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Dossier: Flüchtlinge in Europa // Der Kapitalismus selbst ist die Katastrophe!
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Von gr

Der neueste Schlachtruf der Bundesregierung lautet, Fluchtursachen bekämpfen zu wollen, um die Zahl der hier Schutz Suchenden zu reduzieren. Es ist tatsächlich ein Schlachtruf, wird doch damit der erneute Kriegseinsatz der Bundeswehr begründet. Mit Tornados zur Aufklärung und einer Fregatte im Mittelmeer beteiligt sich die BRD seit Ende letzten Jahres an der Allianz gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Gleichzeitig, so versichert uns die Regierung, soll durch Verhandlungen mit allen an dem Konflikt in Syrien beteiligten Staaten ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien erreicht werden. Gegen die syrische Regierung kämpfen eben nicht nur verschiedenste oppositionelle Kräfte im Land bis hin zum IS, sondern auch ein großer Teil der verhandelnden Staatsvertreter, die fleißig dabei waren, die Fluchtursachen zu schaffen, die jetzt angeblich bekämpft werden sollen – einschließlich der Bundesregierung.

Wie äußere Einmischung...

Es ist bald fünf Jahre her, als im Zuge des „Arabischen Frühlings“ auch in Syrien die Menschen begannen, gegen Verarmung und Rechtlosigkeit auf die Straße zu gehen. Doch das syrische Volk sollte keine Chance bekommen, seine Angelegenheit selbst zu regeln. Von Großmächten des Westens bis zum IS wurde alles getan, das „Assad-Regime“ beseitigen zu wollen, wurden Oppositionsgruppen finanziell, diplomatisch und mit Waffen unterstützt. Auch die Bundesregierung ließ Geld fließen, lud 2012 die verschiedensten Oppositionsgruppen nach Berlin ein.
[file-periodicals#186]Vor gut einem Jahr startete das Auswärtige Amt zudem unter dem Namen „Leadership for Syria“ ein Programm mit syrischen Studenten in der BRD, um sie in „Regierungsführung“ auszubilden. Das Ziel ist, „eine ausgewählte Elite zukünftigen Führungspersonals“ darauf vorzubereiten „das künftige Syrien gesellschaftlich, politisch, wissenschaftlich und ökonomisch … maßgeblich mit zu gestalten“.1 Es gilt, den deutschen Einfluss in dieser doch so Rohstoff reichen und strategisch wichtigen Region des Nahen und Mittleren Ostens für den Tag nach dem Sturz Assads abzusichern.

Der Westen ist eben kein einheitlicher Block, sondern besteht aus einer Hand voll untereinander um Absatzmärkte, Handelswege und Rohstoffe konkurrierende Großmächte. Über Länder wie Saudi-Arabien und die Türkei, beide nicht gerade für „Demokratie und Menschrecht“ bekannt, wurden die reaktionärsten, unter dem Mäntelchen des Islam kämpfenden Oppositionsgruppen mit Waffen versorgt – unter anderem Dschihadisten-Organisation Islamischer Staat. Das dürfte auch den deutschen Verantwortlichen bekannt sein, unterhält die Bundesrepublik doch enge Beziehungen zu beiden Staaten. Doch es stört sie nicht an einem regen Waffenhandel. Allein im Jahre 2014 genehmigte die deutsche Bundesregierung die Ausfuhr von Maschinen- und Scharfschützengewehren, Granatwerfern, gepanzerten Fahrzeugen und Panzerhaubitzen an die Türkei in Höhe von 72,4 Millionen Euro.

...Syrien in Brand setzt

Derartig unterstützt gelang es nicht nur den untereinander zerstrittenen Oppositionsgruppen, Syrien in einen jahrelangen, grausamen Bürgerkrieg zu stürzen. Es wurden so auch die klerikal-faschistischen Kräfte des IS hochgezüchtet. Solange sie nur Unterstützer der syrischen Regierung und demokratische Kräfte in Syrien ermordeten, interessierte das nicht. Erst als sie begannen, sich in den Irak auszudehnen, westliche Journalisten zu meucheln und den Terror auch in andere Hauptstädte brachten, wurden sie zum Feind erklärt. Seitdem greifen u. a. die US-amerikanische, die französische, britische und nun auch die deutsche Luftwaffe mit ihren Aufklärungstornados den IS auf syrischem Gebiet an - ohne die syrische Regierung auch nur konsultiert zu haben. Die einzige ausländische Macht, die nach dem Völkerrecht tatsächlich legal den IS in Syrien bekämpft, ist Russland, das auf Bitten der mit Russland verbündeten syrischen Regierung im vergangen Herbst eingegriffen hat. Doch so wird das hierzulande natürlich nicht gesehen, ist das russisch-syrische Bündnis doch mit ein Grund, warum die Assad-Regierung in Ungnade gefallen ist.

Der Deal mit der türkischen Regierung Unter „Fluchtursachen bekämpfen“ versteht die Bundesregierung auch ihre Verhandlungen mit der türkischen Regierung, die in der Türkei gestrandeten Flüchtlinge daran zu hindern, ihre Flucht Richtung EU fortzusetzen. Drei Milliarden Euro soll der türkische Staat erhalten, offiziell für eine bessere Versorgung der Schutz Suchenden in den türkischen Flüchtlingslagern. Außerdem sollen die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei wieder aufgenommen werden. Damit stärkt Merkel dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und seiner AKP den Rücken, der seinen kürzlichen Wahlerfolg dazu nutzt, erneut einen Bürgerkrieg gegen das kurdische Volk in der Türkei vom Zaun zu brechen. Ganze Städte werden im Südosten der Türkei von der Armee umstellt und mit Panzer- und Artilleriebeschuss zu Trümmern geschossen. Tagelange Ausgangsperren hindern die Menschen daran, auch nur Lebensmittel zu besorgen, denn jeder, der sich auf den Straßen bewegt, läuft Gefahr, erschossen zu werden. Killerkommandos des Todesschwadrons „Esedullah Timleri“ dringen in die Wohnungen ein, zerstören sie und töten die Bewohner.2 Jeder Protest in der Türkei gegen dieses Vorgehen – und sei es auch nur ein Protestbrief von tausend türkischen Intellektuellen – wird verfolgt, die Unterzeichner verhaftet. Hunderte von Zivilisten wurden in kürzester Zeit ermordet. Zehntausende sind inzwischen auf der Flucht – während die Bundesregierung davon schwafelt, „Fluchtursachen zu bekämpfen“.

gr


Anmerkungen:
1 DAAD Programmausschreibungen. Oktober 2015, zit. nach: www.german-foreign-policy.com „Leadership for Syria“, 18. Februar 2015
2 http://www.faz.net; 18. Dezember 2015



 
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