DE
       
 
0
unofficial world wide web avantgarde
Diesen Artikel Deinen Freunden per Mail empfehlen
Artikel:   versendendruckenkommentieren

Die Bundeswehr kommt uns beim Einsatz im Innern durch die Hintertür und auf leisen Sohlen. Ein Heimatschutz nach amerikanischem Vorbild wird aufgebaut und den zivilen Behörden in Stadt und Land "zur Seite gestellt". Im Artikel 35 des Grundgesetzes ist für den Einsatz der Bundeswehr im Innern nur vorgesehen: "Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall" (Artikel 35, Absatz 2). Von Hilfe bei Polizeiaufgaben und "Großereignissen" ist da nicht die Rede. Dennoch wird mit dem schwammigen Begriff "Terroranschläge" gearbeitet, der die Reservisten zu Hause in Massen zur Waffe greifen lassen soll.

ein trojanisches Pferd wird in Stellung gebracht

Am 17. Februar 2005 wurde das Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes beschlossen. Der Kern des Gesetzes ist die Anhebung des Alters auf 60 Jahre, bis zu dem Reservisten einberufen werden können. Ohne mündliche Aussprache - und fast ohne Berichterstattung der Medien. Deshalb sei dieser Auszug aus dem Bundestagsprotokoll nachgetragen: "Petra Pau: Wir sind dagegen, weil sie (die Änderungen) ein trojanisches Pferd in Stellung bringen.
Zweitens. Der Gesetzentwurf entspringt einer inhaltlichen Logik, der wir nicht folgen. Es geht darum, den Status und die Pflichten von Reservistinnen und Reservisten an die offensiven militärpolitischen Leitlinien anzupassen. Noch klarer gesagt: Reservistinnen und Reservisten sollen in den Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee aktiv einbezogen werden. Die PDS ist gegen weltweite Militäreinsätze der Bundeswehr. Wir halten die militärpolitischen Leitlinien für falsch, ja für gefährlich. Also sind wir auch dagegen, dass dieser Fehler auch noch auf die Reservistinnen und Reservisten ausgedehnt wird.
Drittens. Hinzu kommt: Mit Paragraph 6c des vorliegenden Gesetzentwurfes wollen sie den Einsatz der Bundeswehr im Inneren der Bundesrepublik Deutschland vorbereiten. Sie weisen Reservistinnen und Reservisten entsprechende Aufgaben zu. Sie wissen: Im Gegensatz zur CDU/CSU halten wir Inlandseinsätze der Bundeswehr für grundgesetzwidrig. Sie wären obendrein fachlich falsch, politisch sind sie es aus der Sicht der PDS ohnehin.
Viertens. Genau betrachtet rangiert der Antrag in der Grauzone zum Trickbetrug. Denn das eigentliche Ziel dieses Gesetzes verkehrt sein vermeintliches Anliegen ins Gegenteil: Es schafft nicht mehr Rechtssicherheit und Arbeitsschutz für Reservistinnen und Reservisten. Es schafft neue Risiken und Gefahren für alle."
(Dies gab die PDS-Bundestagsabgeordnete MdB Petra Pau zu Protokoll. Leider hat auch die linke Presse diese Intervention nicht beachtet.)

Über zwei Jahre später meldet die Bundeswehrzeitschrift "Y": "Seit Jahresbeginn stellt sich die Bundeswehr in der Fläche der Republik neu auf." Sie zitiert Kriegsminister Franz Josef Jung: "Die flächendeckende Einführung der Zivilmilitärischen Zusammenarbeit (ZMZ) im Inland stellt sicher, dass die Bundeswehr in unserer Heimat jederzeit und an jedem Ort unseres Landes Hilfe und Unterstützung leisten kann."

