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•NEUES THEMA27.08.2019, 15:24 Uhr
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• Die Kosten der Wirtschaftskriege
Die Kosten der Wirtschaftskriege, so lautet der Titel eines Beitrags von german-foreign-policy vom 16. August, der die Auswirkungen der Wirtschaftskriege und der Sanktionitis-Manie des "Westens" auf die Wirtschaft der BRD untersucht. Die direkten und indirekten Schäden machen Spaß!
Der Text
Die Kosten der Wirtschaftskriege
BERLIN/BEIJING/WASHINGTON (Eigener Bericht) - Die Wirtschafts- und Sanktionskriege der westlichen Mächte belasten zusehends die deutsche Industrie und drohen die Bundesrepublik tiefer in die Rezession zu stürzen. War es deutschen Unternehmen noch gelungen, ihre Einbußen durch die 2014 verhängten Russland-Sanktionen durch Geschäfte mit anderen Ländern auszugleichen, so schlägt sich der US-Wirtschaftskrieg gegen China in wachsendem Maß in empfindlichen Einbußen deutscher Konzerne nieder. Unter dem Druck der Trump'schen Strafzölle geht mittlerweile der Absatz in der Volksrepublik zurück; die Verkäufe dort angesiedelter deutscher Kfz-Werke schwächeln, der Export gerät ins Wanken. Im Juni lag der Wert der deutschen Ausfuhr nach China um ein Achtel unter dem Wert des Vorjahresmonats. Laut einer aktuellen Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) muss die EU wegen der strafzollbedingten Verteuerung einiger US-Produkte zudem mit Mehrkosten von über einer Milliarde Euro rechnen - pro Jahr. Alternative Märkte, auf denen die Einbußen ausgeglichen werden könnten, sind immer häufiger durch Sanktionen blockiert.
Ausgleich noch möglich
In den vergangenen Jahren hatte die deutsche Wirtschaft die Folgen noch regelmäßig überwinden können, die die von Deutschland und von weiteren westlichen Mächten verhängten ökonomischen Repressalien gegen missliebige Staaten mit sich brachten. So trafen die im Jahr 2014 verhängten Russland-Sanktionen zwar den Maschinenbau hart, während Moskaus Gegensanktionen deutschen Agrarfirmen einen Milliardenmarkt nahmen; doch gelang es dem Maschinenbau - die Branche insgesamt betrachtet -, die Verluste im Russland-Geschäft durch rasch gesteigerte Ausfuhren in die Vereinigten Staaten wettzumachen, während die Landwirtschaft ihre Exporte in vollem Umfang umlenken konnte, vor allem nach China.[1] Die Sanktionen gegen Venezuela und Kuba fallen für deutsche Unternehmen nur mäßig ins Gewicht: Der deutsche Austausch mit beiden Ländern ist, anders als etwa der spanische, vergleichsweise beschränkt.
Kein lachender Dritter
Anders liegen die Dinge nun beim US-Wirtschaftskrieg gegen China. Zwar hatten einige Experten wie etwa der Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, noch vor wenigen Monaten spekuliert, Deutschland könne "in dem Handelskonflikt der lachende Dritte" werden: Weil die Trump'schen Strafzölle chinesische Lieferungen in die USA verteuerten, könnten deutsche Unternehmen einspringen und ihre Exporte in die USA um bis zu fünf Milliarden Euro jährlich steigern, prognostizierte der Ökonom.[2] Allerdings war schon damals deutlich erkennbar, dass der Wirtschaftskrieg der Vereinigten Staaten gegen die Volksrepublik auch in Deutschland schwere Schäden anrichten werde. Die USA sind größter Investitionsstandort und drittgrößter Handelspartner der Bundesrepublik, China größter Handelspartner und drittgrößter Investitionsstandort; stockt in einem der beiden Länder die Konjunktur, dann bleiben empfindliche Einbußen nicht aus. Schon recht bald hatte dies die deutsche Automobilindustrie erfahren müssen: Die Ungewissheiten des Wirtschaftskriegs drückten auf die Kauflust in der chinesischen Bevölkerung; das hatte zur Folge, dass Chinas Kfz-Markt in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 15 Prozent einbrach, was nicht zuletzt dazu führte, dass Volkswagen dort im April 9,6 Prozent weniger Fahrzeuge verkaufen konnte als im Vorjahresmonat.[3]
Einbrüche
Schwierigkeiten beim Absatz in China haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Ausfuhren aus der Bundesrepublik in diesem Jahr kaum noch gewachsen sind und zuletzt deutlich schrumpften. Wie aktuelle Angaben des Statistischen Bundesamts belegen, konnte der gesamte Export im ersten Halbjahr 2019 zwar noch um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf einen Wert von 666,1 Milliarden Euro gesteigert werden. Im letzten Monat des ersten Halbjahres, im Juni, war allerdings bereits ein Minus von 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen. Zum größten Verlust - mehr als eine Milliarde Euro - kam es dabei im Export nach China. Um beinahe den gleichen Wert brach lediglich die Ausfuhr nach Großbritannien ein. Ursache sind in diesem Falle die zunehmenden Ungewissheiten, die dadurch entstanden sind, dass die EU dem Vereinigten Königreich eine einvernehmliche Regelung für den Austritt aus der Union verweigert hat, der für Ende März geplant war (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Großbritannien war 2016 noch drittgrößter Abnehmer deutscher Exporte überhaupt, ist inzwischen aber auf Rang fünf abgerutscht.
Indirekte Schäden
Der US-Wirtschaftskrieg gegen China droht dabei die deutsche Industrie noch anderweitig zu belasten. Dies geht aus einer aktuellen Untersuchung des Kieler IfW hervor. Das Institut hat sich - jenseits der Frage, wie stark die deutschen Exporte nach China in den kommenden Monaten und Jahren noch einbrechen könnten - mit den indirekten Folgen der US-Strafzölle befasst. Damit sind höhere Kosten gemeint, die beim Kauf US-amerikanischer Produkte durch deutsche Firmen oder Privatkonsumenten dann entstehen, wenn die US-Produkte strafzollbedingt verteuerte Bauteile aus China enthalten. Das IfW beziffert die Kosten, die die EU deswegen zu berappen hat, auf mehr als eine Milliarde US-Dollar - pro Jahr. Hinzu kommen Kosten in Höhe von rund 126 Millionen US-Dollar, die der EU indirekt aus den chinesischen Gegenzöllen entstehen.[5] Ein vom IfW nicht näher bezifferter, aber aufgrund der Handelsströme zweifellos signifikanter Teil der Mehrkosten entfällt dabei auf die Bundesrepublik.
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Der Text
Die Kosten der Wirtschaftskriege
BERLIN/BEIJING/WASHINGTON (Eigener Bericht) - Die Wirtschafts- und Sanktionskriege der westlichen Mächte belasten zusehends die deutsche Industrie und drohen die Bundesrepublik tiefer in die Rezession zu stürzen. War es deutschen Unternehmen noch gelungen, ihre Einbußen durch die 2014 verhängten Russland-Sanktionen durch Geschäfte mit anderen Ländern auszugleichen, so schlägt sich der US-Wirtschaftskrieg gegen China in wachsendem Maß in empfindlichen Einbußen deutscher Konzerne nieder. Unter dem Druck der Trump'schen Strafzölle geht mittlerweile der Absatz in der Volksrepublik zurück; die Verkäufe dort angesiedelter deutscher Kfz-Werke schwächeln, der Export gerät ins Wanken. Im Juni lag der Wert der deutschen Ausfuhr nach China um ein Achtel unter dem Wert des Vorjahresmonats. Laut einer aktuellen Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) muss die EU wegen der strafzollbedingten Verteuerung einiger US-Produkte zudem mit Mehrkosten von über einer Milliarde Euro rechnen - pro Jahr. Alternative Märkte, auf denen die Einbußen ausgeglichen werden könnten, sind immer häufiger durch Sanktionen blockiert.
Ausgleich noch möglich
In den vergangenen Jahren hatte die deutsche Wirtschaft die Folgen noch regelmäßig überwinden können, die die von Deutschland und von weiteren westlichen Mächten verhängten ökonomischen Repressalien gegen missliebige Staaten mit sich brachten. So trafen die im Jahr 2014 verhängten Russland-Sanktionen zwar den Maschinenbau hart, während Moskaus Gegensanktionen deutschen Agrarfirmen einen Milliardenmarkt nahmen; doch gelang es dem Maschinenbau - die Branche insgesamt betrachtet -, die Verluste im Russland-Geschäft durch rasch gesteigerte Ausfuhren in die Vereinigten Staaten wettzumachen, während die Landwirtschaft ihre Exporte in vollem Umfang umlenken konnte, vor allem nach China.[1] Die Sanktionen gegen Venezuela und Kuba fallen für deutsche Unternehmen nur mäßig ins Gewicht: Der deutsche Austausch mit beiden Ländern ist, anders als etwa der spanische, vergleichsweise beschränkt.
Kein lachender Dritter
Anders liegen die Dinge nun beim US-Wirtschaftskrieg gegen China. Zwar hatten einige Experten wie etwa der Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, noch vor wenigen Monaten spekuliert, Deutschland könne "in dem Handelskonflikt der lachende Dritte" werden: Weil die Trump'schen Strafzölle chinesische Lieferungen in die USA verteuerten, könnten deutsche Unternehmen einspringen und ihre Exporte in die USA um bis zu fünf Milliarden Euro jährlich steigern, prognostizierte der Ökonom.[2] Allerdings war schon damals deutlich erkennbar, dass der Wirtschaftskrieg der Vereinigten Staaten gegen die Volksrepublik auch in Deutschland schwere Schäden anrichten werde. Die USA sind größter Investitionsstandort und drittgrößter Handelspartner der Bundesrepublik, China größter Handelspartner und drittgrößter Investitionsstandort; stockt in einem der beiden Länder die Konjunktur, dann bleiben empfindliche Einbußen nicht aus. Schon recht bald hatte dies die deutsche Automobilindustrie erfahren müssen: Die Ungewissheiten des Wirtschaftskriegs drückten auf die Kauflust in der chinesischen Bevölkerung; das hatte zur Folge, dass Chinas Kfz-Markt in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 15 Prozent einbrach, was nicht zuletzt dazu führte, dass Volkswagen dort im April 9,6 Prozent weniger Fahrzeuge verkaufen konnte als im Vorjahresmonat.[3]
Einbrüche
Schwierigkeiten beim Absatz in China haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Ausfuhren aus der Bundesrepublik in diesem Jahr kaum noch gewachsen sind und zuletzt deutlich schrumpften. Wie aktuelle Angaben des Statistischen Bundesamts belegen, konnte der gesamte Export im ersten Halbjahr 2019 zwar noch um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf einen Wert von 666,1 Milliarden Euro gesteigert werden. Im letzten Monat des ersten Halbjahres, im Juni, war allerdings bereits ein Minus von 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen. Zum größten Verlust - mehr als eine Milliarde Euro - kam es dabei im Export nach China. Um beinahe den gleichen Wert brach lediglich die Ausfuhr nach Großbritannien ein. Ursache sind in diesem Falle die zunehmenden Ungewissheiten, die dadurch entstanden sind, dass die EU dem Vereinigten Königreich eine einvernehmliche Regelung für den Austritt aus der Union verweigert hat, der für Ende März geplant war (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Großbritannien war 2016 noch drittgrößter Abnehmer deutscher Exporte überhaupt, ist inzwischen aber auf Rang fünf abgerutscht.
Indirekte Schäden
Der US-Wirtschaftskrieg gegen China droht dabei die deutsche Industrie noch anderweitig zu belasten. Dies geht aus einer aktuellen Untersuchung des Kieler IfW hervor. Das Institut hat sich - jenseits der Frage, wie stark die deutschen Exporte nach China in den kommenden Monaten und Jahren noch einbrechen könnten - mit den indirekten Folgen der US-Strafzölle befasst. Damit sind höhere Kosten gemeint, die beim Kauf US-amerikanischer Produkte durch deutsche Firmen oder Privatkonsumenten dann entstehen, wenn die US-Produkte strafzollbedingt verteuerte Bauteile aus China enthalten. Das IfW beziffert die Kosten, die die EU deswegen zu berappen hat, auf mehr als eine Milliarde US-Dollar - pro Jahr. Hinzu kommen Kosten in Höhe von rund 126 Millionen US-Dollar, die der EU indirekt aus den chinesischen Gegenzöllen entstehen.[5] Ein vom IfW nicht näher bezifferter, aber aufgrund der Handelsströme zweifellos signifikanter Teil der Mehrkosten entfällt dabei auf die Bundesrepublik.
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•NEUER BEITRAG27.08.2019, 15:26 Uhr
EDIT: arktika
27.08.2019, 15:27 Uhr
27.08.2019, 15:27 Uhr
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Künftige Einbußen
Hinzu kommt eine Reihe weiterer Ungewissheiten. So wird die jüngste US-Strafzollrunde auf Importe aus China im Wert von 300 Milliarden US-Dollar zahlreiche US-Konsumgüter verteuern und die Kosten für US-Konsumenten empfindlich in die Höhe treiben. Das schränkt die Kaufkraft der US-Kunden ein und droht - wie aktuell bereits in China - den US-Absatz auch deutscher Konzerne zu reduzieren. Zwar hat die Verschiebung eines Teils der Strafzölle auf Dezember, die US-Präsident Trump jetzt angekündigt hat, die Gefahr derartiger Einbrüche um einige Monate verschoben, woraufhin der Dax in die Höhe schnellte.[6] Im Dezember droht die strafzollbedingte Kaufkraft- und Absatzminderung in den Vereinigten Staaten nun allerdings erneut. Hinzu kommt, dass Washington mit weiteren extraterritorialen Russland-Sanktionen droht (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Diese würden der deutschen Industrie wohl weitere schwere Einbußen bringen.
