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Nur kurz gelangte die bundesdeutsche Militärdoktrin während der „Köhler-Affäre" in die öffentliche Diskussion von Politik und Medien. Die bloße Erwähnung der imperialistischen Motive derzeitiger Kriegseinsätze — Sicherung von Handelswegen und Eroberung von Rohstoffressourcen — löste einen Sturm der Heuchelei aus. Längst sind in offiziellen Dokumenten der Bundesrepublik, etwa dem Weißbuch der Bundeswehr von 2006 die Kriegsziele „offenes Welthandelssystem", „freie Transportwege" und „Zugang zu Rohstoffen" festgehalten.

Angesichts des dauerhaften Charakters von Kriegs-und Besatzungsmandaten wie dem in Afghanistan, spielt nicht nur die Frage der Akzeptanz durch die Bevölkerung, sondern auch die personelle Absicherung eine zunehmend wichtige Rolle. Konsequent verstärkt die Bundeswehr daher seit Jahren ihre „Jugendarbeit". Kurzfristiges Ziel ist dabei die Erhöhung der Bewerberzahlen bei der Bundeswehr. Zwar sind die derzeitigen deutschen Kriegseinsätze nicht durch Personalengpässe gefährdet. Dennoch muss die Bundeswehr damit rechnen, dass sich einerseits weniger junge Leute bewerben — nicht zuletzt aufgrund der Ablehnung des Afghanistankrieges — andererseits sich auch die Truppenkontingente in Einsätzen tendenziell erhöhen. Langfristiger, beabsichtigter Nutzen der Werbeoffensive der Bundeswehr ist die Verbreitung militaristischer Propaganda.

Fronteinsatz im Klassenraum

Besondere Bedeutung bei der Werbung um Sympathie und potenziellen Nachwuchs unter Jugendlichen kommt dabei den knapp 100 hauptamtlichen und 300 nebenamtlichen Jugendoffizieren zu. Knapp 10.000 Veranstaltungen bestreiten sie mittlerweile pro Jahr und erreichen dabei nach eigenen Angaben bis zu 200.000 Jugendliche. Auf Messen, Ausstellungen, Klassenreisen, Schülerseminaren und sogar auf Schulhöfen setzt sich die Bundeswehr als einerseits „normaler" Arbeitgeber in Szene, andererseits versucht sie besonders mit dem Argument der Zukunftssicherheit zu punkten und sich von „Arbeitgebern" in der Privatwirtschaft abzugrenzen.

Immer zahlreicher sind die Einsätze in Klassenzimmern. Zu Gute kommt der Bundeswehr dabei nach eigenen Angaben die Tatsache, dass aufgrund der Streichungen bei Lehrerstellen ein Mangel herrscht. Von immer mehr Lehrern wird das „Angebot" der Jugendoffiziere angenommen, in 90 Minuten das Thema „Sicherheitspolitik" zu bearbeiten.

Gegenüber anderen Werbeeinsätzen hat ein solcher „Bundeswehrunterricht" mit vom Bundesverteidigungsministerium eigens hergestellten Materialien den Vorteil, dass die Zielgruppe der Militärpropaganda größtenteils hilf-und protestlos ausgeliefert ist. Damit verstößt die Bundeswehr gegen die offiziellen Richtlinien politischer Bildung („Beutelsbacher Konsens" von 1976), die es nicht erlauben, „den Schüler — mit welchen Mitteln auch immer — im Sinn erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbstständigen Urteils zu hindern." Weiterhin muss politische Bildung das Kontroversitätsgebot erfüllen: „Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen." Diese Rechtfertigung deutscher Kriegseinsätze in Klassenzimmern funktioniert nur dadurch, dass die Bundeswehr von einem pro-militärischen Grundkonsens ausgeht, der so aber eigentlich nicht besteht.

