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Carolus Wimmer ist Abgeordneter im ParLatino, dem Lateinamerikanischen Parlament, und Internationaler Sekretär der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV). Am 2. bis 4. März beriet die Partei auf einem außerordentlichen Parteitag über den Vorschlag einer Vereinigten Sozialistischen Partei.

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Wappen der KPV - Kommunistische partei Venezuelas
UZ: Präsident Chávez hat für seine zweite Amtszeit den Übergang zum Sozialismus angekündigt. Welche Schritte müssen aus Sicht der KP gegangen werden?

Carolus Wimmer: In den letzten acht Jahren der Bolivarianischen Revolution wurden in einem harten Klassenkampf entscheidende Schritte gemacht. Erinnern wir uns, dass am Anfang von den meisten nur eine nationale Unabhängigkeitspolitik gefordert wurde, speziell die Forderung nach einer souveränen Politik den USA gegenüber, die Lateinamerika historisch seit einem Jahrhundert als ihren "Hinterhof" betrachten. Nach dem faschistischen Putsch im April 2002 wurde die antikapitalistische Bewegung immer größer. 2004, als von Opposition und USA weiter der Sturz der Regierung angetrieben wurde, kam mit dem Referendum der qualitative Sprung, und die Bolivarianische Revolution bekam einen antiimperialistischen Inhalt. Für die KP Venezuelas ist es deshalb logisch, dass jetzt diese Diskussionen von einer realen Alternative, d. h. des Sozialismus, begleitet werden. Das Entscheidende ist für uns, dass dies vom breiten Volk vorangetrieben wird. Ein Volk, das in den Klassenschlachten immer bewusster und organisierter agierte.

Es existiert kein reformistischer Ausweg aus dem Kapitalismus, sondern nur revolutionäre Maßnahmen innerhalb eines Sozialismusdenkens.

Die Ankündigung des Übergangs zum Sozialismus bedeutet nicht, dass schon alle Bedingungen dafür da sind, sondern ein Bewusstsein, dass nichts dem Zufall oder "weisen Eliten" überlassen werden darf, und die Verantwortung, dafür konkrete Schritte einzuleiten. Die PCV arbeitet innerhalb der politischen Kräfte an einer Sozialismusdiskussion unter venezolanischen Verhältnissen, an einer Debatte unserer Verfassung, die Änderungen annehmen muss, und an Vorstellungen der politischen Organisation, die zu dem den Impuls geben muss.

Kommunistische Partei Venezuelas bleibt unabhängig

Wie venezolanische und lateinamerikanische Tageszeitungen am 5. März berichten, hat die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) bei ihrem Tags zuvor zu Ende gegangenen Außerordentlichen Parteitag beschlossen, die traditionsreiche Partei, die gerade den 76. Jahrestag ihrer Gründung begeht, nicht aufzulösen. Die PCV hatte den Parteitag einberufen, nachdem Venezuelas Präsident Hugo Chávez am 15. Dezember zur Bildung einer Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) aufgerufen und die Vielzahl bolivarianischer Organisationen als "Buchstabensuppe" kritisiert hatte. In einer Grußbotschaft hatte er der PCV am Sonnabend jedoch versichert, jede Entscheidung des Parteitages zu akzeptieren.

Venezuelas Kommunisten halten eine Auflösung ihrer Organisation zumindest für verfrüht, da die Gründung der neuen Partei noch nicht vollzogen und auch die programmatischen Grundlagen der PSUV noch nicht klar seien. Das Bekenntnis zur Bolivarianischen Revolution und zu einem noch nicht genauer definierten Sozialismus reicht der PCV nicht, um ihre marxistisch-leninistische Partei zu beerdigen.
UZ: Angestrebt ist eine "Vereinigte Sozialistische Partei" (PSUdV), in der sich die revolutionären Kräfte verbinden sollen. Wie schätzt du die Stimmung für den außerordentlichen Parteitag deiner Partei ein?

