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Die Band „Die Band­brei­te“ er­freut sich einer gro­ßen Be­liebt­heit bei an­geb­li­chen Lin­ken, Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker_in­nen und auch bei vie­len Nazis: Das hat wahr­schein­lich etwas mit den ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen Po­si­tio­nen zu tun, die von der Band um ihren Front­mann Mar­cel „Wojna“ Wo­jna­ro­wicz ver­brei­tet wer­den. Die „Band­brei­te“, die sich als „die nächs­te Ge­ne­ra­ti­on des Po­lit-​Pop“ be­zeich­net, ver­brei­tet Ver­schwö­rungs­theo­ri­en, die über die Ver­dre­hung der his­to­ri­schen Tat­sa­chen des 11. Sep­tem­ber 2001 hin­aus­ge­hen.

In der Welt von Wo­jna­ro­wicz und „DJ Tor­ben“ Pape haben die USA die An­schlä­ge am 11. Sep­tem­ber 2001, selbst ver­übt, um Krie­ge füh­ren zu kön­nen. Aber auch den An­griff der ja­pa­ni­schen Armee auf den Flot­ten­stütz­punkt in Pearl Har­bour ist Anlaß für Ver­schwö­rungs­theo­rie. Die­ser An­griff, aus­ge­führt durch die mit Na­zi-​Deutsch­land ver­bün­de­te ja­pa­ni­sche Armee, wird den USA in die Schu­he ge­scho­ben. Die USA hät­ten einen Grund für den Kriegs­ein­tritt gegen Na­zi­deutsch­land und seine Ver­bün­de­ten be­nö­tigt. So heißt es im Lied „Selbst ge­macht“ unter an­de­rem: „Ein an­de­res Un­ter­fan­gen dat war ziem­lich ma­ka­ber, ei­ge­ne Leute ge­op­fert im Mas­sa­ker von Pearl Har­bor, ja die bösen Ja­pa­ner, die euch nur dabei hal­fen, end­lich mit in den zwei­ten Welt­krieg ein­zu­grei­fen“.

Die „Band­brei­te“ be­dient an die­ser Stel­le eine ur­al­te Ver­schwö­rungs­theo­rie, die die USA für den zwei­ten Welt­krieg ver­ant­wort­lich macht. Im Lied „Unter fal­scher Flag­ge“ zieht „Die Band­brei­te“ eine his­to­ri­sche Ana­lo­gie vom „Reichs­tags­brand„ 1933 bis zum 6 Tage Krieg 1967. Wäh­rend in der einen Zeile „Adolf Hit­ler“ 1933 „unter unter fal­scher Flag­ge den Reichs­tag“ an­zün­de­te, wäre 1967 ein an­geb­li­cher fin­gier­ter An­griff der „Is­ra­el De­fen­se Force“ (IDF) auf ein Kriegs­schiff der USA dafür ver­ant­wort­lich ge­we­sen, dass diese an­geb­lich „auf Seite der Is­rae­li­ten“ ge­kämpft hät­ten. So zu min­dest die „Band­brei­te“ in den nächs­ten Zei­len ihres Mach­werks.
Die an­ti­se­mi­ti­schen UNO-​Kon­fe­renz in Dur­ban im Sep­tem­ber 2001 , bei der Is­ra­el als ein­zi­ges Land ex­pli­zit er­wähnt, für seine „Be­sat­zungs­po­li­tik“ ver­ur­teilt und „ein ge­ne­rel­les Rück­kehr­recht für die pa­läs­ti­nen­si­schen ‚Flücht­lin­ge‘“ ein­ge­for­dert wurde, „für das sich alle Staa­ten die­ses Pla­ne­ten ge­fäl­ligst ein­zu­set­zen hät­ten“, ver­ar­bei­te­te „Die Band­brei­te“ in dem Lied „Mr. Bush“: „Als die ara­bi­schen Staa­ten gegen Is­ra­el klag­ten, UN-​Kon­fe­re­renz Ras­sis­mus soll­te dar­über be­ra­ten. Ob der Taten der Is­rae­lis im Ga­za­strei­fen, weil Pan­zer rol­len, sie sich an Zi­vi­lis­ten ver­grei­fen. Doch an­statt daran zu rei­fen, haben alle be­grif­fen, datt An­ge­klag­ter und sein Part­ner auf die ganze Sache pfif­fen.“

Tanz auf allen Bällen:

"Wojna" und "die Bandbreite": mit dem „Berg­werks­or­ches­ter Nie­der­rhein“ auf einem SPD-Par­tei­tag 2008 (oben), auf einer "An­ti-EU"-De­mons­tra­ti­on des Elsässer-Spektrums am 05. Sep­tem­ber 2009 in Ber­lin (Mitte) und auf dem „Pfingstju­gend­tref­fen“ der MLPD (unten).
Hier wer­den die Um­stän­de, die zum Rück­zug der is­rae­li­schen und ame­ri­ka­ni­schen De­le­ga­ti­on ge­führt hat­ten, ver­schwie­gen und die „Band­brei­te“ macht sich zum deut­schen An­klä­ger gegen die is­rae­li­sche Po­li­tik und zum Ver­tei­di­ger der Staa­ten, die auf­grund ihres An­ti­se­mi­tis­mus, an einer Ver­ur­tei­lung Is­raels ar­bei­ten.
In ihrem Lied „Pa­läs­ti­na (Pa­ra­dies am Mit­tel­meer)“ be­treibt „Die Band­brei­te“ die üb­li­che an­ti­zio­nis­ti­sche Pro­pa­gan­da, mit einem ganz kla­ren Feind­bild und einer He­roi­sie­rung des pa­läs­ti­nen­si­schen „Wi­der­stand“.
Gegen et­wai­ge Kri­ti­ker_in­nen sol­cher und an­de­rer Zei­len ar­gu­men­tie­ren „Wojna“ und Pape im Lied „De­mo­kra­ten“ in dem es unter an­de­rem heißt: „Fang nie­mals an mit fie­sen Fak­ten auf­zu­war­ten! Kri­ti­sier nie­mals is­rae­li­sche Greu­el­ta­ten. Denn De­mo­kra­ten, die las­sen sich nich alles bie­ten, du wirst erst zum An­ti-​Ame­ri­ka­ner und dann zum An­ti-​Se­mi­ten.“

Neben der Ab­leh­nung de­mo­kra­ti­scher Idea­le er­in­nert diese Ar­gu­men­ta­ti­on an die Ver­tei­dungs­tra­te­gie der An­ti-​Ame­ri­ka­ner_in­nen und An­ti­se­mit_in­nen, die diese Schutz­be­haup­tung nut­zen um sich gegen an­ti­fa­schis­ti­sche Kri­tik zu imu­ni­sie­ren. In einem an­de­ren Lied na­mens „Wir kön­nen auch an­ders“ be­zeich­net „Die Band­brei­te“ den „Neo­li­be­ra­lis­mus“ als „die Neu­form des Fa­schis­mus“. Gegen den „Neo­li­be­ra­lis­mus“ wet­tert die „Band­brei­te“ gerne und be­weist damit ihre An­schluss­fä­hig­keit für ver­kürz­te Ka­pi­ta­lis­mus-​“Kri­tik“ aller Art: „Krass, weil welt­weit Men­schen ver­re­cken. Doch wir sind hier, um euch auf­zu­we­cken, die fet­ten Heu­schre­cken auf­zu­schre­cken“.

Mit der Hetze über an­geb­li­che „Heu­schre­cken“, vor denen „Gut und unser Haus“ ge­ret­tet wer­den müss­te, outet sich die „Band­brei­te“ als An­hän­ger eines Dis­kur­ses, die in an­geb­li­chen „Heu­schre­cken“ aus Über­see die schlech­ten Ei­gen­schaf­ten des Ka­pi­ta­lis­mus zu­sam­men­fasst. Auf der einen Seite ste­hen an­geb­li­che „Heu­schre­cken“ und auf der an­de­ren Seite die bür­ger­li­che Kleinst­struk­tur, die ver­tei­digt wer­den muss: „Blut und Boden“ oder in den Wor­ten der „Band­brei­te“: „Gut und unser Haus“.
Die Ver­harm­lo­sung rea­ler fa­schis­ti­scher Struk­tu­ren, die mit der Gleich­set­zung zwi­schen der Kon­struk­ti­on des „Neo­li­be­ra­lis­mus“ mit dem „Fa­schis­mus“ ein­her­geht, wird auch in an­de­ren Lie­dern deut­lich. Da wird der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im über­aus ho­mo­pho­ben Lied „Kein Sex mit Nazis“ ver­harm­lost, in dem „Die Band­brei­te“ die Aus­sa­ge trifft, dass sich der Na­tio­nal­so­zia­lis­mus da­durch aus­zeich­nen würde, dass mensch „gut zu den ei­ge­nen Leu­ten und schlecht zu allen an­dern ist.“
Die Ho­mo­pho­bie der „Band­brei­te“ wird hier be­son­ders deut­lich, denn die Ma­cher der „Band“ be­haup­ten, dass der „Füh­rer Adolf Hit­ler“ ho­mo­se­xu­ell ge­we­sen wäre. Des­we­gen habe er es „es mit Ru­dolf Hess in nem Hotel“ ge­trie­ben. Da Hess nicht dau­er­haft zur Ver­fü­gung Hit­lers ge­stan­den habe und er „kei­nen Trost an Evas brau­nen Tit­ten“ ge­fun­den hätte, sei er „stän­dig an­ge­pisst und auch so voll fa­na­tisch“ ge­we­sen. Denn, so zu­min­dest „Die Band­brei­te“: „Kei­ner von den Schwu­len da­mals woll­te Sex mit Nazis“. Die „Band­brei­te“ warnt ab­schlie­ßend vor „Sex mit Nazis“. Schließ­lich wür­den viele „Ge­fah­ren hin­ter brau­nen Lö­chern lau­ern“. Sol­che ho­mo­pho­ben The­sen sind die Grund­la­ge der Aus­ein­an­der­set­zung mit Nazis; zu­min­dest für „Die Band­brei­te“. Der Fa­na­tis­mus Hit­lers wird in die­sem Lied aus des­sen an­geb­li­cher Ho­mo­se­xua­li­tät her­ge­lei­tet. Trotz al­le­dem dient die­ses Lied immer wie­der als Bei­spiel für den an­geb­li­chen „An­ti­fa­schis­mus“ der „Band­brei­te“. Dabei macht ge­ra­de das Lied „Kein Sex mit Nazis“ deut­lich, dass es mit die­sem „An­ti­fa­schis­mus“ nicht weit her ist.
WM-Nationalismus

