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Staatlichen Rassismus und Förderung von Verbrechen gegen Migranten gibt es nicht nur beim Verfassungsschutz … Zum Beispiel: der Großflughafen Berlin/Brandenburg

Der Lärm, der vom neuen Großflughafen Berlin/Brandenburg ausgehen wird, sorgt für permanente öffentliche Aufregung. Immerhin sind nicht nur Naherholungsgebiete im Osten Berlins (Müggelsee), nicht nur das „Künstlerdorf“ Berlin-Friedrichshagen mit seinem 2003 von Bürgerspenden wiedererrichteten Friedrich-dem-„Großen“-Denkmal, sondern sogar die märchenhaft schönen Wohnsitze alteingesessener Großbürger in Berlin-Wannsee betroffen.
Weit weniger bis gar nicht aufgeregt reagiert die bürgerliche Öffentlichkeit auf das alltägliche Herrenmenschentum, das sich in aller Stille und Rechtschaffenheit auf dieser Großbaustelle betätigt.

Ein peinlicher Betrugsfall

Ein Subunternehmen mit Sitz in Bayern, das auf der Flughafenbaustelle unter Vertrag steht, hat 40 ungarischen Arbeitern, die dort seit Mitte Oktober 2011 gearbeitet haben, den größten Teil ihres Lohns nicht gezahlt. Die Kollegen wendeten sich an die Gewerkschaft und legten die Arbeit nieder. Anschließend wurden sie fristlos gekündigt und aus ihren Unterkünften geworfen. Von der IG Metall werden 19 von ihnen jetzt gerichtlich vertreten. Prozessiert wird nicht gegen die Flughafengesellschaft – ein reines Staatsunternehmen, deren Gesellschafter die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung sind, und die Hauptprofiteur dieses Lohnbetrugs ist. Schließlich hat sie ja absichtlich „Leistungsträger“ zwecks Ausplünderung von Arbeitern aus anderen Ländern unter Vertrag genommen, statt die Arbeiter selbst einzustellen. Das spart Kosten und Ärger. Prozessiert wird gegen das Subunternehmen, das offenbar seit Ende Dezember 2011 nicht mehr auffindbar ist.
Und so ist die Flughafengesellschaft natürlich völlig unschuldig an diesem Betrug. Sie lässt verlauten, dass „Tariftreue“ zugesagt wurde. Und die treuen Augen solcher Gangster können natürlich nicht lügen (im Gegensatz zu den lasterhaften Hartz-IV-Empfängern, die dieser Staat nicht genug kontrollieren und drangsalieren kann).
Großbildansicht abschiebung.png (77.8 KB)
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Und da die Flughafengesellschaft ja schließlich ihre Pflicht erfüllt hat, erklärt sie, dass es sich hier um einen Einzelfall handelt. Selbstverständlich. Das kennen wir schon aus anderen Bereichen: In dieser Republik wimmelt es nur so von Einzeltätern und bedauerlichen Einzelfällen. Und das sieht so aus: Die ungarischen Kollegen berichteten dem DGB von noch viel mehr Arbeitern aus Mittel- und Osteuropa auf der Flughafenbaustelle, die keinen Lohn bekommen, und die es nicht wagen, dagegen vorzugehen.
Verantwortlich für all das: die Flughafengesellschaft, und deren Chefs heißen: Wowereit (Berlin), Platzeck (Brandenburg) und Ramsauer (Bundesverkehrsminister, zur Zeit sehr aktiv im Kampf gegen das Marx-Engels-Denkmal in Berlin-Mitte).
Aber das ist noch lange nicht alles, was sich dieser Staat auf dem neuen Flughafen gegenüber Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, leistet.