Carolus Wimmer: Die KPV erklärte seit Jahren die Notwendigkeit einer kollektiven und revolutionären Leitung des politischen Prozesses. Deshalb begrüßen wir die Initiative von Chávez in dieser Hinsicht. Wir sind uns bewusst, dass der Klassenkampf immer schwieriger werden wird. Die USA werden alles versuchen um die aktuellen Entwicklungen Lateinamerikas zu bremsen und wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Jede Revolution braucht eine revolutionäre Partei. Das unterstützen wir. Der außerordentliche Parteitag wird dazu Vorschläge machen. Die Entscheidung, ob schon jetzt die Bedingungen dafür bestehen, wird der Parteitag geben. Für uns Kommunist/inn/en ist es nicht die Form, sondern hauptsächlich der Inhalt der geplanten Einheitspartei wichtig.

UZ: Dennoch befürchten viele das Verschwinden der traditionsreichen, kämpferischen KP Venezuelas innerhalb der Einheitspartei, wo doch zum derzeitigen Zeitpunkt die historische Mission der Kommunistischen Partei noch nicht erfüllt ist. Muss die Zuspitzung des Klassenkampfes nicht noch länger, in verschiedenen Organisationen, betrieben werden?

Carolus Wimmer: Die KPV hat bisher immer eine Art "Frente Amplio" (breite Front) vorgeschlagen, hauptsächlich weil wir zwar die Notwendigkeit der Einheit sehen, dafür kämpfen und auch Kompromisse zugestehen, aber eben noch keine wirkliche Einheit abzusehen war: Ideologie, politisches Programm, Organisation ...

Weder Chávez noch wir können das kurzfristig entscheiden. Nicht nur der subjektive Wille wird gebraucht, sondern es müssen objektive Bedingungen da sein. Wir wissen, dass es eine Debatte ist, die nicht nur uns einschließt, sondern viele Sektoren auf nationaler und internationaler Ebene. Unsere Prinzipien dafür sind:

  • Die KP Venezuelas unterstützt den Vorschlag von Präsident Chávez einer einheitlichen Partei mit allen Organisationen, die im politischen Prozess seit 1999 teilnehmen.

  • Diese Einheitspartei zusammen mit der Definition des Prozesses in Venezuela als "sozialistisch", ist eine der wichtigsten Debatten in diesem Moment überhaupt.

  • Die Arbeiterklasse in den lateinamerikanischen und anderen Ländern hat diese Debatte von uns erwartet. Seit langem will man wissen: steckt hinter dieser "Revolution" nur Reformismus oder entwickelt sich alles zu einer wirklichen Revolution?

  • Die PCV hat sich seit langem auf diese Debatte vorbereitet und wird sie fortführen.

  • Die PCV hat deutlich gemacht, dass der Stand der Widersprüche mit dem USA-Imperialismus mit dessen Drohungen und konterrevolutionären Plänen eine organisatorische Vorbereitung nötig machen.

  • Die Gründung einer Partei der Revolution ist ein Prozess, der die Teilnahme aller Revolutionäre einschließt. Es ist zuerst einmal eine ideologische Debatte, die viel Kraft, Reife und politischen Willen braucht.

  • Es sind dabei einige wichtigen Phasen nötig:
    1. Definition des ideologischen Charakters: Eigentum an den Produktionsmitteln, Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung, Rolle des Staates, führende Rolle der Arbeiterklasse im Aufbau der neuen sozialistischen Gesellschaft in Venezuela.
    2. Parteiprogramm
    3. Organisationsformen
    4. Kader- oder Massenpartei?
    5. Parteidisziplin
    6. Revolutionärer Charakter


Mit diesen hypothetischen Phasen des Prozesses muss die Debatte über die Partei bereichert werden. Das ist der Vorschlag der KPV.

Die Fragen stellte Günter Pohl.


mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der UZ - Unsere Zeit - Zeitung der DKP - vom 2. März 2007.



 
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