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Ein Musterbeispiel kapitalistischer Widersprüche, Irrwege und Auseinandersetzungen ist der noch vor kurzem hochgelobte deutsch-französische Rüstungskonzern EADS (= European Aeronautic Defence und Space Company N.V.1).

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Der Feind sind nicht die Kollegen in Frankreich, England oder Spanien, sondern das Kapital (Thomas Enders, links, und Louis Gallois, rechts)
Gut 7 Jahre ist es nun her, dass die Gründung von EADS bekannt gegeben worden ist. Vorangetrieben von Daimler war dieser Zusammenschluss zwischen der Daimler-Tochter Dasa und der französischen Aérospatiale schon damals durchaus keine Liebesheirat. Der französische Partner konnte nur durch Druck gewonnen werden. Drohte Daimler doch mit dem Zusammenschluss der Tochter mit dem spanischen Rüstungskonzern Casa, was die Dasa zum größten Airbus-Konsortium vor der Aérospatiale hätte aufsteigen lassen. Einig war man sich schließlich im Zweck dieses Bündnisses: der gerade erst im Krieg gegen Jugoslawien wieder vor Augen geführten us-amerikanischen Luftüberlegenheit den Kampf anzusagen.
Seitdem überschlugen sich die Herrschaften hierzulande immer wieder vor Siegesmeldungen in der zivilen Luftfahrt gegenüber Boeing – dass EADS einer der größten Rüstungskonzerne der Welt ist, hätte man bei Lektüre der bundesdeutschen Blätter dabei fast vergessen können. Größenwahnsinnig, wie sie nun einmal sind, sollte das weltweit größte Flugzeug gebaut werden und die Welt erobern – was nun wohl eher wieder einmal eine Bauchlandung wird.

„Eurocopter ist der führende Hubschrauberproduzent der Welt. Auf dem zivilen und öffentlichen Markt hält er einen Anteil von über 50%. Das Geschäft mit Militärhubschraubern bietet große Chancen für weiteres erfolgreiches Wachstum.“

EADS Geschäftsbericht von 2005
Noch Anfang 2006 verkündete man auf der Bilanzkonferenz ein Rekordjahr, der Auftragsbestand solle für die Jahre bis 2011 ausreichen, der Umsatz auf 40 Milliarden Euro hochgeschraubt werden. Zu verdanken war das den Meldungen nach allerdings insbesondere dem Wachstum im so genannten Verteidigungs- und Weltraumsektor (also: Kriegsgerät für Schlachten in aller Welt)2. Die Rüstungsgeschäfte laufen offensichtlich deutlich besser. Airbus dagegen musste bereits Auslieferungsverzögerungen für das neue Riesenflugzeug A380 ankündigen. Offensichtlich gab es bereits Ahnungen, welch teure Konsequenzen für EADS die einst stolz präsentierten Großprojekte haben werden: Die beiden nicht staatlichen Eigentümer an EADS, die französische Largadère und Daimler, gaben auf jeden Fall bekannt, dass sie sich von einem Teil ihrer Anteile trennen wollen. Damit war die Runde eröffnet für Versuche, die Machtverhältnisse bei EADS neu zu ordnen, die stets schwelenden Widersprüche brechen in der sich abzeichnenden Krise wieder auf.
  • Ein Teil der französischen Monopolbourgeoisie hat immer wieder mal versucht über eine Fusion von EADS mit der staatlichen Rüstungsfirma Thales die Kräfteverhältnisse zu ändern, was bei Daimler und der Bundesregierung trotz aller Lobeshymnen auf freie Kapitalmärkte und EU-Bruderschaft auf wenig Gegenliebe gestoßen ist.3 Angesichts der Krise bei EADS forderte nun Premierminister Villepin mehr Einfluss des französischen Staates und eine Änderung des Aktionärspaktes.