Am na­tio­na­lis­ti­schen Hype rund um die Män­ner-​Fuß­ball-​Welt­meis­ter­schaft 2010 be­tei­li­gen sich auch die Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker der „Band­brei­te“, die ein schwarz-​rot-​gol­de­nes Lied her­aus­ge­bracht haben, in dem Deutsch­land ge­hul­digt wird. Das Lied nennt sich „Welt­meis­ter (Ja watt denn)“ und ist eine Ode an den deut­schen Ju­bel-​Na­tio­na­lis­mus, der für den Som­mer 2010 her­bei­ge­sehnt wird: „Die Stim­mung steigt, das Bier ist knapp, schon geht mir einer auf den Sack“, sin­gen die Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker, wäh­rend sich die Mit­glie­der der Band be­geis­tert in den Schritt fas­sen. Die Band, die an­sons­ten die his­to­ri­schen Er­eig­nis­se des 11. Sep­tem­ber 2001 um­deu­tet und sich Ver­ge­wal­ti­gungs­phan­ta­si­en hin­gibt, hat nun einen deut­schen Track, gegen die„ewi­gen Nörg­ler“, die ihr „Fett weg“ krie­gen, ge­schaf­fen.

Es geht also um die na­tio­na­lis­ti­sche „Stim­mung“, die ge­fei­ert wird. Es geht aber auch gegen die Mieß­ma­cher_in­nen, die dem schwarz-​rot-​gol­de­nem Wahn nicht ge­nü­gend Be­geis­te­rung ent­ge­gen­brin­gen: „Vor mir steht ein Vogel, der bloß Â’ne Fres­se zieht und sagt das es für Deutsch­land da nichts zu holen gibt“. Der hat aber nur „keine Ah­nung“, singt Mar­cel „Wojna“ Won­ja­ro­wicz (s. Foto) , der sich wäh­rend der letz­ten Bun­des­tags­wah­len an einem ob­sku­ren Wahl­bünd­nis um den An­ti­se­mi­ten Fried­rich Schön­beck be­tei­lig­te, in sei­nem Deutsch­land-​Tri­kot, wäh­rend die deut­sche Fahne in einem Fuß­ball-​Sta­di­on ge­schwenkt wird. Die Che­er­lea­der_in­nen der „Sil­ver Shadows“ aus Ober­hau­sen und eine An­ti­fa-​Fah­ne er­gän­zen das Video die­ses na­tio­na­lis­ti­schen Tracks, der na­tür­lich den Traum des deut­schen Spie­ßers, vom deut­schen Sieg bei der Welt­meis­ter­schaft zum In­halt hat.
„Ja wat denn, wir sind Â’ne Runde wei­ter. Ja watt denn, wir wer­den Welt­meis­ter“ grö­len „Wojna“ Won­ja­ro­wicz und „DJ“ Tor­ben Pape (s. Foto), über einen Kir­mes­tech­no­beat. Das Video zum Lied, dass auch von den rech­ten Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker_in­nen des Blogs „Alles Schall und Rauch“ ge­fei­ert wird, er­in­nert an einen an­de­ren „Klas­si­ker“ des mu­si­ka­li­schen deut­schen Fuß­ball-​Na­tio­na­lis­mus, näm­lich an das WM-​Lied Oli­ver Po­chers. Auch dort gab es mas­sig schwarz-​rot-​gol­de­ne Fah­nen, auch dort wurde an den Sie­ges­wil­len ap­pel­liert, für den das her­bei­ge­sun­ge­ne Zwangs­kol­lek­tiv ein­ste­hen soll. Si­cher­lich ekel­haft genug. Aber dort wurde kei­nem nie­der­län­di­schen Fan Urin als Bier­er­satz an­ge­dreht, was wohl lus­tig sein soll und es na­tür­lich nicht ist. Denn an die­ser Stel­le des Vi­de­os wurde le­dig­lich der ty­pi­sche deut­sche Hass auf den Nach­barn ver­filmt.



Auch die An­ti­fa-​Fah­ne sticht her­aus. Mit der wird im Video dann Deutsch­land ge­fei­ert. Also wird eine an­ti­fa­schis­ti­sche Fahne miß­braucht, um dem of­fen­sicht­li­chen Na­tio­na­lis­mus einen kor­rek­ten An­schein zu ver­lei­hen. Des­we­gen wohl auch die Text­zei­le, in der der Fan, dem die deut­sche Mann­schaft nicht deutsch genug ist, als „Na­zi­schwein“ be­zeich­net wird. An­sons­ten wird die deut­sche Na­ti­on ge­fei­ert. Ein Track, wie er den zahl­rei­chen be­sof­fe­nen Teil­neh­mer_in­nen des dumm-​deut­schen Ju­bel­spek­ta­kels ge­fal­len dürf­te: „Wir wer­den alle dicht“ er­freut „Wojna“ an dem geis­ti­gen Zu­stand der to­ta­len Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der deut­schen Na­ti­on, die im Video nach­ge­stellt wird.
Mit dem Na­tio­na­lis­mus, den die heu­ti­ge deut­sche Ge­sell­schaft her­vor­bringt und mit deren ras­sis­ti­schen Aus­gren­zungs­me­cha­nis­men hat „Die Band­brei­te“ in jedem Fall kein Pro­blem. Statt­des­sen diese schwarz-​rot-​gol­de­nen Orgie der „Band­brei­te“, in dem es darum geht, dass die Deut­schen Deutsch­land fei­ern sol­len. Neben die­ser Sehn­sucht nach der Fei­er-​Volks­ge­mein­schaft be­sticht der Track der „Band­brei­te“ durch die Ab­nei­gung gegen die Men­schen, die diese Feie­rei nicht mit­ma­chen wol­len. Gegen „das ewige Ge­heu­le“ der „Pes­si­mis­ten“. Es klingt wie eine Dro­hung wenn die Band tex­tet: „Wir las­sen uns von kei­nem die Stim­mung mehr ver­sau­en“.
Der Track ist auch auf CD er­schie­nen und wird von der „Band­brei­te“ über ihren On­line-​Shop, aber auch über „Fin­e­tu­nes“, ver­trie­ben. Der na­tio­na­lis­ti­sche Hype zur Fuß­ball-​Welt­meis­ter­schaft wird also um wei­te­res Lied be­rei­chert, das der Mob zum Spiel der Na­tio­nal­mann­schaft grö­len kann. Zum Bei­spiel auf dem dem „Lin­ken Lie­der­som­mer“ oder dem „Fes­ti­val des po­li­ti­schen Lie­des“ , den nächs­ten bei­den Auf­tritts­or­ten der Band, bei dem diese ihre schwarz-​rot-​gol­de­nen Orgie vor­füh­ren könn­te. „Die Band­brei­te“ zeigt mit die­sem Track ihre na­tio­na­lis­ti­sche Po­si­tio­nie­rung mehr als deut­lich auf.
Im Song „Tötet Knut“ ver­sucht sich „Die Band­brei­te“ in plum­per Sa­ti­re. Dort träumt die Band davon den Me­dien­bä­ren Knut zu töten und ver­bin­det diese Phan­ta­sie mit Kas­tra­ti­ons­phan­ta­si­en. Im Lied heißt es unter an­de­rem: „Knut Ja, der klei­ne Kack­bär war schon ziem­lich stark zer­schnit­ten, da nahm ich mir die Frei­heit ihn von oben an­zu­pis­sen, Ent­mann­te ihn da­nach und spiel­te Golf mit sei­nen Hoden“. „Tötet Knut“ und „Kein Sex mit Nazis“ stam­men beide von der CD „He­xen­jagd“, mit dem sich die Grup­pe als Opfer in­sze­nie­ren woll­te. Ein wei­te­res Lied auf der CD ist das Lied „An­ti­deut­scher“, in dem sich „Die Band­brei­te“ mit den An­ti­deut­schen oder das, was sie dafür hal­ten, aus­ein­an­der­setzt. In­halt und Form die­ses Lie­des las­sen sich, mit ei­ni­gem gutem Wil­lem, als grau­en­haft be­zeich­nen. Keine Sa­ti­re, son­dern ernst ge­meint, ist das Lied „Han­dy­phob“ in dem die Band die Ver­schwö­rungs­theo­rie von der Han­dy­strah­lung, die die Men­schen ver­gif­ten würde, kol­por­tiert.
An­ti­deut­sche wer­den An­ti­deut­sche und „An­ti­na­tio­nal“, weil sie ir­gend­wann ein­mal von einer Grup­pe Mi­gran­t_in­nen über­fal­len wur­den. So heißt es im Lied: „Du bist seit Jah­ren Ak­ti­vist in der An­ti­fa, und bist für Aus­län­der­rech­te auf die Stra­ße ge­gan­gen. (…) Dann bist du da­mals aus dem au­to­no­men Zen­trum ma­schiert, und an der Bus­hal­te­stel­le ist es dir dann pas­siert, et waren drei oder vier, sie nah­men dir dein Handy und deine Würde“.

