Nach Auszählung von über 91 Prozent der Stimmen steht es offiziell fest: Der Kandidat der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN, der ehemalige Präsident Nicaraguas Daniel Ortega, ist auch der künftige Präsident des Landes. Mit einem Abstand von mehr als neun Prozent zum Zweitplazierten, dem rechten ALN-Kandidaten Eduardo Montealegre, erfüllt Ortega die gesetzlichen Bestimmungen für einen Wahlsieg in der ersten Runde. Dabei kam ihm insbesondere auch die Spaltung der Rechten zugute. PLC-Kandidat José Rizo liegt mit 26,21 Prozent nämlich nur recht knapp hinter der ALN, zusammen hätten beide Rechtsparteien die absolute Mehrheit erreicht.
Ausgezählte Stimmen | Gültige Stimmen | FSLN | ALN | PLC | MRS | AC | 91.48 % | 2.244.215 | 38.07 % | 29.00 % | 26.21 % | 6.44 % | 0.27 % |
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Daniel Ortega zeigte sich in seinen ersten Erklärungen als gewählter Präsident versöhnlich. Man könne nicht von Gewinnern und Verlierern sprechen, sondern müsse nun gemeinsam für das Wohl des Landes arbeiten. "
Danken wir Gott für diese Gelegenheit, die er uns gibt, um Nicaragua in Versöhnung aufzubauen, das heisst, uns zu verstehen, zu diskutieren, über die Unterschiede den Konsens zu schaffen."
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Daniel Ortega, geb. am 11.11.1945, war einer der die FSLN befehligenden Comandantes, die am 19. Juli 1979 den nicaraguanischen Diktator Anastasio Somoza Debayle durch die Revolution stürzten. Seitdem gehörte Daniel Ortega der fünfköpfigen Regierungsjunta an. In Folge errichtete die FSLN eine sozialistisch geprägte Regierung mit enger Anlehnung an die UdSSR, den Warschauer Vertrag und Kuba. Ortega war von 1985 bis 1990 Präsident von Nicaragua. Die sandinistische Regierung Nicaraguas wurde durch einen von imperialistischen Mächten, in erster Linie der USA, finanzierten Guerillakrieg geschwächt; 1990 führte der "Contra-Krieg" schließlich zur Abwahl der FSLN. Ortega ist nach wie vor Vorsitzender der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) - am 5.November 2006 wurde er erneut zum Präsidenten Nicaraguas gewählt. |
An Ortegas Seite stellte sich der unterlegene Kandidat Montealegre der Presse, der als zweiter Gegner nach Edén Pastora Ortegas Sieg anerkannte. Er kündigte eine "konstruktive, intelligente und demokratische Opposition" an. Daniel Ortega interpretierte die Geste des Zweitplazierten als Zeichen für die Bereitschaft aller Nicaraguaner, für das Wohl des Landes zu arbeiten und es aus der Armut zu befreien. "Wir fühlen, dass in unserem Land Bedingungen geschaffen werden, um eine neue politische Kultur umzusetzen, die uns inmitten der Unterschiedlichkeit mit einem konstruktiven Geist trägt, der die Armen in den Mittelpunkt stellt", sagte der künftige Präsident.
"Zum fünften Mal hintereinander stellte die FSLN Daniel Ortega auf, dieses Mal für ihr „
Vereintes Bündnis – Nicaragua siegt“; als Vizepräsident wurde der ehemalige Contra-Sprecher Jaime Morales nominiert. Nur im November 1984, als Teile der Opposition auf Weisung der USA boykottierten, war Daniel Ortega siegreich; 1990, 1996 und 2001 verlor er.
Gegenargumente zu Daniel Ortegas Kandidatur gab es nicht wenige: die drei Niederlagen, der Führungsstil, persönliche Verfehlungen. Allerdings hätte jegliche andere Kandidatur aus den Reihen der FSLN nur die Rechte bedient: zum einen hat niemand auch nur annähernd einen Bekanntheitsgrad aufzuweisen wie Ortega (der auf Wahlplakaten konsequent nur seinen Vornamen - "Daniel!" - nannte; alle Menschen wissen auch so, wer gemeint ist), zum anderen standen alle, die sich vergeblich für eine Kandidatur angeboten hatten (wie zuletzt der inzwischen verstorbene MRS-Kandidat Herty Lewites), für eine Öffnung der FSLN nach rechts und zur Marktwirtschaft.
Kaum hörte man von ihnen Argumente ideologischer Art (z. B. wäre zu hinterfragen, wieso die Esoterik im Programm der FSLN einen immer größeren Stellenwert einnimmt), aber immer haben sie sich als Linksströmung, als Erneuerungsbewegung oder als die wahren Sandinist/inn/en bezeichnet. Mag sein, dass den Beweggründen und der Selbsteinschätzung redliche Motive zugrunde lagen – alle haben sich jedoch im Ergebnis als Rechtsabspaltungen erwiesen, die eine Zeit lang den „dritten Weg“ suchten, um sich dann ein warmes Plätzchen lange vor der vermeintlichen Weggabelung zu suchen. Und alle erreichten bisher bei Wahlen kaum mehr als ein Prozent."
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Ortega: der Mann, der Reagan Rot sehen ließ |
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Auch die FSLN und Ortega selbst haben eine Wandlung durchgemacht: die einstigen Marxisten, die in enger Anlehnung an die UdSSR zu traditionell-marxistischen Rezepten wie einer grundlegenden Bodenreform, Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und breit angelegten Alphabetisierungskampagnen griffen (und sich so den Zorn der Imperialisten wie auch nationales Ansehen und breite internationale Solidarität zuzogen), schlugen in letzter Zeit widerholt versöhnlichere Töne an; Ortega selbst ist zum Katholizismus konvertiert und sieht sich - konsequenter Weise - nicht mehr als Marxisten.