  • Im Sommer 2006 tauchen plötzlich Meldungen auf, wonach die in russischem Staatsbesitz befindliche Außenhandelsbank Wneschtorgbank (WTB) über den Börsenhandel knapp 5% der Anteile an EADS übernommen haben soll und weitere Zukäufe plant, um letztlich Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen zu können.
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    Protest der Airbus-Arbeiter in Toulouse.
    Die Russen kommen? Alles spricht dafür, das dies eine von den Teilen der deutschen Monopolbourgeoisie, die ein enges Verhältnis zu Russland befürworten, eingefädelte Aktion war, um die französische Seite unter Druck zu setzen. So hat Gerhard Schröder noch zu Kanzlerzeiten Ende 2004 vorgeschlagen, dass EADS 10% am russischen Flugzeughersteller Irkut übernehmen solle und Russland im Gegenzug die Möglichkeit erhalten müsse, quasi gleichberechtigt mit Frankreich und Deutschland 10-15% von EADS zu übernehmen. In 2005 „erwarb dann EADS in der Tat 10 Prozent der Anteile an Irkut und hat dadurch nun die Möglichkeit, im Zuge eines Aktientausches an der geplanten russischen Luftfahrtholding beteiligt zu werden, zu der unter staatlicher Führung etwa zwanzig russische Unternehmen der Branche – darunter Irkut – zusammengeschlossen werden sollen.4 Die Verbindung von EADS zur russischen Irkut hat sich im Sommer 2006 konkretisiert, „als der russische Flugzeughersteller die Teileproduktion für die Airbus-Flugzeuge der Modellreihe A320 aufnahm. Er baut innerhalb eines Zehn-Jahres-Vertrages mit einem Wert von 200 Millionen Dollar vor allem Komponenten für den Rumpf sowie die Tragflächen der Flugzeuge.“5 Im Gegenzug erhält EADS Zugang zum russischen Markt und zu know-how: „EADS vermarktet zudem im Auftrag von zwei russischen Unternehmen Trägerraketen zum Satellitentransport, darunter die bekannte Sojus-Rakete.“6

  • Gleichzeitig darf man bei dieser etwas unübersichtlichen Situation nicht vergessen, dass die so genannten Gründungsaktionäre (EADS gibt es ja erst seit 2000) Frankreich und Deutschland diverse Sonderrechte in einem Vertrag geregelt haben, so dass sie unabhängig von den Aktienmehrheiten letztlich die Macht gesichert haben. „Der Pakt gilt als Bollwerk gegen den Wunsch Russlands nach einem Sitz im Verwaltungsrat“7 Ein Bündnis wollen die Herrschaften schon, doch mit einem Bündnispartner, der nichts zu sagen hat.

  • Etwa zur gleichen Zeit gibt der spanische Staat – der nach der wirkungsvollen Drohkulisse eines Bündnisses zwischen Casa und Dasa dann mit nur 5,5% der Anteile abgespeist worden war – bekannt, er wolle nunmehr den Anteil auf 10% erhöhen. „Nach Interpretation spanischer Medien will die Regierung die aktuelle Krise bei Airbus und EADS nutzen, um ihren Einfluß zu erhöhen.“8 Dies solle etwa 1 Milliarde Euro kosten. Die deutsche und französische Anteilsseite fordern daraufhin, dass dies nicht durch Staatsbeteiligung, sondern nur mit privatem Kapital geschehen dürfe. Besonders frech, weil Daimler als Eigentümer von damals noch 22,9% ja bereits die Reduzierung ihres Risikos ins Auge gefasst hatten und die „französische Seite“ sowieso schon immer mit 22,9% eine staatliche Beteiligung war ...9

  • Im Herbst 2006 verlautet dann, dass EADS nunmehr alleiniger Eigentümer von Airbus geworden ist. Bisher hatte der britische Rüstungskonzern BAe Systems, von dem „europäischen“ Zusammenschluss EADS ganz ausgeschlossen, noch 20% an dem Gemeinschaftsunternehmen Airbus gehalten. Zumindest die mit der lockeren Verbindung über Airbus zur britischen Rüstungsindustrie verbundenen Varianten scheinen somit mindestens mittelfristig erledigt, die Richtung Russland orientierten Kräfte punkten vorerst. Das von Deutschland, Frankreich und Großbritannien über Jahrzehnte betriebene Bündnisprojekt Airbus ist in der Form beendet, Großbritannien orientiert sich auch hier in Richtung USA: „Wir glauben, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, unseren Anteil an Airbus abzugeben und uns auf die transatlantische Verteidigungs- und Raumfahrt-Strategie zu konzentrieren.“10 erklärte BAE Chef Mike Turner.


