11 Der Hauptfeind steht im eigenen Land! - oder wie Lenin einen Internationalisten an Liebknecht misst
Lenin stellt in der internationalen Arbeiterbewegung drei Strömungen fest. Neben den Sozialchauvinisten und dem Zentrum macht er die wahren Internationalisten aus: „Die dritte Strömung sind die wirklichen Internationalisten, denen die ‚Zimmerwalder Linke‘ am nächsten kommt. Ihr wichtigstes Unterscheidungsmerkmal: der völlige Bruch sowohl mit dem Sozialchauvinismus als auch mit dem Zentrum, der rückhaltlose revolutionäre Kampf gegen die ‚eigene‘ imperialistische Regierung und die ‚eigene‘ imperialistische Bourgeoisie. Ihr Prinzip: ‚Der Hauptfeind steht im eigenen Land‘. Schonungsloser Kampf gegen die süßliche sozialpazifistische Phrase sowie gegen alle Ausflüchte, die den Zweck haben, in Abrede zu stellen, dass der revolutionäre Kampf des Proletariats und die proletarische, sozialistische Revolution ‚in Verbindung‘ mit dem gegenwärtigen Krieg möglich, angebracht oder aktuell sind.
Die bedeutendsten Vertreter dieser Strömung: In Deutschland die ‚Spartakusgruppe‘ oder ‚Gruppe Internationale‘, der Liebknecht angehört. Karl Liebknecht ist der berühmteste Repräsentant dieser Strömung und der ‚neuen‘, wirklichen, proletarischen Internationale.“1 „Es kommt nicht auf die Schattierungen an, die es auch unter den Linken gibt. Es kommt auf die ‚Richtung‘ an. Der ganze Kern der Sache ist, dass es nicht leicht ist, in der Epoche des furchtbaren imperialistischen Krieges wirklicher Internationalist zu sein. Solche Menschen gibt es nur wenige, aber ‚nur‘ sie sind die ganze Zukunft des Sozialismus, ‚nur‘ sie sind ‚Führer der Massen‘ und nicht Verführer der Massen.“2
12 Unsere objektiven Aufgaben
Folgende Einschätzung von Lenin stammt aus dem Ersten Weltkrieg, als die Phase der Neuaufteilung entsprechend ihren ersten vorläufigen Höhepunkt fand: „Der Sozialist eines jeden Landes muss gerade jetzt, da die Frage des Friedens auf die Tagesordnung gesetzt wird, energischer als sonst unbedingt seine Regierung und seine Bourgeoisie entlarven, muss die von ihnen mit ihren imperialistischen Verbündeten abgeschlossenen oder vor dem Abschluss stehenden Geheimverträge, über die Teilung der Kolonien, die Aufteilung der Einflusssphären, gemeinsame Finanzunternehmen in anderen Ländern, über Aktienaufkauf, Monopole, Konzessionen usw., entlarven.
Denn darin und nur darin besteht die reale, wirkliche, nicht verlogene Grundlage, das Wesen des in Vorbereitung begriffenen imperialistischen Friedens. Alles übrige ist Betrug am Volk. Nicht derjenige ist für einen demokratischen Frieden, einen Frieden ohne Annexionen usw., der diese Worte ständig im Munde führt und hoch und heilig beteuert, dass er für einen solchen Frieden sei, sondern derjenige, der in der Tat seine eigene Bourgeoisie entlarvt, die durch ihre Taten diese großen Prinzipien des wahren Sozialismus und der wahren Demokratie mit Füßen tritt.