Die ideologische Aufweichung der FSLN ist nur eine Seite der Medaille. Ortega gewann diese Wahl sicher nicht aufgrund der Annäherungen an religiöse Strömungen in der Bevölkerung oder der Absage an traditionell sozialistische Methoden - die sandinistische Regierung mit ihrem "orthodox-marxistischen" Kurs genoß in den 80ern schließlich breite Sympathien in der nicaraguanischen Bevölkerung. Die FSLN profitierte vor allem von zwei Umständen: der Zersplitterung des bürgerlichen Lagers, das sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnte, und - den kontinentalen Kräfteverschiebungen: Ortega gilt als der Mann, der eine enge Anlehnung an Venezuela, Kolumbien und Cuba sucht. Mit gewählt wurde also die südamerikanische antiimperialistische Alternative, die in immer mehr Ländern des Subkontinents parlamentarisch legitimiert wird.
"So auch die jüngste Gruppierung, die „Bewegung der Sandinistischen Erneuerung“, MRS. Mit dem Unterschied, dass ihrem Kandidaten JarquÃn, der vor seiner Pensionierung bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) gearbeitet hatte, bei diesen Wahlen über zehn Prozent vorhergesagt werden. Der Aufschwung wundert nicht, denn zwei Fakten mussten die nationalen Medien bedenken, als sie entschieden, der MRS soviel Aufmerksamkeit zu schenken: erstens wurde mit dem parlamentarischen Bündnis zwischen der PLC-Mehrheit um Alemán und der FSLN-Fraktion als Teil der Verfassungsänderungen auch das Wahlgesetz von 1999 reformiert. Nun reichen bereits 35 Prozent zum Sieg, wenn der Zweite mehr als fünf Prozentpunkte zurückbleibt (zum Vergleich die FSLN-Ergebnisse 1990: 40,8 %, 1996: 37,8 %, 2001: 42,3 %). Zweitens geht die Rechte erstmals völlig gespalten in die Wahlen, und nach jeder der verschiedenen Umfragen kämen weder Rizo noch Montealegre auf annähernd 30 Prozent. Ein FSLN-Sieg ist also im Bereich des Möglichen (die Umfragen sagen 28 bis 36 Prozent voraus), und sie unter 35 % zu drücken, heißt, auf der Linken eine Spaltung zu begünstigen, um der FSLN Stimmen abzunehmen.
Vor dem Sitz der FSLN in Managua versammelten sich Hunderte Sandinisten und feierten mit rot-schwarzen Fahnen und dem Sprechchor "El pueblo unido jamás será vencido" (Das vereinte Volk wird nie besiegt sein) den Sieg der Befreiungsfront. Durch die Strassen der Hauptstadt zogen Autokarawanen, während vor allem in den armen Vierteln Managuas die am Sonntag begonnenen Siegesfeiern fortgesetzt wurden.
Der kubanische Präsident Fidel Castro sandte dem sandinistischen Comandante ein Glückwunschschreiben, in dem es heisst: "Der großartige sandinistische Sieg erfüllt unser Volk mit Freude und die terroristische und völkermörderische Regierung der Vereinigten Staaten mit Schmach." Die vom Moderator Randy Alonso in der populären Fernsehsendung "Mesa Redonda" (Runder Tisch) des kubanischen Fernsehens verlesene Botschaft endet mit den Worten: "Für eine bessere Welt zu kämpfen bedeutet, für eine Lebenshoffnung für alle Völker zu kämpfen. Sowohl du wie auch das heldenhafte Volk Nicaraguas verdienen die wärmsten Glückwünsche."
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Daniel Ortega und Hugo Chavez |
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Kurz nachdem der Oberste Wahlrat Ortega zum gewählten Präsidenten Nicaraguas erklärt hatte, telefonierte dieser auch mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und sandte "dem bolivarianischen Volk und allen Völkern Lateinamerikas die Umarmung des sandinistischen Volkes". Chávez, der sich gerade in einer Versammlung mit Vertretern der Kommunalen Räte Venezuelas befand, antwortete mit den Slogans "Es lebe die Sandinistische Befreiungsfront! Es lebe die Sandinistische Revolution! Es lebe das freie Nicaragua! Es lebe Daniel Ortega!"
Der künftige Präsident Nicaraguas antwortete: "Venezuela hat die Fahne BolÃvars erhoben, die überall auf dem Kontinent, in der Karibik und auf dem gesamten amerikanischen Kontinent weht, denn das Banner BolÃvars geht in den Händen von Hugo Chávez, von dieser Bolivarischen Republik Venezuela um die Welt."
Chávez versicherte Ortega, dass das nicaraguanische Volk mit aller Unterstützung Venezuelas rechnen könne, um die neue Regierung und das Entwicklungsprojekt der Sandinisten zu stabilisieren: "Das ist unser gemeinsames Projekt: die Integration Lateinamerikas, das aufgehört hat, der Hinterhof des nordamerikanischen Imperiums zu sein. Es erhebt sich von neuem. Heute vereinen sich wie nie zuvor die Sandinistische Revolution und die Bolivarianische Revolution, um gemeinsam die Zukunft aufzubauen, den Sozialismus des XXI. Jahrhunderts!" Er verabschiedete sich mit den Worte: "Ich hoffe, dich bald zu sehen, Präsident!"