Mar­cel „Wojna“ Wo­jna­ro­wicz und seine „Band­brei­te“ pro­du­zie­ren mit die­sem Kli­schee, das ras­sis­ti­sche Bild, vom „kri­mi­nel­len Aus­län­der“. An­statt zur NPD zu gehen, würde mensch eben An­ti­deutsch wer­den. Im Re­frain des Lie­des heißt es: „Jetzt bist du An­ti­deutsch, jetzt bist du An­ti­na­tio­nal, nennst dich Links und bist wahr­haft ein Fa­scho“. Au­ßer­dem wird den „An­ti­deut­schen“, die „An­ti­na­tio­nal“ seien, „Sym­pha­ti­en für die NPD“ un­ter­stellt. Der „An­ti­deut­sche“ sei ein „Fa­schist, der zu eitel für ne Glat­ze is“. So weit „Die Band­brei­te“, die deut­lich ma­chen, dass ihnen eine Fä­hig­keit ab­geht: Zwi­schen An­ti­fa­schis­t_in­nen und Rech­ten zu un­ter­schei­den ist nicht ihr Ding.
Diese Hetze gegen „An­ti­deut­sche“ wird nur noch von den se­xis­ti­schen Tex­ten der „Band­brei­te“ über­trof­fen. Frau­en wer­den als heiße Flam­men, geile Schnit­ten und Bräu­te“ (Aus dem Lied: „Er scheißt drauf“) be­schrie­ben. Im Lied „Man kennt uns“ heißt es: „Ich brauch jetzt was Wil­li­ges, seh ichs, brauch ichs, will ich es was heute wich­tig is, is letzt­lich was recht Bil­li­ges (…) Ey, Eman­zen nach hin­ten, darf ich denn zum Tanze bit­ten?“

Sind diese se­xis­ti­schen Phra­sen schon un­er­träg­lich, wird das noch durch die Ver­ge­wal­ti­gungs­phan­ta­si­en über­trof­fen, die die „Band“ zum Bei­spiel im Lied „Ein­ge­locht“ äu­ßert. In die­sem Lied pe­ne­trie­ren zwei Män­ner eine Frau gegen ihren Wil­len. Un­ver­hoh­len heißt es im Re­frain: „Ne, ne, es tut dir weh, doch wir war­ten nich, wo ich doch so sel­ten mal ’nen har­ten krich“.
Der geht noch wei­ter: „Du bist nich artig und jetzt kommt deine Stra­fe, du kanns nicht er­war­ten, datt ich zärt­lich mit dir schla­fe.“

Ein wei­te­res Bei­spiel für das frau­en­ver­ach­ten­de Welt­bild der „Band­brei­te“ ist das Lied „Mies­mu­schel“, in dem die „Band“ ihrer Ver­ach­tung frei­en Lauf lässt: „Tu mir ’nen Ge­fal­len, putz dir beim nächs­ten mal die Zähne, es man­gelt dir ganz ein­fach auch an Un­ter­leibs­hy­gie­ne, die brau­ne Sträh­ne, ein Pech dat ich hatte, nach‘m Le­cken am Kinn deine Kacke."
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"Wojna" Wo­jna­ro­wicz. Selbst­er­nann­ter „Zeit­zeu­ge“ die­ses Jahr­hun­derts.
Die vor­he­ri­ge Part­ne­rin wird als „Va­gi­na-​Child“ be­zeich­net, die sich „wie Gina Wild“ auf­füh­ren würde: „Dat ist kein Spruch, da gib­bet Li­te­ra­tur, doch lesen und den­ken liegt dir wohl nicht in der Natur“, heißt es in dem Lied, mit dem Frau­en auf­grund ihres bio­lo­gi­schen Ge­schlechts er­nied­rigt wer­den, in dem ihnen unter an­de­rem die Denk­fä­hig­keit ab­ge­spro­chen wird. In der letz­ten Stro­phe des Lie­des jam­mert „Wojna“ Wo­jna­ro­wicz : „Tu mir den Ge­fal­len und lass das bitte sein, denn auf Fakes wie dich, fal­len Typen rein“ und „plä­diert auf Ver­ge­wal­ti­gung“.
Auch die „Band­brei­te“ scheint be­merkt zu haben, dass sol­che se­xis­ti­schen Texte nicht un­be­dingt auf Ge­gen­lie­be sto­ßen müs­sen. Schließ­lich ist das Lied „Ein­ge­locht“ nicht mehr auf der Home­page der Band zu fin­den (Screen­shot). Ver­die­nen tut die „Band­brei­te“ trotz­dem an ihren se­xis­ti­schen Tex­ten. Schließ­lich kön­nen ihre Songs bei An­bie­tern wie „Mu­si­cload“ oder dem „Peop­les Music Store“ (für 0,99 Cent pro Song) (Screen­shot) her­un­ter­ge­la­den wer­den. Die Ver­ge­wal­ti­gungs­phan­ta­sie na­mens „Ein­ge­locht“ gibt es also wie das Lied „Mies­mu­schel“ für we­ni­ger als einen Euro. Aber auch auf der CD „Kom­plett durch“ ist das Lied zu fin­den. Die CD ist vor kur­zem in einer Neu­auf­la­ge er­schie­nen und wird von der „Band­brei­te“ seit dem 30. Sep­tem­ber 2009 wie­der auf ihrer Web­site di­rekt ver­trie­ben.

Eine wei­te­re, ty­pisch deut­sche Ei­gen­schaft, ist das Rufen nach dem Block­wart, wenn Kri­ti­ker_in­nen einem krumm kom­men. So brach­te es Mar­cel „Wojna“ Wo­jna­ro­wicz tat­säch­lich fer­tig, den Front­mann der Band Ego­tro­nic, an­zu­zei­gen, weil die­ser auf einem Kon­zert in Du­is­burg dar­auf hin­ge­wie­sen hatte, dass „die ar­gu­men­ta­ti­ons­wei­se eben die­ser ‚band‘ zum 11. sep­tem­ber der der npd nicht un­ähn­lich wäre, und man die her­ren somit fast für npd-​rap­per hal­ten könne.“ Aber eben nur fast. Die An­zei­ge der „Band­brei­te“ wurde im üb­ri­gen nach ei­ni­ger Zeit ein­ge­stellt. Mit Kri­tik setzt sich die „Band­brei­te“ nicht gerne auß­ein­an­der. So rät „Wojna“ ei­ni­gen Kri­ti­ker_in­nen: „An all die Un­be­lehr­ba­ren da drau­ßen, alle die mir An­ti­se­mi­tis­mus und An­ti­ame­ri­ka­nis­mus un­ter­stel­len, sei eine Sache ge­sagt: Ich möch­te euch mit einem Zitat von Die­t­er Nuhr ant­wor­ten: ‚Wenn man keine keine Ah­nung hat, ein­fach mal die Fres­se hal­ten‘“.
Ähn­li­ches pro­pa­gier­te „Die Band­brei­te“ in einem wei­te­ren Video, das sie – an­läß­lich an­ti­fa­schis­ti­scher Pro­tes­te gegen einen Auf­tritt in Frank­furt – ver­öf­fent­lich­te. Dort wurde gegen Kri­ti­ker_in­nen ge­hetzt.

