Auf die Frage, was Leben ist und woher es kommt, gab und gibt es unterschiedliche Antworten. Die Religionen haben ihre Schöpfungsgeschichte, frühe Gelehrte spekulierten auf eine „Urzeugung”. So zweifelte z.B. Aristoteles nicht daran, dass sich Frösche, Mäuse sowie kleinere Tiere und Pflanzen spontan durch Urzeugung bildeten. Der im 17. Jahrhundert lebende holländische Gelehrte Johann Baptist von Helmont entwickelte ein „Rezept”, nach dem man aus Weizenkörnern und schweißverschmutzter Wäsche Mäuse erhält. Ein Umbruch der Anschauungen zeichnete sich ab, als der Toscaner Arzt Francesco Redi 1668 nachweisen konnte, dass die weißen Würmer im verwesenden Fleisch nichts anderes als Fliegenmaden sind. Nochmals 100 Jahre später brachte der französiche Gelehrte Louis Pasteur das Lehrgebäude von der spontanen Urzeugung endgültig zum Einsturz. Von ihm stammt der Satz: „Alles Leben kommt vom Leben”. Aber was ist das Leben und von woher kommt es?
Friedrich Engels hat da eine kurze Antwort:
„
Leben ist die Daseinsweise der Eiweißkörper, deren wesentliches Moment im fortwährenden Stoffwechsel mit der äußeren sie umgebenden Natur besteht und die mit dem Aufhören dieses Stoffwechsels auch aufhört und die Zersetzung des Eiweißes herbeiführt.”
1 Damit ist „
die Negation des Lebens als wesentlich im Leben selbst enthalten, so dass das Leben stets gedacht wird mit Beziehung auf sein notwendiges Resultat, das stets im Keim mit ihm liegt, den Tod. Weiter ist die dialektische Auffassung des Lebens nichts. Aber wer dies einmal verstanden, für den ist alles Gerede von der Unsterblichkeit der Seele beseitigt. Der Tod ist entweder Auflösung des organischen Körpers, der nichts zurücklässt als die chemischen Bestandteile, die seine Substanz bildeten, oder er hinterlässt ein Lebensprinzip, mehr oder weniger Seele, das alle lebenden Organismen überdauert, nicht bloß den Menschen. Hier also einfaches Sichklarwerden vermittelst der Dialektik über die Natur von Leben und Tod hinreichend, einen uralten Aberglauben zu beseitigen. Leben heißt Sterben.”
|
© by KAZ |
|
"Ursuppe" |
|
Als Materialist ging Engels natürlich nicht davon aus, dass hinter dem Leben ein unveränderliches „Lebensprinzip” steht, das von irgendwoher „eingeflogen” werden muss. Dieser Ansicht waren berühmte Naturwissenschaftler, wie z.B. der Physiker Helmholtz und der Chemiker Liebig. Sie spekulierten, „
ob das Leben je entstanden, oder nicht ebenso alt wie die Materie sei, ob nicht seine Keime, von einem Weltenkörper zum anderen herübergetragen sich überall entwickelt hätten, wo sie günstigen Boden gefunden?”
Ein Argument dafür war, „
dass all unsere Bemühungen scheitern, Organismen aus lebloser Substanz sich erzeugen zu lassen”. Engels hält dagegen: „
Solange wir von der chemischen Zusammensetzung des Eiweißes nicht mehr wissen als jetzt, also an künstliche Darstellung wahrscheinlich auf 100 Jahre noch nicht zu denken können, ist es lächerlich zu klagen; dass alle unsere Bemühungen etc. ,gescheitert sind’!”
Die 100 Jahre sind gut um, was hat sich seitdem getan, erscheint die Grenze zwischen belebter und unbelebter Natur noch immer so unüberwindlich?
Von wissenschaftlicher Seite her heißt die Antwort heute klar: Nein.
Ein wichtiger Baustein für diese Ansicht waren Arbeiten des russischen Wissenschaftlers Alexander Oparin, der bereits 1930 feststellte, dass die heutige Atmosphäre (und damit auch die die Erdoberfläche ereichende Sonnenstrahlung) mit der Uratmosphäre vor ca. 3,8 Milliarden Jahren nicht übereinstimmt (Sie enthielt kaum Sauerstoff, die UV-Einstrahlung war höher).
1953 rekonstruierten die Wissenschaftler L. Miller und Harold C. Urvey an der Universität von Chicago diese Uratmosphäre und ließen sie auf eine den damaligen Ozeanen entsprechende Lösung anorganischer Stoffe (z.B. Methan, Ammoniak) einwirken. Nach nur einer Woche fanden sich in der Lösung Zucker, Aminosäuren und stickstoffhaltige Basen, alle Bausteine der biologisch wichtigen Eiweiße (s.o.), Nukleinsäuren (s.u.) und Fette.
