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Werner Sauerborn, Gewerkschaftssekretär bei ver.di in Stuttgart, sieht „global unions“ als einzige Möglichkeit für die Gewerkschaften, wieder handlungsfähig zu werden. Richtig ist, dass durch die verstärkte Internationalisierung des Kapitals der Klassenkampf international geführt werden muss. Der global organisierten Bourgeoisie muss eine global organisierte Arbeiterklassen entgegentreten. Die Ausgebeuteten hier wie im Ausland stehen demselben Feind gegenüber — übrigens auch dann, wenn sie nicht im selben Konzern arbeiten. Das Kapital spielt ständig Belegschaften gegeneinander aus, nur durch die Entwicklung gemeinsamer Kämpfe können sie dagegen halten.
Dem stehen allerdings große Schwierigkeiten gegenüber, wenn auch die Organisationen bereits existieren: zum einen gibt es seit längerem Euro- und sogar Weltbetriebsräte, zum anderen den Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB), dem der DGB angehört, und auf Branchenebene zehn globale Gewerkschaftsföderationen.

Der IGB vertritt mit seinen 311 Mitgliedsorganisationen in 155 Ländern heute ca. 175 Millionen Beschäftigte. Er organisiert z. B. Kampagnen zur weltweiten Durchsetzung internationaler Rahmenvereinbarungen, die den multinationalen Konzernen verbindliche Verhaltensregeln, so bei den ILOKernarbeitsnormen, auferlegen sollen. DGB und IGM hoffen dabei, wie es in einer gemeinsamen Broschüre1 zum Ausdruck kommt, auf die Einsicht der Unternehmer. Diese würden schließlich durch die gesteigerte Produktivität und die gesunkene Zahl der Streiktage profitieren, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbesserten. Die internationalen Info-Netzwerke sollen der Sozialpartnerschaft dienen — Beschäftigte wie Unternehmer hätten beide ihren Vorteil.

Scheitern bei Opel

[file-periodicals#81]Die Organisierung von Kämpfen gegen das Kapital ist demnach nicht das Ziel des IGB. Und ähnliches lässt sich auch bei vielen Konzern-Betriebsräten beobachten. Das letzte und besonders traurige Beispiel bietet dafür die deutsche GM-Tochter Opel, wo früher vorbildhaft die europaweite Zusammenarbeit vorangetrieben wurde. Gegen die Schließung des englischen GM-Werks in Luton fand z. B. ein Internationaler GM/Opel-Aktionstag am 25. Januar 2001 statt, an dem ca. 40.000 KollegInnen in den Streik traten. Als dann 2004 ein neuer Angriff von GM erfolgte, ließ der Welt- und Euro-BR-Vorsitzende bei General Motors/Opel, Klaus Franz, die Bochumer Belegschaft allein. Diese hatte im Oktober einen wilden Streik begonnen, um der massiven Arbeitsplatzvernichtung von GM entgegenzutreten.
Das Motto von Franz, um den Angriffen des Kapitals zu begegnen, äußerte er 2005 deutlich: „Geteiltes Leid ist halbes Leid!“2. Er stellt die Profitansprüche des Konzerns nie in Frage, die Wettbewerbsfähigkeit ist ihm oberstes Gebot. Und davon war auch sein Verhalten im Herbst 2009 bestimmt, als er sich vor den Karren deutscher Kapitalinteressen spannen ließ. Er propagierte den Verkauf an Magna, lobte den hessischen Ministerpräsidenten Koch für seine Hilfe und predigte den Arbeitern Verzicht.
Die Standortmentalität führte dazu, dass die Belegschaften der europäischen Werke miteinander wetteiferten, wer am produktivsten sei. Die Betriebsräte der meisten Opel-Standorte profilierten sich im Co-Management und planten mit, wie viele Kollegen entlassen werden müssten. Statt gemeinsam gegen das GM-Kapital vorzugehen, hofften die Belegschaften auf Unterstützung durch den jeweiligen Nationalstaat.
Lediglich Opel Bochum verweigerte den kampflosen Verzicht, lehnte die Kürzung des Urlaubsgelds ab und war damit erfolgreich. Und im spanischen Saragossa kündigten die Gewerkschaften einen viertätigen Streik gegen die Vernichtung von 1700 Arbeitsplätzen an. Schon die Streikandrohung führte dazu, dass nur noch 900 gestrichen wurden.