Po­li­tisch sind „Die Band­brei­te“ ir­gend­wo zwi­schen der SPD, Jür­gen El­säs­sers „Volks­in­itia­ti­ve“, den 9/11 Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker_in­nen und dem „Willi Weise“ Pro­jekt zu ver­or­ten. Sie tre­ten auf Kon­zer­ten der „Jung­so­zia­lis­ten“ (Jusos) auf, be­rei­chern SPD-​Par­tei­ta­ge und mach­ten die Streik-​Mu­sik für den DGB. Im Jahr 2008 spiel­te die „Band­brei­te“ zum Bei­spiel den „Ta­rif­song“ der „IG-​Me­tall“ ein. Mit die­sem „Song kann sich jeder schon mal auf die Ta­rif­run­de ein­stim­men“ be­warb die „IG Me­tall“ die „Band­brei­te“ in der Mit­glieds­zei­tung „Me­tall“. Auch die SPD scheint sich von den ver­schwö­rungsh­teo­re­ti­schen The­sen der Band nicht wei­ter ge­stört ge­fühlt zu haben. So trat die Band, zu­sam­men mit dem „Berg­werks­or­ches­ter Nie­der­rhein“ auf dem Du­is­bur­ger SPD-​Par­tei­tag auf, ohne das es zu nen­nens­wer­ten Pro­tes­ten ge­kom­men wäre.​Sie tra­ten aber auch auf einer An­ti-​EU-​De­mons­tra­ti­on auf, die maß­geb­lich von der „Volks­in­itia­ti­ve“ or­ga­ni­siert wurde oder auf ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen Tref­fen um den Blog „Alles Schall und Rauch“. Einen wei­te­ren Auf­tritt gab es auf einer „Ta­gung“ der „An­ti­zen­sur Ko­ali­ti­on“ des schwei­zer Sek­ten­füh­rers Ivo Sas­sek. Auf die­sen „Ta­gun­gen“ wird gegen fe­mi­nis­ti­sche Theo­ri­en ge­hetzt und die „Ger­ma­ni­sche neue Me­di­zin“ be­wor­ben. Au­ßer­dem trat Mar­cel „Wojna“ Wo­jna­ro­wicz als Ein­zel­kan­di­dat des „Willi Weise Pro­jekts“ zu den Bun­des­tags­wah­len 2009 an. Er fand sich in trau­ter Ge­sell­schaft mit an­de­ren Ein­zel­kan­di­da­t_in­nen des Pro­jek­tes: Unter an­de­rem Per­so­nen, die der Ideo­lo­gie der „Reichs­bür­ger_in­nen“ nahe ste­hen.

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Deutschland in Pose: "Wojna" macht Stimmung.
Vor der Män­ner-​Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft brach­te „Die Band­brei­te“ eine EP her­aus. Der Titel der CD lau­tet wie der Ti­teltrack „Welt­meis­ter (Ja, watt denn)“ [siehe Kasten]. Das Lied ist eine Ode an den deut­schen Ju­bel-​Na­tio­na­lis­mus, der für den Som­mer 2010 her­bei­ge­sehnt wird: „Die Stim­mung steigt, das Bier ist knapp, schon geht mir einer auf den Sack“, singt „Die Band­brei­te“, gegen die „ewi­gen Nörg­ler“. Das Video zum Song ist eine schwarz-​rot-​gol­de­ne Orgie, in dem einem hol­län­di­schen Fan Urin als Bier ge­reicht wird. „Ja wat denn, wir sind Â’ne Runde wei­ter. Ja watt denn, wir wer­den Welt­meis­ter“ grö­len „Wojna“ Wo­jna­ro­wicz und „DJ“ Tor­ben Pape, über einen Kir­mes­tech­no­beat. An­sons­ten wer­den Deutsch­land-​ und An­ti­fa­fah­nen ge­schwenkt und Deutsch­land ge­hul­digt. Der Track ist auf CD er­schie­nen und wird von der „Band­brei­te“ über ihren On­line-​Shop, aber auch über „Fin­e­tu­nes“, ver­trie­ben. Der na­tio­na­lis­ti­sche Hype zur Fuß­ball-​Welt­meis­ter­schaft 2010 wird also um wei­te­res Lied be­rei­chert, das der Mob zum Spiel der Na­tio­nal­mann­schaft grö­len kann.

Nach der Kri­tik über die Band, spricht diese nun von einer „Kam­pa­gne der Dif­fa­mie­rer“ und macht sich zum Opfer der Kri­ti­ker_in­nen, die grund­sätz­lich als „An­ti­deut­sche“ be­zeich­net wer­den. Dies konn­ten die dreis­sig Zu­schau­er_in­nen des „Lin­ken Lie­der­som­mers“ (2010) eben­falls er­le­ben, denen „Die Band­brei­te“ im Rah­men einer Po­di­ums­dis­kus­si­on ihre Sicht auf die Dinge vor­stell­te. Dort wurde sich auf Eva Her­man be­ru­fen und der üb­li­che An­ti-​Ame­ri­ka­nis­mus be­trie­ben. In einem In­ter­view für einen Du­is­bur­ger Lo­kal­sen­der kün­digt „Wojna“ das nächs­te Album der Band für Ende 2010 an. Es bleibt ab­zu­war­ten, ob sich „Die Band­brei­te“ auch dort auf Eva Her­man be­ru­fen wird.


Mit bestem Dank übernommen:
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  Kommentar zum Artikel von katzenjaeger:
Donnerstag, 06.09.2012 - 14:16

wenn die marxixtische linke mal endlich ihre hausaufgaben machen würde, auch und gerade was 9/11 und das umfeld betrifft, würde politisch unerfahrene junge leute nicht so schnell in den verschwörungstheoretischen sumpf abrutschen. der neue faschismus wird keine braunhemden, keine springerstiefel und auch kein thor steinar tragen. er wird aus einer ganz anderen ecke kommen und die alt- und neonazis dienen unter anderem dazu, die parlamentarische und ausserparlamentarische linke wie einen tanzbären mit nasenring zu steuern. die linke arbeitet sich an grossveranstaltungen gegen nazis ab oder betreibt recherche bzw demotourismus und ist demzufolge bestens beschäftigt.

mit kommunistischem gruss

stef


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Freitag, 22.07.2011 - 14:11

@retmarut:

Es ist hoffentlich bekannt, dass ich keinesfalls jede EU- und Imperialismuskritik als falsch, als theoretische Schwäche - oder gar als Querfront! - beurteile. Wer meine Veröffentlichungen kennt, sollte auch meinen Standpunkt dazu kennen. Ich verweise hier nur beispielhaft auf meinen Artikel in der Zeitschrift Theorie & Praxis, "Europastrategien des deutschen Kapitals".

Eben gerade, weil es heutzutage Mode ist, bspw. jede Kritik an der EU in eine Ecke zu rücken, die irgendwie schon in der Nähe ewiggestriger und rechtspopulistischer Äußerungen ist - übrigens auch innerhalb der DKP gegenüber Genossen, die nicht die PV-Meinung vertreten! -, eben gerade deshalb finde ich es besonders wichtig, unsere Argumentation hier zu schärfen und mit besonderer Sorgfalt rechte, rechtpopulistische und querfrontmäßige Besetzungen des Themas zu demaskieren!

Fassen wir es doch mal in einem Satz zusammen. Ohne einen klaren Hauptfeindstandpunkt sind eine EU-Kritik, die sich häufig nur in Ressentiments ergeht, wie auch ein emotional begründeter Antiimperialismus, der sich meist ausschließlich gegen die USA richtet, latent gefährlich. Immer dann, wenn nicht die deutsche Bourgeoisie die Zielscheibe unserer Tätigkeiten in Deutschland ist (also hier wäre das die Rolle des deutschen Kapitals in der EU...), geraten wir in Gefahr, vereinnahmt zu werden - durch eben jene Bourgeoisie, die sich immer freut, im internationalen Kampf um Vorherrschaft und Hegemonie auch einige Linke vor ihren Karren spannen zu können.

Gerade die Tatsache, dass wir - innerhalb der Linken - einen Kampf um korrekte Positionierung in der Hauptfeindfrage auszufechten haben macht es umso nötiger, klar und deutlich aufzuzeigen, wo die Gefahren und Grauzonen liegen, in die - meist gutmeinende, aber häufig auch vollkommen naive - Linke geraten können. Das ist manchmal ein schmaler Grat. Wenn solch ein Irrweg beschritten wird, müssen wir das aber - im Interesse der Aufklärung und Verhinderung - klar benennen. Und gegebenenfalls auch bekämpfen. Da werden wir ja grundsätzlich bestimmt auch keine Differenzen haben. Unser Widerspruch liegt wohl in der Frage, wann hier der Rubikon überschritten ist, wann es eben keine "linken Ausrutscher", sondern bekämpfenswerte Verirrungen, eben Querfrontaktivitäten, werden. Du bist tendenziell eher bereit, mehr Spielraum zu geben, als ich dies bin.

Um den Bogen zurück zu schlagen zum Ausgangsthema: So in etwa linke Band, mit Schwachstellen zwar, aber halt doch vor allem links - das war der O-Ton der meisten Bandbreiten-Verteidiger aus der DKP (alle anderen, Gegner wie Befürworter, interessieren mich gerade gar nicht so). Warum nun ausgerechnet das UZ-Pressefest, die größte und öffentlichkeitswirksamste Veranstaltung der DKP überhaupt, als Therapieeinrichtung für eine "irgendwie linke Band", die akut abzurutschen droht, herhalten muss -mir ist es immer noch nicht klarer geworden. Mal ab davon, dass sich die Partei mit dererlei Darbietungen an mißglückter Basisdemokratie a la Diether Dehm nur Antiwerbung leistet... Ich finde das vor allem politisch gefährlich, kurzsichtig und mehr als naiv.

