Ein einziger Polizist schien doch tatsächlich etwas in sich zu gehen. Aber erst nachdem er von einem älteren Herren freundlich aber bestimmt angesprochen und über sein ungesetzliches Handeln aufgeklärt wurde. Geschehen ist dies am Sonnabend zum Ostermarsch in Leipzig, der nicht pünktlich beginnen konnte, weil Blauhemd tragende Teilnehmer von der Polizei namentlich registriert und aufgefordert wurden, sämtlich Symbole von den Hemden zu entfernen. Die Einsatzleitung sprach vom Anfangsverdacht einer Straftat, der wegen der Verwendung des FDJ-Symbols vorliege.
Besagter älterer Herr nun kam dazu und tröstete einen der Polizisten (der ihm das Fotografieren verwehren wollte), er wisse sicher nicht, was er tue. Gewiss sei er von seinen Chefs falsch informiert und entsprechend auf diesen unrechtmäßigen Einsatz eingestimmt worden. Man habe ihm wohlweislich verschwiegen, dass die FDJ in den neuen Bundesländern nie als verfassungswidrige Organisation eingestuft worden und folglich auch nicht verboten sei. Anders als im Westen. Aber das sei ein eigenes trauriges Kapitel westdeutscher Unrechtsstaatlichkeit. Der Polizist schwieg. Offenbar nachdenklich. Und ging davon. Nun ja, seines Amtes hatte er ja, wie die anderen schon gewaltet. Die jungen Leute, wohl wissend, dass sie im Recht waren, es aber hier und heute sowieso nicht bekämen, wollten losmarschieren, keine weiteren Scherereien und überklebten ihre Emblems mit Pflasterstreifen, auf die sie "Zensiert" schrieben.
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zensiertes FDJ-Logo |
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Vier Tage später ereignete sich in Dresden ähnliches. Der Koordinierungsrat des Kommunistischen Aktionsbündnisses Dresden hat inzwischen öffentlich gegen die ungesetzliche Beschlagnahme einer Fahne der Freien Deutschen Jugend protestiert. Im Schreiben an den Chef der Polizeidirektion Dresden heißt es: "Am Dienstag, den 6. April 2010 gedachten Bürger der Stadt Dresden des ersten Todesopfers neofaschistischer/rassistischer Gewalt in Dresden. Vor 19 Jahren starb der 29 jährige Jorge Gomondai aus Mosambik an den Folgen dieses Gewaltverbrechens ... Neben anderen Sichtelementen als Bekenntnisse von demokratischen Parteien, Organisationen und Initiativen wurde auch die blaue Fahne mit dem Emblem der aufgehenden Sonne und den Initialen der FDJ gezeigt. Während der Kundgebung beschlagnahmten Polizeibeamte die Fahne wegen ´des Verdachtes der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach Paragraf 86 a StGB´."
Zu Recht die Frage: "Hat es sich bei der Polizei immer noch nicht herumgesprochen, dass die Freie Deutsche Jugend eine antifaschistische demokratische Organisation mit über 70-jähriger Geschichte ist - 1936 in Paris, 1938 in Prag, 1939 im britischen Exil im Kampf gegen den Faschismus und für die Beendigung des deutsch-faschistischen Raubkrieges entstanden und in dieser Tradition in der DDR und nach 1990 wirkend? Werden deutsche Polizisten nicht über den Inhalt des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag vom 31.8.1990) geschult, wonach die nach Paragraf 2 Abs. 4 des Parteiengesetzes der DDR beim Präsidium der Volkskammer der DDR am 1. Mai 1990 registrierten politischen Vereinigungen den Parteien zur Teilnahme an Wahlen gleichgestellt wurden? ..."
Im Protestschreiben wurde auch daran erinnert, dass schon vor vier Jahren nach der Kundgebung am Dresdner Thälmann-Denkmal die FDJ-Fahne mit gleicher Begründung beschlagnahmt wurde und schließlich wegen Nichtbestätigung des Verdachtes einer Straftat dem Besitzer zurückgegeben werden musste - allerdings begleitet von Hetztiraden in der Presse gegen den Jugendverband der DDR. Die von der PDS-Fraktion damals verlangte Anhörung im Sächsischen Landtag sei auf Betreiben der CDU in der Versenkung verschwunden. Logisch die Feststellung: "So wird das Vertrauen in die Rechtssicherheit durch diskriminierende Maßnahmen gegen rechtsstaatliches Verhalten untergraben."
Nicht versunken aber ist das Ziel der sächsischen CDU, die FDJ schließlich doch noch zu verbieten. Im Internet findet sich ein zwar schon vier Jahre alter, jedoch aufschlussreicher Briefwechsel von Arnold Vaatz, einst sächsischer Minister, nun seit Jahren in der CDU-Bundestagfraktion. Darin bedauert er, dass es nach dem "Auftreten von Katarina Witt mit dem Blauhemd der FDJ bei einer sogenannten ´DDR-Show´ im Fernsehen ..." nicht gelang, Symbole der DDR-Diktatur zu verbieten, da die Rechtslage in diesem Falle zwischen den alten und den neuen Bundesländern uneinheitlich geregelt sei. Dennoch hofft er, zumal es umstritten sei, ob das FDJ-Verbot von 1954 doch auch im Osten Deutschlands gelte. (?) Allerdings musste er einräumen, dass die damalige Diskussion über ein Verbot dieser Symbole deutlich zeige, "dass dafür keine politische Mehrheit im Deutschen Bundestag vorhanden ist. So gingen auch innerhalb der CDU/CSU-Fraktion die Meinungen auseinander. Einige hielten das Verbots-Urteil aus der Zeit des Kalten Krieges für fragwürdig und meinten, die letzte frei gewählte Volkskammer habe bewusst davon abgesehen, ehemalige Vereinigungen der DDR zu verfassungsfeindlichen Organisationen zu erklären, um nicht einen großen Teil der DDR-Bevölkerung auszugrenzen. Andere hingegen verlangten eine klare Verbotsregelung und die Bezeichnung einiger DDR-Organisationen als kriminelle Vereinigung, um einerseits die Aufarbeitung der DDR-Geschichte auch juristisch zurechtzurücken und andererseits den Opfern der SED-Diktatur mehr Anerkennung zukommen zu lassen. Ein entsprechender Antrag bzw. eine parlamentarische Initiative entstand jedoch nicht. Es ist daher nicht zu erwarten, dass sich für dieses durchaus wünschenswerte Ziel jetzt eine Mehrheit findet."
Dieser Zeitpunkt scheint für Sachsens Regierende nun aber herangerückt zu sein. Langjährige Hetze zahlt sich aus, trägt zum Vergessen bei, fördert Unwissenheit. Beispielsweise bei der Grünen-Bundestagsabgeordneten Lazar, die den Leipziger Ostermarsch vorzeitig verließ, denn es sei ihr 20 Jahre nach der Wende unmöglich, mit der FDJ für den Frieden zu marschieren! Ganz gewiss hat sie auch keine Ahnung, dass sich Freie Deutsche Jugend im Osten Deutschlands schon 1949 in die Mitgliedsbücher als Aufgaben "die Erhaltung der Einheit Deutschlands und die Gewinnung der deutschen Jugend für die großen Ideale der Freiheit, des Humanismus, einer kämpferischen Demokratie, des Völkerfriedens und der Völkerfreundschaft" drucken ließ.
Was für überzeugende Verbotsgründe!