Doch das Spiel, mit Hilfe der deutsch-österreichisch-russischen Zusammenarbeit den deutschen Standort zu stärken, ging nicht auf. GM, vom USStaat gerettet, fühlte sich wieder stark genug, Opel nicht aufzugeben und den Europäern zu überlassen, und wollte nicht mehr verkaufen. Franz reagierte mit chauvinistischem Gekeife und tat so, als ob der klamme Magna-Konzern mit der nahezu bankrotten Sber-Bank, der bessere Ausbeuter wäre. Nun war er plötzlich für Kampfmaßnahmen. Die Liste „Gewerkschafter ohne Grenzen“ (GoG) in Bochum hat daraus den Schluss gezogen, dass die Zusammenarbeit in Zukunft von unten organisiert und aufgebaut werden muss.

Erfolg der Hafenarbeiter

Dort, wo Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter den Kampf organisieren, ist eine erfolgreiche internationale Zusammenarbeit möglich, wie der Kampf der europäischen Hafenarbeiter gegen die EU-Richtlinie „Port Package II“ beweist. Alle europäischen Gewerkschaften zogen an einem Strang, und so konnte die Ersetzung qualifizierter Arbeit durch minder qualifizierte bei entsprechendem Lohndumping verhindert werden. Der Erfolg lag an der Geschlossenheit und Solidarität, die bei den Hafenarbeitern schon eine lange Tradition hat. Dass auch die Hafenbetreiber die EU-Richtlinie zu Fall bringen wollten (siehe T&P Nr. 4), erleichterte den Kampf, machte ihn aber nicht überflüssig.

Die Hindernisse, die der internationalen Solidarität der Arbeiterklasse entgegenstehen, sind zum einen objektive Schwierigkeiten, die die Arbeiterklasse spalten, zum anderen Probleme des Bewusstseins, die durch den Sozialdemokratismus3 vertieft und befördert werden. Die Folge ist mangelnde Kampfbereitschaft, wobei sich die Haltung der deutschen Arbeiterklasse aufgrund der starken Stellung des deutschen Imperialismus besonders negativ auswirkt. So darf nicht einfach dekretiert werden, dass eine Forderung nur EU-weit durchgesetzt werden kann, wie es in der Solidaritätserklärung des DKP-Parteivorstands zur Opel-Werksschließung in Antwerpen heißt, wo dies in Bezug auf Arbeitszeitverkürzung behauptet wird. Das wird nur dazu führen, dass sie gar nicht durchgesetzt wird. Denn die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg ist der Klassenkampf im eigenen Land. Ohne Widerstand gegen die eigenen Ausbeuter lässt sich kein grenzüberschreitender Kampf aufbauen. „Internationalismus setzt Klassenkampf voraus. Zunächst einmal im eigenen Land. Nur hieraus kann ein Verständnis einer gemeinsamen Frontstellung aller Proleten gegen die Konzerne auch international gewonnen werden“4.

Schlüsselstellung der deutschen Arbeiterklasse

Es war die IG Metall, die die Erklärung von Doorn — dort sollte mit einer Orientierungsformel für die anzustrebenden Lohnabschlüsse der Unterbietungskonkurrenz in den Benelux-Staaten und der BRD ein Ende bereitet werden — Ende der 90er Jahre nicht einhielt. Nirgendwo in Europa sind die Lohnstückkosten so wenig gestiegen wie in Deutschland, die Löhne sind sogar real gesunken. Die Arbeiter und Angestellten in Deutschland arbeiten deutlich länger als die meisten anderen EU-Bürger. Die Angriffe aus Brüssel auf die Verlängerung des Rentenalters und die Senkung der Renten zielen auf alle, aber der Klassenkampf wird auf ganz verschiedenem Niveau geführt.