Ulrich Sander hat schon 2004 bei Papy Rossa den Band "Die Macht im Hintergrund - Militär und Politik in Deutschland" herausgebracht, worin er über die Pläne des Einsatzes der Truppe im Innern und der entsprechenden Neuordnung der Reservistenarbeit berichtet. Er hat den nebenstehenden Beitrag zur jüngsten ZMZ-Entwicklung geschrieben.
Das Zauberwort heißt Zivil-Militärische-Zusammenarbeit (ZMZ), die durch Reservisten unter Führung von 5 500 hauptamtlichen Dienstposten erledigt wird - zur Vorbereitung und Organisierung des Einsatzes von Reservisten im In- und Ausland. Reservisten gibt es inzwischen Millionen, nachdem SPD und Grüne mit einem kaum beachteten Gesetz (Gesetz über die Neuordnung der Reserve der Streitkräfte und zur Rechtsbereinigung des Wehrpflichtgesetzes) das Reservistenalter auf 60 Jahre angehoben haben. Innerhalb von Stunden können sie mobilisiert werden.

Wer bisher nach seiner aktiven Dienstzeit noch als Reservist tätig war, der tat es in der Regel freiwillig. Nun kann das anders werden. Bundesweit werden bis zum Sommer nun ZMZ-"Kommandos" eingeführt. Sie spielen dann bei Katastrophenabwehr und "Gefahrenlagen" die erste Geige, an der Seite von Feuerwehr, THW und Sanitätsdiensten und der regulären Polizei.

Aus Rostock meldete Vizeadmiral Wolfram Kühn: "Die Bundeswehr hat einen weiteren Schritt zur Verbesserung des Schutzes Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger geleistet. Kompetente Ansprechpartner aus der Streitkräftebasis stehen zur Abwehr von Gefahrenlagen und Katastrophen und für Hilfe- und Unterstützungsleistungen zur Verfügung." Rostock liegt in der Nähe von Heiligendamm, wo im Juni viele Tausend Protestierende zum Gipfel erscheinen wollen. Wenn das keine "Gefahrenlage" ist.

Kühn bestätigte es: Bei der Bekämpfung der Vogelgrippe an der Küste Mecklenburgs habe ZMZ eine erste Bewährungsprobe bestanden; Hochwassereinsätze der Bundeswehr an Oder und Elbe brachten vorher schon wichtige Erkenntnis. Wörtlich: "Ein weiteres Thema der Unterredung mit dem Inspekteur war die Unterstützungsleistung der Bundeswehr während des G8-Gipfels in Heiligendamm. Hier laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren."

Insgesamt werden nach derzeitigem Stand 429 Verbindungskommandos zu Landkreisen, davon 116 zu kreisfreien Städten geplant. Die Bundeswehr hat zudem wichtiges Material, wie Pioniergerät und Sanitätsmaterial an einzelnen Standorten konzentriert. Der Vizeadmiral: "Durch enge Anbindung an die zivilen Einsatzkräfte und militärisches Know-How sind Unterstützungsleistungen schnell und zielorientiert koordinierbar."

Organisatorisch liegt die Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden in den Händen erfahrener Reserveoffiziere. Zwischen 30 und 50 Tagen im Jahr umfasst deren Tätigkeit im Zusammenhang mit ZMZ. Als wesentlicher Vorteil der Reservisten wird die meist langjährige Stehzeit am Ort angesehen, der oft zugleich Heimatort ist. Damit einher geht die Ortskenntnis und das Wissen um die Strukturen einer Region. Gepaart mit militärischer Ausbildung entsteht so "ein wertvolles Bindeglied zwischen ziviler Verwaltung und Bundeswehr", so die Bundeswehr-WebSite.

Die ZMZ wirkt sowohl innerhalb Deutschlands als auch bei Einsätzen der Bundeswehr im Ausland, heißt es weiter auf der Bundeswehr-WebSite. "ZMZ schließt die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und anderen nicht-staatlichen Organisationen sowie internationalen Organisationen ausdrücklich ein," und "richtet sich heute vor allem an neuen gesamtstaatlichen übergreifenden Sicherheitskonzepten aus." Deutlicher kann der militärische Charakter von ZMZ nicht ausgedrückt werden. Schließlich sind auch die Ausbildungsplätze für die Reservisten bezeichnend. Der Reservist soll "durch Schulungen, insbesondere an der ´Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr´" die "erforderliche Kenntnis erlangen."


 
Creative Commons CC BY-NC-ND 4.0
Inhalt (Text, keine Bilder und Medien) als Creative Commons lizensiert (Namensnennung [Link] - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen), Verbreitung erwünscht. Weitere Infos.