BERLIN (15.04.2010) - Trotz wachsender Kritik hält die deutsche Kanzlerin an einem wegen seiner Rechtsaußen-Kontakte umstrittenen Militärberater fest. Oberst Erich Vad, der seit mehreren Jahren eine militärpolitische Schlüsselstelle im Bundeskanzleramt innehat, ist in der Vergangenheit mehrfach vor bekannten rechtslastigen Organisationen aufgetreten. Zudem hat er das "negative und verengte Bild von der Wehrmacht" beklagt, das heutzutage vorherrsche. Vad, der sagt, dass Angela Merkel seinen Ratschlägen "meistens folgt", soll jetzt zum General befördert werden. Wie eine vor kurzem veröffentlichte Studie über die Einstellungen von Studierenden an den beiden Bundeswehr-Universitäten zeigt, finden rechtslastige Ansichten dort erhebliche Zustimmung. Über zehn Prozent des studierenden Offiziers-Nachwuchses befürworten etwa Einschränkungen der parlamentarischen Demokratie. Militärexperten bringen rechtsgerichtete Haltungen in der Bundeswehr inklusive ihrer Offiziere mit der Ausrichtung auf weltweite Kampfeinsätze in Verbindung. Wie Analysen zeigen, geht diese Ausrichtung mit einer Orientierung der militärischen Grundausbildung an Vorschriften und Taktiken der Wehrmacht einher.
SchlüsselstelleSeit einigen Tagen wächst in Berlin die Kritik am wichtigsten Militärberater der Bundeskanzlerin. Oberst Erich Vad hatte nach zahlreichen Verwendungen in der Bundeswehr, im Auswärtigen Amt und im Verteidigungsministerium im Jahr 2001 den Posten des militärpolitischen Referenten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übernommen und war 2006 als Referatsleiter für Militärpolitik ins Bundeskanzleramt gewechselt. Ein Jahr später wurde er dort schließlich zum Leiter der Gruppe 22 ernannt, die für die Kooperation mit dem Verteidigungsministerium und dem Bundessicherheitsrat zuständig ist. Der Posten gilt als militärpolitische Schlüsselstelle im Kanzleramt. Ursprünglich war vorgesehen, Vad zum 1. April an das Verifikationszentrum der Bundeswehr in Geilenkirchen nahe Aachen abzuordnen. Um ihn als Leiter der Gruppe 22 zu halten, hat Merkel ihm eine Beförderung zum General in Aussicht gestellt. Dies wird als außergewöhnlicher Vorgang eingestuft; Ähnliches geschah zuletzt unter Bundeskanzler Helmut Schmidt.
1Wegbereiter des NationalsozialismusEntzündet hat sich die Kritik an Vads Rechtsaußen-Kontakten
2, die Anfang April durch einen Bericht in der tageszeitung bekannt wurden. Demnach ist Vad in der Vergangenheit nicht nur bei einer rechtslastigen Berliner Studentenverbindung aufgetreten (Burschenschaft Gothia), sondern auch beim in rechten Kreisen prominenten Institut für Staatspolitik. Das Institut für Staatspolitik wird der sogenannten Neuen Rechten zugerechnet, einer völkisch-antidemokratischen Strömung, deren Vorbilder als Wegbereiter des Nationalsozialismus gelten. Zu diesen Vorbildern zählt auch der Jurist Carl Schmitt, der wegen seiner Arbeit im Dienste der NS-Expansion als "Kronjurist des Dritten Reiches" bezeichnet worden ist. Das Institut für Staatspolitik berichtete über den Vortrag, den Vad im Jahr 2003 auf seiner dritten Winterakademie über "Friedenssicherung und Geopolitik im Denken Carl Schmitts" gehalten hatte: "Vad zerlegte Joschka Fischer mit Carl Schmitt, ohne sich durch die zeitweilige Nähe Schmitts zum Nationalsozialismus dessen Denken von vornherein zu verbieten."
3 Der Oberst, in dessen Kanzleramts-Büro ein Journalist schon vor Jahren ein mit Widmung versehenes Porträt von Ernst Jünger entdeckte, einem weiteren Vorbild der "Neuen Rechten", sagt von sich, dass Kanzlerin Merkel seinen Ratschlägen "meistens folgt".
4Verirrungen und GegenmittelSeine Sympathie für Carl Schmitt hat Vad unter anderem in einem Aufsatz dokumentiert, der 2003 in der vom Institut für Staatspolitik herausgegebenen Zeitschrift Sezession erschienen ist. Darin ist zu lesen, "Europa" müsse, "um auf Dauer zu bestehen, einen adäquaten Machtanspruch erheben und weltanschaulich begründen". In Deutschland jedoch habe sich zuletzt "die Handlungsunfähigkeit einer nachbürgerlichen politischen Klasse gezeigt, deren Weltbild sich primär aus reeducation, aus den erstarrten Ritualen der Vergangenheitsbewältigung und Achtundsechziger-Mythologie speist." "Diese Verirrungen", schrieb Vad, "bedürfen eines Gegenmittels, und in der politischen Philosophie Carl Schmitts könnte das zur Verfügung stehen". Schmitts Ansatz freilich stehe "im Gegensatz zur idealistischen Utopie einer weltweiten Entfaltung der Menschenrechte, eines friedlichen Ausgleichs der Kulturen und Zivilisationen sowie freizügiger, offener und multikultureller Gesellschaften."