Blockierte Alternativen
Dabei blockieren die Wirtschaftskriege, die die westlichen Mächte führen, um ihre verfallende globale Dominanz zu bewahren, in zunehmendem Maß auch alternative Märkte, die zwar kaum in der Lage wären, die Einbußen zu ersetzen, die sie aber doch zumindest ein wenig lindern könnten. So leidet das deutsche Nah- und Mittelostgeschäft daran, dass Syrien mit EU-Sanktionen und Iran mit extraterritorialen US-Sanktionen belegt sind; Geschäfte mit den beiden Ländern sind daher kaum möglich. Die Wirtschafts- und Sanktionskriege basieren auf derselben Logik wie militärisch geführte Kriege: Es gewinnt, wer die schlimmsten, tödlichen Verluste vermeiden kann. Verlierer aber sind alle.
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Künftige Einbußen
Hinzu kommt eine Reihe weiterer Ungewissheiten. So wird die jüngste US-Strafzollrunde auf Importe aus China im Wert von 300 Milliarden US-Dollar zahlreiche US-Konsumgüter verteuern und die Kosten für US-Konsumenten empfindlich in die Höhe treiben. Das schränkt die Kaufkraft der US-Kunden ein und droht - wie aktuell bereits in China - den US-Absatz auch deutscher Konzerne zu reduzieren. Zwar hat die Verschiebung eines Teils der Strafzölle auf Dezember, die US-Präsident Trump jetzt angekündigt hat, die Gefahr derartiger Einbrüche um einige Monate verschoben, woraufhin der Dax in die Höhe schnellte.[6] Im Dezember droht die strafzollbedingte Kaufkraft- und Absatzminderung in den Vereinigten Staaten nun allerdings erneut. Hinzu kommt, dass Washington mit weiteren extraterritorialen Russland-Sanktionen droht (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Diese würden der deutschen Industrie wohl weitere schwere Einbußen bringen.
Blockierte Alternativen
Dabei blockieren die Wirtschaftskriege, die die westlichen Mächte führen, um ihre verfallende globale Dominanz zu bewahren, in zunehmendem Maß auch alternative Märkte, die zwar kaum in der Lage wären, die Einbußen zu ersetzen, die sie aber doch zumindest ein wenig lindern könnten. So leidet das deutsche Nah- und Mittelostgeschäft daran, dass Syrien mit EU-Sanktionen und Iran mit extraterritorialen US-Sanktionen belegt sind; Geschäfte mit den beiden Ländern sind daher kaum möglich. Die Wirtschafts- und Sanktionskriege basieren auf derselben Logik wie militärisch geführte Kriege: Es gewinnt, wer die schlimmsten, tödlichen Verluste vermeiden kann. Verlierer aber sind alle.
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•NEUER BEITRAG27.10.2020, 20:57 Uhr
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Neue Instrumente zur Führung von Wirtschaftskriegen
Dazu ein Artikel von german-foreign-policy am 22.10.:
Wirtschaft als Waffe
Berlin und Brüssel planen Schaffung neuer Instrumente zur Führung von Wirtschaftskriegen. Sanktionskampf um Nord Stream 2 spitzt sich zu.
BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht) - Mit der Publikation eines detaillierten Strategiepapiers bereiten Berlin und Brüssel die Schaffung eines breiten Instrumentariums zur Führung von Wirtschaftskriegen vor. Anlass sind nicht zuletzt US-Sanktionen, von denen Deutschland und die EU direkt oder indirekt getroffen werden und die Unternehmen aus der Union erheblich schaden. Man wolle sich in Zukunft mit ganzer Kraft gegen sie zur Wehr setzen können, heißt es: "Wir müssen alle Folterwerkzeuge auf den Tisch legen", wird der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, zitiert. Das Strategiepapier, das vom European Council on Foreign Relations (ECFR), einer Polit-Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin, unter Mitwirkung des Auswärtigen Amts erstellt worden ist, schlägt unter anderem die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen und gezielte Gegensanktionen gegen ausländische Personen oder Branchen vor. Es wird publiziert, während der Sanktionskampf um Nord Stream in die nächste Runde geht - mit einer Verschärfung der US-Sanktionen.
Die nächste Runde
Der Sanktionskampf um Nord Stream 2 geht in die nächste Runde. Am Dienstag hat das US-Außenministerium eine neue Richtlinie veröffentlicht, die die in Kraft befindlichen Sanktionen gegen die Fertigstellung der Erdgaspipeline (PEESA, german-foreign-policy.com berichtete [1]) ausweitet. Demnach soll in Zukunft auch mit Zwangsmaßnahmen belegt werden, wer aktiv oder durch die Bereitstellung von Material oder Räumlichkeiten dazu beiträgt, die zur Verlegung der Pipeline benötigten Schiffe für die Verlegearbeiten auszurüsten, oder wer dies ganz oder auch nur teilweise finanziert.[2] Auslöser für die erneute Verschärfung ist laut Einschätzung von Insidern, dass das wichtigste russische Verlegeschiff, die Akademik Tscherski, zu Monatsbeginn den Hafen Mukran auf Rügen verlassen hat und nun offenbar vor Kaliningrad liegt. Nicht ganz klar ist, was dort geschieht; während manche von Testfahrten ausgehen, spekulieren Experten, das Schiff habe Mukran womöglich verlassen, um dortige Unternehmen und staatliche Stellen von den US-Sanktionsdrohungen zu entlasten.[3] Allerdings muss als fraglich gelten, ob das gelingen kann: Mukran galt bislang als logistische Basis für den Bau der Erdgasleitung als unverzichtbar.
"Wir entscheiden selbst"
Die Bundesregierung, die den Bau der Pipeline zwar stets unterstützt, sich mit klaren öffentlichen Stellungnahmen aber häufig zurückgehalten hatte, hat zuletzt eindeutig Position bezogen. "Über unsere Energiepolitik und Energieversorgung entscheiden wir hier in Europa", bekundete Außenminister Heiko Maas am Wochenende: Er gehe verlässlich "davon aus, dass Nord Stream 2 zu Ende gebaut wird"; "die Frage" sei nur, "wann".[4] Zuvor hatte Berlin versucht, Washington mit einem etwas eigentümlichen Deal umzustimmen: Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte laut Berichten in einem Schreiben an seinen US-Amtskollegen Steven Mnuchin angeboten, die Mittel, die für den Bau zweier Flüssiggasterminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven vorgesehen seien, "massiv durch die Bereitstellung von bis zu 1 Milliarde Euro zu erhöhen" und damit den Bau zu beschleunigen.[5] Über die Terminals könnte in Zukunft US-Flüssiggas importiert werden, freilich auch Gas aus anderen Ländern, etwa Qatar; sogar Russland wäre als Flüssiggaslieferant denkbar. Der Bau der Terminals ist ohnehin längst fest eingeplant; die in Aussicht gestellte Milliarde Euro würde also allenfalls etwas früher ausgegeben als vorgesehen.[6] Washington hat das Berliner Angebot offenkundig ignoriert.
Kampf gegen US-Sanktionen
Während sich der Sanktionskampf um Nord Stream 2 weiter zuspitzt, bereiten Berlin und Brüssel im Hintergrund den Aufbau eines umfassenden Instrumentariums für zukünftige Wirtschaftskriege vor. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Auseinandersetzung um die Erdgaspipeline nicht isoliert, sondern vielmehr ein Element umfassender ökonomischer Attacken ist, mit denen zur Zeit vor allem die Vereinigten Staaten nicht nur China, sondern auch die EU überziehen. Zu den US-Maßnahmen, denen sich die Union ausgesetzt sieht, zählen nicht nur Strafzölle sowie die Drohung mit weiteren Zwangsabgaben etwa auf Kfz-Exporte aus Europa in die USA, sondern auch extraterritoriale US-Sanktionen gegen Drittstaaten wie Iran, die jegliches Geschäft von Firmen aus der Bundesrepublik und anderen EU-Staaten mit den betroffenen Ländern so gut wie unmöglich machen. Der Versuch, mit dem "Instrument in Support of Trade Exchanges" ("INSTEX") ein Finanzvehikel zu schaffen, das es Unternehmen aus der EU möglich macht, die US-Sanktionen zu umgehen, ist faktisch gescheitert.[7] Dies gilt vor allem auch deswegen als fatal, weil zur Zeit in Wirtschaftskreisen massive Befürchtungen kursieren, Washington könne mit extraterritorialen Zwangsmaßnahmen gegen Beijing das faktisch unersetzliche Chinageschäft europäischer Unternehmen torpedieren.
Begleitet vom Auswärtigen Amt
Um für die Wirtschaftskriege der Zukunft wirksame Instrumente zu entwickeln, hat in den vergangenen Monaten eine Task Force des European Council on Foreign Relations (ECFR) mit Hauptsitz in Berlin ein umfangreiches Papier mit konkreten Handlungsoptionen erstellt, das jetzt unter dem Titel "Europas wirtschaftliche Souveränität verteidigen" veröffentlicht worden ist. Die Task Force, deren Kern Mitarbeiter des ECFR bilden, ist dabei, wie berichtet wird, von den Regierungen Deutschlands und Frankreichs unterstützt worden; auf deutscher Seite war vor allem das Auswärtige Amt involviert, dessen Staatssekretär Miguel Berger die Auftaktsitzung der Task Force geleitet haben soll.[8] Beteiligt waren demnach weitere Spitzenbeamte, zudem Abgeordnete aus dem Bundestag und aus der französischen Assemblée nationale sowie Experten aus Wirtschaftsverbänden; die meisten wollen nicht namentlich erwähnt werden, weil sie Repressalien fürchten. Bekannt sind bisher nur die Bundestagsabgeordneten Stefan Rouenhoff (CDU), Andreas Nick (CDU) und Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, sowie die zwei Abgeordneten der französischen Assemblée nationale Caroline Janvier und Raphaël Gauvain (La République en marche/LREM, die Partei von Präsident Emmanuel Macron).[9]
Gegensanktionen
In ihrem Strategiepapier schlägt die ECFR-Task Force unter anderem vor, eine "Europäische Exportbank" zu gründen, um künftig - erfolgreicher als mit dem INSTEX - den Zahlungsverkehr europäischer Unternehmen unabhängig von Sanktionen anderer Mächte durchführen zu können. Zudem plädiert sie für die Schaffung einer EU-Behörde, die sich gezielt mit außenwirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen befassen soll; die Institution könne von einem neu zu installierenden EU-Sonderbeauftragten für Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen geleitet werden, heißt es in dem neuen Strategiepapier.[10] Vorgeschlagen wird außerdem, einen "digitalen Euro" zu schaffen, um der Nutzung der globalen US-Dollar-Dominanz durch Washington zukünftig etwas entgegenzusetzen und damit "Europas Souveränität" systematisch zu stärken. Neben diversen weiteren Maßnahmen spricht sich die ECFR-Task Force auch dafür aus, gegebenenfalls eigene Gegensanktionen zu verhängen. Sie sollen sich gegen Personen, aber auch gegen Branchen richten können.
Folterwerkzeuge
"Wir müssen alle Folterwerkzeuge auf den Tisch legen", wird der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, zitiert; der CDU-Abgeordnete Andreas Nick erläutert: "Die EU ist keine große Militärmacht, gerade deshalb sollte sie ihr wirtschaftliches Gewicht nutzen."[11] Das ECFR-Strategiepapier soll jetzt in den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten wie auch in den EU-Gremien diskutiert werden. In Brüssel werde es, so heißt es, vermutlich auf Zustimmung stoßen, denn dort würden vergleichbare Überlegungen angestellt. Valdis Dombrovskis, Kommissar für Handel, wird mit der einschlägigen Aussage zitiert: "Wir arbeiten derzeit an der Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit und prüfen verschiedene Optionen".[12]
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Wirtschaft als Waffe
Berlin und Brüssel planen Schaffung neuer Instrumente zur Führung von Wirtschaftskriegen. Sanktionskampf um Nord Stream 2 spitzt sich zu.
BERLIN/BRÜSSEL (Eigener Bericht) - Mit der Publikation eines detaillierten Strategiepapiers bereiten Berlin und Brüssel die Schaffung eines breiten Instrumentariums zur Führung von Wirtschaftskriegen vor. Anlass sind nicht zuletzt US-Sanktionen, von denen Deutschland und die EU direkt oder indirekt getroffen werden und die Unternehmen aus der Union erheblich schaden. Man wolle sich in Zukunft mit ganzer Kraft gegen sie zur Wehr setzen können, heißt es: "Wir müssen alle Folterwerkzeuge auf den Tisch legen", wird der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, zitiert. Das Strategiepapier, das vom European Council on Foreign Relations (ECFR), einer Polit-Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin, unter Mitwirkung des Auswärtigen Amts erstellt worden ist, schlägt unter anderem die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen und gezielte Gegensanktionen gegen ausländische Personen oder Branchen vor. Es wird publiziert, während der Sanktionskampf um Nord Stream in die nächste Runde geht - mit einer Verschärfung der US-Sanktionen.
Die nächste Runde
Der Sanktionskampf um Nord Stream 2 geht in die nächste Runde. Am Dienstag hat das US-Außenministerium eine neue Richtlinie veröffentlicht, die die in Kraft befindlichen Sanktionen gegen die Fertigstellung der Erdgaspipeline (PEESA, german-foreign-policy.com berichtete [1]) ausweitet. Demnach soll in Zukunft auch mit Zwangsmaßnahmen belegt werden, wer aktiv oder durch die Bereitstellung von Material oder Räumlichkeiten dazu beiträgt, die zur Verlegung der Pipeline benötigten Schiffe für die Verlegearbeiten auszurüsten, oder wer dies ganz oder auch nur teilweise finanziert.[2] Auslöser für die erneute Verschärfung ist laut Einschätzung von Insidern, dass das wichtigste russische Verlegeschiff, die Akademik Tscherski, zu Monatsbeginn den Hafen Mukran auf Rügen verlassen hat und nun offenbar vor Kaliningrad liegt. Nicht ganz klar ist, was dort geschieht; während manche von Testfahrten ausgehen, spekulieren Experten, das Schiff habe Mukran womöglich verlassen, um dortige Unternehmen und staatliche Stellen von den US-Sanktionsdrohungen zu entlasten.[3] Allerdings muss als fraglich gelten, ob das gelingen kann: Mukran galt bislang als logistische Basis für den Bau der Erdgasleitung als unverzichtbar.