Das alles ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die jede Imperialismuskritik damit disqualifizieren wollen, dass ja "auch Nazis gegen die EU" seien. Und wenn das nicht genügt: es gibt leider historisch wie aktuell Beispiele zuhauf dafür, dass Rechte durch ideologische Flexibilität, durch ungeniertes Plündern ursprünglich linken Interieurs in der Lage waren, Verwirrung in die Linke zu tragen, zu desorientieren und manchmal gar personell abzugreifen. Nur andersherum - eine Linke, die durch inhaltliche Selbstaufgabe stärker geworden wäre - das gab es noch nie.


  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Donnerstag, 21.07.2011 - 19:38

@ Secarts: "Wenn wir schon nicht überein kommen in dieser Frage, können wir doch trotzdem festhalten, wo die Widersprüche liegen - und dass wir beide unter dem Begriff "Querfront" etwas ziemlich unterschiedliches verstehen."

In der Tat. Mich verwundert nur, dass wir uns dabei auf die gleiche Quelle, also den Secarts.org-Artikel berufen. Nach meiner Dafürsicht (von mir aus auch Deutung) ist dieser eigentlich recht eindeutig in der Definition.

"Für dich scheint "Querfront" hingegen ein Synonym für rechtsradikale/faschistische soziale Demagogie im klassischen Sinne zu sein."

Das ist nicht ganz korrekt. Es geht nicht um soziale Demagogie, sondern (ideologisch) um gezieltes Einfallen in linke Diskurse sowie (praktisch) um gezielte Unterwanderung linker Organisationen und Strukturen. Dem liegt also ein strategisches Moment zugrunde und nicht einfach nur irgendeine Demagogie.

Da Querfront nach meiner Auffassung, die ich hier ja bereits dargelegt habe, also Agieren von Rechtsextremen im linken Fahrwasser darstellt, ist die Frage "Wo genau war jetzt die vermeintliche Querfrontarbeit der Bandbreitee sichtbar?" durchaus noch nicht beantwortet worden.

Was Du anführtest, sind danach eben nicht Querfrontaktivitäten, sondern die "offenen Flanken" bzw. ideologischen Schwachstellen der Bandbreite.

Antiamerikanismus ist ja nicht per definitionem rechts, ebenso z.B. EU-Kritik. Es kann durchaus gute Gründe geben, diese Themen von links zu besetzen und zu begründen, auch wenn ich das nicht immer teile.

* Linker Antiamerikanismus z.B. in Lateinamerika ist als antiimperialistische Position völlig berechtigt, da hier der Hauptfeind eindeutig der US-amerikanische Imperialismus und seine lokalen Statthalter sind.
Wenn deutsche Nazis allerdings gegen "angloamerikanischen Raubtierkapitalismus" wettern, hat das eine völlige andere Zielrichtung, mit dem der angeblich "zivilisiertere" deutsche Imperialismus gehätschelt werden soll.

* EU-Kritik von links, wie sie beispielsweise die KKE betreibt oder auch Teile der österreichischen kommunistischen Bewegung (also von abhängigen Staaten innerhalb der EU), ist durchaus legitim und im nationalen Kontext durchaus vertretbar.
Wenn deutsche Pro-DM-Apologeten oder Faschist_innen gegen "die EU" agitieren, haben die hingegen ganz etwas anderes im Sinne, nämlich die Verherrlichung des deutschen Weges. (Wobei sie geflissentlich vergessen zu erwähnen, dass es vornehmlich Deutschland ist, welches die EU-Politik bestimmt.)

Ich habe nie bestritten, dass die Bandbreite (aber da steht sie innerhalb unserer linken Bewegung eben nicht alleine da) einige Andockpunkte besitzt, wo Rechtsextreme anlanden könnten, z.B. diese Truther-Geschichten. - Aber das ist eben noch lange keine Querfront! Wäre das "Bereitstellen" von Schwachstellen das entscheidende Kriterium, wären Gruppen wie die IGM, die DKP Berlin, manche Antifa-Gruppe etc. auch "Querfront", weil sie mit ihrer Position zu den vermeintlichen "Heuschrecken" (IGM) oder zur EU (DKP Berlin) oder zur US-Politik (Antifas) Andockstellen bieten.

Nicht das Vorhandensein von Andockstellen ist aber Querfront. Querfront kann nur das aktive Handeln, also das Eindringen in fremde Gefilde sein, und selbiges geht, das zeigen auch die geschichtlichen Beispiele, stets von Rechtsaußen aus, denn nur dort besteht auch ein wirkliches strategisches Interesse zu derlei Vorgehen.

Deine Definition von Querfront verwässert aus meiner Sicht den Begriff und führt letztlich dazu, dass der Begriff weniger im wissenschaftlichen Sinne, sondern im denuntiatorischen Sinne benutzt wird. Letzerem sollte ja ursprünglich mittels des Secarts.org-Artikel entgegengewirkt werden. Umso mehr meine Verwunderung über Deine Positionierung.

Mein Fazit unserer Debatte hier: Gut, dass wir beide zumindest jetzt geklärt haben, dass die Verwendung des Begriffes unter uns verschieden ist und auf unterschiedlichen Annahmen beruht. - Damit sind wir vermutlich wesentlich weiter als diejenigen, die kürzlich von außen eine Querfront-Debatte in und gegen die DKP gezielt hatten. Deren Verwendung des Begriffs Querfront war v.a. denuntiatorischer Art.



  Kommentar zum Artikel von secarts:
Donnerstag, 21.07.2011 - 16:04

@retmarut:

"Noch mal die konkrete Frage: Wo genau war jetzt die vermeintliche Querfrontarbeit der Bandbreitee sichtbar?"

Soll ich jetzt meine detaillierte Darstellung, die ich dazu schon längst gegeben habe, wirklich kopieren und noch mal speichern?! In meinem vorletzten Beitrag habe ich mir die Mühe gemacht, Punkt für Punkt aufzulisten (und zu begründen!), welche Aspekte der Bandbreite-Äußerungen meines Erachtens querfront-affin sind.

Nimm doch dazu einfach mal Stellung, bevor wir uns jetzt wieder nur im Kreis drehen!

- Warum soll der Antiamerikanismus der Bandbreite links, der von Elsässer aber rechts sein?
- Wieso ist Elsässers paranoider Geschichtsrevisionismus als rechts zu klassifizieren, der der Bandbreite aber nicht?
- Was ist am Aufruf der Bandbreite, irgendeine (!) "EU-kritische Partei zu wählen", linker als an Elsässers kruder EU-Gegnerschaft (Auch Elsässer ruft ja nicht zur Wahl der NPD auf, sondern hält sich ähnlich vage)?
- Und: Wie ist der Moment definiert, wo jemand wie z. B. Elsässer die Linke verlässt und in die Rechte wechselt?

"Die Actio kommt also von rechts und die Stoßrichtung geht als Einbahnstraße auch nur in einige Richtung, nämlich ins linke Lager hinein." " Auch bei der Querfront gibt es klar abgrenzbare Subjekte und Objekte, actio und reactio sowie eine klar definierte Stoßrichtung des Ganzen. "

Hmm. Scheinbar ist es mir wirklich nicht möglich, dir zu vermitteln, was ich meine. Was du schreibst, stimmt auf einer abstrakten Ebene; es ist aber ,aus meiner Sicht, nur die eine Seite der Medaille. Natürlich hat die Linke, so allgemein und insgesamt, nichts davon, mit Rechten anzubändeln. Die Linke (als Strömung) tut dies ja auch nicht. Es gibt aber Linke (als Personen und einzelne Zusammenhänge dieser großen, bunten Strömung, die ja alles andere als monolithisch ist - nicht einmal von ihrer Klassenbasis her), die dies tun - eben im Widerspruch zu ihren objektiven Interessen, aus irgendwelchen subjektiven Motiven heraus. Irgendwann ist dann der Moment erreicht, wo sie entweder offen in die Rechte überwechseln, wie Elsässer dies schon gemacht hat, oder zumindest in Gefahr geraten, dies zu tun. Die Illusion, die es auch auf linker Seite gibt, mit Rechten gemeinsam irgend etwas reissen zu können (zum Beispiel die Illusion, die die Bandbreite anscheinend in die "Truther" setzt!), aber auch der Prozess des Seitenwechsels muss benannt werden, und ich benenne es mit dem Begriff "Querfront". Für dich scheint "Querfront" hingegen ein Synonym für rechtsradikale/faschistische soziale Demagogie im klassischen Sinne zu sein.

Wenn wir schon nicht überein kommen in dieser Frage, können wir doch trotzdem festhalten, wo die Widersprüche liegen - und dass wir beide unter dem Begriff "Querfront" etwas ziemlich unterschiedliches verstehen.


  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Mittwoch, 20.07.2011 - 18:23

@ Secarts: "Die Überschneidungen der Elsässerschen Paranoia mit den "offenen Flanken" der Bandbreite sind augenfällig."

Ich sehe da keinerlei Überschneidungen, erst recht keine "augenfälligen". Elsässer hat sich, weil er in der Linken kein Bein mehr auf den Boden bekommt, in die rechtsextreme Bewegung eingereiht. Dort arbeitet er publizistisch und mit seiner "Volksinitiative".

