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Von Gao Zhuan

Am 29. November 2014 wurde in Beijing die Fachausstellung „Die Verbreitung des Manifests der Kommunistischen Partei in der Welt”, die vom Redaktions- und Übersetzungsbüro beim ZK der KP Chinas und dem Wuppertaler Historischen Zentrum mit Engels-Haus gemeinsam veranstaltet wird, im Amtsgebäude des Redaktions- und Übersetzungsbüros feierlich eröffnet. Es ist die weltweit größte Ausstellung dieses historischen Dokuments, was die Zahl der gezeigten Ausgaben sowie der verschiedenen Sprachenausgaben angeht. In der Ausstellung werden nun die gesammelten Stücke beider Seiten zusammengeführt. Sie beziehen sich auf mehr als 100 Sprachen und beinhalten über 300 Ausgaben sowie mehr als 400 Bücher. Besonderes wertvoll sind die vier kostbaren Handschriften von Karl Marx und Friedrich Engels, drei davon werden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert: Erstens Engels’ Brief vom 25. September 1872 an ein Mitglied der Pariser Kommune, Benjamin-Constant Le Moussu, zweitens die ersten zwei Seiten der „Londoner Hefte” von Marx und drittens sein Brief vom 9. September 1872 an Maurice Lachâtre.

Die Ausstellung behandelt fünf Aspekte: Neben einer Einführung geht sie auf die Entstehung des „Manifest der Kommunistischen Partei”, auf dessen Verbreitung in der Welt und auf die Verbreitung in China ein. Abgerundet wird das Ganze durch ein Schlusswort.

In seiner Eröffnungsrede sagte Jia Gaojian, der Direktor des Redaktions- und Übersetzungsbüros beim ZK der KP Chinas: „Das Manifest der Kommunistischen Partei ist das erste programmatische Dokument des Wissenschaftlichen Sozialismus und zugleich ein wichtiges Kennzeichen für die Entstehung des Marxismus. Es besitzt eine besonders herausragende Stellung in der Ideengeschichte des Marxismus sowie in der Geschichte der Internationale.” In China sei dieses Werk zudem untrennbar mit der Sache der Partei und des Staates verbunden. „Es ist zweifellos sehr sinnvoll, dass wir jetzt die verschiedenen Ausgaben dieses Manifests aus unterschiedlichen historischen Perioden und in unterschiedlichen Sprachen hier zusammengetragen haben und sie den Marxismus-Forschern und der allgemeinen Bevölkerung präsentieren.”

Da das Manifest international angelegt ist, fand es auch weltweite Verbreitung. Zahlreiche Ausgaben in verschiedenen Sprachen zeugen von seinen weiten Wirkungskreisen in vielen Ländern. Im Jahre 2013 wurde das „Manifest der Kommunistischen Partei” auch in das UNESCO Register „Memory of the World” aufgenommen.

In China durchlief die Auf- und Übernahme des Manifests einen besonderen Prozess. Das Werk hat entscheidend zur Veränderung des Schicksals Chinas in seiner neueren Zeit, die mit dem ersten Opiumkrieg (1840 – 1842) einsetzte, beigetragen. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts rückte China immer näher an den Rand des Abgrunds.

Um das von westlichen Mächten unterjochte Land aus Not und Elend zu befreien, nahmen Chinas fortschrittliche Intellektuelle bei der Wahrheitssuche mühevolle Wege auf sich und erblickten in der Wirrnis diverser gedanklicher Strömungen der Welt eine leuchtende geistige Kraft, nahmen sie auf und setzten sie schöpferisch in die Praxis um. Damit begann ein neues Kapitel in der Ideengeschichte Chinas.

Das Werk von Karl Marx und Friedrich Engels hat sämtliche führenden Persönlichkeiten der chinesischen Revolution in der neueren Zeit geistig beeinflusst. Der erste unter ihnen, der mit diesem berühmten Werk in Berührung kam, war Sun Yat-sen. Nachdem der von ihm geleitete Aufstand in Guangzhou im Jahr 1895 gescheitert war, ging er zunächst ins Exil nach London. Dort betrieb er in den Jahren 1896/97 eingehende Studien über die sozialistischen Ideen und ermunterte die chinesischen Auslandsstudenten, sich mit den Werken „Manifest der Kommunistischen Partei” und dem „Kapital” zu beschäftigen. In den darauf folgenden Jahren wurden die Person und die Lehre von Karl Marx in chinesischsprachigen fortschrittlichen Zeitschriften vorgestellt und das Manifest in einem chinesischen Verzeichnis über marxistische Werke aus dem Jahr 1903 angeführt.

Zwei Jahre später wurde ein Teil der Inhalte des Manifests vorgestellt und im Zusammenhang damit wurden auch Auszüge des Werks ins Chinesische übersetzt und veröffentlicht. Im Jahr 1908 veröffentlichte der Gelehrte Liu Shipei einen umfassenden Kommentar zu diesem Werk. Zwei Ereignisse gaben entscheidende Anstöße für die weitere Verbreitung des kommunistischen Manifests in China: Zum einen war das die Oktoberrevolution in Russland im Jahr 1917. Mao Zedong sollte später über sie sagen: „Der Kanonendonner der Oktoberrevolution brachte uns den Marxismus.” Zum anderen ist die Vierte-Mai-Bewegung zu nennen, die politische und kulturelle Erneuerungsbewegung im Jahr 1919, die nach Chinas diplomatischer Niederlage auf der Pariser Friedenskonferenz ausbrach. Durch die Vierte-Mai-Bewegung wurden die Erforschung und Verbreitung des Marxismus zu einer unaufhaltsamen politischen Strömung in China. Li Dazhao, der frühere Wortführer für die Verbreitung des Marxismus in China und Mitbegründer der KP Chinas, gründete den Studienverein an der Peking-Universität als deren Bibliothekdirektor. Er organisierte die Übersetzung der marxistischen Werke und im August 1920 erschien die erste vollständige chinesische Übersetzung des „Manifest der Kommunistischen Partei” in China. Knapp ein Jahr später, im Juli 1921, wurde in Shanghai die KP Chinas gegründet.

