Als die Volksrepublik China zu Beginn der Woche ein Marinemanöver vor der Küste Nordkoreas durchführte, hatten die hiesigen Leitmedien einen Verdacht. Muss sich Kim Jong Un jetzt etwa einen neuen Verbündeten suchen?
Die Welt ahnte, dass die Übung »als Warnung an Nordkorea« gemeint sein könne. Dass das nicht der Fall ist, darauf hätten die deutschen Schreibtischstrategen auch von selbst kommen können. Warum sollte China, das 1.400 Kilometer Landgrenze mit der DVRK teilt, einen Angriff über den vielfach komplizierteren Seeweg proben?
Die Volksrepublik mag mit Nordkorea zufrieden sein oder nicht, an den außenpolitischen Konstanten in Ostasien hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert. Die erste lautet: Korea befindet sich seit den 50er Jahren im Kriegszustand, der nur durch eine Waffenruhe unterbrochen ist. Sowohl die USA als auch China waren damals Kriegsparteien; sie sind es, so gesehen, noch heute.
Schon beim Koreakrieg 1950 bis 1953 ging es den USA um mehr – man wollte in die Volksrepublik weitermarschieren, um die an die Macht gelangte Kommunistische Partei zu stürzen, der amerikanische Oberkommandierende Douglas McArthur verlangte dafür seinerzeit nach Atomwaffen. Doch die Aggression scheiterte, nicht zuletzt an der chinesischen Armee. Das ist die zweite Konstante: Ohne die DVRK wäre ein neuralgisches Stück chinesischer Grenze schutzlos. Deshalb setzt China auf Stabilität und hat kein Interesse am Zusammenbruch des Landes.
US-Präsident Donald Trump mag auf Twitter den nordkoreanischen Herrscher beschimpfen, die realen Handlungen der US-Militärs richten sich – auch heute – in erster Linie gegen China. Erst im Juli kündigte US-General Scott Swift an, bei einem ihm befohlenen AtomÂangriff nicht zögern zu wollen. Seit Monaten provozieren amerikanische Kriegsschiffe in chinesischen Gewässern, am Donnerstag erst verletzte erneut ein US-Zerstörer die Zwölf-Meilen-Zone bei den Spratly-Inseln. Wo immer auch die – bevorzugt von der deutschen Presse entdeckten – Widersprüche zwischen Trump und dem »demokratischen« Establishment in den USA liegen sollen, hier jedenfalls nicht: In trauter Eintracht treiben Militär, Administration und Weißes Haus die Eskalationsspirale voran.
In der der KP Chinas nahestehenden englischsprachigen Zeitung
Global Times regt
ein Leitartikel vom Donnerstag abend an, die chinesische Position deutlich zu machen: Falls die USA und Südkorea angreifen, um die politischen Kräfteverhältnisse Koreas zu ändern, würde China sie »daran hindern, dies zu tun«.
Dies ist übrigens auch die geltende Vertragslage zwischen China und der DVRK, denn beide sind militärisch verbündet. Es ist wohl nötig, daran ab und an zu erinnern (und gelegentlich Manöver zur Abschreckung einer Invasion durchzuführen), um im an sich selbst irre gewordenen Washington noch Gehör zu finden.
Aus:
Tageszeitung junge Welt, 12.8.2017.
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