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Der Erste Mai 2010 steht im Zeichen der Angriffe des Kapitals: Hierzulande, wo - mit Verweis auf die Krise - nur das "Gürtel-enger-schnallen" helfen soll: zumindest, solange es sich um die Gürtel der Jugend und der arbeitenden Bevölkerung handelt. Anderswo, in Griechenland zum Beispiel: Das Land, durch absurde EU-Vorgaben, durch Verschuldung in den imperialistischen Metropolen, der BRD zumal - die immer noch ausstehenden Entschädigungen für die Verwüstungen, die die deutschen Faschisten dort im Zweiten Weltkrieg anrichteten, ganz außer Acht gelassen -, in die Pleite getrieben, wird auf Druck gerade auch der BRD verpflichtet, auf Kosten der Arbeiter und Angestellten seine "Kreditfähigkeit" wiederherzustellen. Kreditfähig für deutsches Kapital, versteht sich. Verbunden wird die Demontage der EU und des Euro, zu der es durch die zwischenimperialistischen Widersprüche der "Partner" wie auch der fortgesetzten Ausplünderung kleinerer und schwächerer Länder in der EU kommt, mit einer Hetzkampagne gegen die Griechen - und morgen gegen Portugal, gegen Spanien, gegen Irland. PIGS, Schweinestaaten, werden diese Länder nach ihren Anfangsbuchstaben in der bürgerlichen Presse genannt. Der Zweck ist klar: bevor die Wut der Arbeiter hierzulande zu ökonomischen Kämpfen und politischen Auseinandersetzungen führt, fokussiert man den Sündenbock lieber anderswo.

Im Zeichen der Verteidigung demokratischer und sozialer Errungenschaften muss der Erste Mai 2010 stehen, wenn der Bourgeoisie nicht die Initiative überlassen werden soll: Gerade in der Krise, gerade gegenüber einer blindwütig um ihre Profite bangenden Bourgeoisie muss die Defensive verlassen werden: kein "Burgfrieden", keine "Sozialpartnerschaft" und erst recht kein "gemeinsames" Stemmen der Krise. Diese Krise ist die Krise des Kapitals, seiner zwangsläufig aus anarchischer Produktionsweise resultierenden Überproduktion.
Ein Beispiel für eine soziale Forderung, die aus der politischen Lähmung führen kann, ist das Thema Arbeitszeitverkürzung. Nicht erst nach ferner Revolution, sondern auch im kapitalistischen Hier und Jetzt hat die Arbeiterklasse die Macht, ökonomische Verbesserungen zu erreichen: konkret, zu erkämpfen. Über die Dialektik zwischen (notwendigem) Kampf um Reformen und (nicht minder notwendigem) Orientieren auf einen revolutionären Sturz der kapitalistischen Ordnung - so, wie es ist, sein sollte und erreicht werden kann - gehen wir im Folgenden ein.

Diese Republik braucht den Streik!
Aber die Streikbrecher sitzen in den Gewerkschaftsvorständen!


Ein Weg der Arbeiterbewegung: Sozialpartnerschaft

Die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in der BRD steht mehrheitlich auf dem Boden der Klassenversöhnung, Sozialpartnerschaft und des ökonomischen Reformismus. Das zeigen u.a. die beiden vergangenen Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und in der Metallindustrie.

