Querfront ist der Versuch faschistischer Kräfte, unter Ausnutzung theoretischer Schwächen in die Arbeiterbewegung einzudringen, um diese zu zersetzen und schließlich zu vernichten.
Dies zur Klarstellung, wie im Folgenden überhaupt der Begriff Querfront zu definieren ist. Nur so kann in der zurzeit sehr wirren Diskussion um diesen Begriff überprüft werden, ob es dieses Phänomen tatsächlich gibt, oder ob es sich nur um eine Erfindung von bürgerlichen, der Arbeiterbewegung übelwollenden Subjekten handelt.
Objektive Voraussetzungen von QuerfrontaktivitätenWie sichert eigentlich das Monopolkapital seine Herrschaft? Es ist klar, dass diese kleine Schicht der Bourgeoisie nicht allein seine Interessen durchsetzen kann, nicht allein seine Kriege führen kann, nicht allein der Gesellschaft seine Ausbeutungsbedingungen diktieren kann
Da gibt es immer einen unberechenbaren Faktor, auf den die Bourgeoisie angewiesen ist und der zugleich äußerst störend, ja gefährlich für ihre Herrschaft werden kann. Das ist allgemein gesagt: der Mensch, im Konkreten, als Vertreter der Menschheitsinteressen: der Arbeiter.
Die Monopolbourgeoisie kann ihre Herrschaft nicht sichern und ihre Interessen nicht durchsetzen, wenn sie sich nicht auf Teile des Volkes stützen kann, wenn sie keine menschlichen Reserven in der Gesellschaft hat.
Es gibt zwei bedeutende Reserven in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft, auf die sich die Monopolkapitalisten stützen können.
Die eine befindet sich innerhalb der Arbeiterklasse. Lenin hat diese Reserve während des 1. Weltkriegs so analysiert:
Es ist klar, dass man aus solchem gigantischen Extraprofit (denn diesen Profit streichen die Kapitalisten über den Profit hinaus ein, den sie aus den Arbeitern ihres eigenen Landes herauspressen) die Arbeiterführer und die Oberschicht der Arbeiteraristokratie bestechen kann. Sie wird denn auch von den Kapitalisten der fortgeschrittenen Länder bestochen durch tausenderlei Methoden, direkte und indirekte, offene und versteckte.
Diese Schicht der verbürgerten Arbeiter oder der Arbeiteraristokratie, in ihrer Lebensweise, nach ihrem Einkommen, durch ihre ganze Weltanschauung vollkommen verspießert, ist die Hauptstütze der II. Internationale und in unseren Tagen die soziale (nicht militärische) Hauptstütze der Bourgeoisie.
1Lenin erwähnt hier die II. Internationale. Das war der Zusammenschluss der sozialdemokratischen Parteien, die in ihrer großen Überzahl den proletarischen Internationalismus verraten hatten und die Arbeiter in den imperialistischen Krieg geschickt hatten. Bei uns also die SPD. Sie ist bis heute der hauptsächliche politische Sammelpunkt dieser Arbeiteraristokratie.
Die zweite Reserve der Monopolbourgeoisie befindet sich außerhalb der Arbeiterklasse. Es handelt sich um das bunte Gemisch kleinbürgerlicher und lumpenproletarischer Unzufriedener, die sich heute in allen möglichen organisatorischen Zusammenhängen und Netzwerken befinden, hetzen, aufmarschieren und brandschatzen. Das ist in der Summe die faschistische Bewegung, deren Bestandteile sich heute erbittert gegenseitig bekämpfen, aber auch unterstützen, die um die Gunst des Monopolkapitals buhlen. Dass das Monopolkapital nach dem 1. imperialistischen Weltkrieg solche Verbände finanzierte und finanziert und schließlich auch Hitler in den Sattel hob, hatte gute Gründe: Die Sozialdemokratie hatte zwar gute Dienste geleistet, aber dennoch hatte in Russland 1917 die proletarische Revolution gesiegt, und in Deutschland hätte sie 1918/19 beinahe gesiegt. Die Sozialdemokratie war also zu bestimmten Zeiten offenbar nicht die zuverlässigste Stütze des Monopolkapitals ihre Stärke, dass sie innerhalb der Arbeiterklasse wirkt, war in der Situation des Weltkrieges zugleich ihre Schwäche, weil spätestens im imperialistischen Krieg die Arbeiter beginnen, ihre Klasseninteressen zu begreifen, ihre Macht zu spüren.
