In Paraguay wird die Trauer der Rechten verhalten, die Freude der Demokraten und Linken groß sein. Der langjährige Diktator Alfredo Stroessner starb am 16. August im brasilianischen Exil in einem Krankenhaus im Alter von 93 Jahren. Der Faschist, der Nazigrößen wie den SS-Arzt Mengele und kroatischen Ustaschi in Paraguay eine "Heimat" bot, verfolgte seine Gegner gnadenlos, sie wurden ermordet, gefoltert, eingesperrt und vertrieben. Sein Tod war wohl seine sozialste Tat.
von Helmuth Fellner, erschienen auf www.kominform.at
|
|
|
Stroessner mit NS-Verbrecher Rudel |
|
Stroessners Vater Hugo, ein bairischer Eisenbahnangestellter, war 1898 aus dem bairischen Ort Hof nach Paraguay ausgewandert, wo er als Buchhalter in einer Brauerei in Encarnacion arbeitete und die Paraguayerin indianischer Abstammung Heriberta Matiauda heiratete.
Alfredo Stroessner wurde im März 1929 im Alter von 16 Jahren als Kadett in der Militärakademie von Asunción angenommen und zwei Jahre später zum Leutnant befördert. Ab 1932 nahm er am Chacokrieg zwischen Bolivien und Paraguay teil und erreichte 1948 den Rang eines Brigadegenerals. 1953 wurde er Oberbefehlshaber der Armee.
Am 6. Mai 1954 putschte er sich an die Macht und löste den Präsidenten Federico Chávez in seinem Amt ab. Zu den nachfolgenden Präsidentschaftswahlen trat er jeweils als einziger Kandidat an. Seine Präsidentschaft dauerte bis 1989 an, als er selbst durch einen Staatsstreich abgesetzt wurde.
Unter Stroessners Präsidentschaft fanden zahlreiche Nazitäter und Kollaborateure Zuflucht in Paraguay. Der prominenteste unter ihnen war der KZ-Arzt Josef Mengele, SS-Arzt und Massenmörder in Auschwitz. Später fanden auch exilkroatische Terroristen Zuflucht in Paraguay, die eine Wiederherstellung des faschistischen Ustascha-Staates anstrebten. Miro Baresic, der 1971 den jugoslawischen Botschafter Rolovic in Schweden erschoss, wurde im Jahr darauf durch eine Flugzeugentführung freigepresst und diente danach als "Experte für Nahkampf" in Stroessners Armee als Ausbilder.
Eine enge Freundschaft verband "Don Alfredo" mit Hans-Ulrich Rudel, dem Begründer einer Auffangstelle ehemaliger Nationalsozialisten in Argentinien sowie für ganz Südamerika, genannt die "Eichmann-Runde". Nach dem Sturz des argentinischen Diktators Juan Perón 1955 hatte Rudel seinen Wohnsitz nach Paraguay verlegt. Rudel, der ausgezeichnete Kontakte zum deutschen Kapital hatte, vermittelte nicht nur geschäftliche Transaktionen mit führenden deutschen Unternehmen, sondern auch Waffengeschäfte. In die Geschäfte war auch Willem Sassen, Angehöriger der faschistischen "niederländischen Legion", die der Waffen-SS unterstellt war, verwickelt, der 1945 über die Rattenlinie nach Argentinien entfliehen konnte.
Stroessner war Mitglied der konspirativ agierenden "World Anti-Communist League" (WACL), die 1961 in Taiwan von Tschang kai schek gegründet worden war und weltweit, vor allem in Asien und Afrika Contras gegen jeweilige Befreiungsbewegungen unterstützte.
Stroessners militärischer und politischer Machtapparat war auch aktiv an der internationalen "Operation Condor" beteiligt, der zahllose Kritiker südamerikanischer Militärdiktaturen zum Opfer fielen. An der Operation waren Militärs und Geheimdienste von Argentinien, Brasilien, Chile, Paraguay, Uruguay und zu einem vergleichsweise geringen Anteil auch Ecuador und Peru beteiligt.
Mit finanzieller Hilfe der Vereinigten Staaten konnte zunächst eine Stabilisierung der Währung erreicht werden, imperialistische ausländische Investoren kamen nach Paraguay. Stroessner stellte zwar die Beseitigung der Armut der ländlichen Bevölkerung und die Situation der Arbeiter in den Mittelpunkt seiner öffentlichen Reden, unterstützte aber in Wahrheit die Interessen der Großgrundbesitzer und Großindustriellen. Der größte Teil des Haushalts floss allerdings dem Militär zu. Zum Machterhalt setzte Stroessner vor allem auf den Ausbau paramilitärischer Truppen, die berüchtigten Todesschwadronen Stroessners.