Dabei hat die ver.di-Tarifbewegung so hoffnungsvoll begonnen. Es sind fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt gefordert und für diese berechtigte Forderung ist eine beachtlichte Warnstreikwelle organisiert worden. Doch anstatt die ganze Kampfkraft der Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst zu entwickeln, hat sich die ver.di-Führung am grünen Verhandlungstisch mit Bund und Gemeinden auf eine blasse Gehaltserhöhung geeinigt, die dem „Argument“ der vermeintlich „leeren Kassen“ der öffentlichen Arbeitgeber Rechnung trägt. Dabei hätte eine Lohnerhöhung von fünf Prozent, jährlich Mehrausgaben von lediglich fünf Milliarden Euro zur Folge gehabt. Also so viel, wie der Bund für die - auch ökonomisch - unsinnige Abwrackprämie rausgeschmissen hat. Das entspricht einem Prozent der Steuergelder, die für den „Bankenrettungsschirm“ aufgewandt werden, oder fünf Prozent der Mittel, die zur Rettung der Hypo Real Estate aufgewandt worden sind. Und die von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen Steuergeschenke für Reiche würden aus-reichen, um die geforderte Lohnerhöhung mehrere Jahre zu finanzieren.
Mit diesen und noch vielen anderen Argumenten ausgerüstet, wären die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tarifbewegung gegeben gewesen. Und die Gewerkschaft ver.di hätte unter dem Motto „Wir zahlen nicht für euere Krise“ kämpfen können. Stattdessen bevorzugt es die Gewerkschaftsführung einen schnellen Tarifabschluss am Verhandlungstisch einzugehen, damit die Masse der Gewerkschaftsmit-glieder nicht zum Kampf gegen Kabinett und Kapital aufgerufen werden muss und bei der Masse der Mitglieder keine falschen Begehrlichkeiten geweckt werden.

Nicht besser der IG Metall Vorstand. Er lässt nicht einmal eine breite Diskussion der Basis über die Forderungen in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie zu, verkündet per Vorstandsbeschluss die vermeintliche „Beschäftigungssicherung“ als einziges Ziel und verzichtet auf jegliche konkrete Lohnforderung. Dabei wird dann am Verhandlungstisch ein Tarifvertrag abgeschlossen, den auch die Arbeitgeber als „vernünftig“ ansehen. Doch wessen Vernunft wird da bedient? Etwa die der Leih- und Zeitarbeiter, die schon auf die Straße gesetzt worden sind oder noch entlassen wer-den, oder die der befristet Angestellten, deren Verträge nicht mehr verlängert wer-den?
Es geht hier darum, dass der IG Metall Vorstand sich in Zeiten der immer schärfer werdenden Weltwirtschaftskrise als verlässlicher Sozialpartner zeigt, die Basis der IGM an die Kette eines mageren und vage formulierten Tarifvertrages legt und still hält. So können die Gewerkschaftsmitglieder nicht einmal für ihre grundlegendsten ökonomischen Interessen eintreten; von ihren politischen Interessen ganz zu schweigen. Denn diese würden einen entschiedenen Kampf gegen die Politik von (Bundes-)Kabinett und Kapital erfordern: Den Kampf gegen den sozialen und politischen Notstand der Republik. So kämpfen die DGB-Gewerkschaften nicht einmal konsequent für die ökonomischen Interessen der Arbeiterklasse. Denn: „Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht ei-nen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehen-den Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems“


Ein anderer Weg der Arbeiterbewegung: Klassenkampf

Im Gegensatz zur Politik der Sozialpartnerschaft steht der Weg, den zurzeit die Werktätigen in Griechenland gehen. Sie kämpfen dagegen, dass ihnen die Lasten der Weltwirtschaftskrise aufgebürdet werden. In betrieblichen Aktionen, Massendemonstrationen bis hin zu einem Generalstreik wehren sich die Arbeiter und Angestell-ten dagegen, dass Regierung und Kapital sie die Kosten der Weltwirtschaftskrise tragen lassen. Denn die politischen Kräfte von ganz Rechts, den Konservativen (ND) und der sozialdemokratischen Partei (PASOK) haben nur ein Ziel: „Den Profit des Kapitals zu erhalten und zu vergrößern auf Kosten der Errungenschaften der Arbeiter, mittels Erhöhung des Renteneintrittsalters, Lohn- und Rentenkürzungen, weiteren Abbaus des Sozialversicherungssystems, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Anhebung der volksfeindlichen Steuern.“ So umfasst das konkrete Kri-senprogramm der griechischen Regierung u.a. folgende Punkte:
  • Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld: -30 Prozent
  • Angestelltengehälter in den Kommunen: -7 Prozent
  • Sonstige Angestelltengehälter: -12 Prozent im Durchschnitt (zwischen -8% bis -10% und bis zu -30%)
  • Einfrieren der Renten im öffentlichen und privaten Sektor
  • Mehrwertsteuererhöhung von 19 auf 21 Prozent
  • Benzinsteuererhöhung um 15 Prozent
  • Strompreiserhöhung um 8 Prozent
  • Einstellungsstopp im öffentlichen Sektor
  • 600 Millionen Euro Kürzung bei den Investitionen und im Bildungshaushalt

