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Hallo, alle zusammen!
Wieder ist etwas Zeit verstrichen, bis ich dazu kam, mich zu melden – Entschuldigung fuer diese Unterbrechung; freilich hatte ich gute Gruende... dazu nun mehr!
Ich habe meinen insgesamt elftaegigen Aufenthalt in der chinesischen Hauptstadt Beijing beendet und bin, wie bereits im letzten Beitrag angekuendigt, mit der Eisenbahn zurueck nach Guangzhou gefahren: 22 Stunden hat diese Fahrt gedauert; sie fuehrte mich wiederum durch Zentralchina, entlaengs der Grossstaedte Zhenzhou, Wuhan, Changsha und Hengyang. Aus dem mittlerweile klimatisch sehr ertraeglichen Beijing, wo die Tagestemperaturen bei durchschnittlich 25 Grad lagen, bin ich nun zurueck im subtropischen Guangzhou; die Taifunauslaeufer des pazifischen Ozeans verschaffen allerdings Linderung der groessten Hitze – es ist um einiges ertraeglicher hier als noch vor einem Monat.
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Blick auf Guangzhou von der Halbinsel Shamian |
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Guangzhou ist eine Stadt mit einmaliger Geschichte in China: Seit der Ming-Dynastie diente sie zunaechst als einziger Freihafen des Reiches der Mitte; sie war Ausgangs- und Endpunkt der sogenannten „Seidenstrasse zu Wasser“, ueber die der Handel mit Europa, Afrika und Arabien abgewickelt wurde: Tee, Porzellan und technische Waren aus dem damals wissenschaftlich weit ueberlegenen China wurden von hier in alle Welt verschifft; Schmuckwaren, exotische Nahrungsmittel und andere Gueter wurden nach China aus aller Welt importiert.
Auch waehrend der Qing-Dynastie war Guangzhou wirtschaftlicher Umschlagplatz und Schmelztiegel der Weltkulturen in Suedostasien; mit dem im 19. Jahrhundert beginnenden Abstieg des hochentwickelten Feudalismus in China wurde das Land jedoch immer mehr zum Ausbeutungsobjekt der aufkommenden kapitalistischen Nationen des Westens: in den zwei Opiumkriegen im 19. Jahrhundert erfocht zunaechst Grossbritannien allein und spaeter gemeinsam mit Frankreich die gewaltsame Oeffnung der chinesischen Maerkte: Opium ueberschwemmte den chinesischen Markt; dem Land wurde riesiger finanzieller Schaden zugefuegt; soziale Katastrophen kamen dazu.
Nach den verlorenen Kriegen im 19. Jahrhundert wurde China zunaechst zum Abschluss ungleicher Vertraege, die immer mehr Rechte an die auslaendischen Eindringlinge uebertrugen, gezwungen: Handelsaufsicht, Eisenbahnkonzessionen, Rohstoffgewinnung, spaeter sogar Steuereintreibung und Schiffahrtsgenehmigungen auf chinesischen Binnengewaessern. Und auch andere aufkommende imperialistische Nationen wollten ihr Stueck vom grossen chinesischen Kuchen bekommen.
Es ist als Deutscher schwer, einen Landstrich auf der Welt zu bereisen, in dem seine Vorfahren nicht bereits einmal oder gar mehrfach eine unruehmliche Rolle gespielt haben; auch in China ist dies nicht moeglich. Um die Jahrhundertwende engangierte sich auch das deutsche Kaiserreich militaerisch in China; zunaechst wurden die Landstriche um die Stadt Qingdao geraubt und in die Kolonie „Tsingtau“ verwandelt; spaeter wueteten deutsche Truppen nach dem sog. „Boxeraufstand“ im Buendnis mit sieben weiteren Aggressoren in China – 1914 wurden sie zu Beginn des ersten Weltkrieges nach wenigen Tagen Kaempfen wieder aus China vertrieben.
In vielen chinesichen Staedten uebernahmen die Fremden ganz oder teilweise das Kommando; die Chinesen hatten unter rassistischer Unterdrueckung durch die Aggressoren zu leiden – in Shanghai zum Beispiel, wo an der beruehmten Uferpromenade „Bund“ das beruehmt-beruechtigte Schild „fuer Chinesen und Hunde verboten“ stand, aber auch in Guangzhou:
Das Gesandtschaftsviertel „Shamian“, in dem sich die europaeischen Herren eine Stadt in der Stadt ganz nach europaeischem Stil errichteten, war fuer chinesische Bewohner der Stadt nicht zu betreten.
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Guangzhou am Abend |
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Heute ist die anders: Shamian ist ein Kleinod mit ausgedehnten Parkanlagen, Cafes und Erholungseinrichtungen, in dessen Gruenflaechen Familien ihren Sonntagsausflug machen und Kinder spielen. Nach wie vor haben viele Konsulate und internationale Hotels hier ihren Sitz; das Publikum ist jedoch wieder so, wie es sich in China gehoert: Buerger der Stadt Guangzhou, auch auslaendische Gaeste, und das Ganze unter chinesischer Flagge.
Ueber die einstige Unterdrueckung Chinas und die katastrophalen Folgen fuer diese aelteste kontinuierlich existierende Kultur der Menschheit schrieb ich bereits, als ich das Ruinengelaende des einstigen, von Europaeern zerstoerten, Palastgelaendes „Yuanmingyuan“ besichtigte.
Verbluefft hat mich zunaechst der Kommentar zur dieser vandalischen Zerstoerung unersetzbaerer Kulturgueter, den mir Chinesen gaben: „welche Schade fuer China!“.
„Fuer China?“, dachte ich – zerstoert wurde der Palast schliesslich von Briten und Franzosen. „Wir waren zu schwach, unser Land zu schuetzen“, war die chinesische Antwort.
Dieser Satz hat mir mehr gesagt ueber das Land und das Empfinden seiner Menschen als zehn dicke Buecher zusammen: Die Faehigkeit, ihr Land gegen die begehrlichen Zugriffsversuche, die aus aller Welt gegen China unternommen werden zu schuetzen, ist die wesentliche Bedingung fuer den Aufstieg Chinas, den wir alle mitverfolgen koennen – China ist nach wie vor rueckstaendig im Vergleich mit den hochentwickelten Laendern des Westens; dies wissen die Chinesen. Aber das Tempo und die Bedingungen ihres gesellschaftlichen Wandels laesst sich China von niemandem diktieren – dies kann nur funktionieren, wenn China stark genug ist, jeden Einmischungsversuch abzuwehren.
Einen "Staat im Staate“, den sich auslaendische Angreifer in China errichten und der fuer die Buerger des Landes tabu ist, wird es in China hoffentlich nie wieder geben – die Herren des Landes sind wieder die Chinesen und jedem Versuch, dies zu aendern, werden sie sich erwehren. Nichts anderes als das ist richtig.
Ich beende meinen Bericht mit diesem Eindruck aus Guangzhou, der doch etwas sagt ueber das ganze Land, fuer heute – hier ist es schon bald Mitternacht und ich gedenke noch etwas die cantonesische Kueche zu geniessen...
Viele Gruesse und bis bald,
euer Secarts