Mit Hilfe zweier Verfassungsänderungen 1967 und 1977 gelang Stroessner dann aber die Wiederwahl zum Präsidenten ohne Unterbrechung. Alle fünf Jahre konnte Stroessner und seine Partido Colorado die überwältigende Mehrheit der Stimmen erreichen. Eine nennenswerte Opposition stellten in dieser Zeit eigentlich nur die Kommunisten im Untergrund und Teile der katholischen Kirche dar. Kirchliche Vertreter kritisierten vor allem die Verletzung von Menschenrechten und die Unterdrückung der indianischen Minderheit. Kaum Widerstand kam aus der großen Gruppe der Evangelikalen, unter der die deutsche Einwanderergruppe der Mennoniten einen großen Anteil stellten. Als die finanzielle und politische Unterstützung durch die Vereinigten Staaten sukzessive zurückging, orientierte sich das Stroessner-Regime stärker an Brasilien, das zu dieser Zeit ebenfalls durch eine Militärjunta unter der Führung von Ernesto Geisel regiert wurde. Von 1975 bis 1982 bauten die beiden Länder gemeinsam das gewaltige Staudamm-Projekt Itaipú am Fluss Paraná entlang der gemeinsamen Staatsgrenze.
Die politische Opposition wurde auch in den 1980er Jahren brutal unterdrückt; nahezu alle Führer oppositioneller Gruppen waren gezwungen, im Ausland um politisches Asyl nachzusuchen. Doch traten in dieser Zeit innerhalb der Partido Colorado immer stärker die Konflikte zwischen einem moderaten und einem militanten, Stroessner-getreuen Flügel zutage. Der militante Flügel favorisierte Stroessners Sohn Gustavo als Nachfolger nach dessen Abdanken. Stroessners autoritäres Regime geriet immer stärker ins Visier internationaler Aufmerksamkeit. Der wirtschaftliche Aufschwung, den der Bau des Itaipú-Staudammes auslöste, war nur von kurzer Dauer. Die für die Durchführung dieses Mammut-Projekts mobilisierten Massen von Arbeitern wurden nach der Fertigstellung entlassen und zogen seither auf der Suche nach Arbeit und Land durch das Land. Ein "Anti-Latifundium-Gesetz" sah die Enteignung von Großgrundbesitz über 10.000 Hektar vor, wenn er nicht genutzt wurde. Durch die Besetzung und Kultivierung solchen Grundes konnte danach ein Nutzungsrecht erworben werden. Dennoch gingen Stroessners Sicherheitskräfte 1987 auf Druck betroffener Großgrundbesitzer mit brachialer Gewalt gegen diese Siedler vor. Viele der Bauern, die sich in den "Ligas Agrarias" organisiert hatten, wurden verhaftet, gefoltert und "verschwanden".
Ein Staatsstreich am 3. Februar 1989 beendete die fünfunddreißig Jahre dauernde offen faschistische Diktatur. General Lino César Oviedo, Oberbefehlshaber der paraguayischen Landstreitkräfte, stürmte mit einer Handgranate in der Hand den Bunker von Alfredo Stroessner, der sich dort von seiner Prätorianergarde bewachen ließ. Oviedo kündigte an, Stroessner samt seiner Familie in die Luft zu jagen. Oviedo ließ sich als Volksheld feiern. Stroessner fand politisches Exil in Brasilien. Drei Monate später wurde der eigentliche Drahtzieher, General Andrés RodrÃguez, dessen Tochter mit dem Sohn von Stroessner verheiratet ist, zum Präsidenten gewählt. RodrÃguez kündigte die Einführung demokratischer Reformen an, doch die Militärs, die berüchtigten "hundert Generäle", blieben an der Macht. RodrÃguez galt als einer der lokalen Mafiabosse und wurde von der Justiz des Mordes beschuldigt.
Paraguay forderte im September 2004 mit einem Haftbefehl die Auslieferung Stroessners von Brasilien. Ende August 2004 nahm in Paraguay eine "Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit" ihre Arbeit auf, um die Verbrechen während der Herrschaft des Diktators aufzuklären. Nach den Erkenntnissen der Kommission wurden rund 5.000 Menschen Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Etwa 300 Überlebende stehen als Zeugen zur Verfügung. Wichtigste Grundlage für die gerichtliche Aufklärung sind die 1992 in einer Polizeistation aufgefundenen Akten über die "Operation Condor", die als das "Archiv des Terrors" bekannt wurden. In den Akten finden sich Verhörprotokolle, Aufzeichnungen über die "Behandlung" von Gefangenen und Hinweise über den Verbleib von mehreren Tausend politischen Gefangenen.
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung von
www.kominform.at übernommen.