Wenn wir uns diese faschistische Reserve genauer ansehen, dann sehen wir erstmal das Bestreben, das ganze Volk in die faschistische Volksgemeinschaft einzugliedern, mit sozialer Demagogie (die oft von Kommunisten und anderen Linken abgeguckt wurde) und mit Terror und Zwang. Es geht darum, uns alle mundtot und kriegsfähig zu machen, uns gegen andere Völker zu rüsten. Das ist der Zweck der Übung, wobei es unterschiedliche Methoden gibt. Die eine Methode setzt auf Mord und Totschlag, auf Straßenterror, Denunziation und Einschüchterung. Die andere Methode ist schwieriger zu durchschauen. Sie bekam irgendwann mal den Namen Querfront. Sie ist, um es hier zu wiederholen, der Versuch faschistischer Kräfte, unter Ausnutzung theoretischer Schwächen in die Arbeiterbewegung einzudringen, um diese zu zersetzen und schließlich zu vernichten.
Es hängt also von der konkreten Situation ab, auf welche dieser beiden Reserven sich die Monopolbourgeoisie hauptsächlich stützt, d. h. welche sie mehr fördert und finanziert. Während die sozialdemokratische Reserve der bürgerlichen Demokratie entspricht, entspricht die faschistische Reserve der faschistischen Terrorherrschaft. In Deutschland in der Weimarer Republik zum Beispiel bereitete die Monopolbourgeoisie durch den Wechsel der Hauptstütze von der sozialdemokratischen zur faschistischen die Machtübertragung an die Hitlerfaschisten vor. In Italien dagegen war in den ersten Jahren des Faschismus noch die Sozialdemokratie die soziale Hauptstütze die faschistische Reserve war noch zu schwach, um diese Aufgabe zu erfüllen (wobei diese Konstellation eher die Ausnahme ist).
Unter welchen Bedingungen stützt sich nun das Monopolkapital hauptsächlich auf die Sozialdemokratie? In akut revolutionären Zeiten. Eine faschistische Bewegung könnte in solchen Zeiten gar nichts ausrichten, sie würde von der Arbeiterklasse hinweggefegt werden und würde dem Monopolkapital gar nichts nützen. In revolutionären Zeiten kann die Monopolbourgeoisie nur hoffen, dass die Festung von innen genommen wird, durch die Arbeiteraristokratie, durch die Sozialdemokratie. Das ist ja in der revolutionären Nachkriegskrise (1918 bis 1923) auch gelungen. Die Revolution wurde verhindert.
In friedlichen, ruhigen Zeiten. In solchen Zeiten z. B. relative Stabilisierung des Kapitalismus in der Weimarer Republik 1924 bis 1929, oder die Nachkriegsentwicklung in Westdeutschland bis heute (wobei wohl jeder einigermaßen wache Kommunist oder Antifaschist spürt, dass diese friedlichen, ruhigen Zeiten auf ihr Ende zugehen derzeit leider nicht in revolutionärer, sondern in konterrevolutionärer Weise). Es ist die für die Monopolbourgeoisie bequemste Art zu herrschen, deshalb ist die Sozialdemokratie in solchen Zeiten die sicherste Stütze.