In dem einen Land werden Generalstreiks durchgeführt, in einem anderen wird alles kampflos hingenommen und im dritten sind ein paar Stunden Arbeitsniederlegung ein echter Fortschritt. Vor allem aber: Solange viele Betriebsräte und die Gewerkschaftsführungen Standortsicherungspolitik betreiben — und solange die Mehrheit der Belegschaften ihnen darin folgt und ihren Gegner nicht im Klassengegner erkennt — wird es weiterhin wenig Kämpfe auf europäischer Ebene geben.
Dabei glauben viele Kollegen immer noch den Behauptungen der Kapitalisten, dass Löhne und Arbeitszeit in den anderen europäischen Ländern generell schlechter seien.

Sie wissen nicht, dass es dort den Mindestlohn schon längst gibt, ja, dass Leiharbeiter in Frankreich einen „Prekaritätszuschlag“ erhalten, sie also für ihre Flexibilität einen finanziellen Ausgleich erhalten und somit teurer sind. Sie wissen nichts vom früheren Rentenbeginn in vielen Ländern. Sie ignorieren, welche Rolle ein uneingeschränktes Streikrecht — wie in vielen europäischen Ländern zur Verteidigung dieser Rechte — spielt. Diese falsche Wahrnehmung ist die Basis für solche unsäglichen nationalistischen Parolen wie die der IG BCE, wo das „Modell Deutschland (...) zuerst der Mensch“ als die Nummer „Eins“ (in schwarz-rot-goldener Farbe) dargestellt wird. Das führt in der Praxis zu der Haltung, dass „die anderen“ erst einmal auf unser Niveau kommen sollen, bevor gemeinsam gekämpft wird.

Deshalb haben wir Kommunisten im wirtschaftlich und politisch stärksten Land Europas eine große Verantwortung und schwierige Aufgabe. Die Kommunisten haben „stets das Interesse der Gesamtbewegung zu vertreten“ (Kommunistisches Manifest). Das widerspricht nicht jener anderen Stelle im Manifest: „Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muss natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden.“ Das ist die Dialektik zwischen nationalem und internationalem Klassenkampf und das müssen wir vermitteln. Unser Hauptbeitrag für den proletarischen Internationalismus — was den Völkern am meisten nützen würde — wäre die Entwicklung der revolutionären Bewegung in der BRD und die Entlarvung und Bekämpfung der deutschen Bourgeoisie: den deutschen Imperialismus daran zu hindern, die Ausbeutung in Deutschland und in Europa weiter zu verschärfen und fremde Völker zu überfallen. (Ein erster Schritt wäre es, wenn die Arbeiterklasse sich gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf sie zur Wehr setzen würde). Damit würde zugleich der Imperialismus als ganzer geschwächt. „Es gibt nur einen wirklichen Internationalismus: die hingebungsvolle Arbeit an der Entwicklung der revolutionären Bewegung und des revolutionären Kampfes im eigenen Lande, die Unterstützung (durch Propaganda, durch moralische und materielle Hilfe) eben eines solchen Kampfes, eben einer solchen Linie und nur einer solchen allein in ausnahmslos allen Ländern.“5


Quellen und Anmerkungen:
1 IG Metall & DGB Bildungswerk, Soziale Verantwortung konkret. Regeln für multinationale Konzerne, Düsseldorf 2005
2 FR, 9.6.2005
3 Sozialdemokratisches Denken ist nicht auf die SPD oder die Linkspartei beschränkt, sondern bedeutet generell reformistisches Denken und Klassenzusammenarbeit.
4 Klaus Wagener, in der UZ vom 16.2.2007
5 Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution, Lenin Werke, Bd. 24, S. 60


 
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