die Besatzungsmächte, die politischen Kräfte im Land werden mit "Hunden an der Leine" verglichen.
- Die IKP stelle sich gegen den legitimen nationalen bewaffneten Widerstand, der
- auch "historische linke Führer" umfasst.
Sind tatsächlich alle politischen Kräfte außer dem bewaffneten Widerstand Marionetten der USA und ihrer Verbündeten, hilflos, handlungsunfähig und ohne klare Vorstellung, was in ihrem Land passiert?
Niemand bestreitet die Macht der Besatzer im Irak. Aber zum Beispiel Rashid Ghewielib, der Vertreter der IKP in Deutschland, hat in Interviews immer wieder betont, dass die Kräfte des Landes sehr wohl in der Lage sind, den politischen Prozess zu steuern. Dies entspricht den Analysen der Irakischen KP, u. a. im Statement des ZK vom Januar 2006 oder im Referat des Vertreters der IKP bei der Konferenz im März 2007 in Nikosia.
Wer den politischen Prozess so kritisiert, sollte sich die Situation im Irak klarmachen. 35 Jahre Diktatur unter Saddam Hussein mit dem achtjährigen Krieg gegen den Iran und der Niederlage im Golfkrieg 1991, 13 Jahre Embargo und der Krieg 2003 mit anschließender Besetzung des Landes haben die irakische Gesellschaft tiefgreifend verändert. Das Land steht am Rand des Zusammenbruchs und die Kräfteverhältnisse sind offen. Die bewaffneten Widerstandsgruppen haben bisher keine politischen Inhalte für die Zukunft geboten.
Die IKP hat Krieg und Besatzung zur Befreiung von der Saddam-Diktatur von Anfang an abgelehnt (nachzulesen u. a. im bereits erwähnten Statement vom Januar 2006, es bezieht sich auch auf frühere Aussagen). In diesem Schreiben wird auch klar gesagt, der Aufbau einer Demokratie im Irak sei ein langer und komplexer Prozess, der unter einer Besatzungsherrschaft zwar beginnen kann, aber nicht ohne Wiedererlangung der nationalen Souveränität erfolgreich sein kann.
Die IKP hat den Widerstand gegen die Besatzung immer als legitim betrachtet. Warum die Partei heute nicht den Weg des bewaffneten Widerstands geht, ist ausreichend bekannt.
Es wird behauptet, die Angriffe des Widerstands richteten sich vor allem gegen die Militäreinrichtungen der Besatzer und ihre irakischen Hilfstruppen. Doch es ist nicht erkennbar, welche Gruppen im Irak für welche Gewalttaten verantwortlich sind. In einigen Fällen mag das deutlich sein, aber da bleibt eine riesige Dunkelzone und da bleiben zehntausende Opfer, die eben nicht zu den "Hilfskräften" der Besatzer zu rechnen sind. Oder sind das Kollateralschäden?
Da werden Umfragen zitiert, nach denen fast zwei Drittel aller Iraker, davon 91 Prozent der Sunniten, Angriffe gegen Besatzungstruppen und ihre irakischen Helfer befürworten. Der Bericht "The Iraqi Public on the US Presence and the Future of Iraq", WorldPublicOpinion.org, 27. 9. 2006, resümiert aber u. a., dass eine "große Mehrheit der Befragten" die derzeitige Regierung als legitime Vertretung des irakischen Volks betrachten. Angriffe auf Besatzungskräfte werden von rund einem Viertel der Bevölkerung gutgeheißen, ein Drittel ist zumindest nicht grundsätzlich dagegen. Das sind keine "zwei Drittel Unterstützung". Aber es gibt eine fast hundertprozentige Ablehnung von Angriffen auf Zivilbevölkerung und Sicherheitskräfte der Regierung.
In diesem Bericht steht auch, dass die Mehrheit der irakischen Bevölkerung einen Zeitplan für den Truppenabzug befürwortet, es gibt aber keine Mehrheit für einen sofortigen Rückzug.
Die Zerstörung der Ölpipelines ist kein Heldenstück des Widerstands, sondern ein schwerer Schlag gegen das irakische Volk, denn noch fließen die Öleinnahmen in den Staatshaushalt und nicht in die Taschen der Konzerne. Das Gesetz zur Nutzung von Öl und Gas ist in der Diskussion. Die IKP hat den Kampf gegen die Privatisierungen auf ihre Fahnen geschrieben, dies ist eine ihrer wichtigsten Forderungen und es war auch ein zentrales Thema des Parteitags.
Die Einnahmen, die dem irakischen Staatshaushalt durch die Sabotageakte entgehen, fehlen den Krankenhäusern und anderen Einrichtungen für die Versorgung der Bevölkerung. Dass die Veruntreuung von Geldern durch US-Konzerne einen großen Anteil am Geldmangel für öffentliche Aufgaben trägt, ist den IKP-Genossinnen nicht entgangen. Es war übrigens Thema in allen irakischen Tageszeitungen.