„Auf dem Weltmarkt für taktische Lenkflugkörper und Lenkflugkörpersysteme sind im Wesentlichen vier große Verteidigungsunternehmen tätig. Anhand der US$ Umsatzzahlen konnte nachgewiesen werden, dass MBDA mit seinen Verkaufszahlen in 2005 der erste seiner peer group war, noch vor den Lenkflugkörperaktivitäten von Raytheon, Leckheed Martin und Boeing.“

EADS Geschäftsbericht von 2005
Immer stärker kommt im Herbst 2006 heraus, dass EADS vor großen Verlusten steht, man die Airbus-Großprojekte offensichtlich nicht termingerecht und (zumindest) kostendeckend auf die Reihe kriegt. So sind die Marionetten des Kapitalismus: Gestern posaunen sie noch davon, das sie ihren größten Konkurrenten Boeing quasi schon überholt hätten, heute scheitern sie an den kleinsten Hausaufgaben und sind unfähig, überhaupt die Gründe für Milliardenverluste nachvollziehbar zu benennen. Klar ist nur schon mal wieder eines: Weil die gestern erträumten Gewinne leider zunächst ausfallen, drohen Massenentlassungen und wenn es sich um so einen zentralen Bereich wie Luftfahrt und Rüstung handelt, muss der Staat die Verluste übernehmen. Entgegen allem Geschwätz von Regulierung durch „den Markt“, Rückzug des Staates usw., verkündet nun zum Beispiel der SPD-Fraktionsvorsitzende Struck: „Wir können und dürfen nicht zusehen, wie die Hoheit über EADS nach und nach ins Ausland geht. Die Bundesregierung sollte eine Lösung vorantreiben.“11 Und der gelegentlich als Linker betitelte Ludwig Stiegler (SPD) ergänzt: „Wir sollten einsteigen und damit den Einfluss Deutschlands in diesem industriepolitisch zentral wichtigen Unternehmen wahren.“12 Nur zur Erinnerung: Herr Stiegler und andere reden immer noch über den Kern der deutschen Rüstungsindustrie, die als einer der größten Todbringer Waffen in alle Welt verkauft und den „deutschen“ Anteil daran. Dieser „deutsche“ Anteil wird im Gegensatz zu den Anteilen Frankreichs, Spaniens und nun eben auch Russlands, nicht von Firmen gehalten, die direkt oder indirekt im Staatsbesitz sind, die deutschen Interessen „vertritt“ die Daimler-Chrysler AG, die zu diesem Zeitpunkt noch 22,9% besitzt und davon zur Schadenbegrenzung 7,5% abgegeben will, denn es drohen bekanntlich Verluste13.
  • Zunächst beginnt nunmehr eine kurze, aber heftige Diskussion über die Absicht des deutschen Staates den deutschen Einfluss zu sichern und gleichzeitig Daimler die Verluste abzunehmen.
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    Die Arbeier des Eurocopter-Werkes in Donauwörth solidarisieren sich mit den Kollegen der Airbus-Werke
    So erklärt der deutsche der beiden EADS-Chefs (die französische Seite wird durch Louis Gallois repräsentiert), Thomas Enders: „Die Hysterie, die derzeit in Deutschland um EADS und Airbus herrscht, ist völlig fehl am Platz“14 Es ist „weder ein deutsch-französischer Krieg (!) ausgebrochen, noch stehen EADS und Airbus vor der Pleite.“15 Der als Vertreter des „Mittelstandes“ ausgewiesene CSU-Wirtschaftsminister Glos fordert aber statt einer Staatsbeteiligung das Engagement von „Zulieferern und Ausrüstern, um den deutschen Einfluß auf den Luftfahrtkonzern zu sichern. ... “16 und spricht zwar nicht von „Heuschreckentum“ im Falle Daimler, die sich aufgrund der Verluste zurückziehen wollen, aber „mahnte Daimler-Chrysler, ,unternehmerische Verantwortung’ zu zeigen. Industrielles Engagement könne nicht nur ,zu Zeiten des Sonnenscheins gelten.’“17 Diese vielleicht in manchen Betriebsversammlungen auch gut ankommende Position, erhielt jedoch keine weitere Zugkraft: „Ein Sprecher von Daimler-Chrysler sagte, die Abgabe der Beteiligung werde ,nur in Abstimmung mit der deutschen Regierung geschehen’.“18 Das monopolistische Großkapital ließ sich auf keinerlei Diskussion ein.

