Was treibt deutsche Energie-Großkonzerne zu ihrer aggressiven Kaufpolitik im Ausland? Welche hegemonialen Pläne hegen die Energieversorgungsunternehmen und ihre Hampelmänner, die Regierenden in Berlin? "Sobald gewisse Themen auftauchen, vermischt sich Konkretes mit Abstraktem, und jeder scheint nur noch in längst abgedroschenen Redewendungen zu denken. Und immer öfter werden Sätze wie vorgefertigte Teile eines Hühnerstalls aneinander gefügt", schrieb George Orwell über den politischen Diskurs vor mehr als einem halben Jahrhundert. Was er wohl heute über das Reden und Treiben unserer regierenden Politiker, die "Informationsarbeit" der Massenmedien und die Informationsdefizite der Bevölkerung sagen würde?
Deutsche Energieversorger blicken höchst begehrlich auf Afrika. Der Düsseldorfer e.on-Konzern beispielsweise. Er war scharf auf die Rechte der spanischen Firma ENDESA (Empresa Nacional de Electricidad, S.A.) an umfangreichen Öl- und Gaslieferungen aus Algerien. Darum bot e.on 40 Milliarden Euro, um eine Aktienmehrheit an ENDESA zusammenzukaufen; aber es gelang nicht.
Stichwort: Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation
Die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) ist eine Initiative des Club of Rome, des Hamburger Klimaschutz-Fonds und des Jordanischen Nationalen Energieforschungszentrums (NERC) auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien.
Ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern, Politikern und Experten auf den Gebieten der erneuerbaren Energien und deren Erschließung bilden den Kern von TREC. Die etwa 50 Mitglieder (unter ihnen z. B. Seine Königliche Hoheit Prince El Hassan bin Talal von Jordanien) informieren Regierungen und private Investoren kontinuierlich über die Möglichkeiten der kooperativen Nutzung von Solar- und Windenergie und regen konkrete Projekte auf diesem Gebiet an.
TREC wurde im September 2003 gegründet und hat das DESERTEC Konzept zur Energie-, Wasser- und Klimasicherheit in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika (EU-MENA) entwickelt. Das DESERTEC Konzept sieht vor, in MENA mit Hilfe von Solarthermischen Kraftwerken und Windparks die Wasserentsalzung und Stromerzeugung voranzutreiben und den sauberen Strom dann mittels Hochspannungs-Gleichstromleitungen in diese Länder und (mit insgesamt höchstens 10-15 % Übertragungsverlust) bis nach Europa zu leiten. TREC hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Konzept nun zusammen mit Vertretern aus Politik (!), Industrie (!) und Finanzwelt (!) umzusetzen. (Eigendarstellung im Internet)
An genossenschaftliche Organisationsformen der Energiegewinnung oder gar an so genannte Non-Profit-Unternehmen wird selbstredend nicht gedacht. |
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Der Chef der Karlsruher Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), Utz Claassen, denkt beim Blick auf Afrika weniger an Gas und Öl, sondern mehr an eine zukunftsträchtige Stromproduktion mittels Solarkraft. Claassen: "... muss es unser Ziel sein, Solarenergie in der Sahara oder in der Kalahari zu gewinnen und in Stuttgart, Berlin, Tokio oder New York zu verbrauchen ..." Deutsche Konzerne wollen also Strom in Afrika produzieren und in Deutschland, Japan oder den USA verkaufen. Mit Gewinn, versteht sich. Die Bedürfnisse der Menschen in den Erzeugerländern zählen nicht. Was zählt, ist der Profit.
Sind wir drauf und dran, die traditionelle europäische Ausbeutung nordafrikanischer Erdöl- und Erdgasvorkommen um eine modern-ökologische Variante zu erweitern? Umweltminister Sigmar Gabriel hatte schon voriges Jahr in Kairo vorgeschlagen, "sauberen" Strom aus den afrikanischen Wüsten zu importieren. In der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung wären Öko-Stromimporte aus Afrika allerdings so sauber nicht. Ohne monströse Übervorteilung der Afrikaner kämen sie gar nicht zustande. Um das zu verschleiern, werden nützliche Idioten gebraucht, gern namhafte Sozialdemokraten.
Sowohl bei e.on als auch bei EnBW weiß man: Wer sich Nordafrikas Ressourcen unter den Nagel reißt, verdrängt die europäische Konkurrenz vom Markt, die das ebenfalls möchte.
Makroökonomische Ziele werden auch heute noch nach Dr. Carl Peters´ Ideen und wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten angesteuert: zunächst in privaten Initiativen. Der Staat zieht später nach. Erst wird fremdes Land zur wirtschaftlichen Interessenssphäre erklärt, dann handelspolitisch übervorteilt und schließlich ökonomisch abhängig gemacht. Örtliche Krisen (z. B. Widerstand der Bevölkerung) geben Anlass, "Schutz" für die Investitionen in der Fremde zu Hause politisch zu organisieren. Der Schutz endet mit Unterwerfung, gegebenenfalls militärischer "Befriedung" der ausländischen Gebiete. Die Ausplünderung nimmt ihren Lauf.