Unter welchen Bedingungen aber stützt sich das Monopolkapital hauptsächlich auf die kleinbürgerlich-lumpenproletarische faschistische Bewegung? Wenn es darum geht, den Krieg gegen die imperialistischen Konkurrenten systematisch vorzubereiten, wenn zu diesem Zweck die bürgerliche Demokratie zu beseitigen und durch die faschistische Terrorherrschaft zu ersetzen ist, weil die Arbeiter, das Volk den Krieg nicht unbedingt mitmachen wollen. (Es gibt, wie oben schon gesagt, auch die Ausnahme Italien, wo der Wechsel zur faschistischen Hauptstütze erst nach Installierung der faschistischen Diktatur stattfand. Dass es letztlich um die Vorbereitung eines Weltkrieges geht, trifft aber auch hier zu.)
2Ein Sonderfall ist die einverleibte DDR. Ein sozialistisches Land wurde zerstört, in dem es naturgemäß keine Arbeiteraristokratie so wie in den imperialistischen Ländern gab. Die faschistische Reserve dagegen war nach der Einverleibung schnell zur Hand. Die westdeutschen Emissäre auf der faschistischen Seite konnten sehr viel schneller Fuß fassen als die Emissäre der westdeutschen Gewerkschaftsbürokratie, die sich in dem einverleibten Gebiet unter der Bedingung der Zerschlagung des FDGB zugunsten der DGB-Gewerkschaften schlecht zurecht fanden (Bodo Ramelow ist in dieser Hinsicht eine Ausnahme) und keine Basis in den Betrieben hatten. Es blieb der Bourgeoisie gar nichts anderes übrig, als in dem dazu gewonnenen Territorium hauptsächlich auf die faschistische Sammlungsbewegung zu setzen (die eben nicht, wie bis zum heutigen Tag herumgelogen wird, aus den Strukturen der DDR kam). Ein prominenter Antifaschist schrieb in den neunziger Jahren in seinen Memoiren: Die neue rechtsextremistische Subkultur breitet sich gerade unter erheblichen Teilen der ostdeutschen Jugend nicht zufällig und ohne Zielstellung aus. Mir scheint, es wachsen hier, gewissermaßen ,in Reserve, neue SA-Horden für den Fall eines Versagens der übrigen Mittel zur Sicherung der fortschreitenden Umverteilung von Macht und Reichtum heran.
3Unsere StrategieDiese möglichen Wendungen der Monopolbourgeoisie stellen das Proletariat, die Kommunisten vor strategische Aufgaben. Strategie das ist ein militärischer Begriff, und wir befinden uns ja in einem Bürgerkrieg mit dem Kapital, auch wenn unsere Seite, die Arbeiterklasse, zurzeit in diesem Kampf sehr schwach auf der Brust ist. Die wichtigste Aufgabe der proletarischen Strategie ist es, zu erkennen, welches Haupthindernis dem proletarischen Kampf entgegensteht / demnächst entgegenstehen wird, und dementsprechend zu handeln. Die Hindernisse bei unserem Kampf sind die beiden Reserven der Bourgeoisie, mit denen wir es immer zu tun haben, solange wir uns nicht von der Kapitalsherrschaft befreit haben, die Arbeiteraristokratie, in ihrer politischen Ausprägung als Sozialdemokratie auf der einen Seite, und das deklassierte Kleinbürgertum und Lumpenproletariat, das zu einem großen Teil seine politische Entsprechung in der faschistischen Organisierung findet. Solange die Monopolbourgeoisie wie sie es jetzt seit mehreren Jahrzehnten getan hat sich hauptsächlich auf die Sozialdemokratie stützt, muss der strategische Hauptstoß gegen die Arbeiteraristokratie, gegen die Sozialdemokratie gerichtet werden (sie sitzt im Betrieb, in den hauptamtlichen gewerkschaftlichen Funktionen, im Apparat der sozialdemokratischen Partei). Wenn abzusehen ist, dass das Monopolkapital demnächst die faschistische Reserve als Hauptstütze nutzen wird, dann muss schon vorher der Hauptstoß gegen diese faschistische Bewegung gerichtet werden, um genau das den Wechsel der sozialen Hauptstütze der Monopolbourgeoise zu verhindern suchen. Die Sozialdemokratie und das demokratische Kleinbürgertum müssen wir jederzeit zum gemeinsamen antifaschistischen Kampf zu gewinnen suchen. Droht aber das Monopolkapital die soziale Hauptstütze zu wechseln, dann sind alle Kräfte darauf zu werfen, dieses antifaschistische Bündnis herzustellen: die Einheitsfront der sozialdemokratischen, parteilosen und kommunistischen Arbeiter, die Volksfront aller antifaschistischen Kräfte.