  • Streik bei EADS?

    „Längere Streiks würden uns empfindlich treffen und noch weiter zurückwerfen. Das kann nicht im Sinne der Beschäftigten sein“, zitiert die „Frankfurter Rundschau“ den deutschen EADS-Vorstandsvorsitzenden Enders. 10.000 sollen in Airbus-Werken abgebaut werden, 3.700 in der BRD.
    Warum müssen die deutschen Airbus-Kollegen dem Beispiel der französischen Kollegen folgen, die Streik angekündigt haben? Oder es machen wie die Kollegen im Airbus-Werk Varel in Niedersachsen, die gleich das Werk verließen, als sie vom geplanten Verkauf erfuhren?
    Ein Produktionsausfall mit Auftragsrückstand durch Streik könnte allerdings dazu führen, dass Boing den Konkurrenzkampf gewinnt – sagen die deutschen und französischen Bosse. Die Folgen wären Entlassungen und Hartz IV.
    Wenn sie aber dem Management folgen, sich den Entscheidungen der Kapitals ausliefern und brav an ihre Arbeit gehen, werden sie trotzdem nicht verhindern, dass Tausende rausfliegen, weil ausgelagert und rationalisiert wird. Das Ergebnis ist das gleiche: Hartz IV.
    Es ist eine Schande, dass die Kollegen, die in den Werken mit den höchstentwickelten Produktionsmitteln dieses Landes arbeiten, vor solche Alternativen gestellt werden! Wie sie sich auch entscheiden, ihre Existenz ist bedroht. Sie alleine schaffen die Werte, über die dann EADS verfügt.
    Es ist die Frage zu stellen nach einer anderen Art des Wirtschaftens, nämlich nach der Überwindung des kapitalistischen Systems.
    Dazu braucht es den Zusammenschluss der Arbeiterklasse. Das geht am besten im Streik. Darum müssen die deutschen Airbus-Kollegen den französischen folgen!

    krn (Aus „Auf Draht" - DKP München und Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung München)
    Ende Oktober 2006 war dann die im Detail nur für Fachleute nachvollziehbare Finanzkonstruktion soweit zusammengeschustert. Insgesamt 15 Banken (7 „Private“, darunter Allianz, Commerzbank und Deutsche Bank und 8 so genannte „öffentliche“, im Besitz von Bundesländern und Sparkassen) übernehmen gemeinsam die 7,5%, die Daimler so dringend loswerden will. Diese Banken übernehmen bis mindestens 2010 das Risiko eines fallenden Aktienkurses, die Stimmrechte und Entscheidungsgewalt für das „deutsche“ Gesamtpaket von 22,5% verbleibt für diesen Zeitraum insgesamt bei Daimler-Chrysler, der weiterhin die so oft betonten „deutschen Interessen“ in Abstimmung mit der Regierung vertreten wird. Weitere Verluste trägt Daimler nicht, aber die Macht behalten sie. Die Konstruktion dürfte ein auch für den monopolistischen Kapitalismus19 in Deutschland seltenes Beispiel sein. Das deutsche Monopol Daimler vertritt die angeblich „deutschen“ Interessen im scheinbaren Auftrag der Regierung, bekommt dafür die Verluste abgenommen und wenn der Wind sich drehen sollte, dürfen sie vermutlich eventuelle künftige Gewinne behalten. Im Kern ist es also genau umgekehrt: nicht Daimler handelt im Auftrag der Regierung, sondern die Regierung sichert Daimler die Profite. Gerade dem Daimler, der mit seinen Stiefeln über den Erdball trampelt und – ganz abgesehen von dem Verkauf von Rüstungsgütern aller Art – schon Not und Elend in so manche Region gebracht hat: Der Ausstieg Daimlers aus Mitsubishi kostete Tausenden von Kollegen in Japan den Job, schon fast vergessen auch die gezielte Vernichtung des früheren holländischen Flugzeugherstellers Fokker, die einem regionalen Fliegerangriff gleichkam.