Widerwärtiger Neo-Kolonialismus wird weithin nur noch als eine Art begrenzter Kollateralschaden der Globalisierung wahrgenommen. Von unseren Eliten bezahlte Phrasendrescher in Parlamenten und Medien beschönigen das Menschheitsverbrechen. Zur Rechtfertigung gegenüber dem hiesigen Wahlvolk und zu dessen Gewissensberuhigung heißt es, Deutschland müsse lebenswichtige Interessen "verteidigen" und dem "internationalen Terrorismus begegnen". Heute am Hindukusch, im Indischen Ozean und in Vorderasien. Morgen wieder in Afrika. Aus diesem Regal hat sich bereits das alte Rom schamlos bedient.
Die 2003 gegründete Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TMEC) bietet eines der vielen kleidsamen Tarngewänder für deutsche Macht- und Profitinteressen. Der vom renommierten Club of Rome initiierte Verbund von (Polit-)Planern und Technikexperten aus europäischen Industriestaaten und dem Königreich Jordanien konzipiert Energiefabriken mit Wärmekollektoren und Meerwasser-Entsalzungsanlagen in afrikanischen Wüstenregionen. Gut ein Drittel der TMEC-Mitglieder kommt aus Deutschland, vor allem sind es Abgeordnete der Bündnis90/Die Grünen-Bundestagsfraktion. "Solarunion statt EURATOM!", tönt es von dort kämpferisch-ökologisch.
Der hässliche Bankert Energiegeschäfte soll zu einem Schönling heranreifen. Zu einer europäisch-afrikanischen "Solarunion", einem Bund nach dem Bilde der Montanunion für Kohle und Stahl, der Vorläuferin der EU. Energiekooperation mit Nordafrika könne "einen zusammenwachsenden Wirtschafts- und Technologieraum" begründen. Afrika werde "befriedet" und Europas wirtschaftliche und technologische Spitzenposition beim Klimaschutz gefestigt.
So sieht eben ein für Kapitalisten typischer Politikentwurf aus: mit eingebautem Zielkonflikt, Täuschungseffekten und Leerformeln von friedlicher Zusammenarbeit. Wer würde in dem "zusammengewachsenen Raum" denn unten ausgebeutet und wer würde oben profitieren? Was für ein Friedensverständnis liegt solchen schwarzen Visionen zugrunde? Das der Grünen.
Deutsche und europäische Multis erzielen schon gegenwärtig Milliardengewinne bei der Ausbeutung nordafrikanischer Energiequellen, weil sie der einheimischen Bevölkerung keine angemessene Teilhabe gewähren. Grundlage dafür sind ungerechte, mit korrupten Staatseliten ausgehandelte Förderverträge. Nordafrika wurde zu einem Segment des Armutsgürtels gemacht, der den europäischen Wohlstands-Fettwanst umspannt.
Algeriens Regierung würde sich gern aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Öl-Multis und den Industrienationen lösen. Um jedoch die angestrebten 100 Milliarden US-Dollar tatsächlich zu erwirtschaften, mit denen noch in diesem Jahrzehnt Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser, Strom- und Wasserversorgung gebaut und die Verkehrsinfrastruktur verbessert werden könnten, bräuchten die Algerier afrikanische Verbündete und verständige, faire europäische Partner.
Statt deren werden die Algerier von Politikern bajuwarischer Prägung heimgesucht. Wirtschaftsminister Michael Glos beschied bei einem Algerientrip im Februar seine Gastgeber grobschlächtig, es sei "vollkommen falsch", Kartelle wie die OPEC zu bilden. Hintergrund seiner Dreistigkeit: Die Organisation Erdöl exportierender Länder, OPEC, hat ihre Preispolitik vom Diktat zumindest der europäischen Industrienationen und Ölmultis befreit. Unabhängigkeit und Selbstorganisation der Entwicklungsländer sind eben nicht im Sinne von Ausbeuternationen.
Den Wirtschaftsminister begleiteten Manager von mehr als 50 deutschen Konzernen, auch von e.on und von EnBW. Die Herren verschwendeten keinen Gedanken an eine künftige Non-profit-Energieproduktion. Wie die aussehen könnte, hatte ich vor Jahren ("Zukunft Wasserstoff", in: UZ, 21.03. 2003) so skizziert: "... Sonnenländer würden die Flächen für den Bau der Solaranlagen anbieten. Die Industrienationen hätten Technologie, Ausrüstung und alles sonst Erforderliche zu liefern ... Die Ergebnisse der Anlagen, Energie und wissenschaftlich-technische Erkenntnisse, wären Gemeinschaftseigentum ... Das wäre ein Beitrag zum Frieden zwischen den Völkern und zum Frieden mit der Umwelt."
Vorerst geht es nicht um Frieden, sondern um Profit. "Saubere" Energie wäre allenfalls ein nützliches Nebenprodukt.