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Von Toni

Der „Aufruf an linke bildende Künstler in Deutschland“ war Anlass und Diskussionsgrundlage für 16 Künstlerinnen und Künstler, sich am 23. September 2010 in Berlin zu treffen. Einig über die inhaltlichen Aussagen des o.g. Appells beschlossen wir die Gründung der „Assoziation antikapitalistischer Kunstschaffender“ in folgendem Konsens:

In den entwickelten Industrieländern grassiert eine immer perfekter kaschierte Erwerbslosigkeit. Immer mehr Kapital in immer weniger Händen stehen im direkten Gegensatz zu Hunger und exzessiver Not auf den Hinterhöfen dieser Welt. Kriege, die doch schon lange nicht mehr die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein dürften, werden geführt und kosten Millionen Menschen Existenz und Leben. Die Hatz nach Maximalprofit vernichtet nachhaltig die Umwelt, während die demokratischen und Persönlichkeitsrechte der Bevölkerungen eingeschränkt werden. Faschistisches Gedankengut, Rassismus und Repression sind heute salonfähig geworden.
Die Menschheit ist geteilt nach Besitz und Nichtbesitz, wir leben in einer Diktatur des Eigentums über die Menschen.
Trotz dessen, dass ein Mehrheit gegen eine solche Entwicklung ist, gibt es keinen wirkungsvollen Widerstand. Es herrscht eine Kultur der Anpassung, der Individualisierung und Egozentrik, die eine Alternativlosigkeit der Verhältnisse und Menschenfeindlichkeit propagiert allein auf der Grundlage finanzieller Maßgaben. Geprägt durch Massenevents und eine Kunst- und Kulturindustrie, die allein Anlage- und Verwertungsinteressen unterworfen ist, erleben wir eine Offensive systemtragender Kräfte, die Menschen dumm und desinformiert zu halten.

Unsere Antwort darauf ist:
Kunst und Kultur ist nicht gleich Kapital. Es ist die hauptsächliche und vornehmste Aufgabe von uns linken Künstlern, jene zu erreichen, die in der Lage sind und auch das Motiv haben, diese Verhältnisse umzustoßen, in denen „der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes ein verächtliches Wesen ist“. Es ist notwendig, Interessen und Zugänge zu Kunst und Kultur jenseits der etablierten bürgerlichen „reinen“ Kunst, der universitären „Hochkunst“ und der Institution des Museums und des Kunstmarktes, hin zu einer, dem entgegengesetzten Gebrauchskunst zu schaffen, um die Vorstellung einer alternativen, menschlicheren Gesellschaft zu wecken. Ohne Ziel gibt es keine Bewegung. Unsere Kunst muss wieder zu einem Teil der Kultur der Arbeiter und Angestellten, der Erwerbslosen und Hartz4 Empfänger, der kleinen Selbstständigen, aller abhängig Beschäftigten, der durch das „soziale Netz“ Gefallenen werden, heraus aus dem elitären Kreis hinein in die Lebenswelt der Massen. Dazu werden wir die Menschen mit unserer Kunst in Berührung bringen und sie dort abholen, wo sie stehen - in ihrem Umfeld , ihrem Leben Kunst installieren und durch eigenes Erfahren mit Möglichkeiten und Ausdrucksformen bekannt machen, dabei auch selbst von jenen lernen und eine gemeinsame Ästhetik entwickeln. Ohne Widerstandskultur kein Widerstand. Es ist ein Bewusstsein in Parteien und Organisationen, allen linken politischen Kräften zu schaffen, dass der „proletarische“ Abstand von Kunst und Kultur nicht Ausdruck von Verbundenheit mit den Massen, sondern Zeichen von Schwäche und Dummheit ist. Unter dem Dach der, nach dem Vorbild der ASSO der 1920er und 1930er Jahre gegründeten, neuen Künstlervereinigung werden wir Projekte, Kurse und auch Öffentlichkeitsarbeit leisten um unsere Kompetenz bei den Adressaten zu multiplizieren, werden uns austauschen, wie mit den heutigen Verhältnissen umzugehen ist und wie jeder von uns auf seine Art eine Ästhetik des Protestes, des Widerstands, eine Ästhetik des Kampfes um eine bessere Welt findet und in seinen Werken verständlich macht. Erste konkrete Vorhaben wurden beschlossen.

Es werden weitere Treffen folgen. In Berlin wird sich ein Stammtisch der Assoziation eingerichtet. Wir werden kunstformübergreifende Projekte durchführen. Geplant ist, alle 3 Monate Originaldrucke zu versteigern um antikapitalistische Zwecke zu unterstützen. Erster Empfänger wird die „Rote Hilfe e.V.“ sein.

Wir fordern alle Künstlerinnen und Künstler, die Ihren Beitrag zu einer Kultur des Widerstands leisten wollen auf, der Assoziation beizutreten. Nur gemeinsam können wir etwas bewegen.
Interessenten melden sich bitte per email an assoantikapkunst@freenet.de oder Junge Welt Ladengalerie, zu Händen Thomas J. Richter, Torstraße 6, 10119 Berlin.