Der Miller Versuch wurde in der ganzen Welt in zahlreichen Abwandlungen wiederholt. Mit welchen Mitteln auch immer man die Bedingungen der Ur- Erde zu kopieren versuchte, in praktisch jedem Fall entstanden die komplizierten Moleküle, deren „abiotische Genese” deren Entstehung ohne die Anwesenheit von Lebewesen so vielen vorangegangenen Forschergenerationen bis dahin so geheimnisvoll erschienen war. Sich in der „Ursuppe” formierende Eiweiße, die in der Lage sind sich zu „vermehren” (indem sie Bausteine aus der Ursuppe an sich anlagern) und zu „sterben”, (z.B. Zerfall unter UV-Einstrahlung) standen so mit großer Wahrscheinlichkeit am Beginn des Lebens. Auf jeden Fall vermitteln Eiweiße alle wichtigen Lebensfunktionen, Engels hatte wieder mal einen ganz guten „Riecher” auch für naturwissenschaftliche Sachverhalte.
EIWEISSE (PROTEINE)Die Wissenschaft kennt heute viele Funktionen der Proteine im Lebensprozess: Proteine sind für die Reaktionen der Immunabwehr zuständig, sie bringen als Hämoglobin den Sauerstoff in die Zellen und erlauben dem Muskel sich zu kontrahieren. Insbesondere sind sie für die Stoffwechselreaktionen in allen Zellen notwendig: Die Fähigkeit einer Zelle Tausende verschiedener Stoffe aufzubauen, umzusetzen und zu verarbeiten, hängt von ihrer Ausstattung mit Enzymen ab. Enzyme, auch Biokatalysatoren genannt, sind hochmolekulare (große) Proteine. Sie besitzen eine ganz bestimmte räumliche Struktur mit einer Bindungstelle für ganz bestimmte Stoffe. (Man nennt diese Stoffe die Substrate dieses Enzymes.) Die genannte Bindungsstelle, das aktive Zentrum des Enzymes, ist räumlich so gebaut, dass sich die zugehörigen Substrate exakt einfügen. Das Enzym und sein Substrat passen wie Schlüssel und Schloss zueinander. Manche Enzyme unterstützen die Spaltung des Substrates, andere bewirken den Zusammenschluss von Molekülen. Enzyme werden bei den katalytischen Vorgängen nicht verbraucht. Sie binden das Substrat kurzfristig, gehen aus einer Reaktion aber unverändert hervor, sodass ein Enzym zahlreiche Moleküle umsetzen kann. Häufig bilden mehrere Enzyme eine Reaktionskette, wobei ein Ausgangsstoff durch eine hintereinander gereihte Abfolge von chemischen Reaktionen in ein bestimmtes Endprodukt umgesetzt wird.
So vielfältig das Spektrum der Aufgaben ist, die Proteine abdecken, so einheitlich ist der Grundplan ihres Aufbaues. Proteine sind kettenartig konstruiert und jedes Kettenglied ist jeweils eine Aminosäure. (Von denen es insgesamt 20 Verschiedene gibt.) Die Reihenfolge der Aminosäuren bezeichnet man als Primärstruktur eines Proteines. Man kann die Primärstruktur mit einem Wort vergleichen, das aus einer Reihenfolge von 20 verschiedenen Buchstaben (den Aminosäruren) besteht. So wie man aus den Buchstaben des Alphabetes sehr viele verschiedene Wörter bilden kann, lassen sich aus den 20 Aminosäuren fast unendlich viele verschiedene Proteine bilden.
2
|
© by KAZ |
|
|
Wie oben geschildert ist für die Funktion des Proteins als Biokatalysator die räumliche Struktur entscheidend. Sie bildet das „Schloss”, in das der „Schlüssel” (das Substrat) passen muss. Die räumliche Gestalt, die so genannte Tertiärstruktur, welche die spezielle Funktion ermöglicht, wird durch die Primärstruktur (die Reihenfolge der Aminosäuren) wesentlich bestimmt, aber nicht eindeutig festgelegt. Die so genannte Faltung, bei der die Aminosäurenkette eine bestimmte räumliche Gestalt annimmt (die ihre Funktion entscheidend bestimmt) erfolgt im wässrigen Milieu und hängt von den dort herrschenden Bedingungen ab.
3 Die Faltung der Eiweiße ist ein Beispiel dafür, dass sich das „Proteom” (wie man die Gesamtheit der Proteine eines Lebewesens nennt) nicht in starrer Abhängikeit bewegt vom Genom, der Gesamtzahl der Gene einer Zelle oder eines Organismus.