"Wir entscheiden selbst"
Die Bundesregierung, die den Bau der Pipeline zwar stets unterstützt, sich mit klaren öffentlichen Stellungnahmen aber häufig zurückgehalten hatte, hat zuletzt eindeutig Position bezogen. "Über unsere Energiepolitik und Energieversorgung entscheiden wir hier in Europa", bekundete Außenminister Heiko Maas am Wochenende: Er gehe verlässlich "davon aus, dass Nord Stream 2 zu Ende gebaut wird"; "die Frage" sei nur, "wann".[4] Zuvor hatte Berlin versucht, Washington mit einem etwas eigentümlichen Deal umzustimmen: Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte laut Berichten in einem Schreiben an seinen US-Amtskollegen Steven Mnuchin angeboten, die Mittel, die für den Bau zweier Flüssiggasterminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven vorgesehen seien, "massiv durch die Bereitstellung von bis zu 1 Milliarde Euro zu erhöhen" und damit den Bau zu beschleunigen.[5] Über die Terminals könnte in Zukunft US-Flüssiggas importiert werden, freilich auch Gas aus anderen Ländern, etwa Qatar; sogar Russland wäre als Flüssiggaslieferant denkbar. Der Bau der Terminals ist ohnehin längst fest eingeplant; die in Aussicht gestellte Milliarde Euro würde also allenfalls etwas früher ausgegeben als vorgesehen.[6] Washington hat das Berliner Angebot offenkundig ignoriert.
Kampf gegen US-Sanktionen
Während sich der Sanktionskampf um Nord Stream 2 weiter zuspitzt, bereiten Berlin und Brüssel im Hintergrund den Aufbau eines umfassenden Instrumentariums für zukünftige Wirtschaftskriege vor. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Auseinandersetzung um die Erdgaspipeline nicht isoliert, sondern vielmehr ein Element umfassender ökonomischer Attacken ist, mit denen zur Zeit vor allem die Vereinigten Staaten nicht nur China, sondern auch die EU überziehen. Zu den US-Maßnahmen, denen sich die Union ausgesetzt sieht, zählen nicht nur Strafzölle sowie die Drohung mit weiteren Zwangsabgaben etwa auf Kfz-Exporte aus Europa in die USA, sondern auch extraterritoriale US-Sanktionen gegen Drittstaaten wie Iran, die jegliches Geschäft von Firmen aus der Bundesrepublik und anderen EU-Staaten mit den betroffenen Ländern so gut wie unmöglich machen. Der Versuch, mit dem "Instrument in Support of Trade Exchanges" ("INSTEX") ein Finanzvehikel zu schaffen, das es Unternehmen aus der EU möglich macht, die US-Sanktionen zu umgehen, ist faktisch gescheitert.[7] Dies gilt vor allem auch deswegen als fatal, weil zur Zeit in Wirtschaftskreisen massive Befürchtungen kursieren, Washington könne mit extraterritorialen Zwangsmaßnahmen gegen Beijing das faktisch unersetzliche Chinageschäft europäischer Unternehmen torpedieren.
Begleitet vom Auswärtigen Amt
Um für die Wirtschaftskriege der Zukunft wirksame Instrumente zu entwickeln, hat in den vergangenen Monaten eine Task Force des European Council on Foreign Relations (ECFR) mit Hauptsitz in Berlin ein umfangreiches Papier mit konkreten Handlungsoptionen erstellt, das jetzt unter dem Titel "Europas wirtschaftliche Souveränität verteidigen" veröffentlicht worden ist. Die Task Force, deren Kern Mitarbeiter des ECFR bilden, ist dabei, wie berichtet wird, von den Regierungen Deutschlands und Frankreichs unterstützt worden; auf deutscher Seite war vor allem das Auswärtige Amt involviert, dessen Staatssekretär Miguel Berger die Auftaktsitzung der Task Force geleitet haben soll.[8] Beteiligt waren demnach weitere Spitzenbeamte, zudem Abgeordnete aus dem Bundestag und aus der französischen Assemblée nationale sowie Experten aus Wirtschaftsverbänden; die meisten wollen nicht namentlich erwähnt werden, weil sie Repressalien fürchten. Bekannt sind bisher nur die Bundestagsabgeordneten Stefan Rouenhoff (CDU), Andreas Nick (CDU) und Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, sowie die zwei Abgeordneten der französischen Assemblée nationale Caroline Janvier und Raphaël Gauvain (La République en marche/LREM, die Partei von Präsident Emmanuel Macron).[9]
Gegensanktionen
In ihrem Strategiepapier schlägt die ECFR-Task Force unter anderem vor, eine "Europäische Exportbank" zu gründen, um künftig - erfolgreicher als mit dem INSTEX - den Zahlungsverkehr europäischer Unternehmen unabhängig von Sanktionen anderer Mächte durchführen zu können. Zudem plädiert sie für die Schaffung einer EU-Behörde, die sich gezielt mit außenwirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen befassen soll; die Institution könne von einem neu zu installierenden EU-Sonderbeauftragten für Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen geleitet werden, heißt es in dem neuen Strategiepapier.[10] Vorgeschlagen wird außerdem, einen "digitalen Euro" zu schaffen, um der Nutzung der globalen US-Dollar-Dominanz durch Washington zukünftig etwas entgegenzusetzen und damit "Europas Souveränität" systematisch zu stärken. Neben diversen weiteren Maßnahmen spricht sich die ECFR-Task Force auch dafür aus, gegebenenfalls eigene Gegensanktionen zu verhängen. Sie sollen sich gegen Personen, aber auch gegen Branchen richten können.
Folterwerkzeuge
"Wir müssen alle Folterwerkzeuge auf den Tisch legen", wird der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, zitiert; der CDU-Abgeordnete Andreas Nick erläutert: "Die EU ist keine große Militärmacht, gerade deshalb sollte sie ihr wirtschaftliches Gewicht nutzen."[11] Das ECFR-Strategiepapier soll jetzt in den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten wie auch in den EU-Gremien diskutiert werden. In Brüssel werde es, so heißt es, vermutlich auf Zustimmung stoßen, denn dort würden vergleichbare Überlegungen angestellt. Valdis Dombrovskis, Kommissar für Handel, wird mit der einschlägigen Aussage zitiert: "Wir arbeiten derzeit an der Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit und prüfen verschiedene Optionen".[12]
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Die Kosten der Wirtschaftskriege
Man kann sich fragen, ob das, was das derzeitige BRD-Regime u. Kumpanerei derzeit in Sachen "Rußland-Sanktionen" veranstalten, noch als "sich-selbst-ins-Bein-schießen" (von "in den Fuß" kann man ja schon nicht mehr sprechen ) zu bezeichnen ist oder schon ein "Selbst-enthaupten" ist. Aber eine Meisterleistung ist es schon ... , und keine Revolution in Sicht, eher eine erneute Faschisierung des Staates, wie ja auch die Baerbock-Rede ziemlich unverbrämt deutlich gemacht hatte.
Zu den Sanktionen u. ihren Auswirkungen auf die VeranstalterInnen ein Artikel auf RT deutsch am 29. Juni, der auf einen Handelsblattartikel Diese zehn Branchen wären am stärksten von einem Gas-Lieferstopp betroffen bezug nimmt ( Link ...jetzt anmelden! )
Antirussische Sanktionen: Diese Branchen bekommen bei russischem Gasstopp massive Probleme
Die antirussischen Sanktionen des Westens stürzen vor allem den ehemaligen Exportweltmeister Deutschland ins wirtschaftliche Chaos. Während Russland für Öl und Gas Großabnehmer in Asien gefunden hat, sind in Deutschland zahlreiche Branchen von der Gasknappheit bedroht.
Weil Russland sein Öl und Gas infolge der antirussischen Sanktionen im größeren Maße vor allem nach China und Indien verkauft und auf Lieferungen nach Europa immer weniger angewiesen ist, stöhnen insbesondere die EU-Länder über das Fehlen dieser bis vor Kurzem günstigen und zahlreich vorhandenen industriellen Lebenselixiere. Laut einem Bericht des Handelsblatts vom Dienstag sind davon besonders zahlreiche Branchen in Deutschland betroffen – auch solche, die man auf den ersten Blick nicht direkt darunter vermuten würde.
Aufgrund der Sanktionen, die Wartungsarbeiten der Firma Siemens bei Nord Stream 1 behindern, fließt beispielsweise nur noch knapp die Hälfte der Vorkriegsgasmenge durch die Pipeline.
Vor allem die Chemie- und Stahlindustrie träfe das wie bereits bekannt hart. Doch eine Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Marktforscher von Calculus Consult, die dem Handelsblatt vorliegt, kommt zu dem Ergebnis: Noch viel mehr Branchen sind auf russisches Gas angewiesen. Sie würden durch einen weiteren Lieferstopp stark eingeschränkt.
Die Studie zeigen auf, wie groß der Gasanteil am gesamten Energieverbrauch der jeweiligen Branche ist. Konkret: Wie viel Gas aus Russland und den umliegenden Ländern setzen die Unternehmen einer Branche ein.
Chemie:
Besonders betroffen ist die Chemiebranche, die in Deutschland eines der wirtschaftlichen Flaggschiffe ist. Für die mehr als 2.000 Chemie-Unternehmen in Deutschland ist Gas einer der wichtigsten Energieträger, aber auch Grundstoff für viele Produkte, zum Beispiel für die Basischemikalie Ammoniak.
Die 2,5 Millionen Tonnen Ammoniak, die jedes Jahr aus Gas und Wasserstoff hergestellt werden, sind Ausgangsstoff für Düngemittel oder medizinischen Produkte. Der russische Gasanteil am Energieverbrauch beträgt hier 17,3 Prozent.
Getränkeindustrie:
Etwa 25 Prozent der in der Getränkeindustrie eingesetzten Energie ist Gas aus Russland beziehungsweise dem russischen Umland – und nimmt damit den Spitzenwert der Studie ein. Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, gibt sich besorgt:
"Ein Lieferstopp hätte dramatische Auswirkungen für die gesamte Getränkeindustrie – auch indirekt."
Zum Teil gibt es im Handel bereits jetzt Lieferengpässe bei bestimmten Biersorten. Doch nicht nur Getränkehersteller seien etwa mit Braukesseln und sonstigen energieintensiven Abläufen in der Produktion in hohem Maße von Importgas abhängig. Es beginne schon bei Vorlieferanten, etwa Mälzereien oder den Produzenten für Glas, Dosen, Kartonagen und anderen Verpackungen. Gerade Glasflaschen sind jetzt schon Mangelware.
Papier/Pappe/Druckerzeugnisse:
Ein möglicher Lieferstopp für russisches Erdgas wegen der Sanktionen könnte nach Branchenangaben die Papierherstellung erheblich beeinträchtigen. Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands "Die Papierindustrie", meinte dazu:
"Ein Gasembargo würde für die Papierindustrie praktisch einen flächendeckenden Produktionsstopp bedeuten."
Besonders Lebensmittel- und Medikamentenverpackungen wären davon betroffen, aber auch Hygienepapiere für Medizin, Pflege und für zu Hause, Spezialpapiere wie Filter und Messstreifen sowie Druckpapier für Zeitungen, Zeitschriften, Kataloge oder Prospekte.
Auch bei der Erstellung und Duplizierung von Printmedien geht es vor allem um für die Herstellung nötige Prozesswärme, hier stammt fast 20 Prozent der benötigten Energiemenge aus Russland. Im laufenden Jahr hat die Branche die Preise für ihre Produkte bereits teilweise bis zu 20 Prozent erhöht.
Pharmazeutische Erzeugnisse:
Ein Stopp der Lieferung von Gas an die Pharmaindustrie in Deutschland könne die Produktion lebenswichtiger Medikamente gefährden, warnen Branchenvertreter. Auch das angespannte Verhältnis zu China trage dazu bei. Sowohl DAX-Unternehmen wie BASF als auch Mittelständler aus der Branche sind zum Teil deutlich auf Energieträger aus Russland angewiesen, sowohl in der eigenen Herstellung als auch mit Fokus auf chemische Vorprodukte. Auch hier beträgt der Anteil der russischen Energie etwa ein Fünftel des Gesamtvolumens.
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#Sanktionen
#BRD
#RusslandSanktionen
#SichSelbstInsBeinSchiessen
Zu den Sanktionen u. ihren Auswirkungen auf die VeranstalterInnen ein Artikel auf RT deutsch am 29. Juni, der auf einen Handelsblattartikel Diese zehn Branchen wären am stärksten von einem Gas-Lieferstopp betroffen bezug nimmt ( Link ...jetzt anmelden! )
Antirussische Sanktionen: Diese Branchen bekommen bei russischem Gasstopp massive Probleme
Die antirussischen Sanktionen des Westens stürzen vor allem den ehemaligen Exportweltmeister Deutschland ins wirtschaftliche Chaos. Während Russland für Öl und Gas Großabnehmer in Asien gefunden hat, sind in Deutschland zahlreiche Branchen von der Gasknappheit bedroht.
