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Der Kunstsammler Christian Friedrich Flick stellt seine Sammlung moderner Kunst in Berlin aus. Ein schönes Ereignis, denkt man sich erstmal so. Kunst, Berlin - passt schon. Unser aller Hauptstadt hat etwas mehr verdient als den Bahnhof Zoo und die Ruine des "Palastes der Republik" als Touristenmagnete.
Was einen allerdings stutzen macht: Der Name Flick. Hat man den nicht schonmal im Geschichtsbuch gesehen? Gab es da nicht einen Friedrich Flick, der unter den Nazis extrem erfolgreich herumgewirtschaftet hat und auch seinen nicht ganz unwesentlichen Teil dazu beitrug, dass eben diese an die Macht kamen?
Das Stutzen ist berechtigt:
"Friedrich Flick (* 10. Juli 1883 in Kreuztal-Ernstdorf; † 20. Juli 1972 in Konstanz) war ein deutscher Großindustrieller." heißt es im Onlinelexikon Wikipedia. Nun ja - nicht der einzige, mag man denken. Doch es geht noch weiter:
"Nach 1933 konzentrierte er die Spenden auf die NSDAP. Er wurde Mitglied des Freundeskreises Reichsführer SS." Ach. Ein Freund des ollen Heinrich Himmler. Freunde braucht der Mensch!
"1937 wurde er NSDAP-mitglied und kam 1938 auf den Posten des Wehrwirtschaftsführers. Zudem gelangte er in einigen Großbetrieben der Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie in die Aufsichtsräte und Verwaltungsvorstände. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in zahlreichen Betrieben Flicks Zwangsarbeiter und Häftlinge aus Konzentrationslagern herangezogen." Und jetzt bekommt man einen Schimmer, wie Herr Flick so sein Geld verdient hat. Da tut sich also eine Chance zum schnellen Geld auf, und die nutzt man. So weit so gut, die Quitttung bekommt man denn auch - denkt man zumindest:
"1947 wurde der Großindustrielle im Zuge der Nürnberger Prozesse zu sieben Jahren Haft verurteilt, 1951 durch Hochkommisar McCloy begnadigt." Tja. So ist's - wenn man erstmal wer geworden ist, braucht man nicht mehr allzu viel zu fürchten. Verlorene Kriege, aufgedeckte Massenmorde oder Verbrechen an der Menschheit zum Beispiel.
Die Geschichte geht noch weiter: Friedrich Flick gelang es in der Adenauerrepublik zügig, wieder einer der dominierenden Wirtschaftsmagnaten zu werden. Seie bluttriefende Vergangenheit wurde nicht nur von ihm, sondern auch von vielen anderen zügig vergessen. Und Friedrich Flick zeigte keineswegs Reue, sondern legte eine beängstigende Konsequenz an den Tag:
"[...]als an Friedrich Flick Anfang der sechziger Jahre die Forderung der Jewish Claims Conference herangetragen wurde, 6,5 Millionen Mark Entschädigung an die 1300 jüdischen KZ-Häftlinge zu zahlen, die bei der Dynamit Nobel AG (an der Anfang der sechziger Jahre Flick 82 Prozent der Firmenanteile hielt) geschuftet hatten. Damals ließ er zur allgemeinen Empörung erklären: »Herr Dr. Flick vermag nicht zu erkennen, dass im vorliegenden Zusammenhang humanitäre oder moralische Gründe die Dynamit Nobel AG oder das Haus Flick veranlassen könnten, an die Claims Conference irgendwelche Zahlungen zu leisten…«"
Dabei, so weiß die "Zeit", aus der diese beiden Zitate entnommen sind, zu zitieren:
"Friedrich Flick, der in Konrad Adenauers Bundesrepublik sehr schnell wieder Fuß fasste und zu einem der mächtigsten Magnaten im Wirtschaftswunderland aufstieg, hätte die geforderte Summe, wie Thomas Ramge schreibt, leicht aus der »Portokasse« bezahlen können. Er tat das jedoch nicht, ob aus Prinzip oder aus Trotz, wir wissen es nicht."
Nun, wie dem auch sei: zumindest hat Opa Flick sein Geld vererbt: unter anderem an den Kunstsammler aus Leidenschaft Christian Friedrich Flick, der sicherlich in seinem Leben nicht einen Finger krummmachen musste, um sich all die tollen Bilder leisten zu können, die er jetzt so großzügig der Stadt Berlin als längere Leihgabe überlässt. Und so ließ es sich auch Bundeskanzler Schröder nicht nehmen, dem Guten seinen "Respekt" auszusprechen. Respekt für was, mag sich manch einer da fragen. Dafür, dass irgendein Bengel sein geerbtes Blutgeld freigiebig in Kunst investiert statt in Entschädigungen?! Ich weiß es nicht.
Nun, diese Ausstellung befindet sich also in jetzt in Berlin, eingeweit in höchsten Gnaden. Proteste des Zentralrats der Juden, ehemaliger Zwangsarbeiter und Holocaust-Überlebender sind ungehört verhallt, hie und da wird lakonisch über Protest berichtet. Doch die Massen scheinen gewinnbar zu sein für die Bilderflut und strömen bereitwillig in die Ausstellung.
Und auch die "Zeit" stimmt ein in den Kanon der Kulturergriffenen:
"Diese Kritik rechtfertigt allerdings nicht die Forderung, die geplante Ausstellung abzusetzen. Sie sollte in jedem Fall präsentiert werden, denn Thomas Ramge hat Recht, wenn er bemerkt: »Künstler schaffen Kunst, um sie zu zeigen. Die Bilder tragen keine Schuld…«"
Bilder mögen keine Schuld tragen. Aber das Geld, mit dem diese Bilder gekauft wurden, kann trotzdem mit Blut getränkt sein - insofern ist diese unsägliche Ausstellung ein Hohn für all diejenigen, die in niederster Sklavenarbeit unter dem deutschen Faschismus den Gewinn erwirtschaftet haben, mit dem sich irgendein müßiger Mäzen jetzt erlaubt, gnädigst ein paar Werke zu horten.
Also - runter mit den Bildern. Und raus mit der Knete - und zwar an die, denen das Geld gehört - den ehemaligen Zwangsarbeitern!

Links zum Thema:

- der ZEIT-Artikel
- der Wikipedia-Eintrag
- Schröder mit im Boot: der Artikel von Tagesschau.de

 
Creative Commons CC BY-NC-ND 4.0
Inhalt (Text, keine Bilder und Medien) als Creative Commons lizensiert (Namensnennung [Link] - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen), Verbreitung erwünscht. Weitere Infos.
 

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  Kommentar zum Artikel von 127712:
Freitag, 24.09.2004 - 13:43

Geld stinkt halt nicht.