    Und als neueste Untat nun die drohende Vernichtung Chryslers in Detroit, Zehntausende von Kollegen sind in ihrer Existenz bedroht, weil das mit viel Trommelwirbel verkündete Abenteuer Daimler-Chrysler (die „Hochzeit im Himmel“ wie sie damals sagten) sich mit Milliardenverlusten ebenfalls in Luft aufzulösen scheint. Das deutsche Monopol Daimler hinterlässt überall verbrannte Erde, bringt Elend und vernichteè2BŽUè2BŽUØ BŽUà¡âAŽUhè2BŽU è2BŽU)) è2BŽUschrecke“ oder „Hedge-Fonds“ verschrien. Doch damit betitelt man (leider auch so einige innerhalb der Gewerkschaften20) in Deutschland fast immer nur und insbesondere das ausländische Kapital21.

  • Nach dem Bearbeiten diverser, der Öffentlichkeit nicht bekannter juristischer Feinheiten des beschriebenen Geschäfts zur staatlichen Ãœbernahme der Daimler-Verluste wird Ende Januar 2007 Vollzug verkündet, der Staat und einige Banken beteiligen sich an EADS. Warum schmeißen die Banken möglicherweise Geld zum Fenster raus? Wir wissen nicht, welche Nebenvereinbarungen die Verträge noch enthalten, ob das Risiko letztlich völlig auf den Staat abgewälzt wurde oder ob etwa eine Neuordnung der Rüstungsindustrie innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie oder Teilen davon angestrebt wird. Außerdem wurde diesen Banken in dem Zuge wohl versprochen, dass sie beim geplanten Börsengang der Bahn in erster Reihe mitverdienen dürfen, wenn sie bei EADS „mitziehen“22. Die ganze Wahrheit und Details über solche Geschäfte erfahren wir – wenn überhaupt – vielleicht mal nach Jahren, meistens nie. In jedem Fall: Die Verträge waren gemacht!

  • Unmittelbar darauf folgte die Verkündung des bereits in der Schublade liegenden Sparprogramms mit dem verhöhnenden Namen „Power 8“, welches die Vernichtung von 10.000 Arbeitsplätzen beinhaltet, wo mehrere Werke verkauft werden sollen (die dann als Subunternehmer weiter für EADS arbeiten können ...) usw. Woran sich auch wieder beweist, dass diese quasi staatliche Beteiligung an EADS dies alles nicht verhindert. Der EADS-Chef Enders wagt es dann noch die Arbeiter vor Streik zu warnen: „Wer dieses Programm ablehnt, kann genauso gut die weiße Fahne hissen und Boeing das Feld überlassen.“23 Also Massenentlassung bei vollen Auftragsbüchern – grandiose Fehlplanung und Fehlkalkulation – Träume und Luftschlösser zu dem größten Flugzeug der Welt können sie verkünden – aber den nächsten Tag haben sie nicht im Griff.