Weil Russland sein Öl und Gas infolge der antirussischen Sanktionen im größeren Maße vor allem nach China und Indien verkauft und auf Lieferungen nach Europa immer weniger angewiesen ist, stöhnen insbesondere die EU-Länder über das Fehlen dieser bis vor Kurzem günstigen und zahlreich vorhandenen industriellen Lebenselixiere. Laut einem Bericht des Handelsblatts vom Dienstag sind davon besonders zahlreiche Branchen in Deutschland betroffen – auch solche, die man auf den ersten Blick nicht direkt darunter vermuten würde.
Aufgrund der Sanktionen, die Wartungsarbeiten der Firma Siemens bei Nord Stream 1 behindern, fließt beispielsweise nur noch knapp die Hälfte der Vorkriegsgasmenge durch die Pipeline.
Vor allem die Chemie- und Stahlindustrie träfe das wie bereits bekannt hart. Doch eine Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Marktforscher von Calculus Consult, die dem Handelsblatt vorliegt, kommt zu dem Ergebnis: Noch viel mehr Branchen sind auf russisches Gas angewiesen. Sie würden durch einen weiteren Lieferstopp stark eingeschränkt.
Die Studie zeigen auf, wie groß der Gasanteil am gesamten Energieverbrauch der jeweiligen Branche ist. Konkret: Wie viel Gas aus Russland und den umliegenden Ländern setzen die Unternehmen einer Branche ein.
Chemie:
Besonders betroffen ist die Chemiebranche, die in Deutschland eines der wirtschaftlichen Flaggschiffe ist. Für die mehr als 2.000 Chemie-Unternehmen in Deutschland ist Gas einer der wichtigsten Energieträger, aber auch Grundstoff für viele Produkte, zum Beispiel für die Basischemikalie Ammoniak.
Die 2,5 Millionen Tonnen Ammoniak, die jedes Jahr aus Gas und Wasserstoff hergestellt werden, sind Ausgangsstoff für Düngemittel oder medizinischen Produkte. Der russische Gasanteil am Energieverbrauch beträgt hier 17,3 Prozent.
Getränkeindustrie:
Etwa 25 Prozent der in der Getränkeindustrie eingesetzten Energie ist Gas aus Russland beziehungsweise dem russischen Umland – und nimmt damit den Spitzenwert der Studie ein. Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, gibt sich besorgt:
"Ein Lieferstopp hätte dramatische Auswirkungen für die gesamte Getränkeindustrie – auch indirekt."
Zum Teil gibt es im Handel bereits jetzt Lieferengpässe bei bestimmten Biersorten. Doch nicht nur Getränkehersteller seien etwa mit Braukesseln und sonstigen energieintensiven Abläufen in der Produktion in hohem Maße von Importgas abhängig. Es beginne schon bei Vorlieferanten, etwa Mälzereien oder den Produzenten für Glas, Dosen, Kartonagen und anderen Verpackungen. Gerade Glasflaschen sind jetzt schon Mangelware.
Papier/Pappe/Druckerzeugnisse:
Ein möglicher Lieferstopp für russisches Erdgas wegen der Sanktionen könnte nach Branchenangaben die Papierherstellung erheblich beeinträchtigen. Alexander von Reibnitz, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands "Die Papierindustrie", meinte dazu:
"Ein Gasembargo würde für die Papierindustrie praktisch einen flächendeckenden Produktionsstopp bedeuten."
Besonders Lebensmittel- und Medikamentenverpackungen wären davon betroffen, aber auch Hygienepapiere für Medizin, Pflege und für zu Hause, Spezialpapiere wie Filter und Messstreifen sowie Druckpapier für Zeitungen, Zeitschriften, Kataloge oder Prospekte.
Auch bei der Erstellung und Duplizierung von Printmedien geht es vor allem um für die Herstellung nötige Prozesswärme, hier stammt fast 20 Prozent der benötigten Energiemenge aus Russland. Im laufenden Jahr hat die Branche die Preise für ihre Produkte bereits teilweise bis zu 20 Prozent erhöht.
Pharmazeutische Erzeugnisse:
Ein Stopp der Lieferung von Gas an die Pharmaindustrie in Deutschland könne die Produktion lebenswichtiger Medikamente gefährden, warnen Branchenvertreter. Auch das angespannte Verhältnis zu China trage dazu bei. Sowohl DAX-Unternehmen wie BASF als auch Mittelständler aus der Branche sind zum Teil deutlich auf Energieträger aus Russland angewiesen, sowohl in der eigenen Herstellung als auch mit Fokus auf chemische Vorprodukte. Auch hier beträgt der Anteil der russischen Energie etwa ein Fünftel des Gesamtvolumens.
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•NEUER BEITRAG17.11.2022, 15:08 Uhr
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Die Kosten der Wirtschaftskriege
'Russland-Sanktionen wirkten „anders als erwartet“' - dumm gelaufen; und dann auch noch 'zum Nachteil des Westens' - ach, nee, wie konnte sowas nur passieren???
Informativ + lesenswert ein Artikel auf german-foreign-policy vom 9. November 2022:
„Der Irrweg der Sanktionen“
Deutscher Experte übt scharfe Kritik an den Russland-Sanktionen: Diese wirkten „anders als erwartet“ – zum Nachteil des Westens. Indien will die Sanktionsallianz im G20-Rahmen zur Rede stellen.
BERLIN (Eigener Bericht) – Zum ersten Mal wird im außenpolitischen Establishment der Bundesrepublik scharfe Kritik am Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland laut. Wie es in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Internationale Politik (IP) heißt, haben die Staaten Nordamerikas und Europas mit ihren Sanktionen einen „Irrweg“ eingeschlagen, den sie rasch verlassen müssten. Falsch eingeschätzt habe die westliche Sanktionsallianz nicht nur die Fähigkeit der russischen Bevölkerung, die Zwangsmaßnahmen durchzustehen, sondern auch die Folgen im internationalen Finanzsystem: Dort zeichne sich eine zunehmende Abkehr von westlichen Finanzinstrumenten und Währungen ab, um etwaige künftige Sanktionen der transatlantischen Mächte von vornherein auszuhebeln. Zudem habe die Sanktionsallianz den Unmut in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas unterschätzt, die keinen Einfluss auf die Sanktionsentscheidungen hätten, aber teils schwer durch sie geschädigt würden. Indiens Finanzministerin Nirmala Sitharaman kündigt an, die westlichen Mächte im Rahmen der G20 wegen ihrer Sanktionspolitik zur Rede stellen zu wollen. New Delhi übernimmt in Kürze den Vorsitz in dem Zusammenschluss.
Sanktionserfahren
Im außenpolitischen Establishment der Bundesrepublik werden mittlerweile erste Stimmen laut, die den Wirtschaftskrieg gegen Russland als „Irrweg“ einstufen und zu einer raschen Beendigung der Sanktionen raten. So heißt es in einem Beitrag, den Heribert Dieter von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) für die aktuelle Ausgabe des Fachblattes Internationale Politik (IP) verfasst hat, zwar zeigten die Sanktionen durchaus Wirkung – jedoch „ganz anders, als von den Sanktionsbefürwortern erwartet“.[1] „Die Sanktionsallianz hat mindestens drei Dimensionen ihrer Maßnahmen entweder falsch eingeschätzt oder nicht bedacht“, schreibt Dieter. Das gelte zunächst für „die Fähigkeit der russischen Gesellschaft, Sanktionen zu bewältigen“; diese sei viel größer als vermutet: „Die Menschen in Russland kennen Sanktionen und wissen damit zu leben.“ Ursache sei, dass schon die Sowjetunion im Kalten Krieg „immer wieder mit Wirtschaftssanktionen konfrontiert“ worden sei. „Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen“, konstatiert Dieter, „dürfte die russische Gesellschaft ein Maß an Improvisationskunst und Leidensfähigkeit entwickelt haben“, das dasjenige „westlicher Gesellschaften deutlich übersteigt“.
Alternativen zum Westen
Falsch eingeschätzt hat die Sanktionsallianz laut Dieter zweitens die Folgen der Sanktionen für den Finanzsektor. So habe etwa der Ausschluss russischer Banken vom Zahlungssystem SWIFT „die Suche nach Alternativen“ befeuert; der chinesische Konkurrent CIPS habe bereits von Mai bis Juli „eine starke Zunahme von Transaktionen“ verzeichnet.[2] Je länger die Sanktionen beibehalten würden, „desto mehr werden nichtwestliche Länder Wege zur Abwicklung von Zahlungen außerhalb des westlichen Finanzsystems finden“; damit schade die Sanktionsallianz sich selbst. Hinzu komme, „dass Währungsreserven an Attraktivität verlieren“, weil seit dem Einfrieren russischer Währungsreserven stets „das latente Risiko“ bestehe, dass „Forderungen in fremder Währung beschlagnahmt werden“. „Künftig werden Reserven verstärkt in anderer Form gehalten werden“, sagt Dieter voraus – „etwa in Gold, Kryptowährungen oder möglicherweise sogar in Form von Staatsanleihen von Schwellenländern“. Eine mögliche „Umschichtung der Währungsreserven nichtwestlicher Länder“ werde dabei aller Wahrscheinlichkeit nach auch „einen weiteren Beitrag zum Anstieg des Zinsniveaus in OECD-Ländern leisten“.
Neoimperialismus
Nicht vorausgesehen hat die Sanktionsallianz laut Dieter darüber hinaus die Reaktion der nichtwestlichen Welt. Die Sanktionen träfen „alle mit Russland Handel treibenden Staaten“ – „aber nichtwestliche Länder wurden vor Verhängung der Sanktionen nicht konsultiert oder gar um Zustimmung gebeten“, hält der SWP-Experte fest, der auch am National Institute of Advanced Studies im indischen Bengaluru lehrt und dort beobachtet hat: „In Indien etwa sorgt dies für anhaltende Verstimmung.“[3] „Die Verärgerung asiatischer, südamerikansicher und afrikanischer Länder über die Art und Weise der Sanktionsverhängung“ sei „für den strategisch sehr viel wichtigeren geopolitischen Konflikt mit China ... ein schlechtes Omen“. Schon im März habe die vormalige Chefökonomin der Weltbank Pinelopi Goldberg gewarnt, die westlichen Russland-Sanktionen schadeten allen Ländern und seien „der letzte Sargnagel für die regelbasierte internationale Handelsordnung“. Dieter zitiert zudem den britischen Guardian, in dem es bereits im Juli kritisch über die Sanktionen hieß: „Sie basieren auf der neoimperialistischen Annahme, dass westliche Staaten berechtigt seien, die Welt zu ordnen, wie sie wollen.“[4]
Im Interesse der Bevölkerung
Dieter weist darauf hin, dass die Folgen der Sanktionen und der russischen Gegensanktionen „in vielen Ländern der Europäischen Union, aber auch in Entwicklungs- und Schwellenländern“ bereits „schmerzlich zu spüren“ sind: „Schon im Interesse der eigenen Bevölkerung wäre es geboten, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufzuheben.“[5] Letzteres scheint Umfragen zufolge zumindest in Deutschland noch nicht notwendig zu sein. So waren Anfang Oktober bei einer Umfrage zwar 57 Prozent aller Befragten überzeugt, die Sanktionen träfen die Bundesrepublik härter als Russland; gerade einmal 21 Prozent gingen vom Gegenteil aus. Dennoch sprachen sich 33 Prozent dafür aus, die Russland-Sanktionen beizubehalten; weitere 30 Prozent wollten sie sogar noch verschärfen. Nur 18 Prozent waren für eine Lockerung, 12 Prozent für eine Aufhebung der Zwangsmaßnahmen.[6] Ob die Unterstützung für die Sanktionen den herannahenden Winter übersteht, ist freilich ungewiss.
Zur Rede stellen
Wachsende Unruhe zeichnet sich allerdings in den Schwellen- und Entwicklungsländern ab, die unter den Folgen der Sanktionen leiden. In der vergangenen Woche kündigte die indische Finanzministerin Nirmala Sitharaman an, man werde über die Russland-Sanktionen im G20-Rahmen sprechen: Die aktuelle Nahrungsmittelkrise und weitere gravierende Probleme seien „eine Folgewirkung bestimmter Entscheidungen, und diese müssen diskutiert werden“.[7] Es wäre das erste Mal, dass der Westen sich für seine Gewaltpolitik in einem für die praktische Politik wichtigen internationalen Zusammenschluss verteidigen muss. Indien übernimmt zum 1. Dezember den G20-Vorsitz für das nächste Jahr.
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#Wirtschaftskriege
#Sanktionen
#Nahrungsmittelkrise
Informativ + lesenswert ein Artikel auf german-foreign-policy vom 9. November 2022:
„Der Irrweg der Sanktionen“
Deutscher Experte übt scharfe Kritik an den Russland-Sanktionen: Diese wirkten „anders als erwartet“ – zum Nachteil des Westens. Indien will die Sanktionsallianz im G20-Rahmen zur Rede stellen.
BERLIN (Eigener Bericht) – Zum ersten Mal wird im außenpolitischen Establishment der Bundesrepublik scharfe Kritik am Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland laut. Wie es in einem Beitrag für die Fachzeitschrift Internationale Politik (IP) heißt, haben die Staaten Nordamerikas und Europas mit ihren Sanktionen einen „Irrweg“ eingeschlagen, den sie rasch verlassen müssten. Falsch eingeschätzt habe die westliche Sanktionsallianz nicht nur die Fähigkeit der russischen Bevölkerung, die Zwangsmaßnahmen durchzustehen, sondern auch die Folgen im internationalen Finanzsystem: Dort zeichne sich eine zunehmende Abkehr von westlichen Finanzinstrumenten und Währungen ab, um etwaige künftige Sanktionen der transatlantischen Mächte von vornherein auszuhebeln. Zudem habe die Sanktionsallianz den Unmut in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas unterschätzt, die keinen Einfluss auf die Sanktionsentscheidungen hätten, aber teils schwer durch sie geschädigt würden. Indiens Finanzministerin Nirmala Sitharaman kündigt an, die westlichen Mächte im Rahmen der G20 wegen ihrer Sanktionspolitik zur Rede stellen zu wollen. New Delhi übernimmt in Kürze den Vorsitz in dem Zusammenschluss.