In der Ausstellung kann man zwei Ausgaben der ersten chinesischen Übersetzung besichtigen: Da dem Titelblatt der ersten Auflage ein Schreibfehler in der Überschrift unterlaufen war, erschien die korrigierte Fassung als zweite Auflage bereits einen Monat später.

Das „Manifest der Kommunistischen Partei” diente als Schlüssel zum Verständnis des Marxismus. Erst durch dieses Werk wurden die fortschrittlichen Denker des Landes in den Marxismus eingeführt. Mao Zedong, Mitbegründer der KP Chinas, erinnerte sich an seinen gedanklichen Entwicklungsweg, als er dem amerikanischen Journalisten Adgar Snow in Yan’an im Jahr 1936 ein Interview gab: „Drei Bücher haben sich mir tief eingeprägt. Mit ihnen habe ich meine marxistische Überzeugung gebildet.” Eins davon sei das „Manifest der Kommunistischen Partei”, sagte er. Auch Zhou Enlai, Deng Xiaoping und andere chinesische Revolutionäre haben während ihres Bildungsaufenthalts in Frankreich zu Beginn der 1920er Jahre das Manifest und andere marxistische Werke studiert. Sie haben sich nach der Rückkehr zeitlebens der Verbreitung des Marxismus und dessen schöpferischer Anwendung in China verschrieben. Im Jahr 1992 sagte Deng Xiaoping auf seiner Inspektionsreise nach Südchina: „Für mich ist das Manifest der Kommunistischen Partei der Lehrer, der mich in die revolutionäre Lehre eingeführt hat.”

Bemerkenswert ist, dass die Auf- und Übernahme des „Manifest der Kommunistischen Partei” bereits in der Frühphase einen starken Bezug auf die Realität der chinesischen Revolution nahmen. Kurz vor der Gründung der KP Chinas im Juli 1921 verfasste die kommunistische Organisation in Shanghai ein „Manifest der Kommunistischen Partei Chinas”. Daran ist zu erkennen, dass die Partei schon damals einerseits der marxistischen theoretischen Grundlage große Aufmerksamkeit schenkte, andererseits den Bezug der marxistischen Theorie auf die chinesische Realität nicht aus den Augen verlor. Weiterentwicklung und schöpferische Anwendung des Marxismus bilden damit eine bis in die Gegenwart fortdauernde Tradition der KP Chinas. Dadurch haben sich zwei historische Sprünge in China vollzogen. Einmal die Gründung der Volksrepublik China und zum anderen die Schaffung des theoretischen Systems des Sozialismus chinesischer Prägung.

Die Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 kennzeichnete Chinas Eintritt in die neueste Zeit. Seit der Veröffentlichung der ersten Übersetzung dieses Werks im Jahr 1920 sind bis heute bereits 12 Übersetzungsausgaben erschienen. Im Neuen China wurden mehrere groß anlegte Projekte der Übersetzung und Veröffentlichung von marxistischen Werken realisiert. In der aktuellen Ausstellung sind neben vielen Originalausgaben auch einige vom Archiv des ZK der KP Chinas zu Verfügung gestellte wertvolle chinesische Materialien zu sehen, darunter etwa die von Mao Zedong gelesene englischsprachige Ausgabe des Manifests mit seinen Randbemerkungen aus dem Jahr 1956. Auch in der Herausbildung und Durchsetzung des Sozialismus chinesischer Prägung heute wird der Marxismus noch immer hochgehalten. Er ist heute als Grundprinzip in der geltenden chinesischen Verfassung verankert.

Die Fachausstellung „Die Verbreitung des Manifest der Kommunistischen Partei in der Welt” wurde am 29. November 2014 in Beijing eröffnet. Besucher können sie noch bis zum 29. November 2015 gratis besuchen.

Quelle: Beijing Rundschau


 


 
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  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Freitag, 23.01.2015 - 14:13

Ausstellung in Deutschland ist eher nicht anzunehmen. Da würde mir auch nur das Marx-Museum in Trier einfallen, aber die werden sich um so etwas nicht unbedingt reißen. (Zumal deren Hauptbesuchergruppe selbst aus der VR China kommt.)

Außerdem befinden sich unter den Exponaten auch viele, die normalerweise in Dauerausstellungen in Beijing gezeigt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die über den jetzigen Ausstellungszeitraum hinaus für solch eine Sonderausstellung entnommen werden.

PS: Interessant wäre mal, den Genossen Eike Kopf, wenn er gerade mal in Deutschland weilt, zu einem öffentlichen Vortrag einzuladen. Er könnte dann über die Lekturierung und neue Herausgabe der MEW/MEGA in der VR China berichten. Finde ich jedenfalls sehr spannend.






  Kommentar zum Artikel von arktika:
Freitag, 23.01.2015 - 12:56

Finde ich klasse! Und gratis Eintritt sollte es auch in der BRD mal für wichtige und interessante Ausstellungen geben... Noch 'ne Frage: weißt Du oder sonst jemand, ob diese Ausstellung in irgendeiner Form anschließend auch in Europa, idealerweise sogar in der BRD gezeigt werden soll?