Günter Grass, Literaturnobelpreisträger, war in der Waffen-SS. Ja, er war erst 17 und hat danach oft die Verbrechen des Deutschen Faschismus benannt und verurteilt, glaubwürdig wird dieses späte Bekenntnis mit 80 dadurch nicht. Es wirkt alles eher als Werbemaßnahme für das in Kürze erhältliche neue Buch des Schreiberlings, und als weitere Relativierung der Geschichte - so schlimm war die Waffen-SS vielleicht dann ja doch wieder nicht. Ich weiß nicht, ob Nobelpreise aberkannt werden können; zu empfehlen wäre es unter diesen Umständen auf jeden Fall.
Grass erläutert am Samstag (12.08.2006) in einem ausführlichen Interview in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) diesen Abschnitt seines Lebens. Mit 15 hat er sich als HJ-Mitglied freiwillig zur U-Boot-Flotte gemeldet. Die brauchten jedoch keinen mehr, wahrscheinlich auch, weil die Zahl der U-Boot zu dem Zeitpunkt schon etwas dezimiert war... Mit 17 wurde er dann einberufen und meldete sich daraufhin zur Waffen-SS. Dort wurde er durch die Alliierten gehindert, diesen Mörderdienst länger als drei Monate auszuüben, und landete schließlich mit dem heutigen Papst im Kriegsgefangenenlager der amerikanischen Streitkräfte. Romantisierend berichtet er, wie er mit Ratzinger fröhliche Würfelspiele veranstaltete, was dem heutigen Papst wohl eher peinlich sein dürfte; die auch hier herauskommende Verharmlosung wird dadurch allerdings nicht besser.
Politisch drastisch wird das Interview an zwei Stellen. Als guter Sozi unterstreicht Grass die so genannte Totalitarismusthese - also die Formel: Faschismus und Kommunismus seien quasi Zwillinge, die sich entgegengesetzt entwickeln, letztlich ist aber rot = braun. Grass berichtet über die Zeit nach seiner Freilassung, wo er im Kalibergwerk unter Tage gearbeitet hat. Er behauptet, dort hätten „am Ende ... oft Kommunisten und Nazis zusammen gegen Sozialdemokraten (gestanden). So habe ich erlebt und später dann verstehen können, woran die Weimarer Republik zugrunde gegangen war: natürlich vor allem an den Nazis, aber auch daran, dass die Nazis und die Kommunisten gemeinsame Sache gemacht haben.“ Wie viele Kommunisten seine SS-Einheit während der Einsätze umgebracht hat, sucht man in dem Interview übrigens vergeblich. Aber wie schon angedeutet, so gefährlich kann die SS laut Grass ohnehin nicht gewesen sein. Im Weiteren beschreibt er eine Szene aus dem Kriegsgefangenenlager, in welchem ein weißer amerikanischer Soldat seinen schwarzen Mitkämpfer aufgrund dessen Hautfarbe diskriminiert: „Ich will nicht sagen, dass es ein Schock war, aber auf einmal war ich mit direktem Rassismus konfrontiert.“ Die Waffen-SS war also entweder gar nicht rassistisch oder zumindest nicht direkt, also mehr so indirekt.
Die Erde ist eine Scheibe, Frauen sind dümmer als Männer und Hitler war Antifaschist, denn wenn er den Krieg nicht begonnen hätte, hätte die Rote Armee ihn nicht gewinnen können!
Heute ist der Jahrestag des „Mauerbaus“, der Bau des antifaschistischen Schutzwalls, wie die Deutsche Demokratische Republik (DDR) es definiert hat. Das halten viele für eine unzutreffende Beschreibung, eine Lächerlichkeit oder einfache Geschichtsfälschung. Fakt ist, wer in der DDR behauptet hätte, dass er erst nach seiner Zeit in der Waffen-SS direkt Rassismus erlebt hätte, der hätte zumindest nicht Bücher darüber verbreiten und damit Geld verdienen können. Und das war gut so, anders scheint das ja bei deutschen Schreiberlingen nicht verhindert werden zu können...
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[16.08.2006] Viel Lob für Grass Im Streit um Günter Grass’ Waffen-SS-Mitgliedschaft mehren sich inzwischen die Stimmen, die den Schriftsteller ausdrücklich loben. Der Bundesvorstand der NPD gratulierte Grass am Morgen zu seinem mutigen Bekenntnis zur deutschen Nation und ihrer vielfach verleumdeten Geschichte. „Wir haben eben alle eine Leiche im Keller“, freute sich F.J. Wagner in seiner heutigen Bild-Kolumne, „Geilomat - einfach jeder von uns!“ Beifall für den Nobelpreisträger kam auch aus dem Libanon: „Ich bewundere sein Werk schon seit langem“, sagte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, „und werde natürlich sofort alle Bücher von ihm lesen. Wie heißt der Mann?“
Programmhinweis: Heute Mo. 22:30 gitb Grass in ORF2 ein Interview.