Sanktionserfahren
Im außenpolitischen Establishment der Bundesrepublik werden mittlerweile erste Stimmen laut, die den Wirtschaftskrieg gegen Russland als „Irrweg“ einstufen und zu einer raschen Beendigung der Sanktionen raten. So heißt es in einem Beitrag, den Heribert Dieter von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) für die aktuelle Ausgabe des Fachblattes Internationale Politik (IP) verfasst hat, zwar zeigten die Sanktionen durchaus Wirkung – jedoch „ganz anders, als von den Sanktionsbefürwortern erwartet“.[1] „Die Sanktionsallianz hat mindestens drei Dimensionen ihrer Maßnahmen entweder falsch eingeschätzt oder nicht bedacht“, schreibt Dieter. Das gelte zunächst für „die Fähigkeit der russischen Gesellschaft, Sanktionen zu bewältigen“; diese sei viel größer als vermutet: „Die Menschen in Russland kennen Sanktionen und wissen damit zu leben.“ Ursache sei, dass schon die Sowjetunion im Kalten Krieg „immer wieder mit Wirtschaftssanktionen konfrontiert“ worden sei. „Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen“, konstatiert Dieter, „dürfte die russische Gesellschaft ein Maß an Improvisationskunst und Leidensfähigkeit entwickelt haben“, das dasjenige „westlicher Gesellschaften deutlich übersteigt“.
Alternativen zum Westen
Falsch eingeschätzt hat die Sanktionsallianz laut Dieter zweitens die Folgen der Sanktionen für den Finanzsektor. So habe etwa der Ausschluss russischer Banken vom Zahlungssystem SWIFT „die Suche nach Alternativen“ befeuert; der chinesische Konkurrent CIPS habe bereits von Mai bis Juli „eine starke Zunahme von Transaktionen“ verzeichnet.[2] Je länger die Sanktionen beibehalten würden, „desto mehr werden nichtwestliche Länder Wege zur Abwicklung von Zahlungen außerhalb des westlichen Finanzsystems finden“; damit schade die Sanktionsallianz sich selbst. Hinzu komme, „dass Währungsreserven an Attraktivität verlieren“, weil seit dem Einfrieren russischer Währungsreserven stets „das latente Risiko“ bestehe, dass „Forderungen in fremder Währung beschlagnahmt werden“. „Künftig werden Reserven verstärkt in anderer Form gehalten werden“, sagt Dieter voraus – „etwa in Gold, Kryptowährungen oder möglicherweise sogar in Form von Staatsanleihen von Schwellenländern“. Eine mögliche „Umschichtung der Währungsreserven nichtwestlicher Länder“ werde dabei aller Wahrscheinlichkeit nach auch „einen weiteren Beitrag zum Anstieg des Zinsniveaus in OECD-Ländern leisten“.
Neoimperialismus
Nicht vorausgesehen hat die Sanktionsallianz laut Dieter darüber hinaus die Reaktion der nichtwestlichen Welt. Die Sanktionen träfen „alle mit Russland Handel treibenden Staaten“ – „aber nichtwestliche Länder wurden vor Verhängung der Sanktionen nicht konsultiert oder gar um Zustimmung gebeten“, hält der SWP-Experte fest, der auch am National Institute of Advanced Studies im indischen Bengaluru lehrt und dort beobachtet hat: „In Indien etwa sorgt dies für anhaltende Verstimmung.“[3] „Die Verärgerung asiatischer, südamerikansicher und afrikanischer Länder über die Art und Weise der Sanktionsverhängung“ sei „für den strategisch sehr viel wichtigeren geopolitischen Konflikt mit China ... ein schlechtes Omen“. Schon im März habe die vormalige Chefökonomin der Weltbank Pinelopi Goldberg gewarnt, die westlichen Russland-Sanktionen schadeten allen Ländern und seien „der letzte Sargnagel für die regelbasierte internationale Handelsordnung“. Dieter zitiert zudem den britischen Guardian, in dem es bereits im Juli kritisch über die Sanktionen hieß: „Sie basieren auf der neoimperialistischen Annahme, dass westliche Staaten berechtigt seien, die Welt zu ordnen, wie sie wollen.“[4]
Im Interesse der Bevölkerung
Dieter weist darauf hin, dass die Folgen der Sanktionen und der russischen Gegensanktionen „in vielen Ländern der Europäischen Union, aber auch in Entwicklungs- und Schwellenländern“ bereits „schmerzlich zu spüren“ sind: „Schon im Interesse der eigenen Bevölkerung wäre es geboten, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufzuheben.“[5] Letzteres scheint Umfragen zufolge zumindest in Deutschland noch nicht notwendig zu sein. So waren Anfang Oktober bei einer Umfrage zwar 57 Prozent aller Befragten überzeugt, die Sanktionen träfen die Bundesrepublik härter als Russland; gerade einmal 21 Prozent gingen vom Gegenteil aus. Dennoch sprachen sich 33 Prozent dafür aus, die Russland-Sanktionen beizubehalten; weitere 30 Prozent wollten sie sogar noch verschärfen. Nur 18 Prozent waren für eine Lockerung, 12 Prozent für eine Aufhebung der Zwangsmaßnahmen.[6] Ob die Unterstützung für die Sanktionen den herannahenden Winter übersteht, ist freilich ungewiss.
Zur Rede stellen
Wachsende Unruhe zeichnet sich allerdings in den Schwellen- und Entwicklungsländern ab, die unter den Folgen der Sanktionen leiden. In der vergangenen Woche kündigte die indische Finanzministerin Nirmala Sitharaman an, man werde über die Russland-Sanktionen im G20-Rahmen sprechen: Die aktuelle Nahrungsmittelkrise und weitere gravierende Probleme seien „eine Folgewirkung bestimmter Entscheidungen, und diese müssen diskutiert werden“.[7] Es wäre das erste Mal, dass der Westen sich für seine Gewaltpolitik in einem für die praktische Politik wichtigen internationalen Zusammenschluss verteidigen muss. Indien übernimmt zum 1. Dezember den G20-Vorsitz für das nächste Jahr.
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•NEUER BEITRAG09.01.2023, 20:33 Uhr
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Die Kosten der Wirtschaftskriege
Vor ein paar Tagen, am 6. Jan., hat der BRD-Wirtschaftsminister Habeck eine Rede gehalten, in der er bestätigte, was er zuvor immer als "russische Propaganda" beschimpfte. Nämlich die Auswirkungen der Sanktionits auf die BRD-Wirtschaft ...
Dazu ein Kommentar von Dagmar Henn auf RTdeutsch heute:
Habeck gesteht: Deutschland droht "der wirtschaftliche Zusammenbruch"
All die Monate hieß es, das alles sei kein Problem, man müsse sich keine Sorgen machen um die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Wenn alle nur genügend frieren und verdunkeln würden, werde in Deutschland alles gut gehen. Aber jetzt bestätigt Habeck selbst, was er zuvor immer als "russische Propaganda" beschimpfte.
Hat der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sein Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz inzwischen so weit von jeder Kompetenz gesäubert, dass nicht einmal mehr jemand übrig ist, der einen Redeentwurf auf Englisch wenigstens Korrektur lesen könnte? Wenn man seinem Vortrag in Oslo lauscht ( Link ...jetzt anmelden! ), drängt sich einem dieser Eindruck auf. Selbst eine mittelmäßige Fremdsprachensekretärin müsste imstande sein, ihm zu erklären, dass das nicht "dependency of Russian gas" oder "need of the battlefield" heißt – außer, man wolle darüber reden, wovon das russische Gas abhängt, oder erklären, dass man das Schlachtfeld brauche.
Wobei auch solche Gedanken bei Habeck durchaus im Bereich des Möglichen liegen. Denn immerhin sind die historischen Erinnerungen des Herrn Ministers "etwas" verzerrt, um es milde zu formulieren: "Wir waren uns sicher, dass Gewalt und Imperialismus als Mittel der Politik abgeschafft worden wären. Zumindest in Europa." Das ist schwer nachvollziehbar aus dem Mund eines Politikers eben jener Partei, für die der NATO-Angriff auf Jugoslawien am Ende des vergangenen Jahrhunderts eine große politische Zerreißprobe war; aber nahe genug an der Gegenwart, dass auch das Gedächtnis eines Robert Habeck Details noch kennen müsste. Das bombardierte Belgrad liegt bekanntlich ebenfalls in Europa, und die Bombardierung war eindeutig ein Akt der Gewalt als Mittel der Politik.
Nein, Details sind Habecks Sache nicht. 2015 soll Putin eine Gegend namens Krimenja besetzt und "seinen Krieg in der Ukraine begonnen" haben. Dabei war es die Putschregierung in Kiew, die Proteste mit den gleichen Mitteln, wie sie sie zuvor in der Westukraine zur Anwendung brachte – wie die Erstürmung und Besetzung von Verwaltungsgebäuden – plötzlich zum Anlass nahm, einen Bürgerkrieg zu beginnen. Dass sich solch ein Bürgerkrieg auf der Krim nicht entfaltete, hätte eigentlich ganz Westeuropa mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen sollen, denn die Alternative zum russischen Eingreifen wäre die Gefahr gewesen, dass die teils nukleare Bewaffnung der russischen Schwarzmeerflotte womöglich in die Hände neonazistischer Milizen fällt; aber so punktgenau hat die Risiken im Zusammenhang mit der Krim niemand in Deutschland ausgesprochen. Da ist es keine besondere Verfehlung von Habeck, dass auch er das nicht begriffen hatte.
Allerdings, nachdem seine Parteigenossin, die derzeitige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, daran beteiligt war, den Friedensplan der Minsker Vereinbarungen endgültig zu entsorgen, wäre eine gewisse Wahrnehmung auch der eigenen Verantwortung durchaus angebracht gewesen. Immerhin hätte noch fast den ganzen Februar des vergangenen Jahres die Chance bestanden, die ukrainische Krise in Richtung Frieden zu lösen – wenn, ja wenn nur die Deutschen und die Franzosen ihren entsprechenden Verpflichtungen nachgekommen wären oder auch nur hätten nachkommen wollen.
Wie und warum das Ausbleiben russischer Erdgaslieferungen für Deutschland zu einem Problem wurde, erkennt oder benennt er ebenfalls nicht. Kein Wunder, war er es doch selbst, der sich seit Langem mühte, Nord Stream 2 gar nicht erst in Betrieb gehen zu lassen; waren es doch die westlichen Sanktionen, die dazu führten, dass Nord Stream 1 nicht mehr mit betriebsfähig gewarteten Kompressoren ausgerüstet werden konnte. Das wurde dann ausgerechnet aus dem Land, das den TÜV erfunden hat, als übertriebene russische Pingeligkeit dargestellt – ganz so, als dürfte in Deutschland jemals ein Kompressor für eine Gaspipeline ohne vollständig eingehaltene technische Dokumentation in Betrieb genommen werden. Habeck und seine Partei waren es auch, die auch Anfang 2022 noch davon tönten, eigentlich dürfe man gar kein russisches Gas brauchen. Deshalb nahm vermutlich auch Habeck erfreut zur Kenntnis, als die Sprengung der Pipelines in der Ostsee im September endlich dafür sorgte, dass es auf lange Sicht gar nicht mehr geliefert werden konnte.
Das alles muss einfach irgendwie geschehen sein, vermutlich war es Putin. Habeck jedenfalls hat mit all dem nichts zu tun. Auch wenn er an anderer Stelle dann betont, "ein gewisses Maß an Rücksichtslosigkeit schaffe Gelegenheiten". Auf diese Einleitung folgt eine Zukunftsfantasie, der jede reale Basis abgeht: "Dekarbonisierter Wasserstoff", der per Pipeline aus Norwegen nach Deutschland fließen solle, werde zukünftig gar mit Hilfe von Offshore-Windparks erzeugt.
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Dazu ein Kommentar von Dagmar Henn auf RTdeutsch heute:
Habeck gesteht: Deutschland droht "der wirtschaftliche Zusammenbruch"
All die Monate hieß es, das alles sei kein Problem, man müsse sich keine Sorgen machen um die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Wenn alle nur genügend frieren und verdunkeln würden, werde in Deutschland alles gut gehen. Aber jetzt bestätigt Habeck selbst, was er zuvor immer als "russische Propaganda" beschimpfte.
Hat der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sein Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz inzwischen so weit von jeder Kompetenz gesäubert, dass nicht einmal mehr jemand übrig ist, der einen Redeentwurf auf Englisch wenigstens Korrektur lesen könnte? Wenn man seinem Vortrag in Oslo lauscht ( Link ...jetzt anmelden! ), drängt sich einem dieser Eindruck auf. Selbst eine mittelmäßige Fremdsprachensekretärin müsste imstande sein, ihm zu erklären, dass das nicht "dependency of Russian gas" oder "need of the battlefield" heißt – außer, man wolle darüber reden, wovon das russische Gas abhängt, oder erklären, dass man das Schlachtfeld brauche.
Wobei auch solche Gedanken bei Habeck durchaus im Bereich des Möglichen liegen. Denn immerhin sind die historischen Erinnerungen des Herrn Ministers "etwas" verzerrt, um es milde zu formulieren: "Wir waren uns sicher, dass Gewalt und Imperialismus als Mittel der Politik abgeschafft worden wären. Zumindest in Europa." Das ist schwer nachvollziehbar aus dem Mund eines Politikers eben jener Partei, für die der NATO-Angriff auf Jugoslawien am Ende des vergangenen Jahrhunderts eine große politische Zerreißprobe war; aber nahe genug an der Gegenwart, dass auch das Gedächtnis eines Robert Habeck Details noch kennen müsste. Das bombardierte Belgrad liegt bekanntlich ebenfalls in Europa, und die Bombardierung war eindeutig ein Akt der Gewalt als Mittel der Politik.
