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Dossier: Griechisch lernen! // Wie die griechische Arbeiterklasse den Gegenangriff organisiert
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Schluss mit Korruption, Klientel- und Vetternwirtschaft, einem Leben über die Verhältnisse, dem Ausruhen in der sozialen Hängematte. So titeln marktführende Medien hierzulande. Endlich geht es den Schäuble, Merkel, Westerwelle und Rüttgers an den Kragen, werden die Schattenhaushalte offen gelegt, werden die Zumwinkel und Hartz zu gesellschaftlich sinnvoller und notwendiger Arbeit verurteilt, die Hähne der Ackermänner zugedreht.

Aber nein! Deutschland ist nicht gemeint. Griechenland sitzt auf der Anklagebank. Dort müsse sich Grundlegendes ändern, müsse das gesellschaftliche Gefüge unter Anleitung und Kontrolle der "hohen EU-Kommissare" wieder in Ordnung gebracht werden.

"Heute in aller Frühe hat PAME (klassenbewusste Gewerkschaftsfraktion, die Red.) die Börse besetzt. Es muss für alle Griechen klar werden, dass es sehr viel Geld gibt." So beschreibt Panos Kanakaris, PAME-Vertreter aus dem westpeloponnesischen Zacharo, die Entschlossenheit der griechischen Werktätigen, den Generalangriff der EU durch die Handlanger in der griechischen Regierung und den Chefetagen der Konzerne auf die sozialen und demokratischen Rechte zu beantworten. Antepithesi (Gegenangriff) lautet die seit Jahren von der kommunistischen Partei (KKE) ausgegebene Parole zur grundlegenden Umgestaltung des Gesellschaftssystems. Statt Lohnkürzungen und Stellenstreichungen, statt Rentenalter- und Mehrwertsteuererhöhung, statt Abwälzung der Krisenlasten in bekanntem Stil auf die Werktätigen, um die Verursacher der Krise zu schonen, hat der klassenbewusste Teil der griechischen Arbeiterklasse den Gegenangriff verschärft. Mit Streiks, zuletzt am 24.2. gipfelnd im Generalstreik, verlangen die Betroffenen, angeführt von PAME, dass die griechischen Arbeiter/innen und Bauern, die Rentner/innen und Auszubildenden nicht die Lasten die Krise tragen. Gleichwohl werden sie mit entschiedenen Kampfmaßnahmen die Verantwortung selbst in die Hand nehmen, diejenigen zur Kasse bitten, die in einem Land mit leeren öffentlichen Kassen hunderte Milliarden Euro privates Geldvermögen angehäuft haben. Sie müssen zahlen. Das heißt:
  • 1 400 Euro Mindestlohn,
  • 1 120 Euro Mindestrente,
  • Arbeitslosengeld in Höhe der Mindestrente für die gesamte Arbeitslosigkeit,
  • Senkung des Renteneintrittsalters auf 60 J für Männer und 55 J für Frauen,
  • kostenlose Bildung und Krankenversorgung,
  • keine Privatisierung,
  • kostenlose Tickets im öffentlichen Verkehrssystem in den frühen Morgenstunden,
  • Renteneintritt nach 30 Jahren Arbeitsleben unabhängig vom Alter.

Für diese Umgestaltungsziele konnte PAME am 24. Februar die Massen mobilisieren und die Gewerkschaftsdachverbände GSEE und ADEYE zur Unterstützung "zwingen". Schulen und Universitäten, die Banken und öffentlichen Verwaltungen, Flug- und Schiffshäfen, Busse und U-Bahnen, Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen wurden landesweit bestreikt. In den Krankenhäusern wurde ein Notbetrieb organisiert. Millionen Werktätige folgten dem Streikaufruf. Die gesamte Produktion des Landes lag durch den Streik still. In mehr als 70 Städten fanden Demonstrationen und Kundgebungen statt. Allein in Athen demonstrierten mehr als 50 000. Am Vortag des Streiks betonte die Pressestelle des ZK der KKE: "Ob die beabsichtigten barbarischen Maßnahmen durchkommen oder nicht, hängt auch von der Haltung und der Praxis der Werktätigen ab. Deswegen ruft die KKE alle Arbeitenden auf, unabhängig davon, welcher Partei sie bei den letzten Wahlen ihre Stimme gegeben haben, mit ihrer Teilnahme am Streik und an den Demonstrationen der PAME eine verantwortungsvolle klassenbewusste und patriotische Haltung einzunehmen. Sie ruft die Werktätigen auf, den Manipulationen und Einschüchterungsversuchen der Unternehmer zu trotzen. Die Kämpfe und Opfer unserer Klasse, Gegenwart und Zukunft der Arbeiterklasse erfordern es, dass die Werktätigen sich erheben und kämpfen und nicht elementare soziale Errungenschaften der Gier nach Profit und Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals opfern."

Nun suggerieren die Medien, "der Grieche an sich" entwickle zunehmend Verständnis für einschneidende Maßnahmen. Nur, dass sich diese mutmaßliche Einsicht zunehmend in die Richtung einer wirklichen Alternative bis hin zum Sturz des kapitalistischen Systems in Griechenland entwickelt - darüber berichten die Medien nicht. Denn PAME mobilisiert die Massen um ein Vielfaches gegenüber 2009. Die Streiks und Züge der Demonstrationen werden täglich länger, die Verwaltungs- und Betriebsbesetzungen, die Blockaden etwa vor großen Handelsketten und selbst großen Hotels mehren sich.

Sarkastisch entlud sich die Wut des großen griechischen Komponisten Mikis Theodorakis: Auf EU-Kommissare habe das griechische Volk sehnsüchtig gewartet. Das brächte den Kessel des Volkszorns zum Überkochen. Er erwarte eine neue Revolution. Ob er das noch erlebe ...? So Theodorakis in der griechischen Zeitung Ethnos vom 26.2.

Der Kampf hat erst begonnen. Am 8. März ruft PAME zu weiteren Massenkundgebungen auf.


 
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