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die Bourgeosie dankt mit Orden: Bundesverdienstkreuz für Wolf Biermann. |
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Lupus Cerveca Hombre, besser bekannt als
Wolf Biermann, ist in seinem Leben bereits vieles gewesen: Bänkelsänger, Politdissident, Berufsausgebürgerter, "Opfer des Stalinismus", moralische Stimme, Liedermacher, selbsternannter DDR-Experte und Talkshow-Dauergast. Rein gar nichts deutet daruf hin, dass auf den erfolgreichen Ausgang seiner historischen Mission - Vernichtung der DDR - eine freiwillige Zurücknahme in Sachen unerbetener medialer Dauerpräsenz folgen könnte. Wo die allermeistens ehemaligen DDR-"Dissidenten" längst nach diversen Parteiübertritten und Politkapriolen die Feuilletonspalten für die neuen Deutschen Helden aus Big Brother und "Deutschland sucht den Superstar" freigemacht haben, schafft es der Wolf im Biermann immer wieder, dem wohlverdienten Vergessen ein ungnädiges Schnippchen zu schlagen: keine Sendung zum Thema DDR, in der Biermann nicht als selbstinthronierter "Experte" ein Wörtchen mitzureden oder gar ein Liedchen zu trällern hätte; keine Ehrung, die er an sich vorbeiziehen lassen würde: er ist nicht nur Träger unzähliger - meist ironischerweise nach Dichtern und Denkern benannter - Ehrenpreise, sondern auch des Bundesverdienstkreuzes; und nun auch noch prominentes "Opfer des Stalinismus" und in dieser Eigenschaft dräuender Ehrenbürger der Stadt Berlin. Prominente Preisträger gibt es viele: der Kriegsverbrecher Flick zum Beispiel, der sich ebenfalls das Bundesverdienstkreuz umknüpfen konnte. Und auch der lange Reigen der "Opfer des Stalinismus" steht für die gute, alte Volksgemeinschaft: neben dem von barbarischen Rotgardisten vergewaltigten Mütterchen und dem von der Sowjetarmee in den Freitod getriebenen Führer und Größten Feldherren Aller Zeiten nun auch er - Wolf Biermann.
“Naja, die Biermann-Sache. Wenn man sich ungeheuer anstrengte, dann gelang es einem, mit der Stasi Knatsch zu kommen. Da muße man aber wirklich provozieren. Da mußte man Krieg führen. (…) Das hat er getan, in einer wirklich widerwärtigen Weise. Und man mußte Kontakt mit westlichen Diensten haben. (…) Biermann ist ein Mensch, der für öffentliche Aufmerksamkeit alles tun würde. Eingeschlossen seiner eigenen Hinrichtung. Wenn genug Publikum ist, würde er sie verlangen. Das ist ein pathologisch Geltungssüchtiger. (…) Dieser Mensch störte jede heitere Geselligkeit. Faschingsfeste bei Fritz Cremer wurden gesprengt von Biermann, welcher, wenn alle Leute unmittelbar vor dem Beischlaf standen, zu seiner Gitarre griff und den Leuten ohne zu ermüden tragische Lieder vorsang. Er kannte keine Rücksicht. Also, er singt auch seinem Postboten vor. Natürlich sang er auch der Stasi vor.“ Peter Hacks |
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Man sollte sich da gar nichts vormachen: Biermann erhält all diese Auszeichnungen völlig zu Recht; der kläglich gescheiterte Aufstand der Linkspartei Berlins, die sich ihrerseits nicht entblödet, seitenlange Entschuldigungen für die angeblichen Verfolgungen Biermanns zu DDR-Zeiten zu publizieren, geht fatal am Kern der Sache vorbei: Biermann hat seinen Job gut erledigt, die Bourgeoisie dankt - mit Sendeminuten, klimpernden Orden und Ehrenbürgerurkunden.
Andererseits: warum ausgerechnet die Linkspartei Berlins, die sich bisher für keinerlei Anbiederung an "Sachzwänge" zu blöde war, gegen die Ehrung Biermanns etwas einzuwenden hat, ist sehr erstaunlich - Biermann, der den Koalitionskuschelpartner Wowereit einen "Verbrecher" nannte (für eben jene zustande gekommene Koalition), wäre wahrscheinlich gar nicht allzu weit entfernt vom politischen Grundverständnis der heutigen Linkspartei, wenn er nicht unterdessen eine scharfe Rechtswende durchgemacht hätte. Zumindest zeigt sich der Masochismus der "Linke.PDS" heute in der Kritik an all dem, was es in Deutschland mal an Fortschrittlichem gab. Darin sind sie sich mit Biermann einig.
