Bei der Telekom wird wieder kräftig gekürzt. Wie wehren sich die Beschäftigten und was geht unter den Jugendlichen bei der Telekom? Interview mit René Hanna, Vorsitzender der ver.di-Jugend Hamburg und Vorstandsmitglied im Landesjugendgremium des Fachbereiches 9 Telekommunikation. Position: Seit Wochen ist die Deutsche Telekom groß in den Schlagzeilen. Mal wieder ist die Rede von Ausgliederungen, Arbeitsplatzabbau, Arbeitszeitverlängerung und Lohnverzicht. Was plant die Telekom genau?
René: Es geht um die Ausgliederung von 50000 bis 60 000 Beschäftigten in eine neu zu gründende T-Service GmbH. Alle Bereiche, die irgendwas mit Kundenbetreuung zu tun haben, sollen dort zusammengefasst werden. Das Wichtige für die Telekom dabei: Die Kollegen sollen für 20 bis 30 Prozent weniger Gehalt bei gleichzeitiger Arbeitszeitverlängerung arbeiten. Das Ziel der Telekom sind keine Entlassungen, sie wollen einfach nur billigere Arbeitskräfte. Und in der Folge sollen alle nicht produktiven Bereiche abgestoßen und weiter verkauft werden.
Position: Wie wirkt sich das auf die Auszubildenden aus?
René: Auszubildende sind im Telekom-Training angestellt, welche zur Mutter Deutsche Telekom gehört. Sie sind also nicht direkt von den Ausgliederungen betroffen. Allerdings: Je mehr Bereiche ausgegliedert werden aus dem Konzern, desto schlechter wird auch die Ausbildung. Denn die Vielfalt der Betriebseinsätze für Ausbildende reduziert sich. Im Bereich Übernahme soll es bei der neuen T-Service für Nachwuchskräfte eine zweite Lohnebene geben mit deutlich schlechteren Bedingungen. Alles in allem genug Gründe auch für die Jugend, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Wir sind aber nicht streikberechtigt. Es könnte nur Soli-Aktionen mit den betroffenen Kollegen geben.
Position: Wie ist die Stimmung im Betrieb?
René: Bei den Aktiven im Betrieb gibt es ´ne ziemliche Wut. Und die Großdemo in Bonn Anfang März zeigte, dass die Bereitschaft für Streik vorhanden ist. Es haben 13 000 Beschäftigte für diese Aktion Urlaub genommen, um dem Telekom-Vorstand zu zeigen, was sie von ihren Plänen halten: nämlich gar nichts!
Position: Noch vor zwei Monaten war auch im Gespräch, die Ausbildungszahlen von bundesweit 4 300 auf 2 200 zu kürzen. Jetzt lässt die Telekom verlauten "wir investieren in die Zukunft" und bildet weiter 4 000 junge Menschen aus. Was hat sie zum Umlenken bewegt?
René: Die Telekom droht schon seit Jahren damit, die Ausbildung zu reduzieren, und fordert im Gegenzug massive Einschnitte bei den Ausbildungsbedingungen. Vor einigen Jahren haben wir dafür auf das Weihnachtsgeld verzichtet. Letztes Jahr wollte die Telekom die Ausbildung in eine eigene GmbH ausgliedern. Verhindert wurde das durch die Streichung des Übernahmeanspruches für die Auszubildendenvertretungen. Jetzt werden jährlich nur noch 80 von ca.110 bis120 AVlern übernommen.
Dieses Jahr hat sich die Telekom eine "Anpassung der Gehälter an Marktniveau" ergaunert. Bisher hatten alle Ausbildungsberufe dieselbe Vergütung. Ab dem 1. 9. 2007 gibt es jetzt zwei Gehaltscluster. Die Kaufleute für Bürokommunikation, Dialogmarketing, Einzelhandel und Immobilien bekommen 70 Euro weniger im Monat. Damit fallen sie noch unter den vom Bundesinstitut für Berufliche Bildung (BIBB) errechneten Vergütungsdurchschnitt. Das Argument, das ganze diene der Anpassung an Marktniveau, zieht also nicht. Die Telekom wollte eine noch härtere Absenkung in drei Gehaltscluster einführen und auch bei weiteren Sozialleistungen wie zum Beispiel die Streichung von bezahlten Familienheimfahrten, den zukünftigen Azubis erheblich in die Tasche greifen. Die ver.di konnte dies aber in den Verhandlungen erfolgreich abwehren.