Genau an dieser Stelle zog die Kommunistische Internationale auf ihrem VII. Weltkongress 1935 und in der Folge die Brüsseler Konferenz der KPD wichtige Lehren für die Arbeiterbewegung.
Auf der Brüsseler Konferenz führte Wilhelm Pieck dazu aus:
Wir haben mit unserem Hauptangriff gegen die Sozialdemokratie zu der Zeit, als die Taktik richtig war, als in den Stabilisierungsjahren die sozialdemokratischen Illusionen der Wirtschaftsdemokratie und des organisierten Kapitalismus die Arbeiterhirne verkleisterte, und die Arbeiter vom Kampfe zurückhielten, große Erfolge erzielt. Ohne diese Taktik wäre es nicht zu den entscheidenden Kämpfen an Rhein und Ruhr, in Berlin, an der Wasserkante, in Mitteldeutschland und Sachsen gekommen. Die Bourgeoisie hätte in noch viel rascherem Tempo den Lohnabbau und die Beschneidung der demokratischen Rechte und Freiheiten der Arbeiter durchzuführen vermocht. Auch unser Kampf gegen die Weimarer Republik, gegen die bürgerliche Demokratie, war absolut notwendig und richtig, weil sie nicht nur die ,ganze deutsche Konterrevolution um sich scharte, sondern weil von ihr aus die schwersten Angriffe gegen die Arbeiterklasse gerichtet wurden. Wir haben mit dieser unserer Taktik gegen die Sozialdemokratie und gegen die Weimarer Republik in dieser Zeit das volle Verständnis großer Teile der deutschen Arbeiterklasse gefunden, wodurch die KPD zu einer Massenpartei wurde.Aber die Mehrheit der deutschen Arbeiterklasse leistete der Sozialdemokratie Gefolgschaft und setzte ihre Hoffnung auf die bürgerliche Demokratie, auf die Koalitionspolitik der Sozialdemokratie. Und das umso mehr, als die faschistische Bewegung mächtig anschwoll und alle Rechte und Freiheiten der Arbeiterklasse bedrohte. Da wir selbst die faschistische Gefahr unterschätzten und sie der Arbeiterschaft nicht genügend signalisierten, im Gegenteil nach wie vor unseren Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie und gegen die bürgerliche Demokratie richteten, so konnte es nicht ausbleiben, dass wir nicht vermochten, die Arbeiterklasse für den Kampf gegen den Faschismus zu mobilisieren.
Ich möchte das an einem Beispiel näher erläutern. Die Faschisten erzielten bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 mit ihren 6,4 Millionen Stimmen gegenüber den 800.000 Stimmen, die sie noch bei den Maiwahlen 1928 erhalten hatten, einen großen Wahlerfolg. Die Faschisten überflügelten uns bei dieser Wahl um fast zwei Millionen Stimmen. Dieser Vormarsch der Faschisten hätte uns ernst genug die faschistische Gefahr aufzeigen und uns veranlassen müssen, in unserer strategischen Orientierung eine Wendung in der Richtung des Hauptstoßes gegen die Faschisten vorzunehmen und alle Anstrengungen zu machen, die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Arbeitern zum Kampf gegen den Faschismus zu schaffen.
4Einheitsfront statt Querfront!In welcher Situation wir auch immer uns befinden ob wir schon der von Genossen Pieck hier beschriebenen sehr nahe sind oder noch nicht schon mit bloßen Augen ist festzustellen, dass zurzeit die Richtung nach rechts geht, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass das Monopolkapital früher oder später seine soziale Hauptstütze auswechseln wird, wenn es uns nicht ge@vº&V