Denn jeder Parlamentarier, Redakteur und Gewerkschaftssekretär, jeder Journalist, jeder im öffentlichen Leben stehende Mensch ist stets in der Lage, von der Regierung und den Finanzgewaltigen verborgen gehaltenes Material zusammenzutragen, das die Wahrheit über die realen Grundlagen der imperialistischen Abmachungen enthält, und wenn die Sozialisten diese ihre Pflicht nicht erfüllen, dann begehen sie Verrat am Sozialismus.“3 Dabei ist es zunächst irrelevant, auf welcher Stufe der Neuaufteilung wir uns befinden. Fakt ist, der deutsche Imperialismus schreitet stärker als sonst in der Zwischenkriegszeit voran, erreicht größere Ziele. „Sollen deutsche Linke jetzt auf die Seite ‚ihres‘ Imperialismus treten und mit ihm gegen Abenteuerlichkeit, Rambotum und Hegemonie wettern, wie es nicht nur Haider und das Nazipack in heuchlerischer Irak-;Solidarität‘ tun, oder die ‚seriöse‘ Wirtschaftswoche, die das erste Mal in ihrer Geschichte von US-Imperialismus (ohne Anführungszeichen) schreibt? Dann verhielten wir uns wie die von Lenin als ‚Sozialchauvinisten‘, ‚Sozialpatrioten‘ oder ‚Sozialpazifisten‘ bezeichneten Kräfte, die zwar von einer besseren Welt (wenn schon nicht vom Sozialismus) reden und reden, aber in Wirklichkeit den eigenen, den scheinbar netteren, sozialeren, friedlicheren, Imperialismus stützen, verteidigen und verherrlichen- und dies auch noch mit der besonderen deutschen Verantwortung wegen Auschwitz begründen. Wir haben in der ganzen Heuchelei eines Herrn Busch die Heuchelei der deutschen Regierung aufzuzeigen, in der Kritik der US-Hegemonie die Vorherrschaftsbestrebungen des deutschen Imperialismus, in der Expansion der US-Monopole die Gier der deutschen Monopole nach Beute. Das erst macht uns zu Internationalisten.“4 wir dürfen nicht wieder „auf die große Explosion warten bis die Gefährlichkeit des deutschen Imperialismus in der Linken erkannt wird.“5
Ergänzung zum Referat Was ist proletarischer Internationalismus
zur Ersten Hauptfeindkonferenz in Göttingen, Mai 2009
Die folgenden Ergänzungen zum Referat sollen die dort vorgetragenen Positionen nochmals anhand konkreter historischer Beispiele verdeutlichen.
Ist der Kampf der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 ein Gegenbeispiel zu den Thesen des Referats?
Der Kampf der Internationalen Brigaden war die Unterstützung des Kampfes der spanischen Arbeiter, des spanischen Volkes gegen den Hauptfeind im eigenen Land, so wie es Lenin gelehrt hat: „Es gibt nur einen wirklichen Internationalismus: die hingebungsvolle Arbeit an der Entwicklung der revolutionären Bewegung und des revolutionären Kampfes im eigenen Lande, die Unterstützung (durch Propaganda, durch moralische und materielle Hilfe) eben eines solchen Kampfes, eben einer solchen Linie und nur einer solchen allein in ausnahmslos allen Ländern.“ (LW Bd. 24, S. 60) Die Internationalen Brigade, in denen zahlreiche deutsche Antifaschisten militärisch in der Auseinandersetzung mit den Faschisten standen, spiegelten im Kern ebenfalls den Kampf gegen den jeweiligen eigenen Imperialismus, wider, bei den deutschen Kämpfern in Form des Hitlerfaschismus.
Die Spanische Republik sollte gestürzt werden, damit Spanien zu einem weiteren Vasallenstaat des deutschen Imperialismus umgebaut werden könne. Keinen anderen Grund hatte die Unterstützung der Franco-Faschisten durch die Hitlerfaschisten. Letztere konnten es nicht dulden, dass sich in der Aufstiegsphase des deutschen Faschismus eine antifaschistische Republik bilden sollte, die im Falle des geplanten Weltkrieges ein Bollwerk des Friedens und des Widerstandes im Westen neben der mächtigen Sowjetunion im Osten bilden sollte. Kein geringerer als General Franco bot sich als faschistischer Machthaber an, Kompradorendienste für das deutsche Kapital zu leisten. Somit ist die Verteidigung der Spanischen Republik unbedingt Sache des deutschen Antifaschisten, Bekämpfung des Hauptfeindes im eigenen Land – aber auch der italienischen Antifaschisten, da ja auch der Mussolini-Faschismus ein elementares Interesse an der Niederschlagung der spanischen Republik hatte, und auch aller anderen Antifaschisten in ihrem gemeinsamen Interesse – das auch gegen den jeweiligen Hauptfeind gerichtet war – die Zurückdrängung des Faschismus in Europa.