Position: Das klingt nach Erpressung ... Regt sich Widerstand gegen die Praktiken des Konzerns?
René: Ja, es kam immer wieder zu Aktionen: Mahnwachen, Demos, Unterschriftensammlungen, Postkarten. Wir haben echt viel auf die Beine gestellt. Immer gemeinsam mit der ver.di-Jugend und meist bundesweit koordiniert.
Position: Wie sah das konkret aus? Hast du ein Aktionsbeispiel?
René: In Hamburg haben wir sehr gute Erfahrungen mit konkretem Widerstand gemacht. Im Tarifvertrag ist eine Übernahmequote von 10 Prozent festgeschrieben. Im Jahr 2006 gab es einen sehr hohen Bedarf an Fachkräften, aber statt mehr Azubis zu übernehmen wurden mehr Leiharbeiter eingestellt und Aufträge an Fremdfirmen vergeben. Das wollten wir so nicht hinnehmen. Wir haben deshalb gefordert: Mehr Übernahme!
Auf einer Jugendversammlung haben wir ein Transparent gemalt mit der Aufschrift: "Wir sind gekommen, um zu bleiben!" Unterschrieben hat jeder Azubi mit einem Handabdruck. Auf die Frage, was wir denn jetzt damit machen wollen, gab es ne klare Antwort: Dem Telekom-Vorstand überreichen! Nicht ganz zufällig hat parallel eine Betriebsversammlung der technischen Niederlassung mit ca. 1 000 Kollegen stattgefunden, auf der Dr. Heinz Klinkhammer, der damalige Arbeitsdirektor der Telekom, sprechen sollte. Wir sind also mit Fahnen, Transparenten und ver.di-Plastiküberziehern bewaffnet zum Kongresszentrum gezogen. Noch ´ne kleine Kundgebung und dann rein in die Veranstaltung. Wir haben sofort die Bühne gestürmt und das Mikro in Beschlag genommen. Für die Rede für mehr Übernahme gab es Standing Ovations von den Kollegen. Dr. Klinkhammer war etwas verärgert. Wir haben ihm eindeutig die Show gestohlen. Er konnte die Stimmung nicht mehr rumkriegen.
Die Aktion war ein großer Erfolg. Bei den Frühauslernern jetzt im Januar hat jeder ein Jobangebot bekommen. Im Sommer wird sich allerdings zeigen, wie nachhaltig das ist ...
Position: Glückwunsch zu der gelungenen Aktion! Mal ´ne persönliche Einschätzung: Was denkst du, wie es weitergeht? Welche Sauerei wird die Telekom im nächsten Jahr aus dem Hut zaubern, wenn´s wieder um die Ausbildungszahlen geht?
René: Ich befürchte, dass sie mit dem weitermachen, was sie schon vor einem Jahr gefordert haben: Die Ausgliederung der Ausbildung in eine eigene GmbH. Mit der Konsequenz, dass die Ausbildungsvertretungen mit sehr weitgehenden Mitbestimmungsrechten abgeschafft würden. Dann kann man nur noch eine Art Schülervertretung wählen. Außerdem würden dann alle Azubi-Rechte neu auf den Tisch kommen und verhandelt werden. Von Ausbildungszahlen, über Vergütung, Weihnachtsgeld, Sozialleitungen bis zur Übernahme. Alles stünde dann auf dem Prüfstand. Und ich trau der Telekom inzwischen alles zu ...
Das Interview führte Heide aus Hamburg