Am 9. Mai wurde der Arbeitskampf in Leverkusen (UZ berichtete mehrfach) mit einer Einigung zwischen dem Verband der chemischen Industrie und der Bayer AG einerseits sowie der Arbeitnehmervertretung und der IG BCE andererseits beendet.
Weit über ein halbes Jahr dauerte die Auseinandersetzung, die damit begonnen hatte, dass die Unternehmensspitze der Bayer Industry Services (BIS) Arbeitsplatzabbau, Mehrarbeit und Abschied vom Chemietarif ankündigte. Vorstandschef Schäfer begründete die geplanten Maßnahmen wechselweise mit schwarzen und roten Zahlen, jedes Mal jedoch damit, dass die Dienstleistungen der BIS zu teuer seien.
Diese Widersinnigkeit erklärt sich aus der Stellung von BIS im Bayer-Konzernverbund und den Besitzverhältnissen. Sechzig Prozent gehören der Bayer AG und 40 Prozent der Lanxess AG, die von Bayer in die Selbstständigkeit entlassen wurde. Vor allem für diese beiden Konzerne stellt BIS Dienstleistungen in den verschiedenen Chemieparks am Rhein zur Verfügung. Egal also ob BIS schwarze oder rote Zahlen schreibt, für Bayer und Lanxess sind sie immerzu teuer, solange der Großteil der angebotenen Services auf dem Sklavenmarkt der Subunternehmer um ein vielfaches billiger eingekauft werden kann.
Dieser Zusammenhang wurde von den 6 000 Kolleginnen und Kollegen erkannt. Entsprechend engagiert beteiligten sich Tausende von ihnen an den nun folgenden Aktionen, die wechselweise von der IG BCE und den oppositionellen Basisbetriebsräten organisiert wurden. Man zog mehrfach durch Leverkusen, vor das Haus des Bayer-Konzern-Chefs Wenning und etablierte schließlich eine Montagsdemo, die zunächst von Hunderten Kolleginnen und Kollegen besucht wurde.
Der anhaltende Widerstand zwang Wenning, der sich bis dahin als unbeteiligt dargestellt hatte, unmittelbar vor Weihnachten Farbe zu bekennen. Er kündigte an, dass es bis Ende März eine sozialverträgliche Lösung des Konfliktes geben werde. Zunächst würden die Verhandlungen ausgesetzt. Offensichtlich wollte man so dem Widerstand die Spitze nehmen. Gleichzeitig wurde aber auch signalisiert, dass die Konzernleitung der IG BCE das Zugeständnis gemacht hatte, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde.
Dies ist die Schwelle die die Gewerkschaft nicht überschreitet, obwohl die verschiedenen Verträge der letzten Jahre de facto Arbeitsplatzabbau, Mehrarbeit, Ausgliederungen und Lohneinbußen mit sich gebracht hatten.
Die Montagsdemos indessen gingen weiter, auch wenn die Beteiligung abnahm und sie Anfang April eingestellt wurden. Gleichzeitig traten viele Kolleginnen und Kollegen aus der Gewerkschaft aus, der sie fehlenden Einsatz und mangelhafte Information vorwarfen. Und dies bei einem Organisationsgrad von sowieso nur 35 Prozent.
Es sollte noch einen Monat dauern, bis das Ergebnis der – mehr oder weniger geheim geführten – Verhandlungen bekannt gegeben wurde. Mit der Verkündigung wurde klar, warum es so lange gedauert hatte. Als Verhandlungspartner traten plötzlich der Verband der Chemischen Industrie und der Hauptvorstand der IG BCE auf. Diese kündigten an am 1. Juli einen Haustarifvertrag für sämtliche chemischen Dienstleister in Deutschland an. Gleichzeitig wollen die Bayer AG und die IG BCE eine neue Standortvereinbarung für den Gesamtkonzern treffen, der die Arbeitsplätze der Kernbelegschaft bis Ende 2009 sichert.
Für die BIS ein trauriges Ergebnis, denn außer betriebsbedingten Kündigungen hat der Unternehmer alle Maßnahmen durchgesetzt, die er zu Beginn gefordert hatte. Dazu kommt, dass über ein neues Job-Center Kolleginnen und Kollegen – nach einer Schamfrist "entsorgt" werden können. Für BIS beginnt der Ausstieg aus dem Chemie-Verbund. Schon jetzt ist absehbar, dass der Konzern alles daran setzen wird, Dienstleistungen zukünftig nur noch beim Geringstbietenden einzukaufen. Schlechte Zeiten für 6 000 BIS- und weitere zigtausend weitere Chemiedienstleister.
Auch die Bayer-Kernbelegschaft ist nicht ungeschoren davongekommen. Neben verschärften Bestimmungen im Bereich der Änderungskündigungen lässt Schlimmes befürchten, dass als einziger Teilbereich die BayerSchering AG nicht im Vertrag erfasst ist. Die neu hinzugekommenen über 20 000 Mitarbeiter dürften ihrer Gewerkschaft auf den kommenden Betriebsversammlungen einige Fragen zu stellen haben.
Arbeitsplatzsicherheit, geschweige denn ein Recht auf ihren Arbeitsplatz haben sie zumindest nicht (mehr). Zumindest ein Teil der Belegschaft wurde von ihrer Gewerkschaft im Stich gelassen.