Hier der Aufruf im Wortlaut:

Aufruf an linke bildende Künstler

Die Tatsachen,

dass sich die finanziellen und sozialen Verhältnisse der Mehrheit der Menschen verschlechtern, dass Deutschland, Europa und die USA trotz deutlicher Ablehnung in der Bevölkerung weltweit Krieg führen dass sich die etablierten Parteien immer den Willen der Mehrheit der Bevölkerung ignorieren und nur zu Wahlen „dem Volke nach dem Maul“ reden, dass es gesellschaftlichem Widerwillen, aber keinen gesamtgesellschaftlichen Willen zur grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse in Deutschland gibt, dass es auch keine konkrete Vorstellung von einer Alternative, sondern eine Alternativlosigkeit in die Köpfe der Menschen kolportiert wurde, dass es keinen Widerstand ohne eine Kultur des Widerstandes gibt, die herrschende Kultur aber eine des Egoismus und Anpassung und Verdummung ist, also keine Kultur des Widerstands ist,

zwingt gerade uns bildende Künstler, die wir in unserer Arbeit börsengleichen Anlage- und Verwertungsmechanismen unterworfen sind, und damit auch von den Menschen ferngehalten werden, die wir erreichen wollen, darüber nachzudenken, was man tun kann und will, unsere Kunst, die nur dazu wird, wenn sie gezeigt und gesehen wird, als ersten Schritt zu einer alternativen Kunst und Kultur zu installieren.
Deswegen, weil wir als linke Künstler etwas zu sagen haben, was den Herrschenden nicht genehm ist, sollte es die Augen derer erreichen, die dazu in der Lage wären und auch das Motiv hätten, diese Verhältnisse umzustoßen, in denen „der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ Deswegen, weil es an der Vorstellung einer alternativen Gesellschaft mangelt, und diese Phantasie durch Kunst und Kultur beflügelt wird.
Deswegen, weil es dazu notwendig ist, diese Menschen mit unserer Arbeit zu erreichen, müssen Interesse an Kunst und Kultur und Zugänge jenseits der hegemonialen Kunstmärkte und der bekannten Musiksender und Eventualitäten für alle geschaffen werden.
Deswegen soll unsere Kunst wieder zu einen Teil der Kultur der Arbeiter, Angestellten, der Arbeitslosen und HartzIV Empfänger, der kleinen Selbstständigen, der abhängig Beschäftigten usw. werden, heraus aus dem elitären Kreis hinein in die Lebenswelt der Massen.
Was dazu notwendig scheint:
Die Menschen mit alternativer Kultur in Berührung bringen und sie dort abholen, wo sie stehen. In Ihrem Umfeld, ihrem Leben einen Teil der Kunst installieren und durch eigenes Erfahren mit den Möglichkeiten und Ausdrucksformen bekannt machen. sie ihre eigene Kunst und Kultur erleben lässt.
In politischen Organisationen die kulturelle Bildung befördern und das Bewusstsein schaffen, dass der „proletarische“ Abstand von Kunst - ganz nach dem Motto; man habe keine Ahnung davon - nicht Ausdruck von Volksverbundenheit, sondern Ausdruck von Schwäche und Dummheit ist.
In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhundert existierte eine Assoziation revolutionärer bildender Künstler Deutschlands. Sie waren sich darüber im Klaren, dass ein Bild mehr sein kann als 1000 gesprochene Worte. Ich denke, es gerade unsere Verantwortung, die wir das auch wissen, der Mehrheit der Bevölkerung den Zugang zu einer alternativen, der etablierten bürgerlichen „reinen“ Kunst, der universitären „Hochkunst“ und der Institution des Museums und des Kunstmarktes entgegengesetzten Gebrauchskunst zu eröffnen.
Kunst und Kultur muss wieder Sache der Menschen werden, muss verständlich und erreichbar sein. Lasst uns assoziieren zu einer „Assoziation alternativer bildender Künstler“ und unter diesem gemeinsamen Dach über Projekte und Kurse unsere Kompetenz multiplizieren bei Arbeitern und Angestellten, Arbeitslosen und Harz IV Empfängern, bei Jugendlichen und nicht zuletzt in den politischen Parteien und Organisationen! Lasst uns dann auch eine breite Öffentlichkeit erreichen und den ersten Schritt hin zu einer offenen Kunst für die Menschen, weg von einer Kunst um der Kunst willen, tun! Lasst uns austauschen, wie mit den heutigen Verhältnissen umzugehen ist und über die Wege, das in unserer Kunst zu transportieren.
Lasst uns, jeder in seiner Art eine Ästhetik des Protestes, des Widerstands, eine Ästhetik des Kampfes um eine bessere Welt finden und in unseren Werken verständlich machen.


Kontakt:
  • assoantikapkunst@freenet.de
  • Junge Welt Ladengalerie, zu Händen Thomas J. Richter, Torstraße 6, 10119 Berlin.