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Protest der Airbus-Arbeiter in Hamburg
Doch der deutsche Einfluss ist gesichert, der Zugriff auf die neue Technologie beim A350 ebenfalls. Der Kampf um die Machtverhältnisse geht jedoch weiter. So spricht sich der französische EADS-Chef Gallois nunmehr für das Ende der uneffektiven Doppelspitze24 bei der Tochtergesellschaft Airbus aus, denn der Hauptnachteil der Organisation sei „dass sich ein deutsches und ein französisches Lager bildet“25. Dies führt dazu, dass „einige Leute größeres Interesse daran hatten, ob sie gewinnen oder verlieren, als an der Zukunft von Airbus.“26 Da in Frankreich jetzt etwas mehr Arbeitsplätze vernichtet werden sollen als in Deutschland, sollen sich nun auch (wie die deutschen Bundesländer) acht französische Regionen an EADS beteiligen.
Es wirkt nicht so, als wenn EADS, dieses Sinnbild eines deutsch-französischen Bündnisses, noch von sehr großer Dauer wäre.

Ebenso verhält es sich im Übrigen mit dem auch maßgeblich von EADS vorangetriebenen europäischen Satellitennavigationssystem „Galileo“. Dieses wurde insbesondere durch den Krieg gegen Jugoslawien 1999 auf die Tagesordnung gesetzt mit der Argumentation, es dürfe nicht sein, dass man von dem amerikanischen GPS-System abhängig sei ...
[file-periodicals#13]In einem Zusammenschluss von acht europäischen Firmen (hauptsächlich EADS, aber auch die französische Konkurrenz Thales und die Telekom-Tochter „Teleop“) sollte ursprünglich bis 2008 das Konkurrenzsystem Galileo, die europäische Eigenständigkeit auf diesem Gebiet realisiert werden. Der Firmenverbund sollte dies entsprechend im Auftrag der EU durchführen. Bis heute sind aber noch nicht einmal die Verträge unterzeichnet und man rechnet mittlerweile mit der Umsetzung frühestens 2014. Wenn es in dieser Konstruktion überhaupt noch etwas wird, denn: „Zwistigkeiten gefährden Galileo“27.

In all diesen Betrachtungen treffen wir somit wieder auf die Feststellung der grundsätzlichen Brüchigkeit imperialistischer Bündnisse, wie sie Lenin formuliert hat:
„Die EADS ist nach Boeing und Lockheed Martin der weltweit drittgrößte Hersteller von Raumfahrtsystemen und der in Europa führende Lieferant von Satelliten, Raumfahrt-Infrastrukturen Trägerraketen und dazugehörigen Dienstleistungen. Die in 2005 erzielten Konzernerlöse der Space-Division beliefen sich auf 2,7 Mrd. Euro. Das sind 8% der insgesamt von EADS erwirtschafteten Umsatzerlöse ....“

EADS Geschäftsbericht von 2005
„Bündnisse sind daher in der kapitalistischen Wirklichkeit ... notwendigerweise nur „Atempausen“ zwischen Kriegen - gleichviel, in welcher Form diese Bündnisse geschlossen werden, ob in der Form einer imperialistischen Koalition gegen eine andere imperialistische Koalition oder in der Form eines allgemeinen Bündnisses aller imperialistischen Mächte. Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und der Weltpolitik.“28

Auch wenn dieser Kampf noch friedlich geführt wird – die Arbeiter müssen ihre Köpfe hinhalten. Auch ein Streik wird die Arbeitsplätze nicht retten. Doch er ist nützlich, um Kampferfahrungen zu machen, die Notwendigkeit der Organisierung der Arbeiterklasse zu erkennen. Er ist ein Schritt hin zur notwendigen Kampfansage gegen diesen Irrsinn.

Solidarität mit den Kollegen von Airbus, egal in welchem Land sie von diesem Kapital bedroht werden! Der Hauptfeind steht im eigenen Land!