Es ist heute unbestritten, dass ohne Proteine die chemischen Reaktionen in der Zelle nicht ablaufen könnten, dass ohne ihre unendlich mannigfaltige Tätigkeit keine Zelle wachsen würde oder atmen könnte, also ihr Leben sehr bald zu Ende gehen würde.
Aber hinter den Proteinen, den Werkzeugen der Merkmalsausprägung eines Individuums, steht für die Idealisten und Vulgärmaterialisten „der heilige Gral”, das Genom, nach dessen Plan die Werkzeuge tanzen müssen. Die Faltung der Eiweiße ist ein Beispiel, dass sie bei diesem Tanz nicht nur auf die Musik des Genoms hören.
Die Suche nach dem GralDas Genom bzw. die Substanz, aus dem es besteht (die DNA, näheres dazu weiter unten) wird gerne als „autoreplizierend” bezeichnet. Sie produziert also Kopien ihrer selbst für jede neue Zelle und alle Nachkommen (allerdings nur mit Hilfe von Enzymen, also Eiweißen). Zweitens wird gesagt die DNA „mache” alle die Proteine, aus denen Enzyme und Strukturelemente der Zelle bestehen. Insofern passt die Metapher vom Gral4. Auch ihm wird nachgesagt er sei selbsterneuernd (wenn auch nur am Karfreitag) und biete jedem Nahrung, der an ihm „sans serjant et sant senechal”, ohne Diener oder Tafelmeister, teilhabe.
So ein „Gral” ist natürlich ein gefundenes Fressen für alle Idealisten.
Jaques Monod, Rockefeller Stipendiat und Nobelpreisträger für Medizin will damit den dialektischen Materialismus widerlegen
5:
„...
die Theorie vom Gen als der durch Generationen und sogar durch Kreuzungen unveränderten Erbanlage war in der Tat mit den dialektischen Prinzipien ganz und gar nicht zu versöhnen. Das ist per definitionem eine idealistische Theorie, da sie auf dem Postulat der Invarianz beruht. ...Das ganze System ist folglich total konservativ, streng in sich abgeschlossen und absolut unfähig, irgendeine Belehrung aus der Außenwelt anzunehmen. Durch seine Eigenschaften wie durch seine Funktion als eine Art mikroskopischer Uhr, die zwischen DNS und Protein wie auch zwischen Organismus und Umwelt Beziehungen ausschließlich in eine Richtung herstellt, wiedersetzt sich dieses System jeder dialektischen Beschreibung. Es ist von Natur aus kartesianisch und nicht hegelianisch: Die Zelle ist sehr wohl eine Maschine”.
Einer der bedeutendsten Molekularbiologen, Sydney Brenner, äußerte einmal vor einer Gruppe von Kollegen, dass er, hätte er die komplette DNA Sequenz eines Organismus und einen ausreichend leistungsstarken Computer zur Verfügung, den entsprechenden Organismus berechnen könnte.
6 Dies erinnert an die Präformationstheorie des 18. Jahrhunderts, die davon ausging der Organismus sei bereits im befruchteten Ei vorgeformt und müsse nurmehr auswachsen.
Diese Sichtweise ist falsch in Bezug auf die tief greifenden Änderungen, die der Embryo während seiner Entwicklung erfährt (siehe dazu weiter unten) und auch in Bezug auf sein Verhältnis zum mütterlichen Organismus, das sich als Kampf der Gegensätze beschreiben lässt: „Es ist nicht so, dass die Natur in kluger Vorsaussicht der gemeinsamen Interessen ein Optimum bei der Verteilung der Nährsstoffe zwischen Mutter und Embryo gefunden hätte. Tatsächlich sondert der Embryo Enzyme und Zellen ab, die ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Mutter die Nährstoffversorgung der Plazenta vergrößern. Der Körper der Mutter wiederum reagiert mit chemischen Gegenmaßnahmen. Im Ergebnis wird das Blut der Mutter mit zahlreichen gegensätzlich wirkenden Substanzen überschwemmt, jeweils in Überdosis. Diese gegeneinander gerichteten Aktionen treiben die Gesamtaufwendungen für Mutter und Kind „unnötig” in die Höhe und verhindern eine ideale Gesamt-Effizienz”.
7 Die Form, in der sich die Widersprüche bewegen, entspricht halt nicht unbedingt der Buchführung einer „weisen Natur”.
Der Homunculus Moderne Biologiebücher zeigen gerne als Kuriosität eine Zeichnung von Nicolaas Hartsoeker, der sich im 17. Jahrhundert mit Mikroskopie beschäftigte. Man sieht darauf ein Spermium mit einem winzigen Kind in embryonaler Haltung. Angenommen wurde, dass dieses Kind während der fötalen Entwicklung nur noch wächst, wozu es vom mütterlichen Ei mit den notwendigen Nährstoffen versorgt wird (dazu siehe oben).