Ist der Vietnamkrieg in den Sechzigern und Siebziger Jahren ein Gegenbeispiel zu den Thesen des Referats?
Der Vietnamkrieg war vom Inhalt her ein Krieg aller Imperialisten unter Führung des US-Imperialismus gegen die damals fortschreitende Weltrevolution. Kein imperialistisches Land hatte ein Interesse weder am Erstarken des sozialistischen Lagers noch am Verlust von weiteren Einflussgebieten. Aus diesem Grund trat der Widerspruch zwischen den imperialistischen Staaten zeitweise in den Hintergrund, was sich seit 1989 mit dem Verschwinden wichtiger sozialistischer Staaten und der Stärkung des deutschen Imperialismus wieder ändern sollte. Dass es der US-Imperialismus war, der in in diesem Krieg die Führung übernommen hat, liegt in der historischen Situation begründet. Der französische Imperialismus hatte in der in der Frage bereits verloren, der deutsche, italienische und japanische waren noch geschwächt durch den vor gar nicht so langer Zeit besiegten Faschismus. Der britische Imperialismus war in den Anfangsjahren des so genannten „Kalten Krieges“ durch die USA in die zweite Reihe verwiesen worden.
Die Unterstützung des vietnamesischen Volkes war wegen dieser zeitweiligen Konstellationen in allen imperialistischen Ländern auch Kampf gegen den Hauptfeind im eigenen Land. In der BRD z.B. wurde von Kommunisten und anderen Revolutionären und Friedenskämpfern nicht nur das allgemeine Interesse des deutschen Imperialismus am Krieg gegen Vietnam gezeigt, sondern auch ständig entlarvt, wie der deutsche Imperialismus seinen nicht geringen Beitrag gegen den vietnamesischen Befreiungskampf leistete.
Und gemäß dem Bündnischarakter zwischen imperialistischen Staaten nutzte der dt. Imperialismus die durch den Krieg entstandene Schwächung des US-Rivalen, aufzuholen, Kapitalinvestitionen in den USA zu tätigen, die seit diesem Zeitpunkt stärker waren als in die entgegengesetzte Richtung. Er nutzte die Chance, seine Rolle gegenüber dem US-Konkurrenten wieder zu stabilisieren. Ideologisch hat der dt. Imperialismus gegenüber der amerikanischen Konkurrenz insofern gesiegt, als dass er behaupten kann, nunmehr ginge alles Böse "imperialistische" von den USA aus.
Entsprechend verlief die Position des dt. Imperialismus im Irak-Krieg; Definition des "deutschen Sonderweges", Spaltung des NATO-Bündnisses, gemeinsame Positionen mit Russland und China, schärfste Polemik gegen den transatlantischen Konkurrenten. Hier zeigt sich die wieder einsetzende Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche. Deshalb kann eine Gleichsetzung von Vietnam-Krieg damals und Irak-Krieg heute nur Verwirrung stiften und führt letztendlich zu einer Verkennung der veränderten Lage seit den Siebziger Jahren und somit zu einer Unterschätzung des Hauptfeindes im eigenen Land.
Anmerkungen: 1 Lenin, Aufgaben, S. 63. 2 Lenin, Aufgaben, S. 65. 3 Lenin, Thesen, S. 214f. 4 Corell, Internationalismus beginnt zu Hause; In: Der Krieg geht weiter- nicht nur ums Öl, KAZ 301, S. 14f. 5 Corell: Stellungnahme zum Beitrag des Genossen Kurt Gossweiler, KAZ 308, S. 37.
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