Arbeitsgruppe „Zwischenimperialistische Widersprüche“


Anmerkungen:

1 Europäische Verteidigungs-, Luft- und Raumfahrt Aktiengesellschaft
2 Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 10.01.2006
3 Ende 2005 wird Thales durch die „nationale“ Variante noch einmal richtig vor den Kopf gestoßen: EADS kauft zusammen mit ThyssenKrupp (40 und 60%) den Marine Ausrüster Atlas Elektronik von BAE System (SZ 23.12.2005), obwohl Thales mehr geboten hatte. Doch die Bundesregierung droht, ihr Veto einzulegen. Daraufhin steigt Thales bei der franz. Staatswerft DCN ein (SZ, 16.12.05)
4 FAZ, 30.08.2006
5 ebenda
6 ebenda
7 Financial Times Deutschland (FTD), 13.10.2006
8 FAZ, 05.07.2006
9 Dass dabei 7,5% formal dem Medienkonzern Legardere gehören, ist zweitrangig, weil das Gesamtpaket von 22,5 vom Staat verwaltet wird und sich Legardere sowieso zurückziehen will bis angabegemäß 2009.
10 Süddeutsche Zeitung, 08.04.2006
11 FTD, 13.10.2006
12 ebenda
13 Dass manche Linken zum Zeitpunkt der als Fusion bezeichneten Übernahme Chryslers durch Daimler davon schwadronierten, diese „Fusion“ sei der endgültige Beleg dafür, dass der Kapitalismus sich in seiner Zugehörigkeit und Interessenartikulierung vollkommen von einzelnen Nationen und Nationalstaaten gelöst habe, ist durch die Ereignisse um EADS wieder einmal mehr als schlagend widerlegt. Auch hier brauchen sie „ihren“ Nationalstaat wieder mal sehr dringend, denn er soll ihnen ihre Verluste abnehmen, die Ergebnisse der gescheiterten Aktivitäten sozialisieren (= der Allgemeinheit aufbürden)!
14 FAZ, 16.10.2006
15 ebenda
16 ebenda
17 ebenda
18 ebenda
19 Bezugnehmend auf die sogenannte Imperialismustheorie Lenins. Diese beschreibt die Gesetzmäßigkeiten und Verhältnisse im Kapitalismus fortgeschrittener Kapitalkonzentration, die zur Monopolisierung führt. Der leninsche Monopolisierungsbegriff weicht von der bürgerlichen Monopol-Definition ab, es ist demnach nicht erst als Monopol zusehen, wenn nur noch ein einziges Einzelkapital seinen Markt beherrscht, sondern Monopol ist gegeben, wenn wenige Einzelkapitale in herrschender Stellung sind.
20 Diese katastrophale Verbindung mit dem deutschen Kapital, dokumentiert in diesem Zusammenhang zum Beispiel der zuständige IG-Metall-Sprecher: „Eine gleiche Verteilung der Belastungen und der Zukunftschancen auf die Standorte in Deutschland und Frankreich sei auch die Linie der Gewerkschaft, sagte der Sprecher der IG-Metall-Küste, Daniel Friedrich, dem Sender Deutschlandradio Kultur am Samstag. Er betonte die Bedeutung der deutschen Beteiligung am EADS-Konzern. „Solange sich der französische Staat in der Shareholderstruktur von EADS bewegt, ist es auch gut, dass der deutsche das macht.“
- http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2007-02/artikel-7804061.asp
21 Letztlich ist die – auch von vielen Linken unbeabsichtigt übernommene Beschreibung – nichts weiter als eine Waffe im Konkurrenzkampf gegen die ausländischen Monopole. Dabei sind wir in Deutschland schon gleich verloren, wenn wir uns mit dem deutschen Kapital versöhnen ... denn der Hauptfeind steht im eigenen Land und heißt deutscher Imperialismus!
22 „Analysten verwiesen indes darauf, dass die Schlüsselmotivation (der privaten Banken) eine politische sei, weil die Banken bei künftigen Privatisierungen auf Mandate hoffen.“ FAZ 10.02.2007
23 Süddeutsche Zeitung (SZ), 01.03.2007
24 Es gibt von Beginn an jeweils einen deutschen und einen französischen Vorstandsvorsitzenden.
25 SZ, 03.03.2007
26 SZ, 03.03.2007
27 FAZ, 17.03.2007
28 Lenin, Der Imperialismus als höchste Stufe des Kapitalismus, geschrieben 1916, AW in 6 Bänden, Band 2, S. 760, Dietz Verlag Berlin 1980



 
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