Das bürgerliche Recht verschwindet im Knast

Der neue Flughafen wird den Namen „Willy Brandt“ tragen. Willy Brandt war u.a. Bundeskanzler und SPD-Vorsitzender gewesen. Seine jüngeren Jahre waren weit ehrenvoller: Er war antifaschistischer Emigrant. In der Nacht zum 1.April 1933 ging er an Bord des Fischkutters TRA 10. Es war nach der Verbreitung antifaschistischer Flugblätter lebensgefährlich für ihn geworden, in Deutschland zu bleiben. Brandt gelang die Flucht nach Norwegen, wo er – ebenso wie später im spanischen Bürgerkrieg und in Schweden – beim Widerstand gegen den Faschismus half.
So viel Glück haben Flüchtlinge, die heute auf Asyl bei uns hoffen, in aller Regel nicht.
Im Grundgesetz der BRD war ursprünglich ein uneingeschränktes Asylrecht festgeschrieben („Politisch Verfolgte genießen Asyl“). Das war eine der wenigen Konsequenzen aus dem Hitlerfaschismus, die Eingang ins Grundgesetz gefunden hatten. Das wurde anders, als das Asylrecht 1993 bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde. Vorausgegangen war ein organisierter, von zahlreichen Westnazis mitgetragener, von der Polizei tolerierter Pogrom in Rostock gegen eine Asylbewerberunterkunft im Jahr 1992, der den für die Untermauerung der Grundgesetzaushöhlung notwendigen „Volkszorn“ dokumentierte. Jetzt heißt es: Wer von einem „sicheren Drittstaat“ aus in die BRD einreist, hat keinen Anspruch auf Asyl, egal ob ihn zu Hause Folter oder Tod erwarten. Da nun – so ein Zufall – ausgerechnet alle die BRD umgebenden Staaten „sichere Drittstaaten“ sind, können Menschen, die bei uns Asyl suchen, nur mit dem Flugzeug versuchen einzureisen. Wenn sie auf dem Flughafen angekommen sind, kann sie aber das „Flughafenverfahren“ erwarten – ein Schnellverfahren, bei dem die Flüchtlinge auf dem Flughafen eingesperrt werden und nur drei Tage Zeit haben, gegen eine Ablehnung juristisch vorzugehen. Sie werden inhaftiert ohne Gerichtsbeschluss – ein klarer Verstoß gegen bürgerliches Recht. Die zynische Begründung der Staatsorgane: Die Flüchtlinge können sich ja per Flugzeug dahin begeben, wo sie hergekommen sind. Sie sind also gar nicht gefangen!
Auf dem neuen Flughafen „Willy Brandt“ wird nun ein ganz moderner Abschiebeknast gebaut – mit allen Schikanen, mit Kinderknast und Gebetsraum. Nicht weil das aufgrund der Gesetzeslage normal wäre – auf den meisten Flughäfen wird kein Flughafenverfahren durchgeführt – oder weil das besonders preiswert wäre – im Gegenteil, das Flughafenverfahren ist das teuerste Asylverfahren überhaupt. Einziger Grund für diese Maßnahme jenseits des bürgerlichen Rechts ist, dass die Bundesregierung das Flughafenverfahren zum Standard in der EU machen will (siehe eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag vom 22.11.2011). In Europa soll deutsch gesprochen werden – auf allen Ebenen, diesmal auf dem Rücken von Flüchtlingen – und man hat nicht mal vergessen, dass auch Kinder eingesperrt werden sollen.
Die Unmenschlichkeit dieses Verfahren hat Hilfsorganisationen, Menschen, die nicht mal links sind, auf den Plan gerufen. Eine gemeinsame Protesterklärung wurde veröffentlicht (http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/Gemeinsame_Stellungnahme_Asyl_BBI.pdf). Demonstrationen wurden organisiert. Die waren natürlich viel kleiner als die Protestkundgebungen gegen den Fluglärm …

Nichts zu machen?

Arbeiter schuften für null Euro, bürgerliches Recht wird mit Füßen getreten. Ebenso am bürgerlichen Recht vorbeigeschrammt sind die Staatsorgane, die die mindestens neun Morde an Migranten ermöglicht haben, oder die Antifaschisten ausspähen und strafrechtlich verfolgen. Hat das nicht sehr viel zu tun mit der zunehmenden Rechtlosigkeit der Arbeiter in den Betrieben, durch Leiharbeit, Werkverträge und andere Aushebelungen des Kündigungsschutzes, und durch den zunehmenden Druck auf Erwerbslose? Jeder dieser Verstöße gegen bürgerliches Recht, jede dieser kriminellen Handlungen dieses Staates des Kapitals, wird auf die ganz „normaldeutschen“ Arbeiter zurückfallen, in Form von Verelendung und Entrechtung. Wir dürfen nicht aus Solidarität streiken, nicht gegen politische Zustände die Arbeit niederlegen? Der Staat des Kapitals darf bürgerliches Recht brechen, und wir dürfen gar nichts? Auf diesem Weg werden wir nicht Schlimmeres verhindern können. Dabei hätten die Arbeiter die Macht dazu – und wenn sie die nutzen, dann können sie auch die Einheit und die Kraft gewinnen, um mit der Kapitalsherrschaft Schluss zu machen. Die Alternative dazu ist eigentlich keine – dass die Besten und Tapfersten aus der Arbeiterklasse mal wieder in anderen Ländern um Asyl bitten müssen. Und dann hat dieses Deutschland womöglich schon in den meisten europäischen Ländern für eine weitere Verschärfung des Asylrechts gesorgt … Lassen wir es nicht so weit kommen!

E. W.-P.

 
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