Capetown (Kapstadt), 28.2., 11.30 Uhr Ankunft in der “schönsten Stadt der Welt”, umgeben vom Tafelberg, “Löwenkopf” und den “12 Aposteln”, einer rauhen Bergkette, die sich von der Schulter des Tafelbergs Richtung Kap der Guten Hoffnung (Cape Point) erstreckt. Die Stadt selbst liegt dem Tafelberg zu Füssen und schmiegt sich an die Berghänge an, immer mit Blick auf den Atlantik gerichtet. Hier haben die Buren wie die Engländer, die das Kap zweimal besetzten (zuletzt im Burenkrieg Anfang des 20. Jahrhunderts), architektonisch ihre Spuren hinterlassen. Spuren der Apartheid findet man nur noch in den Strassennamen ... Der berühmte zentrale Stadtteil Nummer 6 (District No. 6), ehemals ausschließlich weiss, wurde nach dem Ende der Apartheid komplett evakuiert, und die Weißen durften sich eine neue Bleibe suchen. Weiße Stadtführer versäumen nicht, auf diesen Umstand in lautem Lamento hinzuweisen, ein Zentrum für Vertreibung gibt es allerdings deshalb nicht ...
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© by Eva Niemeyer |
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Die Stadt ist auf angenehme Weise „multikulti“, man kann sich überall frei und sicher bewegen. Die Sicherheitskräfte sind an ihren gelben Westen erkennbar und erinnern in ihrer Unaufdringlickkeit (sie sind unbewaffnet, und der Schlagstock ist versteckt) eher an den ADAC. Im District No. 6 hingegen ist man auch heute noch als Weißer nicht so gerne gesehen, man kommt sich vor wie ein Eindringling ...
Es ist hier sauberer als in London oder Berlin und, ein echtes Highlight, alle Nase lang findet man – funktionierende! - Telefonzellen, immer auch mit mindestens einem Münzapparat! Betteln ist verpönt, der Stadtbewohner muss schon einen Grund haben, um einen Touristen anzusprechen. So sind die AIDS-Spendensammler unterwegs oder auch Kinder, die für ihre Schule sammeln. Der Staat stellt zwar eine Regelschulbildung kostenlos zur Verfügung, aber alle Extras für Literatur, Ausflüge etc. müssen selbst organisiert werden. Viele Eltern, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder auf eine „bessere“ Schulen, in denen das Lehrpersonal entsprechend qualifiziert ist. In den schwarzen Townships z.B. lernen die Kids von zweifelhaft ausgebildeten Lehrern nur das Allernötigste, die Analpahbetenquote liegt immer noch bei 30-35%.
Die Löhne sind insgesamt eher vergleichbar mit der Tschechischen Republik: Ein Hausangestellter verdient ca. 100-120 Euro, ein Facharbeiter 150 Euro, die Mittelklasse/Kleinbourgeoisie liegt bei ca. 2.000 Euro brutto. Der Premierminister bekommt das vergleichsweise lächerliche Gehalt von 120.000 Euro im Jahr, ein Minister 90.000 Euro und ein Staatssekretaer 60.000 Euro. Das schafft offene Hände fuer die zahlreichen Schmiergelder der imperialistischen Monopole.
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© by © by Eva Niemeyer [01.01.1970] | |
Kapstadt vorgelagert sind die diversen „informellen Siedlungen“, wie man die Slums bzw. Squatter Camps so beschönigend nennt. Je weiter von der Stadt entfernt, desto ärmlicher. Selbst eine europäische Ratte würde sich hierher nicht verirren. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 35-40%, in ländlichen Gebieten sogar ueber 60%.
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© by Eva Niemeyer |
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Politisch ist Capetown ein schwieriges Pflaster, vergleichbar etwa mit Berlin. So konnte ich zufällig an einer „Rosa Luxemburg Konferenz“ teilnehmen (die PDS hat gute Kontakte zur SACP und hiesigen NGOs), die vom Labour Research Center organisiert wurde. Das Thema war „Umgang mit der Staatsmacht“, zu dem neben SACP Vertreter (KP Südafrika) vor allem Vertreter von Basisorganisationen, der Landlosenbewegung etc. sprachen. Die Argumente und Sichtweisen kennen wir spiegelbildlich auch aus Berlin: Trotzkisten halten die bürgerliche Demokratie für völlig nutzlos und klagen die SACP des „Stalinismus“ an, da sie bürgerliche Politik undemokratisch durch- und umsetzt. Die „Kommunisten“ verteidigen sich, indem sie erklären, es sei ja nicht alles schlecht, was die Regierung mache, und außerdem müsse man am gemeinsamen Strang ziehen und „die Basis stärken“. Basisorganisationen geben zu bedenken, dass nicht nur „die Stalinisten an allem schuld sind“, sondern auch sie Fehler gemacht hätten. Schliesslich treffe sie der Zusammenbruch des Sozialismus alle gleichermassen hart, und „Anti-Stalinisten, Trotzkisten, Luxemburgisten haben immer nur 'idealer Sozialismus oder gar keiner' geschrien“. Diese eher versöhnlichen Statements münden allerdings nicht in einer wie immer gearteten gemeinsamen Strategie, dazu hat die Konferenz (wie bei uns) eher Schwafel- als analytischen Charakter.
Die Kontakte, die ich hier mache, erweisen sich allesamt als hoffnungslos trotzkistisch.
Also mache ich ein bisschen Sightseeing und Museumstour, bin ohnehin nur 4 Tage hier ...