Kommentar zum Artikel von secarts:
Sonntag, 20.08.2006 - 18:30
Also, Bierchen...
- Angehöriger einer verbrecherischen Organisation zu sein muss nicht unmittelbar bedeuten, selbst manuell an Verbrechen beteiligt zu sein. Andersherum: das Eine ist ohne das Andere dennoch kriminell, und zwar im bürgerlich-juristischen Sinne. (Dementsprechend wurden und werden heute z.B. "Terroristen" behandelt, die nie eine Waffe in der Hand gehabt haben müssen oder Befehlshaber gewesen sein müssen) Herr Grass wird kaum noch einen Prozess zu befürchten haben. Insofern ist es relativ irrelevant, an welchen Aktionen er beteiligt war. Unter anderem seine Organisation, die Waffen-SS, machte die begangenen Verbrechen durch militärische Besetzung anderer Länder aber überhaupt erst möglich - konsequenterweise ordneten die Alliierten demnach neben der Allgemeinen SS auch die Waffen-SS den "verbrecherischen Organisationen" zu.
- Die Einordnung der Juden als "Rasse" wurde im Übrigen nicht zuletzt durch die SS vorgenommen - und blutig umgesetzt. Dass die SS gerade in Osteuropa aber neben mörderischem Antisemitismus auch gezielten Rassismus, gegen Slawen, Sinti und Roma z.B., betrieb, muss ich dir doch hoffentlich nicht erzählen...
Ob wir mit dieser Begriffeschinderei irgendwie weiterkommen, sei dahingestellt.
"Der moralische Hochgrund der Nichtbeteiligten ist in dieser Debatte, aber nicht nur im Forum, mal wieder äußerst bemerkenswert. " Wie habe ich das zu verstehen? Aufregen dürfen sich nur Leute, die in irgendeiner Form dabei waren?
Der moralische Hochgrund der Nichtbeteiligten ist in dieser Debatte, aber nicht nur im Forum, mal wieder äußerst bemerkenswert.
@ Stephan: Ist das Zitat vielleicht aus dem Zusammenhang gegriffen? Wenn man die jüdische Bevölkerung Deutschlands nicht als "Rasse" sieht und unter "Rassismus" zunächst nur Angriffe auf Menschen anderer Hautfarbe versteht, ist diese Feststellung doch überhaupt nicht überraschend. Das Problem besteht doch erstmal nur in der unterschiedlichen Kategorisierung von Dir und Grass. Zumindest darin sehe ich keine Verharmlosung der Waffen-SS. Ferner müsstest Du erstmal bitte belegen, dass die konkrete Einheit in diesen 3 Monaten Kriegsverbrechen begangen hat. Und blankes Behaupten ist in solchen extremen Aussagen imo sehr unangebracht.
Kommentar zum Artikel von paulina:
Donnerstag, 17.08.2006 - 13:22
bei mir jetzt auch wieder... aber ich bin nicht verrückt, ösi hats auch (nicht) gesehen!
Kommentar zum Artikel von hw:
Mittwoch, 16.08.2006 - 20:02
Bei mir is' noch da...
Kommentar zum Artikel von paulina:
Mittwoch, 16.08.2006 - 19:55
ist jetzt nur bei mir das bild weg, das hw eingestellt hat??
Kommentar zum Artikel von Ivan:
Mittwoch, 16.08.2006 - 14:03
Am PC sitzend, Nachrichten hörend, grübelnd über dies und jenes fragte ich mich zwischendurch, woher die plötzliche, weise Einsicht. PR- zu einfach, Alterseinsicht- zu nobel und rührend, soll er seine braune Vergangenheit mit ins Grab nehmen und nur in Erinnerung bleiben als einer der ihren. Aber nein, woher der Anstoß, wodurch ein alter Mann sich geläutert gibt? Es ist die DDR, die Grass' Nazivergangenheit protokolliert hat, der sozialistisch gewordene Nationalsozialismus, wenn es nach der Totalitarismustheorie geht. Ja, so wird die DDR dargestellt, nur- ohne sie würde es hier noch mehr von Nazis wimmeln. Mag noch der ein oder andere "Saubermann" über ihre einstige Existenz stolpern. Wir Antifaschisten genießen jedoch ihre letzten Atemzüge, deren Hauch noch so manchen Nazi wird verstummen lassen...
Kommentar zum Artikel von hw:
Mittwoch, 16.08.2006 - 11:09
Für die, die das auch noch später anschaun wollen: (c) Titanic!