5Deutsche IdentitätDass Ansichten, die der sogenannten Neuen Rechten zugeschrieben werden, in der Bundeswehr verbreitet sind, zeigt eine vor kurzem publizierte Studie über die Einstellungen von Studierenden an den zwei Bundeswehr-Universitäten in Hamburg und München. Demnach sprechen sich 71 Prozent des dort studierenden Offiziers-Nachwuchses dafür aus, "die nationale Identität Deutschlands (zu) stärken". 38 Prozent wünschen, "dass Deutschland wieder von einer starken Elite geführt wird". 25 Prozent plädieren dafür, "die Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland (zu) stoppen". Rund elf Prozent lassen ihre antidemokratischen Bestrebungen offen erkennen und wollen "den Einfluss der Parlamente einschränken". Fast die Hälfte, 44 Prozent, meinen, man müsse "deutsche Interessen gegenüber dem Ausland hart und energisch durchsetzen".
6KriegsvorbereitungWarum solche Einstellungen in der Bundeswehr immer öfter zu finden sind, hat der Militärexperte Detlef Bald, ein früherer Mitarbeiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr, bereits vor Jahren im Gespräch mit dieser Redaktion beschrieben. Wie Bald berichtete, wurde im Jahr 1990 parallel zur Ausrichtung der Bundeswehr auf weltweite Interventionen eine Neuorientierung in der Soldatenausbildung vorgenommen.
7 Prinzipien der Inneren Führung ("Staatsbürger in Uniform") seien damals mit Hilfe martialischer Slogans wie "Kämpfen können und kämpfen wollen" bewusst "an den Rand gedrängt" worden. Maßgebliche Kräfte in der Armeeführung hätten seit dem Beginn der 1990er Jahre "eine ganz eindeutig rechtslastige Motivationsstruktur" gefördert, um die Truppe auf Kriege in aller Welt vorzubereiten. "Angesichts der deutschen Geschichte ist das ein Alarmzeichen", warnte Bald.
Vorbild WehrmachtEine kürzlich von Bald vorgenommene Analyse einiger "Ausbildungshilfen", die heute in der Bundeswehr für die Grundausbildung verwendet werden, bestätigt seine damaligen Befürchtungen. Wie er nachweist, werden in den "Ausbildungshilfen" neben Erlebnisberichten aus der Wehrmacht auch verschiedene ihrer Vorschriften sowie Drill- und Kampftechniken als vorbildhaft dargestellt. Der "Duktus, Vorschriften und Richtlinien aus der Zeit des Nationalsozialismus in vermeintlich unpolitischer Absicht (...) in die Gegenwart der Bundeswehr zu holen", sei "perfide", urteilt Bald - "damit werden Wehrmacht und ihre Nazi-Ideale ethisch gesäubert und enthistorisiert". Die auch in den "Ausbildungshilfen" enthaltenen "Forderungen nach 'Pflichttreue' oder Durchhalteparolen", ist in Balds Analyse zu lesen
8, fördern "ein Ethos des Soldatischen", das nicht in "Einklang mit den Werten der Inneren Führung zu bringen ist".
Patriotische VerpflichtungBald resümiert: "Die Armee der Berliner Republik ist bestrebt, an ihre Vorgänger-Institution anzuknüpfen."
9 Die von ihm beschriebene Entwicklung macht verständlich, wieso Oberst Erich Vad, höchster militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin, schon vor Jahren das "negative und verengte Bild von der Wehrmacht" beklagte, das heute vorherrsche. Die Soldaten der Wehrmacht hätten "in der Mehrzahl sicherlich eher aus patriotischer Verpflichtung als aus ideologisch-weltanschaulichen oder am allerwenigsten aus verbrecherischen Motiven" gehandelt, schrieb Vad, der Kanzlerin Merkel unter anderem in der Affäre um das Massaker von Kunduz berät, im Jahr 2000 in der Militärzeitschrift Europäische Sicherheit.
10Anmerkungen:
1 Erich Vad; www.spiegel.de 08.03.2010
2 Merkels rechte Hand; www.taz.de 01.04.2010
3 3. Winterakademie: Krieg; www.staatspolitik.de
4 Der Mann im Hintergrund; Potsdamer Neueste Nachrichten 14.06.2007
5 Erich Vad: Freund oder Feind. Zur Aktualität Carl Schmitts; Sezession 1, April 2003
6 Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr: Ergebnisse der Studentenbefragung an den Universitäten der Bundeswehr Hamburg und München 2007. Forschungsbericht 89, März 2010
7 s. dazu Alarmzeichen
8, 9 Detlef Bald, Hans-Günter Fröhling, Jürgen Groß (Hg.): Bundeswehr im Krieg - wie kann die Innere Führung überleben? Hamburger Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik Heft 153, Dezember 2009
10 Merkels General unter Beschuss; www.taz.de 13.04.2010