Dementsprechend ist auch der verzweifelt politisch-korrekte Sturm im Wasserglas gegen die Ehrenbürgerschaft Biermanns einfach nur lächerlich. Geschenkt, müsste es heißen. Soll der Mann mit Orden, Urkunden und Ehrenpreisen behängt werden, bis er vor Last nicht mehr gehen kann; jede Auszeichnung durch diesen Staat macht ihn und seine mal im linken Gewande dahergekommene Kritik am Sozialismus unglaubwürdiger. Viel eher müsste man sich fragen, ob zum Beispiel Bertolt Brecht oder Heinrich Heine die Ehrenbürgerschaft Berlins zu Recht tragen: sie haben es nicht verdient, in einer Reihe mit solchen Gestalten wie Biermann erwähnt zu werden. Konsequenterweise müsste die Forderung eher lauten, diesen beiden wegen erwiesenermaßen inkompatiblem Verhalten zur herrschenden Klasse die Ehrungen wieder abzuerkennen.
Biermann aber - der soll sie behalten. Er hat hart dafür gearbeitet.
[flv]Das Geraune und Gegreine der Journaille über die unverbesserlichen "Altstalinisten" (Stalin tät' sich im Grabe umdrehen...) in der Linkspartei, die dem Herrn Biermann die Auszeichnung mißgönnen, markiert nur einen neuen Gipfelpunkt in der langen und großen Liebe zwischen einer freischaffenden Aufmerksamkeitshure und ihrem willig hingegebenen Podium: seit der damals minderjährige Biermann 1953 aus Hamburg in die DDR übersiedelte und dort recht bald merkte, im falschen deutschen Staat gelandet zu sein, ließ sich diese Kuh melken wie keine Zweite. Markierte Biermann zunächst den Kritiker "von links", der seine Attacken gegen die DDR mit einem Bekenntnis zum "besseren Sozialismus" verknüpfte und damit nicht nur, sondern eher ausschließlich bei der kleinbürgerlichen Linken Westdeutschlands bombig ankam, ließ er nach seiner Einweisung in die BRD peu a peu alle Polithüllen fallen. Auf einmal war er "kein Kommunist mehr" - nun denn, es war auch nicht mehr nötig; sein Publikum nannte sich auch nicht mehr so - und Kommunismus, das was irgendwie erstmal "out".
Seitdem mäandert Biermann durch die Talkshows, breitet seine Ansichten zu diesem und jenem aus und hat zu allem gratis seinen Senf draufzuschlagen.
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© by junge Welt |
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Junge Welt vom 20.11.1976: Prominente Künstler stellen sich hinter den Beschluß der DDR-Regierung, Biermann des Landes zu verweisen |
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Sei es Schills rechtsradikale Partei, die im Wieder-Hamburger Biermann plötzlich ein restriktives Sicherheitsbedürfnis gegen "Drogendealer, die auch seine Kinder bedrohen würden", weckte; sei es die CSU, der er im Wildbad Kreuth mit der Klampfe sein Liedgut nahebringen muss; sei es der Krieg im Irak, an dem sich die BRD unvernünftigerweise nicht beteiligt. Herr Biermann weiß eben besser, was gut für Deutschland ist. Er hat es immer gewußt und wird es auch in Zukunft wissen - schließlich hat er den Staat überlebt, dem er den Kampf ansagte. Wer kann das schon von sich behaupten?
Zimperlich ging und geht Biermann nicht mit seinen Gegnern um. Rief er seinerzeit zum Lynchmord an Egon Krenz auf oder forderte er von Wolfgang Thierse den Freitod, schimpfte er den Alterspräsidenten (und vehementen DDR-Kritiker) Stephan Heym ob seines Engagementes einen "Verbrecher": Wolf Biermann hat eine Mission und geht seinen Weg unbeirrt. Leider, muss man sagen, geht er ihn nicht still und für sich alleine. Die Kamarilla der Meinungsindustrie setzt die politische Vorgabe, mit medialem Trommelfeuer die Tragikgroteske Biermann breitestmöglich zu inszenieren, gekonnt in die Tat um. Und so werden wir auch in Zukunft damit leben müssen, Wolf Biermann bei dieser oder jener Ordensverleihung, Schmährede, 10-Akkord-Interpretation oder Ehrenbürgerschaftsverleihung ertragen zu müssen. Politisch steht Biermann, wie Wiglaf Droste mal so schön feststellte, eben "in der Nähe jeder Fernsehkamera".