Der Widerstand gegen diese Politik wird organisiert von der 1999 gegründeten PAME (Militante Arbeiterfront), der Gewerkschaftsfraktion der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE): „Die große Mehrheit der Werktätigen, die an den Demonstrationen der PAME in 70 Städten teilnahmen, zeigten, dass sie die Linie der allumfassenden Konfrontation mit der bürgerlichen Klasse unterstützen, der von der PAME propagierten Linie, die das Einstehen der Plutokratie für die Krise fordert und gegen die EU als volksfeindliche kapitalistische Union und ihre arbeiterfeindlichen Maßnahmen kämpft, mit dem Ziel den Kampf zum Sturz der Macht des Kapitals zu stärken.“

In diesem Kampf gegen die eigene Bourgeoisie haben die Genossen in Griechenland immer auch gegen die Europäische Union (EU) und deren Institutionen zu kämpfen, die maßgeblich vom deutschen Imperialismus beherrscht werden. Auch mit Vertretern der deutschen Finanzoligarchie, wie z.B. dem Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann, müssen sich die griechischen Werktätigen herumschlagen. So meldet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): „Die griechische Regierung wird in ihrer Schuldenkrise vom Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Josef Ackermann, beraten. Ein Sprecher der Bank teilte mit, dass Ackermann (…) nach Athen gereist sei, um dort mit Regierungsvertretern zu sprechen.“ Um ihnen wohl die Anweisungen des deutschen Kapitals zu unterbreiten, ganz im Stile eines deutschen (kaiserlichen) Kolonialverwalters. So ist es die internationalistische Pflicht der Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland in ihrem Kampf gegen das Krisenprogramm der BRD-Regierung, das in seiner konkreten Form von dem in Griechenland abweichen wird, auch gegen die Einmischung des deutschen Kapitals in die inneren Angelegenheiten anderer Länder (unter dem Mantel der EU) zu kämpfen.

Frieda Zopf.


Die Arbeiterklasse ist breiten Angriffen ausgesetzt. Diese Angriffe - und ihre Erfolge vorausgesetzt - haben nicht nur konkrete ökonomische Folgen für die überwiegende Mehrheit der Menschen in diesem Land, sondern sie sind ebenso geeignet, die Bourgeoisie zu einer Absage an die bürgerlich-demokratische Herrschaftsform zu reizen. Die Alternative kennen wir. Die Schwäche, die Zersplitterung der Arbeiterklasse ausnutzend hat der letzte Austausch der Herrschaftsform durch die Bourgeoisie auch nur deshalb funktionieren können, weil die Arbeiterbewegung in der Defensive gefangen war.

Das Aufzeigen der Grenzen gegenüber der Bourgeoisie beginnt bereits überall dort, wo die bürgerlich-demokratische Herrschaftsform eine Erosion erfährt: beim Kampf gegen die Faschisten, beim Kampf um das legitime Recht auf politischen Streik, auf Generalstreik. Beim Nicht-Dulden solcher sozialdemagogischen und rassistischen Hetzkampagnen, wie sie gerade gegen Griechenland gefahren wird. Und es muss dort enden, wo die Bourgeoisie sich in der falschen Sicherheit wiegt, mit den Arbeitern dieses Landes verfahren zu können, wie es ihnen passt, um die Schlagfertigkeit nach Außen zu erhöhen. Deswegen, und nicht, weil die Arbeiterbewegung gerade auf dem Zenit ihrer Stärke stünde, ist eine offensivere, eine klare, nachvollziehbare und begründbare kämpferische Politik nötig. Nehmen wir der Bourgeoisie diese Sicherheit!

Heraus zum Ersten Mai 2010!
  • Her mit der Arbeitszeitverkürzung!
  • Her mit dem Recht auf politischen Streik!
  • Solidarität mit allen Arbeitern,
  • Solidarität mit der griechischen Bevölkerung und Arbeiterklasse!


Einen frohen und kämpferischen Ersten Mai 2010 wünscht
eure www.secarts.org Redaktion.



 
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