Bis auf die Tatsache, dass die Mutter auch „Informationen” zur „Blaupause” beitragen darf, ist die in diesen Büchern vertretene Theorie der komplette Plan eines Organismus sowie alle zu seiner Entstehung notwendigen Informationen seien in der DNA enthalten von dem als Kuriosität hingestellten Homunculus im Spermienkopf nicht wesentlich verschieden.
|
© by KAZ |
|
|
Die heute die Entwicklungsbiologie dominierende Präformationstheorie greift lediglich auf flott und modern klingende Metaphern aus der Computerwelt zurück: wenn alle zur Entwicklung eines Lebewesens notwendige Information schon in der DNA der befruchteten Eizelle enthalten ist, stellt das Genom praktisch die Software des Lebens dar, die im „Zellcomputer” nurmehr abgespielt werden muss, um zu einem bei Kenntnis des Programmes vorhersehbaren Ergebnis zu führen.8 Dass, wie immer klarer wird, die Kenntnis der „Programmzeilen” nur wenig über den resultierenden Organismus aussagt, liegt nicht nur daran, dass man noch zu wenig über die Programmiersprache und den Compiler weiß (der den Primärcode übersetzt), sondern auch daran, dass das Programm mit der Hardware, der Zelle (und den Einflüssen, denen sie ausgesetzt ist) interagiert. Anders als im Konzept der Programmierung kann man bei der Entwicklung eines Organismus Plan und Ausführung nicht streng trennen. Ob es in Gestalt von Hartsoekers Homunculus oder als „genetisches Programm” daherkommt, das Problem des Erklärungsmusters, das von einer präformierten Entwicklung ausgeht „besteht darin, dass es schlicht schlechte Biologie ist” (Lewontin, a.a.O. S.16).
DNA und ChromosomenSeit Gregor Mendel 1865 entdeckt hatte, dass Merkmale nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten vererbt werden, hatte sich die Frage nach dem materiellen Träger der Vererbung, der „Erbsubstanz” gestellt. Lange Zeit waren die Proteine der aussichtsreichste Kandidat, 1944 konnte Oswald T. Avery beweisen, dass bestimmte Nukleinsäuren (abgekürzt DNS oder engl. DNA) die Träger der Erbanlagen sind. Jede dieser Nukleinsäuren (Nuklein nach dem Zellkern, dem Nukleus, wo sie in hoher Konzentration gefunden werden) enthält unter anderem je eine von vier Stickstoffbasen (abgekürzt A,T,G und C). Je 2 dieser Basen (A und T sowie C und G) nennt man „komplementär”: Sie ziehen sich im wässrigen Milieu über sog. Wasserstoffbrücken an. Je drei dieser Basen, so genannte Tripletts, haben eine besondere Affinität zu einer der 20 Aminosäuren (woraus ja die Proteine bestehen s.o.). Da sich mit 4 Basen 64 verschiedene Tripletts bilden lassen kann jeder der 20 Aminosäuren mehr als ein Triplett (oder Codon) zugeordnet werden, man sagt der Code, der den Aminosäuren Basen zuordnet ist redundant.
Wie sich gezeigt hat, ist dieser Code universell, für alle Lebewesen gleich. Dies verweist auf einen gemeinsamen Ursprung allen Lebens.
1953 konnten Crick und Watson erstmals die räumliche Struktur der DNA beschreiben: Einem langen DNA-Strang, einer Kette, die sich durch die Reihenfolge der vier Basen (die so genannte Basensequenz) beschreiben lässt, ist ein zweiter dazu komplementärer (s.o.) Strang zugeordnet und die beiden Stränge sind in Form der berühmten Doppelhelix angeordnet, einer Art Wendeltreppe, bei der die komplementären über Wasserstoffbrücken verbundenen Basen die innenliegenden vom Rest des Moleküls geschützten Treppen bilden.
Bei der Replikation (Verdoppelung) werden die Wasserstoffbrücken der Basenpaare durch Enzyme (also bestimmte Eiweiße) wie ein Reißverschluss in der Mitte getrennt und an jedem Einzelstrang wird durch Anlagerung einzelner Nukleinsäuren ein komplementärer Strang neu synthetisiert. Dadurch entstehen 2 identische DNA Doppelketten, wobei jeweils eine von der alten DNA stammt und eine neu gebildet ist. Mit diesem Mechanismus kann bei der Zellteilung (Mitose) die Basensequenz identisch an die Tochterzelle weitergegeben werden.
Bevor die DNA gefunden wurde, hatte man schon die Chromosomen
9