Nein, Details sind Habecks Sache nicht. 2015 soll Putin eine Gegend namens Krimenja besetzt und "seinen Krieg in der Ukraine begonnen" haben. Dabei war es die Putschregierung in Kiew, die Proteste mit den gleichen Mitteln, wie sie sie zuvor in der Westukraine zur Anwendung brachte – wie die Erstürmung und Besetzung von Verwaltungsgebäuden – plötzlich zum Anlass nahm, einen Bürgerkrieg zu beginnen. Dass sich solch ein Bürgerkrieg auf der Krim nicht entfaltete, hätte eigentlich ganz Westeuropa mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen sollen, denn die Alternative zum russischen Eingreifen wäre die Gefahr gewesen, dass die teils nukleare Bewaffnung der russischen Schwarzmeerflotte womöglich in die Hände neonazistischer Milizen fällt; aber so punktgenau hat die Risiken im Zusammenhang mit der Krim niemand in Deutschland ausgesprochen. Da ist es keine besondere Verfehlung von Habeck, dass auch er das nicht begriffen hatte.
Allerdings, nachdem seine Parteigenossin, die derzeitige Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, daran beteiligt war, den Friedensplan der Minsker Vereinbarungen endgültig zu entsorgen, wäre eine gewisse Wahrnehmung auch der eigenen Verantwortung durchaus angebracht gewesen. Immerhin hätte noch fast den ganzen Februar des vergangenen Jahres die Chance bestanden, die ukrainische Krise in Richtung Frieden zu lösen – wenn, ja wenn nur die Deutschen und die Franzosen ihren entsprechenden Verpflichtungen nachgekommen wären oder auch nur hätten nachkommen wollen.
Wie und warum das Ausbleiben russischer Erdgaslieferungen für Deutschland zu einem Problem wurde, erkennt oder benennt er ebenfalls nicht. Kein Wunder, war er es doch selbst, der sich seit Langem mühte, Nord Stream 2 gar nicht erst in Betrieb gehen zu lassen; waren es doch die westlichen Sanktionen, die dazu führten, dass Nord Stream 1 nicht mehr mit betriebsfähig gewarteten Kompressoren ausgerüstet werden konnte. Das wurde dann ausgerechnet aus dem Land, das den TÜV erfunden hat, als übertriebene russische Pingeligkeit dargestellt – ganz so, als dürfte in Deutschland jemals ein Kompressor für eine Gaspipeline ohne vollständig eingehaltene technische Dokumentation in Betrieb genommen werden. Habeck und seine Partei waren es auch, die auch Anfang 2022 noch davon tönten, eigentlich dürfe man gar kein russisches Gas brauchen. Deshalb nahm vermutlich auch Habeck erfreut zur Kenntnis, als die Sprengung der Pipelines in der Ostsee im September endlich dafür sorgte, dass es auf lange Sicht gar nicht mehr geliefert werden konnte.
Das alles muss einfach irgendwie geschehen sein, vermutlich war es Putin. Habeck jedenfalls hat mit all dem nichts zu tun. Auch wenn er an anderer Stelle dann betont, "ein gewisses Maß an Rücksichtslosigkeit schaffe Gelegenheiten". Auf diese Einleitung folgt eine Zukunftsfantasie, der jede reale Basis abgeht: "Dekarbonisierter Wasserstoff", der per Pipeline aus Norwegen nach Deutschland fließen solle, werde zukünftig gar mit Hilfe von Offshore-Windparks erzeugt.
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•NEUER BEITRAG09.01.2023, 20:36 Uhr
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Dabei hat man mittlerweile verblüfft festgestellt, dass die Turbinen in Offshore-Windparks eine kürzere Lebensdauer als jene an Land haben – Menschen, die schon einmal die Gelegenheit hatten, das Zusammenspiel von Metall, Salzwasser und Luft länger zu beobachten, hätten das vorhersagen können. Diese Anlagen würden daher ein noch ungünstigeres Kosten-Nutzen-Verhältnis liefern als jene an Land. Und dass ein Pipeline-Transport von Wasserstoff immer noch unerprobt ist und schon allein deshalb auf große Probleme stößt, weil H2 – aus zwei Wasserstoffatomen – nun einmal das kleinste Molekül der kleinsten Atome des ganzen Periodensystems ist. Aber das ficht Habeck nicht an: "Vielleicht ist die Lektion, die gelernt wurde, ja, dass das Leben in einer Zeit der Krise das neue Normal ist."
Auf Twitter fanden User den passenden Begriff, um Habecks Verhältnis zu seinem Ressort zu kennzeichnen: Transkompetenz.
Einzig an einer Stelle sagte Habeck überraschenderweise die Wahrheit und widersprach damit deutlich der Zuversicht, die er den Deutschen all die Monate über einreden wollte: Deutschland habe "vor der Herausforderung eines drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs" gestanden. "Nichts weniger stand damals auf dem Spiel. Und ein wirtschaftlicher Zusammenbruch in Deutschland hätte zweifellos zu einer wirtschaftlichen Apokalypse in Europa geführt."
War das nicht bisher stets "böse russische Propaganda", von einem wirtschaftlichen Zusammenbruch (in Deutschland!) zu reden? "So herausfordernd, wie diese Bedrohungen waren und noch sind ..." wagte es Habeck weit genug entfernt vom heimischen Publikum, das nach seinen Anleitungen durch Frieren und Stinken vermeintlich sicher durch den Winter kommen sollte, die Dinge zumindest ein einziges Mal so zu benennen, wie sie sind. Auch wenn er sofort wieder behauptet, für den Moment sei alles sicher – durch mehr norwegisches Erdgas – und sogar die Inflation sei ja noch "milder als erwartet".
Hiermit ist es also amtlich aus dem Mundes eines Bundesministers des zuständigen Ressorts, wenn auch in erbärmlichstem Englisch hinausgestolpert: die Politik der "Ampel"-Koalition und insbesondere jene des Bundeswirtschaftsministers hat eine dermaßen große Gefahr eines wirtschaftlichen Kollaps erzeugt, dass selbst Habeck dies eingestehen musste. Eigentlich wäre das der Moment, an dem der dafür verantwortliche Minister still und mit gesenktem Kopf seinen Hut nimmt.
Doch Habeck ist nicht nur transkompetent – außer vielleicht bei der Bestellung und Bestallung eines Hoffotografen. Er ist auch transverantwortlich.
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Dabei hat man mittlerweile verblüfft festgestellt, dass die Turbinen in Offshore-Windparks eine kürzere Lebensdauer als jene an Land haben – Menschen, die schon einmal die Gelegenheit hatten, das Zusammenspiel von Metall, Salzwasser und Luft länger zu beobachten, hätten das vorhersagen können. Diese Anlagen würden daher ein noch ungünstigeres Kosten-Nutzen-Verhältnis liefern als jene an Land. Und dass ein Pipeline-Transport von Wasserstoff immer noch unerprobt ist und schon allein deshalb auf große Probleme stößt, weil H2 – aus zwei Wasserstoffatomen – nun einmal das kleinste Molekül der kleinsten Atome des ganzen Periodensystems ist. Aber das ficht Habeck nicht an: "Vielleicht ist die Lektion, die gelernt wurde, ja, dass das Leben in einer Zeit der Krise das neue Normal ist."
Auf Twitter fanden User den passenden Begriff, um Habecks Verhältnis zu seinem Ressort zu kennzeichnen: Transkompetenz.
Einzig an einer Stelle sagte Habeck überraschenderweise die Wahrheit und widersprach damit deutlich der Zuversicht, die er den Deutschen all die Monate über einreden wollte: Deutschland habe "vor der Herausforderung eines drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs" gestanden. "Nichts weniger stand damals auf dem Spiel. Und ein wirtschaftlicher Zusammenbruch in Deutschland hätte zweifellos zu einer wirtschaftlichen Apokalypse in Europa geführt."
War das nicht bisher stets "böse russische Propaganda", von einem wirtschaftlichen Zusammenbruch (in Deutschland!) zu reden? "So herausfordernd, wie diese Bedrohungen waren und noch sind ..." wagte es Habeck weit genug entfernt vom heimischen Publikum, das nach seinen Anleitungen durch Frieren und Stinken vermeintlich sicher durch den Winter kommen sollte, die Dinge zumindest ein einziges Mal so zu benennen, wie sie sind. Auch wenn er sofort wieder behauptet, für den Moment sei alles sicher – durch mehr norwegisches Erdgas – und sogar die Inflation sei ja noch "milder als erwartet".
Hiermit ist es also amtlich aus dem Mundes eines Bundesministers des zuständigen Ressorts, wenn auch in erbärmlichstem Englisch hinausgestolpert: die Politik der "Ampel"-Koalition und insbesondere jene des Bundeswirtschaftsministers hat eine dermaßen große Gefahr eines wirtschaftlichen Kollaps erzeugt, dass selbst Habeck dies eingestehen musste. Eigentlich wäre das der Moment, an dem der dafür verantwortliche Minister still und mit gesenktem Kopf seinen Hut nimmt.
Doch Habeck ist nicht nur transkompetent – außer vielleicht bei der Bestellung und Bestallung eines Hoffotografen. Er ist auch transverantwortlich.
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Die Kosten der Wirtschaftskriege
Am 25. Jan. in der jW:
Handelsdefizit mit Russland auf Rekordhoch
Berlin. Die deutschen Exporte nach Russland sind 2022 infolge der westlichen Wirtschaftssanktionen so niedrig ausgefallen wie seit 2003 nicht mehr. Sie brachen binnen Jahresfrist um rund 45 Prozent auf 14,6 Milliarden Euro ein, wie aus vorläufigen Daten des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft e. V. hervorgeht, die Reuters am Dienstag vorlagen. Dagegen wuchsen die Importe aus Russland aufgrund hoher Öl- und Gaspreise um elf Prozent auf etwa 37 Milliarden Euro. Das deutsche Handelsdefizit mit Russland erreichte dadurch einen Rekordwert: Die Importe übertrafen die Exporte um rund 22 Milliarden Euro. (Reuters/jW)
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Handelsdefizit mit Russland auf Rekordhoch
Berlin. Die deutschen Exporte nach Russland sind 2022 infolge der westlichen Wirtschaftssanktionen so niedrig ausgefallen wie seit 2003 nicht mehr. Sie brachen binnen Jahresfrist um rund 45 Prozent auf 14,6 Milliarden Euro ein, wie aus vorläufigen Daten des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft e. V. hervorgeht, die Reuters am Dienstag vorlagen. Dagegen wuchsen die Importe aus Russland aufgrund hoher Öl- und Gaspreise um elf Prozent auf etwa 37 Milliarden Euro. Das deutsche Handelsdefizit mit Russland erreichte dadurch einen Rekordwert: Die Importe übertrafen die Exporte um rund 22 Milliarden Euro. (Reuters/jW)
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•NEUER BEITRAG05.03.2023, 22:23 Uhr
EDIT: arktika
05.03.2023, 22:29 Uhr
05.03.2023, 22:29 Uhr
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Am 1. März auf gfp:
Die Kosten des Wirtschaftskriegs
Wirtschaftskrieg gegen Russland führt zur ersten Dauerstilllegung einer großen deutschen Industrieanlage. Ukraine-Krieg und Wirtschaftskrieg kosten Deutschland 2023 175 Milliarden Euro.
BERLIN (Eigener Bericht) – Der Wirtschaftskrieg gegen Russland führt zur ersten dauerhaften Stilllegung einer großen Industrieanlage in Deutschland. BASF kündigt an, eine seiner zwei Anlagen zur Ammoniakproduktion in Ludwigshafen endgültig außer Betrieb zu nehmen. Hauptursache sind die wegen des Ausstiegs aus russischem Pipelinegas massiv gestiegenen Erdgaskosten. Einige tausend Arbeitsplätze gehen verloren. Die Chemiebranche rechnet mit weiteren Einbrüchen. Bereits zum Jahresende erwirtschaftete ein Viertel der deutschen Chemieunternehmen Verluste; rund zehn Prozent waren dabei, Anlagen endgültig stillzulegen. Auch jenseits der Chemiebranche rechnet die Wirtschaft in diesem Jahr mit erheblichen Schwierigkeiten. Eine Umfrage des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergab, dass sich 30 Prozent aller deutschen Firmen auf mittlere, weitere 30 Prozent auf schwere Beeinträchtigungen ihrer Produktion einstellen. Als eine der Hauptursachen werden die gestiegenen Energiekosten genannt. Insgesamt droht Deutschland laut IW alleine im laufenden Jahr wegen des Ukraine-Kriegs und des westlichen Wirtschaftskriegs ein Wohlstandsverlust von 175 Milliarden Euro.