Die Bandbreite hingegen hat sich nicht aus der Linken verabschiedet, hat keine solche rechtsextremen Unternehmungen vollzogen (warum auch?) und tritt weiterhin mit antifaschistischem, gewerkschaftsorientiertem und antirassistischem Anspruch öffentlich auf. Und dass sie Truther sind, zeigt, dass sie auf manchen Holzwegen wandeln, macht sie aber nicht zu Rechtsextremen.

Noch mal die konkrete Frage: Wo genau war jetzt die vermeintliche Querfrontarbeit der Bandbreitee sichtbar?

"Für das Zustandekommen einer Querfrontströmung spielen dutzende oder hunderte oder tausende solche individuellen Schicksale eine Rolle, die Summe ist aber denn doch etwas eigenständiges."

Es geht hier nicht um irgendwelche "individuellen Schicksale", sondern um ein bewusstes Eindringen rechtsextremer Gruppen (und rechtsextremer Ideologieansätze) in linke Bewegungen.

Und kurz zum "Dorfnazi im Osten": Ich habe ja einige Zeit in Vorpommern gelebt, wo mensch eben auch mit offen agierenden Nazis im eigenen Wohnviertel in diversen Lebenslagen konfrontiert ist. Der vermeintlich positive Bezug zu einigen Erscheinungen der DDR hat in der offen nationalsozialistischen Bewegung im Osten (Freie Kameradschaften, Autonome Nationalisten, in einigen Bundesländern wie MV auch die NPD) weder aktive noch passive Querfront-Intention, die würde auch nicht fruchten. Die hassen die DDR genauso wie die BRD, hängen voll ihrem Reichsgedanken nach und machen daraus auch keinen Hehl. - Also hier nix mit Querfront in diesem Kontext. Würden die Querfront in dieser Sache machen wollen, gingen die anders vor.

Du schreibst: "Für das Phänomen Querfront ist es eben auch vollkommen wumpe, wer nun mit welchen Ideen daran teilnimmt. Sie funktioniert eben genau dann, wenn sich Leute mit "eigentlich linkem" Hintergrund mit Rechten zusammentun. Das ist die conditio sine qua non."

Es ist eben nicht (!) wumpe, sondern wesentlich, dass von der extremen Rechten aktiv (!) Handlungen vollzogen werden, um bei Linken anzudocken.
Linke hingegen haben weder Intention noch Nutzen davon, mit der extremen Rechten anzubändeln, denn die wollen a) weder in rechtsextreme Gefilde eindringen noch b) Rechtsextreme in ihre eigenen Strukturen einbinden. Der "Anteil" der Linken in dem Spiel ist lediglich, unbewusst offene Flanken zu bieten. Das machen die aber auch so, unabhängig davon, ob es eine rechtsextreme Intervention gibt. Querfront wird erst draus, wenn Rechtsextreme gezielt dort andocken wollen.

Erst durch diese gezielte Aktion von rechtsaußen kann Querfront überhaupt funktionieren. Diese vermeintliche conditio sine qua non, die Du postulierst, liegt eben gar nicht vor. Das ist die Crux in Deiner Argumentation. Das "Phänomen", von dem Du sprichst, entsteht nicht durch irgendwelches dubioses "Anbandeln", sondern einzig aufgrund realer Aktion (nämlich Eindringen in linke Zusammenhänge) seitens der extremen Rechten. Die Actio kommt also von rechts und die Stoßrichtung geht als Einbahnstraße auch nur in einige Richtung, nämlich ins linke Lager hinein.

Um mal einen Vergleich zu bringen: Wenn ich unbeabsichtigt mein Wohnzimmerfenster sperrangelweit offenstehen lasse, dort dann ein Dieb einsteigt und mir die Wohnung ausräumt, dann stehen der Dieb und ich natürlich in einem Kontext, dem Phänomen "Wohnungsdiebstahl". Nur ist der Dieb bewusst und zielgerichtet eingestiegen, während ich lediglich durch einen Fehler diesen Diebstahl mit ermöglicht habe. Niemand wird aber ernsthaft behaupten wollen, dass ich und der Dieb beide mit einander "anbandeln" wollten oder gar gemeinsam eine Hehlerbande aufziehen. Uns jetzt als "Akteure eines Wohungsdiebstahls" hinzustellen, die bewusst oder unbewusst daran Interesse gehabt hätten, liefe ins Absurde.

Wie gesagt: Auch bei der Querfront gibt es klar abgrenzbare Subjekte und Objekte, actio und reactio sowie eine klar definierte Stoßrichtung des Ganzen.


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Dienstag, 19.07.2011 - 16:52

@retmarut:

"Ich sehe durchaus einen Unterschied, ob jemand geplant in linken Gefilden auf Jagd geht oder ob eine Linke aus theoretischer Unzulänglichkeit oder falscher Taktik (bsp. Ruth Fischer oder der nationalbolschewistische Flügel der KPD) "rechte Parolen" bringt."

Naja, die Fischer-Maslow-Fraktion war ja keine Querfrontgruppe. Ich rede auch nicht von einer Parteilinie, die falsch oder richtig ist. Deren Fehlen ist uns ja allen bekannt, das trägt natürlich auch zu dem Problem bei, mit dem wir konfrontiert sind: jede und jeder Interessierte muss sich selbst seinen Weg durch den Dschungel linker Subkulturen bahnen. Da bleiben auch Leute auf der Strecke oder biegen falsch ab. In diesem Sinne, wieder aus der Perspektive des einzelnen Handelnden, besteht dieser Unterschied. Für das Zustandekommen einer Querfrontströmung spielen dutzende oder hunderte oder tausende solche individuellen Schicksale eine Rolle, die Summe ist aber denn doch etwas eigenständiges.

"Das erstere geschieht gezielt und bewusst, das andere sind Fehlentwicklungen innerhalb einer Linken, die eben nicht darauf abzielen, die Zielsetzung (s.u.) von Querfront umzusetzen."

Auch da will ich dir gar nicht widersprechen. Dennoch nehme ich an, dass du hier eine allgemeine Beschreibung des Phänomens wieder eins zu eins auf den individuellen Horizont herunterbrichst. Das ist nicht stimmig, es gibt beispielsweise auch etliche Rechte, die Querfronttätigkeiten nachgehen, ohne sich selbst über die Funktion ihrer Tätigkeit im Klaren zu sein (ein Beispiel: es ist, im Osten, oftmals überhaupt kein Widerspruch für Nazis, die DDR für das "bessere Deutschland" zu halten... Nicht wegen der Herrschaft der Arbeiterklasse, sondern wegen "Zucht und Ordnung", "wenig Ausländern", etc. - das hat was mit biographischem Hintergrund zu tun, wirkt sich in der Praxis als Querfront aus, und trotzdem steht der einzelne Dorfnazi voll überzeugt dahinter!). Für das Phänomen Querfront ist es eben auch vollkommen wumpe, wer nun mit welchen Ideen daran teilnimmt. Sie funktioniert eben genau dann, wenn sich Leute mit "eigentlich linkem" Hintergrund mit Rechten zusammentun. Das ist die conditio sine qua non.

"Was hat denn eine originär linke Bewegung davon, wenn a) das Proletariat demoralisiert wird und b) das Kleinbürgertum unter scheinradikaler Phraseologie organisatorisch dem kapitalistischen Machterhalt dienstbar gemacht wird??"

Besser hätte ich diese Frage - die man vielleicht der Bandbreite, obschon keine ernsthafte Größenordnung in der Linken, mal stellen sollte - auch nicht formulieren können. Und, ganz im Ernst, ich weiß auch nicht, warum es Linke gibt, die glauben, das für sie etwas rauszuholen sei, wenn sie mit Rechten kungeln. Da kann ich höchstens Vermutungen anstellen. Das kann ich mir andererseits auch schenken, denn wir wissen aus der Geschichte leider nur allzu gut, wohin diese Reise führt: kein Nazi wird zum Antikapitalisten, wenn er von Linken in seinem Antiamerikanismus bestärkt wird, kein Antisemit wird kuriert, wenn ihm nun auch vorgeblich Linke erzählen, wer Möllemann weswegen umgebracht hat... etc. etc.

Deiner Einschätzung Elsässers kann ich weitgehend folgen. Eine Frage bleibt, wenn nun der gleiche Maßstab wie bei der Bandbreite angelegt wird: Wo ist da für dich der Schnitt - zwischen noch-Links und schon-Rechts - zu ziehen? Du schreibst: 2008. 2008 war Elsässer allerdings noch nicht mit der "Jungen Freiheit" im Bett, organisatorisch nirgendwohin übergetreten und laut eigener Aussage immer noch links, im leninistischen Sinne gar. Trotzdem, und da stimme ich dir vollkommen zu, war auch da schon absehbar, wohin seine Reise gehen wird. Insofern konnte man zu Recht auf sein Getöse, nach wie vor ein "klassischer Linker" zu sein, pfeifen - er musste schon damals bekämpft werden als das, was er ist: ein Querfrontler. Da scheint es ja auch keinen Dissens zwischen uns zu geben, umso mehr wundert mich, dass du bei der Bandbreite einen ganz anderen Scheffel anlegst...