Die IKP ist in zahlreichen Bündnissen vertreten, u. a. in Friedensbündnissen. Eben diese zivile Opposition betrachtet die IKP als den Weg, der zum Aufbau demokratischer Kräfte führen wird.
Nun wird behauptet, es gebe Abspaltungen der IKP, "Kommunisten im Widerstand". Es kam in früheren Jahren zu Abspaltungen in der IKP. Zum jetzigen Zeitpunkt. z. B. wegen der Frage der der politischen Strategien der Partei oder der Regierungsbeteiligung, gab es keine.
Als bedeutende frühere und jetzige Führer der Kommunisten im Irak werden u. a. Baqer Ibrahim Al-Mousawi, Ahmed Karim und Yusuf Hamdan genannt. Dazu einige Anmerkungen.
1972 führte der Freundschaftsvertrag Iraks mit der Sowjetunion zu einer Annäherung der IKP an die regierende Baath-Partei und 1973 zum Eintritt der IKP in die Nationale Front. Unmittelbar nach Saddams Machtübernahme 1979 begannen die Verfolgungen der Kommunisten im Irak. In dieser Zeit schloss sich die IKP der Opposition gegen das Regime an.
Baqer Ibrahim al-Mousawi hielt weiter an einer Koalition mit der Baath fest, zu Saddams Bedingungen: Positionierung gegen den bewaffneten Widerstand in Kurdistan und eine aktive Teilnahme am Krieg Saddams gegen den Iran. Die Kluft zwischen al-Mousawi und der Partei wuchs, seit 1985 stand er in offener Opposition zur IKP. Nach 1991 unterstützte er die Arabische Nationalkonferenz und war vor allem als Embargo-Gegner aktiv. Er steht mit verschiedenen kleinen Gruppierungen in Verbindung, die nach April 2003 hauptsächlich im Internet aktiv sind.
Seine Behauptung, die IKP sei nie wirklich gegen den Krieg gewesen, ist eine Schmähung, die IKP hat immer eine klare Position gegen den Krieg bezogen.
Ahmed Karim war IKP-Funktionär vor 1979, als die Partei noch mit der Baath-Partei eine Koalition bildete. Als diese Koalition beendet wurde, behielt er seine Kontakte zur Baath weiterhin bei und wurde von der IKP ausgeschlossen.
Auch Yusuf Hamdan ist seit mehr als 20 Jahren nicht mehr Mitglied der irakischen KP. Er war Mitglied von Saddam Husseins Nationalrat und versuchte Ende der 80er Jahre im Irak eine linke Partei zu gründen. Heute gehört er zu den Führern der Volksunion, eher eine Sektierergruppe als eine größere Parteiorganisation.
Die IKP (Zentralkommando) spaltete sich 1967 von der IKP ab, Mitglieder der Führung wurden verhaftet oder ermordet. Zwei Jahre später arbeitete die Mehrheit dieser Führung mit der Baath zusammen. Fast die gesamte Basis kam wieder in die IKP zurück, viele sind heute aktive Mitglieder der Partei.
Einige, unter der Führung von Aziz al-Haach, wurden als Gruppe nach April 2003 wieder aktiv, spielen aber keine erkennbare politische Rolle im Irak. Aziz al-Haach stand 20 Jahre lang im Dienst der Baath-Partei, u. a. als UNESCO-Vertreter des Irak. Er rechtfertigte die Angriffe Saddams auf Halabja. Heute wendet er sich in vielen Beiträgen gegen jede Form von Gewalt im Irak.
Die "Iraqi Armed Revolutionary Resistance" ("Irakischer bewaffneter revolutionärer Widerstand") scheint als politische Kraft weitgehend unbedeutend zu sein. Außer einigen Flugblättern über ihren Angriff auf US-Truppen im Mai 2007 in der Gegend von Kerbala ist wenig bekannt. Die Gruppe beschuldigt Regierung, Besatzer und ihre "Knechte von der südlibanesischen Armee", Autobomben zu legen, um die irakischen Widerstandsgruppen zu diskreditieren. Wie groß der politische Einfluss dieser Gruppen auf die Widerstandsbewegung tatsächlich ist, ist schwer zu entscheiden.
Von einem Sympathieverlust der Kommunisten im Irak habe ich dort nichts festgestellt. Dass der Londoner Publizist Sami Ramadani berichtet, IKP-Mitglieder seien wie von einem "Schock" von der Mitteilung getroffen wurden, dass die IKP Mitglied des Regierungsrats wurde, ist merkwürdig, die Teilnahme wurde in der Partei offen diskutiert.