Aussicht auf Verluste
Die Aussichten für das Jahr 2023 werden in der deutschen Wirtschaft insgesamt als wenig günstig eingestuft. Dies geht aus einer Umfrage hervor, die das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln unter 2.549 Firmen in allen Bundesländern durchführte.[1] Bereits im vergangenen Jahr gründete das preisbereinigte Wachstum von 1,9 Prozent vor allem auf dem privaten Konsum, der nach der Covid-19-Pandemie erheblichen Nachholbedarf erkennen ließ, allerdings im vierten Quartal 2022 schon wieder schrumpfte. Die Industrie kam im Gesamtjahr 2022 nicht über Stagnation hinaus.[2] Als wichtigste Ursache galten dabei neben fortdauernden Störungen in den Lieferketten vor allem die heftig gestiegenen Energiepreise. Diese werden laut Einschätzung von über 60 Prozent der vom IW befragten Unternehmen auch 2023 zu ernsten Problemen führen, wobei 30 Prozent mit mittleren, 30 Prozent sogar mit schweren Beeinträchtigungen durch hohe Energiepreise oder gar Einschränkungen in der Energieversorgung rechnen. Von Produktionsstörungen gehen insgesamt rund 85 Prozent aller Unternehmen aus; 27 Prozent hoffen, die Ausfälle auf bis zu 5 Prozent begrenzen zu können, 32 Prozent rechnen mit Ausfällen von 5 bis 10, 21 Prozent von 10 bis 20 Prozent.[3]
175 Milliarden Euro
Das IW hat den Wohlstandsverlust, der durch die erwarteten Produktionsstörungen entsteht, in seiner Gesamtsumme zu beziffern versucht. Dazu hat es rein rechnerisch die ökonomische Entwicklung vor dem Beginn von Krieg und Wirtschaftskrieg fortgeschrieben und diese mit der Entwicklung verglichen, wie sie unter den Bedingungen von Krieg und Wirtschaftskrieg erwartet wird. Demnach ist für 2023 mit einem Wohlstandsverlust in Höhe von rund 175 Milliarden Euro zu rechnen – preisbereinigt annähernd 4,5 Prozent des gesamten deutschen Bruttoinlandsproduktes.[4] „Die direkten Wohlstandsverluste lassen sich somit auf 2.000 Euro pro Einwohner beziffern“, konstatiert das IW. Dies führt freilich insofern ein wenig in die Irre, als der Wohlstand in der Bundesrepublik nicht auf alle Einwohner gleich verteilt wird. Das IW erinnert daran, dass bereits die Covid-19-Pandemie zu einem ganz erheblichen Wohlstandsverlust geführt hat – 175 Milliarden Euro im Jahr 2020, 125 Milliarden Euro im Jahr 2021. Im vergangenen Jahr verursachten Krieg und Wirtschaftskrieg dann Einbußen von ungefähr 120 Milliarden Euro. In den vier Jahren von 2020 bis 2023 zusammengenommen erreichen die Produktionsausfälle in Deutschland demnach rund 595 Milliarden Euro.
1,65 Billionen US-Dollar
Ebenfalls zu berechnen versucht hat das IW den Wohlstandsverlust, der durch Krieg und Wirtschaftskrieg weltweit entsteht. Dabei geht es laut dem Institut vor allem um Einbußen, die durch die in die Höhe geschnellten Energiepreise verursacht werden; insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern kamen Mangel an ukrainischem Getreide und an russischen Düngemitteln hinzu, mit teils dramatischen Folgen (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Die „in vielen Ländern erheblich höheren Erzeugerpreise“ hätten „die Verbraucherpreise in die Höhe“ getrieben und so „das Versorgungsniveau vor allem in den Entwicklungsländern“ belastet, stellt das IW fest. Bei seinen Berechnungen war es bestrebt, etwa die Folgen der vor allem hausgemachten US-Inflation und die Folgen der Covid-19-Lockdowns in China nicht mit einzubeziehen. Für das Jahr 2022 kam es alles in allem auf weltweite Wohlstandsverluste in Höhe von wohl 1,65 Billionen US-Dollar, etwa ein Drittel davon – 550 Milliarden US-Dollar – in Schwellen- und Entwicklungsländern, die mit Krieg und Wirtschaftskrieg primär nichts zu tun haben.[6] Für 2023 schätzt das IW die globalen Wohlstandsverluste auf rund eine Billion US-Dollar, rund zwei Fünftel davon – 400 Milliarden US-Dollar – in den Schwellen- und Entwicklungsländern.
Deutschlands drittgrößte Industriebranche
Die ökonomischen Folgen des Wirtschaftskriegs schlagen sich in Deutschland mittlerweile auch in weitreichenden Entscheidungen auf der Ebene einzelner Unternehmen nieder. Dabei geht es bisher vor allem um Unternehmen der Chemieindustrie. Die Branche, nach Umsatz Deutschlands drittgrößte hinter der Autoindustrie und dem Maschinenbau, steht allein für rund neun Prozent des deutschen Energiekonsums. Vor dem Ukraine-Krieg war sie zudem für rund 15 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs verantwortlich. Von der Steigerung der Kosten für Energie und insbesondere für Erdgas ist sie besonders betroffen; im vergangenen Jahr ging ihre Produktion, die Pharmasparte ausgenommen, um gut zehn Prozent zurück – mit schnell steigender Tendenz: Im Oktober 2022 lag sie bereits um 21 Prozent unter dem Vorjahreswert.[7] Gelegentlich wird darauf verwiesen, dass die Branchenumsätze nominell noch wachsen; dies ergibt sich allerdings ausschließlich aus einem teilweise dramatischen Preisanstieg. Laut Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) hatten zum Jahreswechsel 39 Prozent aller Branchenunternehmen ihre Produktion schon gedrosselt oder dies konkret geplant; 23 Prozent waren dabei, die Produktion ins Ausland zu verlegen, oder hatten dies fest vor; zehn Prozent legten Anlagen dauerhaft still.
Die erste Dauerstilllegung
Besonders gefährdet waren bereits Ende 2022 rund ein Viertel der Chemieunternehmen, von denen berichtet wurde, sie arbeiteten inzwischen „mit Verlust“. Betroffen waren dabei laut Branchenangaben vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht, wie große Konzerne, Verluste in Deutschland durch ihr Geschäft in den USA und in China ausgleichen können.[8] Doch auch bei diesen führt der Anstieg der Preise für Energie und vor allem für Erdgas nun zu Konsequenzen. So teilte Ende vergangener Woche der BASF-Konzern mit, er werde am Stammsitz in Ludwigshafen eine der beiden Anlagen zur Ammoniakproduktion dauerhaft stilllegen. Auch die nachgelagerte Düngemittelproduktion wird nicht mehr fortgesetzt. Zur Erklärung heißt es bei BASF, die Erdgaskosten seien trotz einer Senkung des Verbrauchs um rund ein Drittel im Jahr 2022 um zwei Milliarden Euro gestiegen. Damit sei eine wettbewerbsfähige Produktion in Deutschland zumindest in Teilbereichen nicht mehr möglich. Vor allem deshalb wird BASF rund 4.300 seiner insgesamt 111.000 Arbeitsstellen kürzen. Der Konzern weist zudem darauf hin, dass die Chemieproduktion in Europa 2022 um 5,8 Prozent geschrumpft ist, während sie weltweit dank deutlichen Wachstums in China und den USA um 2,2 Prozent zunahm.[9] Die Folgen des westlichen Wirtschaftskrieges gegen Russland beschleunigen damit den industriellen Abstieg Europas.
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Besonders betroffen also die energieintensiven Industrien wie eben die Chemieindustrie. Ist ja eigentlich nichts Neues, außer vielleicht für die Damen + Herren "SpitzenpolitikerInnen" oder wie das heißt.
Die Kosten des Wirtschaftskriegs
Wirtschaftskrieg gegen Russland führt zur ersten Dauerstilllegung einer großen deutschen Industrieanlage. Ukraine-Krieg und Wirtschaftskrieg kosten Deutschland 2023 175 Milliarden Euro.
BERLIN (Eigener Bericht) – Der Wirtschaftskrieg gegen Russland führt zur ersten dauerhaften Stilllegung einer großen Industrieanlage in Deutschland. BASF kündigt an, eine seiner zwei Anlagen zur Ammoniakproduktion in Ludwigshafen endgültig außer Betrieb zu nehmen. Hauptursache sind die wegen des Ausstiegs aus russischem Pipelinegas massiv gestiegenen Erdgaskosten. Einige tausend Arbeitsplätze gehen verloren. Die Chemiebranche rechnet mit weiteren Einbrüchen. Bereits zum Jahresende erwirtschaftete ein Viertel der deutschen Chemieunternehmen Verluste; rund zehn Prozent waren dabei, Anlagen endgültig stillzulegen. Auch jenseits der Chemiebranche rechnet die Wirtschaft in diesem Jahr mit erheblichen Schwierigkeiten. Eine Umfrage des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergab, dass sich 30 Prozent aller deutschen Firmen auf mittlere, weitere 30 Prozent auf schwere Beeinträchtigungen ihrer Produktion einstellen. Als eine der Hauptursachen werden die gestiegenen Energiekosten genannt. Insgesamt droht Deutschland laut IW alleine im laufenden Jahr wegen des Ukraine-Kriegs und des westlichen Wirtschaftskriegs ein Wohlstandsverlust von 175 Milliarden Euro.
Aussicht auf Verluste
Die Aussichten für das Jahr 2023 werden in der deutschen Wirtschaft insgesamt als wenig günstig eingestuft. Dies geht aus einer Umfrage hervor, die das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln unter 2.549 Firmen in allen Bundesländern durchführte.[1] Bereits im vergangenen Jahr gründete das preisbereinigte Wachstum von 1,9 Prozent vor allem auf dem privaten Konsum, der nach der Covid-19-Pandemie erheblichen Nachholbedarf erkennen ließ, allerdings im vierten Quartal 2022 schon wieder schrumpfte. Die Industrie kam im Gesamtjahr 2022 nicht über Stagnation hinaus.[2] Als wichtigste Ursache galten dabei neben fortdauernden Störungen in den Lieferketten vor allem die heftig gestiegenen Energiepreise. Diese werden laut Einschätzung von über 60 Prozent der vom IW befragten Unternehmen auch 2023 zu ernsten Problemen führen, wobei 30 Prozent mit mittleren, 30 Prozent sogar mit schweren Beeinträchtigungen durch hohe Energiepreise oder gar Einschränkungen in der Energieversorgung rechnen. Von Produktionsstörungen gehen insgesamt rund 85 Prozent aller Unternehmen aus; 27 Prozent hoffen, die Ausfälle auf bis zu 5 Prozent begrenzen zu können, 32 Prozent rechnen mit Ausfällen von 5 bis 10, 21 Prozent von 10 bis 20 Prozent.[3]
175 Milliarden Euro
Das IW hat den Wohlstandsverlust, der durch die erwarteten Produktionsstörungen entsteht, in seiner Gesamtsumme zu beziffern versucht. Dazu hat es rein rechnerisch die ökonomische Entwicklung vor dem Beginn von Krieg und Wirtschaftskrieg fortgeschrieben und diese mit der Entwicklung verglichen, wie sie unter den Bedingungen von Krieg und Wirtschaftskrieg erwartet wird. Demnach ist für 2023 mit einem Wohlstandsverlust in Höhe von rund 175 Milliarden Euro zu rechnen – preisbereinigt annähernd 4,5 Prozent des gesamten deutschen Bruttoinlandsproduktes.[4] „Die direkten Wohlstandsverluste lassen sich somit auf 2.000 Euro pro Einwohner beziffern“, konstatiert das IW. Dies führt freilich insofern ein wenig in die Irre, als der Wohlstand in der Bundesrepublik nicht auf alle Einwohner gleich verteilt wird. Das IW erinnert daran, dass bereits die Covid-19-Pandemie zu einem ganz erheblichen Wohlstandsverlust geführt hat – 175 Milliarden Euro im Jahr 2020, 125 Milliarden Euro im Jahr 2021. Im vergangenen Jahr verursachten Krieg und Wirtschaftskrieg dann Einbußen von ungefähr 120 Milliarden Euro. In den vier Jahren von 2020 bis 2023 zusammengenommen erreichen die Produktionsausfälle in Deutschland demnach rund 595 Milliarden Euro.
1,65 Billionen US-Dollar
Ebenfalls zu berechnen versucht hat das IW den Wohlstandsverlust, der durch Krieg und Wirtschaftskrieg weltweit entsteht. Dabei geht es laut dem Institut vor allem um Einbußen, die durch die in die Höhe geschnellten Energiepreise verursacht werden; insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern kamen Mangel an ukrainischem Getreide und an russischen Düngemitteln hinzu, mit teils dramatischen Folgen (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Die „in vielen Ländern erheblich höheren Erzeugerpreise“ hätten „die Verbraucherpreise in die Höhe“ getrieben und so „das Versorgungsniveau vor allem in den Entwicklungsländern“ belastet, stellt das IW fest. Bei seinen Berechnungen war es bestrebt, etwa die Folgen der vor allem hausgemachten US-Inflation und die Folgen der Covid-19-Lockdowns in China nicht mit einzubeziehen. Für das Jahr 2022 kam es alles in allem auf weltweite Wohlstandsverluste in Höhe von wohl 1,65 Billionen US-Dollar, etwa ein Drittel davon – 550 Milliarden US-Dollar – in Schwellen- und Entwicklungsländern, die mit Krieg und Wirtschaftskrieg primär nichts zu tun haben.[6] Für 2023 schätzt das IW die globalen Wohlstandsverluste auf rund eine Billion US-Dollar, rund zwei Fünftel davon – 400 Milliarden US-Dollar – in den Schwellen- und Entwicklungsländern.
Deutschlands drittgrößte Industriebranche
Die ökonomischen Folgen des Wirtschaftskriegs schlagen sich in Deutschland mittlerweile auch in weitreichenden Entscheidungen auf der Ebene einzelner Unternehmen nieder. Dabei geht es bisher vor allem um Unternehmen der Chemieindustrie. Die Branche, nach Umsatz Deutschlands drittgrößte hinter der Autoindustrie und dem Maschinenbau, steht allein für rund neun Prozent des deutschen Energiekonsums. Vor dem Ukraine-Krieg war sie zudem für rund 15 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs verantwortlich. Von der Steigerung der Kosten für Energie und insbesondere für Erdgas ist sie besonders betroffen; im vergangenen Jahr ging ihre Produktion, die Pharmasparte ausgenommen, um gut zehn Prozent zurück – mit schnell steigender Tendenz: Im Oktober 2022 lag sie bereits um 21 Prozent unter dem Vorjahreswert.[7] Gelegentlich wird darauf verwiesen, dass die Branchenumsätze nominell noch wachsen; dies ergibt sich allerdings ausschließlich aus einem teilweise dramatischen Preisanstieg. Laut Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) hatten zum Jahreswechsel 39 Prozent aller Branchenunternehmen ihre Produktion schon gedrosselt oder dies konkret geplant; 23 Prozent waren dabei, die Produktion ins Ausland zu verlegen, oder hatten dies fest vor; zehn Prozent legten Anlagen dauerhaft still.