Ich habe 2009 über Elsässer in der T&P folgendes geschrieben: "Es kann keine Gemeinsamkeit mit solchen sozialdemagogischen und rückwärtsgewandten Konzeptionen geben. Jürgen Elsässer hat sich aus dem linken Diskurs, aus der – bekanntlich großen – Spannbreite an diskutierbaren Meinungen verabschiedet. Dementsprechend kann und muss es Aufgabe sein, ihn und seine Proliferanten zu isolieren."
Dem brauche ich auch heute nichts hinzuzufügen. Vielleicht nur, dass Proliferanten natürlich nicht nur reden und schreiben, sondern manchmal eben auch singen. Die Überschneidungen der Elsässerschen Paranoia mit den "offenen Flanken" der Bandbreite sind augenfällig. Es bleibt zwar zu vermuten, dass das, was Elsässer systematisch und nicht ohne technisches Können Schritt für Schritt bewusst umsetzt, bei der Bandbreite eher ein unklares Gemengelage aus Ressentiments und theoretischer wie historischer Unbedarftheit sein könnte. Besser wird es dadurch allerdings nicht, Dummheit ist keine Entschuldigung.


  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Montag, 18.07.2011 - 23:42

Kurz noch zu Elsässer, der hier ja mehrfach eingebracht wurde:

Elsässer ist mal als Linker gestartet, ist durch die KB-Schule gegangen und hat teilweise auch ganz ordentliche Positionen in den 1990ern vertreten (u.a. zum Jugoslawienkrieg). Allerdings hat er sich von der Linken ideologisch längst verabschiedet. (Siehe auch seine Homepage, die ich hier nicht verlinke.)

Und wenn ich mir die wirren "Wanderungsbewegungen" eines Jürgen Elsässer ansehe, der vom KB zur Redaktion der "Bahamas" ging, dann Redakteur der jungen Welt wurde, dann als Redakteur die Jungle World mit aufbaute, dann Redakteur der "Konkret" war, mittlerweile v.a. mit seiner "Volksinitiative" durch die Gegend tingelt, drängt sich der Eindruck auf, Elsässer ging und geht es in erster Linie um eines: seinen eigenen Narzismus.

Falls meine Meinung dazu interessiert: Elsässer ist bei seinem ideologischen Rechtsruck mittlerweile im rechtsextremen Lager beheimatet (vermutlich ab etwa 2008) und betreibt dort aktive Querfrontpolitik, was ja aus seiner Sicht auch naheliegend ist, da er einschlägige linke Parolen, linken Duktus, linke Codes kennt und in seinem (d.h. rechten) Sinne entsprechend ummodeln kann. Sein Hineinwirken in die Linke scheint mir allerdings eher begrenzten Erfolg zu haben, da er in wesentlichen Teilen der Linken durch sein früheres und heutiges Auftreten bereits "verbrannt" ist.


Zwischen einem Elsässer, der also Querfrontpolitik betreibt [ohne das hier dezidiert nachgewiesen zu haben, aber es ist ja auch nur ein Nebenstrang unserer Diskussion, auf den ich hier in aller Kürze reagiere] und einer linken Band wie Bandbreite, die lediglich Andockflächen für Rechte bieten, besteht also ein wesentlicher struktureller Unterschied.
Diesen Unterschied mittel eines (dann) aufgeweichten/verwässerten Querfrontbegriffs verwischen zu wollen, halte ich für höchst bedenklich.


  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Montag, 18.07.2011 - 22:00

@ Secarts: "Wenn ich das mal grob zusammenfasse, was du vorhin geschrieben hast, läuft das für mich auf folgendes hinaus: Geht von rechtsradikaler bis faschistischer Seite eine Anbiederung nach Links - durch Übernahme linker Slogans, soziale Demagogie, etc. - vor, dann ist das Querfronttätigkeit. Ist es jedoch anders herum und Leute mit linkem "Background" greifen zu rechten Parolen, wäre dieselbe Handlung auf einmal keine Querfronttätigkeit mehr, sondern nur noch eine "offene Flanke"... "

Ich sehe durchaus einen Unterschied, ob jemand geplant in linken Gefilden auf Jagd geht oder ob eine Linke aus theoretischer Unzulänglichkeit oder falscher Taktik (bsp. Ruth Fischer oder der nationalbolschewistische Flügel der KPD) "rechte Parolen" bringt.
Das erstere geschieht gezielt und bewusst, das andere sind Fehlentwicklungen innerhalb einer Linken, die eben nicht darauf abzielen, die Zielsetzung (s.u.) von Querfront umzusetzen.
Es geht also nicht um "das subjektive Selbstverständnis" (Secarts), sondern um die notwendige Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt bei einer Handlung. Wer das nicht auseinanderhält und alles in einen Topf wirft oder gar denjenigen, die politische Schwachstellen bieten auch noch ein wie auch immer geartetes Eigeninteresse an einer Querfront, d.h. der Unterwanderung durch die extreme Rechte, unterschieben will, wird zu politisch völlig falschen Schlüssen kommen. Da wird dann das Opfer mit dem Täter gleichgestellt; es wird damit ein willentlicher, aktiv betriebener Prozess (aus der extremen Rechten) mit einer auf fehlerhafter Politik begründeten, unbewussten Türöffnerfunktion auf eine Stufe gestellt.

Im Querfrontbeitrag heisst es zur Zielsetzung von Querfront richtigerweise:

Die "Querfront"-Konzeptionen sollen dabei klassenspezifische Funktionen erfüllen:

* das Proletariat soll demoralisiert, vom Klassenkampf abgelenkt und schließlich in seiner organisierten Form zerschlagen werden. Das Ziel der "Querfront"-Konzeptionen ist der Einbruch in die Reihen der organisierten Arbeiterbewegung, um nach Möglichkeit den Massenrückhalt für die Herrschenden auch in der Arbeiterschaft auszudehnen - und gleichzeitig die revolutionäre Arbeiterbewegung bis aufs Blut zu bekämpfen;

* das Kleinbürgertum soll unter scheinradikaler Phraseologie organisatorisch dem kapitalistischen Machterhalt dienstbar gemacht werden. Mit spezifischen Apellen an die Ängste und Hoffnungen des Kleinbürgertums, an seine klassenbedingte Tendenz zur Radikalisierung, soll einerseits der Einfluß der Arbeiterbewegung unterminiert; andererseits die Verankerung bürgerlicher Ideologien unter pseudorevolutionären Parolen vorangetrieben werden.



Cui bono: Was hat denn eine originär linke Bewegung davon, wenn a) das Proletariat demoralisiert wird und b) das Kleinbürgertum unter scheinradikaler Phraseologie organisatorisch dem kapitalistischen Machterhalt dienstbar gemacht wird??
An diesem Punkt wird doch deutlich, wie absurd es ist, zielgerichtetes Handeln der extremen Rechten mit Andockflächen in der Linken gleichzusetzen.


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Sonntag, 17.07.2011 - 22:43

@retmarut:

"Warum wird diese Debatte immer wieder auf Nebengleise geführt, statt über die These zu reden, die Bandbreite sei Querfront? Natürlich können wir auch einen Thread über Elsässer aufmachen, wenn das so brennend unter den Nägeln juckt"

Wenn wir ohne alle Vergleiche arbeiten müssen, keine Parallelen heranziehen dürfen und jeden individuellen Fall isoliert betrachten müssen, ist wissenschaftlicher Analyse der Boden entzogen. Also lass uns doch bitte, wenn wir sinnvoll und zielgerichtet diskutieren wollen, auch weiterhin die Möglichkeit einer Erhellung durch Vergleich in Betracht ziehen.

Ich will hier auch nicht über Elsässer diskutieren, retmarut. Wir beide bekommen augenscheinlich aber nicht mal eine gemeinsame Unterscheidung zwischen Phänomen und Akteuren zustande.

Wenn ich das mal grob zusammenfasse, was du vorhin geschrieben hast, läuft das für mich auf folgendes hinaus: Geht von rechtsradikaler bis faschistischer Seite eine Anbiederung nach Links - durch Übernahme linker Slogans, soziale Demagogie, etc. - vor, dann ist das Querfronttätigkeit. Ist es jedoch anders herum und Leute mit linkem "Background" greifen zu rechten Parolen, wäre dieselbe Handlung auf einmal keine Querfronttätigkeit mehr, sondern nur noch eine "offene Flanke"...

Nach dieser Lesart bleibt als letztes Kriterium immer nur das subjektive Selbstverständnis (ausgedrückt durch organisatorische Zugehörigkeit zur faschistischen Rechten) übrig, nach dem eine Einschätzung gefällt werden kann. Niemand - deshalb vorhin mein Beispiel mit Elsässer - der ursprünglich aus dem linken Spektrum stammt (und noch nicht offen ins faschistische Lager übergewechselt ist), könnte demnach Querfronttätigkeiten nachgehen! Das ist m. E. vollkommen falsch. Ich bin der Meinung, dass das objektive Resultat über die Einordnung entscheidet. Was die Beteiligten subjektiv darüber denken, ist letztlich höchstgradig irrelevant. Sie tun etwas, und bewirken damit objektiv etwas. Das ist entscheidend, und nichts sonst.