Um sich einerseits abzusichern und gleichzeitig den Militär-Unterricht auszudehnen, strebt die Bundeswehr umfassende Kooperationsverträge mit den Kultusministerien der Länder an. Solche bestehen bereits in Hessen, NRW, Saarland, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Bestandteil solcher Abkommen ist die Zusammenarbeit bei der Lehreraus-und -Fortbildung und der Unterrichtsgestaltung.

Bundeswehrfreie Zonen schaffen!

Die Aktivitäten der Bundeswehr an den Schulen bleiben allerdings nicht ohne antimilitaristische Gegenwehr. So gründete sich in Berlin auf Initiative eines Bezirkselternausschusses die „AG Militärfreie Schule", um den Bundeswehr-Einsätzen an Schulen etwas entgegenzusetzen. Auch die Kooperationsverträge sind Gegenstand antimilitaristischer Initiativen. In Freiburg etwa entstand ein Schülerbündnis, in Nürnberg protestierten Schüler gegen die Bundeswehr. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beschloss eine Stellungnahme: „Die GEW wendet sich entschieden gegen den zunehmenden Einfluss der Bundeswehr auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und der Lehreraus- und Fortbildung, wie sie in den Kooperationsabkommen zwischen Kultusministerien und Bundeswehr deutlich werden." In vielen Städten sind antimilitaristische Kampagnen und Bündnisse im Aufschwung. Kampagnen wie „Bundeswehr wegtreten" oder „kehrt marsch" richten sich gegen die Auftritte der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Entscheidend für die Ausbreitung des Widerstands gegen öffentliche Bundeswehr-Events ist die Verknüpfung mit den Zukunftsperspektiven Jugendlicher.

Die SDAJ führte im ersten Halbjahr 2010 eine Kampagne unter dem Motto „Bundeswehrfreie Zone" durch. Ziel war es, die öffentliche Präsenz der Bundeswehr zu stören und möglichst viele Aktionen gegen die Bundeswehr durchzuführen, um damit das Image der Bundeswehr als „normaler Arbeitgeber" und die Rekrutierung Jugendlicher als Kanonenfutter für die Bundeswehr anzugreifen. Die Kampagne hatte damit das Ziel, unmittelbar an den Interessen Jugendlicher nach qualifizierter Arbeit und Ausbildung anzuknüpfen und den Gegensatz zwischen imperialistischen Kriegsambitionen und Arbeiterjugendlichen herauszustellen.

In über 40 bundesweit durchgeführten Aktionen bewies die SDAJ ihre Kampagnenfähigkeit. Alleine oder im Bündnis wurde lautstarker Protest gegen Stände der Bundeswehr auf Messen, Volksfesten, Bundeswehrkonzerten, in Unis und Arbeitsagenturen organisiert. Mit Agitationsmaterial wie Kleinzeitungen, Flugblättern und einem antimilitaristischen CD-Sampler, mit der Gewinnung bundesweiter, prominenter Unterstützer und einer bundesweiten Konzertreihe ging die SDAJ in die Offensive.

Aktionsorientierter Antimilitarismus

Zwar fehlt unter Jugendlichen oftmals eine kritische Grundhaltung gegenüber dem Militarismus, die Beispiele der o. g. Kampagnen und Initiativen machen jedoch deutlich, dass die aktionsorientierte, antimilitaristische Arbeit vor allem unter Jugendlichen große Möglichkeiten besitzt. Kommunistischen Kräften obliegt die Aufgabe, in diesen Kämpfen in der ersten Reihe zu stehen und die Unverträglichkeit zwischen Kriegseinsätzen sowie Militärausgaben einerseits und den Interessen der Bevölkerung, besonders der Jugendlichen andererseits aufzuzeigen. Herausforderung dabei ist, diesen Ansatz in Bündnisse zwischen unterschiedlichen politischen Kräften zu tragen. Hierzu zählen antimilitaristische Gruppen aus dem autonomen Spektrum genauso wie aktionsorientierte Teile der Friedensbewegung und der Gewerkschaften.


 
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