Was an der Bandbreite m. E. querfronttaugliche Ansätze bietet, sollte doch mittlerweile bekannt sein. Ich wiederhole es gerne noch einmal:

- plumper, verschwörungstheoretischer Antiamerikanismus. Etliche negative Entwicklungen hierzulande seien US-Verschwörungen zuzuschreiben. Meines Erachtens querfronttauglich, da rückwärtsgewandt kapitalismus-"kritisch" und ohne Hauptfeindanalyse. Damit geeignet, Nazis wie Linke unter eine Parole zu führen.
- verquere EU-Kritik. Das Herrschaftsprojekt des deutschen Kapitals über Europa wird eher als Bürde auf Kosten Deutschlands empfunden. Querfronttauglich, da a) Teile der Bourgeoisie selbst die EU abwickeln wollen und dafür "Verbündete" suchen, b) sich auch etliche Faschisten hinter den Slogan in dieser Form stellen können.
- paranoider Geschichtsrevisionismus. Die USA haben Pearl Harbor verursacht, das WTC selbst gesprengt, Möllemann auf dem Gewissen, etc. - Das kann querfronttauglich sein, ist es aber m. E. nicht automatisch. Ein Teil der sog. "Truther" tendieren allerdings ganz eindeutig in rechtsradikale und rechtsesoterische Ecken.
- Unkritische Auftrittspolitik. Die Bandbreite hat keine Berührungsängste gegenüber Truthern, dem Elsässer-Spektrum und rechten Esoterikern. Querfronttauglich, weil damit Szenen zusammengeführt werden, die nicht zusammen gehören. Gegen den Vorwurf, wissentlich bei offenen Faschisten aufzutreten, muss man sie allerdings wohl in Schutz nehmen.

Nicht alles, was Faschisten so an sozialer Demagogie absondern, ist automatisch identisch mit Querfront; ebenso wenig, wie jede "theoretische Schwäche" der Linken der Querfront zuzuschlagen ist. Das Kriterium, ob tatsächlich Fühler "zur anderen Seite" ausgestreckt werden, spielt schon eine Rolle. Die IG Metall - um jetzt mal bei deinem "themenfremden" Beispiel zu bleiben - hat da mit den unsäglichen Heuschreckenplagen in der Tat eine Flanke geöffnet, ist aber nicht mit Elsässer zusammen in die Bütt gegangen. Die Bandbreite hingegen tut dies - ob auf Elsässer-Demos, bei Truthern oder sonstwem. Dieses Kriterium, also die praktische Kooperation mit rechten Kräften, definierst du mit deinem Ansinnen, keinerlei Vergleiche zuzulassen, mal eben einfach so weg. Letztlich wird damit aber jede Analyse zum induktiven Herumgestochere. Dies nun mit einer Definition aus einem Artikel zu begründen, der ansonsten unausgesprochen in ganz wesentlichen Teilen verworfen wird - nirgendwo wird dort nämlich die Querfront zu einer "Methode" degradiert, der sich Rechte automatisch bedienen, wenn sie Sozialdemagogie betreiben! -, das finde ich gewagt.


  Kommentar zum Artikel von retmarut:
Sonntag, 17.07.2011 - 21:20

@ Secarts: Warum wird diese Debatte immer wieder auf Nebengleise geführt, statt über die These zu reden, die Bandbreite sei Querfront? Natürlich können wir auch einen Thread über Elsässer aufmachen, wenn das so brennend unter den Nägeln juckt, aber dann doch bitte unabhängig von der Frage der Bandbreite. Also bitte auf den Kern fokussieren und nicht ständig neue Themenfelder aufmachen!

Schön, dass der Artikel endlich in der Diskussion aufgegriffen und z.K. genommen wird. Im Artikel heisst es wörtlich:

"„Querfront“ ist also, kurz gesagt: der Versuch faschistischer Kräfte, unter Ausnutzung theoretischer Schwächen in die Arbeiterbewegung einzudringen, um diese zu zersetzen und schlußendlich zu vernichten."

Subjekt der Querfront sind also faschistische Kräfte (wobei ich das eher auf den Begriff rechtsextreme Kräfte erweitern würde, aber das sind nur unwesentliche Detailfragen). Die Linke ist in diesem Fall Objekt, nämlich diejenigen, die durch theoretische Schwächen Einfallstore für solche Attacken bieten, wo rechtsextreme Kräfte andocken können.
Querfront beschreibt also den Versuch des aktiven Eindringens von rechtsextremen Positionen in die Linke und Arbeiter_innenbewegung. (Und nicht etwa die Bereitstellung von Schwachstellen, die dafür ausgenutzt werden können.)

Im Artikel heisst es dazu:

"Originäres Interesse an der Aufweichung linker Positionen, am Eindringen, an der Zersetzung und schlußendlich an der (physischen) Eliminierung der Arbeiterbewegung hat jedoch die (faschistische) Rechte; von Links bestehen allerdings Schnittmengen, die solches Vorgehen überhaupt erst ermöglichen: "

Das Interesse, also das gezielte und geplante Vorgehen, geht von den rechtsextremen Kräften aus. Was die Linke in diesem Prozess beisteuert, sind lediglich "Schnittmengen", also das Öffnen von Flanken aufgrund mangelhafter theoretischer (und praktischer) Orientierung.

Übertragen wir das alles auf den Fall Bandbreite:

Die Bandbreite gehört ganz augenscheinlich nicht zu den rechtsextremen Kräften, die hier infiltrieren, sondern zum Teil der Linken, die aufgrund theoretischer Mängel Andockpunkte eröffnen.
Bei der Bandbreite konkret ist dieser Andockpunkt die Truther-Orientierung dieser Band, also allerlei Verschwörungsmüll, der sie auf verschiedene Holzwege führt.
Ich weise an dieser Stelle daher bewusst noch einmal darauf hin: Subjekt in diesem Sinne ist also nicht die Bandbreite, sondern sind (falls denn Querfrontbestrebungen überhaupt bestehen sollten) rechtsextreme Kräfte von außerhalb.

""Querfront“-theoretische Ansätze gehen von links wie von rechts aus."

Ja, mit dem wesentlichen Unterschied, dass von rechts der Angriff kommt, während von links die Öffnung erfolgt. Die "Arbeitsteilung" und die Rollenverteilung in diesem Spiel ist also klar abgesteckt. Es ist ja nicht so, dass die Linke ihre Tore bewusst öffnet oder zielgerichtet "auf Querfront macht", sondern es handelt sich um Schwächen in der eigenen Politik.

Du schreibst: "Querfrontagitation muss - damit sie überhaupt ihre objektive Funktion erfüllen kann! - immer zwischen beiden Seiten oszillieren, darf nie zu offensichtlich nach offen rechts kippen, um unter Linken noch Anziehungskraft genießen zu können."

Selbstverständlich. Die gesamte faschistische Bewegung basiert darauf, ist doch per se Querfront, weil sie sich nur dann als potentielle Hauptstütze der Bourgeoisie anbieten kann, wenn sie eine Massenbasis erhält, also in die abhängigen Klassen eindringt und dort Fuß fasst. Das kann ihr nur gelingen, wenn sie der Form nach (also oberflächlich) Merkmale der Arbeiter_innenbewegung kopiert (Kleidung, Liedgut, Parolen, Organisierungsansätze etc.) und übernimmt. Sehr plastisches Beispiel dafür sind die NSDAP, aber auch die italienische faschistische Bewegung unter Mussolini, die sich bewusst linker "Codes" bedient haben.
Was diese Bewegungen nicht tun können, ist 1:1 Inhalte und Theorie der Arbeiter_innenbewegung zu übernehmen, also z.B. den Widerspruch Kapital vs. Arbeit aufgreifen oder einen proletarischen Klassenstandpunkt einnehmen. Als kleinbürgerliches Projekt, das sich der Bourgeoisie als Herrschaftsalternative andient, kann die faschistische Bewegung nur ein völkisches, klassenneutrales, korporativistisches Projekt darstellen, das seinen "Antikapitalismus" nur in antisemitischer, nationalistischer Gestalt ausformen kann.

"Eine Querfrontdefinition, die letztlich nur offene Faschisten noch zur Querfront rechnet, erübrigt sich von selbst, da sie nichts definiert, sondern nur einen weiteren Begriff über Altbekanntes stülpt."

Es geht auch um Altbekanntes, nämlich eine Methode (sic!) der extremen Rechten, um in fremden Gewässern fischen zu gehen.
Eine Definition, die (über die unsrige hinausgehend) Subjekt und Objekt gleichermaßen unter dem Begriff "Querfront" subsumierte, wäre letztlich unsinnig und zahnlos. Damit wären z.B. die Gewerkschaften (erinnert sei an den Heuschrecken-Aufmacher in der "Metall") auch Teil der Querfront. Das sind sie jedoch objektiv nicht, sondern sie liefern aufgrund fehlerhafter Analyse des kapitalistischen Systems lediglich Andockpunkte. - Mensch sollte also nicht Ross und Reiter vertauschen!

Eine Anwendung des Querfront-Begriff in einer derart ausufernden Interpretation, wie Du das gerade vorschlägst, verwässerte den Kerngehalt der Querfront-Definition und führte zu einer allgemeinen Beliebigkeit.


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