Die erste Dauerstilllegung
Besonders gefährdet waren bereits Ende 2022 rund ein Viertel der Chemieunternehmen, von denen berichtet wurde, sie arbeiteten inzwischen „mit Verlust“. Betroffen waren dabei laut Branchenangaben vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, die nicht, wie große Konzerne, Verluste in Deutschland durch ihr Geschäft in den USA und in China ausgleichen können.[8] Doch auch bei diesen führt der Anstieg der Preise für Energie und vor allem für Erdgas nun zu Konsequenzen. So teilte Ende vergangener Woche der BASF-Konzern mit, er werde am Stammsitz in Ludwigshafen eine der beiden Anlagen zur Ammoniakproduktion dauerhaft stilllegen. Auch die nachgelagerte Düngemittelproduktion wird nicht mehr fortgesetzt. Zur Erklärung heißt es bei BASF, die Erdgaskosten seien trotz einer Senkung des Verbrauchs um rund ein Drittel im Jahr 2022 um zwei Milliarden Euro gestiegen. Damit sei eine wettbewerbsfähige Produktion in Deutschland zumindest in Teilbereichen nicht mehr möglich. Vor allem deshalb wird BASF rund 4.300 seiner insgesamt 111.000 Arbeitsstellen kürzen. Der Konzern weist zudem darauf hin, dass die Chemieproduktion in Europa 2022 um 5,8 Prozent geschrumpft ist, während sie weltweit dank deutlichen Wachstums in China und den USA um 2,2 Prozent zunahm.[9] Die Folgen des westlichen Wirtschaftskrieges gegen Russland beschleunigen damit den industriellen Abstieg Europas.
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Besonders betroffen also die energieintensiven Industrien wie eben die Chemieindustrie. Ist ja eigentlich nichts Neues, außer vielleicht für die Damen + Herren "SpitzenpolitikerInnen" oder wie das heißt.
•NEUER BEITRAG05.03.2023, 22:46 Uhr
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Die Kosten der Wirtschaftskriege
Wer leidet eigentlich am stärksten unter den Kosten der Wirtschaftskriege, außer natürlich den Menschen in den Ländern des Trikonts oder des "Globalen Südens", wie es heute heißt. Aber auch die Mehrheit der Menschen in den diese tragenden Ländern kriegt die Auswirkungen zu spüren, die negativen wohlgemerkt. Nur wenige profitieren.
Dazu eine ausführliche Analyse von Joachim Guilliard auf der Themenseite der jW vom 2. März:
Wer ruiniert wen?
Der Wirtschaftskrieg gegen Russland und seine Folgen
Sanktionen sind alles andere als zivile, gewaltfreie Alternativen zu militärischen Interventionen. Sie sind nicht nur aus humanitären Gründen genauso abzulehnen wie militärische Gewalt, sie verstoßen auch in vielerlei Hinsicht gegen internationales Recht. Das gilt zum großen Teil auch für die vom Westen seit 2014 eigenmächtig gegen Russland verhängten Wirtschaftsblockaden. Unabhängig davon, wie gerechtfertigt sie vielen erscheinen mögen, sobald sie gravierende schädliche Auswirkungen auf Versorgung und Lebensstandard betroffener Menschen haben, stellen auch sie Menschenrechtsverletzungen und eine kollektive Bestrafung dar. Viele Maßnahmen, wie die Eingriffe in internationale Zahlungssysteme und die Beschlagnahmung von Konten, verstoßen offensichtlich gegen internationale Abkommen und Grundprinzipien des internationalen Rechts.
Doppelte Standards
Insgesamt haben die USA, die EU-Staaten und einige weitere Verbündete rund 6.000 unterschiedliche Zwangsmaßnahmen gegen das ganze Land oder einzelne russische Unternehmen und Personen verhängt.¹ Die ersten wurden 2014 nach dem Anschluss der Krim eingeleitet. Im Laufe der letzten Jahre wurden sie zahlenmäßig verdoppelt, wodurch sie die gegen den Iran und Syrien nun übertreffen.²
Das Vorgehen wird von westlichen Politikern und Medien geradezu als zwangsläufige Reaktion auf die russische Invasion dargestellt und sogar von Teilen der Linkspartei unterstützt. Ein derart empörender Krieg verlange eine scharfe Reaktion, daher gebe es zu solchen Boykottmaßnahmen überhaupt keine Alternative. Mit jedem Barrel Öl oder Kubikmeter Gas würde man »Putins Krieg finanzieren«.
Doch natürlich fließen auch in Russland Importeinnahmen nicht direkt in die Kriegskasse, sondern dienen vorwiegend der allgemeinen Versorgung des Landes. Wie überall bekommen in Russland in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger die Engpässe zu spüren, lange vor dem Militär. Dies ist einer der Gründe, warum noch nie ein Krieg durch Wirtschaftsblockaden gestoppt werden konnte.
Es stimmt auch nicht, dass jeder Angriff eines Staates auf einen anderen automatisch harte Gegenreaktionen Deutschlands oder der EU nach sich ziehen müsste. Es gibt zahlreiche Beispiele von Kriegen, wo niemand in den Hauptstädten des Westens auch nur auf eine solche Idee gekommen ist. Am wenigstens natürlich bei den zum Teil wesentlich verheerenderen Kriegen, die die USA und ihre europäischen Verbündeten selbst in den letzten Jahrzehnten führten.
Auch auf den russischen Einmarsch in die Ukraine hätten sie durchaus anders reagieren können und die deutsche Regierung hätte es auch müssen, mit Blick auf die besondere Verantwortung, die Deutschland aufgrund der Verbrechen des deutschen Faschismus gegenüber den Völkern der ehemaligen Sowjetunion hat. Berlin hätte sich, statt Waffenlieferungen und Embargomaßnahmen einzuleiten, für einen raschen Waffenstillstand und Verhandlungslösungen einsetzen können und dafür viel Zustimmung und Unterstützung außerhalb Europas geerntet.
Im Westen waren aber solche Verhandlungslösungen offensichtlich nicht erwünscht. Insbesondere Washington und London übten offen Druck auf den ukrainischen Präsidenten aus, keinerlei Kompromisse einzugehen und verstärkten gleichzeitig ihre militärische Unterstützung für Kiew.³ Auch in den anderen NATO-Ländern haben die Falken Oberwasser und sehen in diesem Krieg die Chance, den geopolitischen Rivalen im Osten entscheidend zu schwächen – »Russland zu ruinieren«, wie Außenministerin Baerbock das Ziel klar umriss.
Diesen Ruin wollen USA und EU vor allen durch die Handels- und Finanzblockaden erreichen, oder wie es Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire ausdrückte, durch einen »totalen Wirtschafts- und Finanzkrieg«.⁴ Sie werden zwar durchweg als »Sanktionen« bezeichnet. Da es sich aber um Blockaden einer Kriegspartei gegen eine andere handelt, ist der Begriff hier jedoch völlig verfehlt.
Auf Kosten der Armen
Dieser Stellvertreterkrieg zwischen der USA und NATO auf der einen und Russland auf der anderen Seite wird nicht nur auf dem Rücken der ukrainischen und russischen Bevölkerung geführt, sondern zulasten der ganzen Welt. Er ist dabei, die gesamte Weltwirtschaft zu destabilisieren. Nicht nur Treibstoff und Getreide wurden weltweit knapp, sondern auch Düngemittel. Gleichzeitig explodierten die entsprechenden Preise auch für viele andere lebensnotwendige Güter. Dadurch ist in vielen armen Ländern im globalen Süden die Nahrungsversorgung eingebrochen.⁵
Politik und Medien bemühen sich eifrig, die Folgen der westlichen Blockadepolitik zu verschleiern. Nach herrschender Sprachregelung sind allein die russische Invasion und »Putins Energiekrieg« für Engpässe und Preissteigerungen verantwortlich. Für nüchterne Betrachter besteht dagegen überhaupt kein Zweifel, dass die heftigen wirtschaftlichen Erschütterungen hauptsächlich auf die vielfältigen Boykottmaßnahmen zurückzuführen sind. »Wirtschaftssanktionen lösen weltweit größere Schocks aus als je zuvor«, überschrieb beispielsweise Finance & Development, die Zeitschrift des Internationalen Währungsfonds, einen Beitrag von Nicholas Mulder.⁶ In Verbindung mit der weltweiten Lieferkettenkrise und der kriegsbedingten Unterbrechung des ukrainischen Handels hätten sie zu »einem einzigartigen wirtschaftlichen Schock« geführt.
Allgemein haben Wirtschaftsblockaden selten einen signifikanten Einfluss auf die Politik der angegriffenen Länder. Im Fall Russlands kommt hinzu, dass ein so mächtiges Land mit so großen Ressourcen offensichtlich nicht effektiv blockiert werden kann. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist Russland die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt, kaufkraftbereinigt sogar die sechstgrößte.⁷ Vor allem seine Rolle als wichtigster Rohstoffexporteur neben den USA, Kanada und Australien verschafft dem Land eine strukturell bedeutende Position in der Weltwirtschaft. Daher haben die antirussischen Blockaden auch derart starke wirtschaftliche Auswirkungen in der ganzen Welt.
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Dazu eine ausführliche Analyse von Joachim Guilliard auf der Themenseite der jW vom 2. März:
Wer ruiniert wen?
Der Wirtschaftskrieg gegen Russland und seine Folgen
Sanktionen sind alles andere als zivile, gewaltfreie Alternativen zu militärischen Interventionen. Sie sind nicht nur aus humanitären Gründen genauso abzulehnen wie militärische Gewalt, sie verstoßen auch in vielerlei Hinsicht gegen internationales Recht. Das gilt zum großen Teil auch für die vom Westen seit 2014 eigenmächtig gegen Russland verhängten Wirtschaftsblockaden. Unabhängig davon, wie gerechtfertigt sie vielen erscheinen mögen, sobald sie gravierende schädliche Auswirkungen auf Versorgung und Lebensstandard betroffener Menschen haben, stellen auch sie Menschenrechtsverletzungen und eine kollektive Bestrafung dar. Viele Maßnahmen, wie die Eingriffe in internationale Zahlungssysteme und die Beschlagnahmung von Konten, verstoßen offensichtlich gegen internationale Abkommen und Grundprinzipien des internationalen Rechts.
Doppelte Standards
Insgesamt haben die USA, die EU-Staaten und einige weitere Verbündete rund 6.000 unterschiedliche Zwangsmaßnahmen gegen das ganze Land oder einzelne russische Unternehmen und Personen verhängt.¹ Die ersten wurden 2014 nach dem Anschluss der Krim eingeleitet. Im Laufe der letzten Jahre wurden sie zahlenmäßig verdoppelt, wodurch sie die gegen den Iran und Syrien nun übertreffen.²
Das Vorgehen wird von westlichen Politikern und Medien geradezu als zwangsläufige Reaktion auf die russische Invasion dargestellt und sogar von Teilen der Linkspartei unterstützt. Ein derart empörender Krieg verlange eine scharfe Reaktion, daher gebe es zu solchen Boykottmaßnahmen überhaupt keine Alternative. Mit jedem Barrel Öl oder Kubikmeter Gas würde man »Putins Krieg finanzieren«.
Doch natürlich fließen auch in Russland Importeinnahmen nicht direkt in die Kriegskasse, sondern dienen vorwiegend der allgemeinen Versorgung des Landes. Wie überall bekommen in Russland in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger die Engpässe zu spüren, lange vor dem Militär. Dies ist einer der Gründe, warum noch nie ein Krieg durch Wirtschaftsblockaden gestoppt werden konnte.
Es stimmt auch nicht, dass jeder Angriff eines Staates auf einen anderen automatisch harte Gegenreaktionen Deutschlands oder der EU nach sich ziehen müsste. Es gibt zahlreiche Beispiele von Kriegen, wo niemand in den Hauptstädten des Westens auch nur auf eine solche Idee gekommen ist. Am wenigstens natürlich bei den zum Teil wesentlich verheerenderen Kriegen, die die USA und ihre europäischen Verbündeten selbst in den letzten Jahrzehnten führten.
Auch auf den russischen Einmarsch in die Ukraine hätten sie durchaus anders reagieren können und die deutsche Regierung hätte es auch müssen, mit Blick auf die besondere Verantwortung, die Deutschland aufgrund der Verbrechen des deutschen Faschismus gegenüber den Völkern der ehemaligen Sowjetunion hat. Berlin hätte sich, statt Waffenlieferungen und Embargomaßnahmen einzuleiten, für einen raschen Waffenstillstand und Verhandlungslösungen einsetzen können und dafür viel Zustimmung und Unterstützung außerhalb Europas geerntet.
Im Westen waren aber solche Verhandlungslösungen offensichtlich nicht erwünscht. Insbesondere Washington und London übten offen Druck auf den ukrainischen Präsidenten aus, keinerlei Kompromisse einzugehen und verstärkten gleichzeitig ihre militärische Unterstützung für Kiew.³ Auch in den anderen NATO-Ländern haben die Falken Oberwasser und sehen in diesem Krieg die Chance, den geopolitischen Rivalen im Osten entscheidend zu schwächen – »Russland zu ruinieren«, wie Außenministerin Baerbock das Ziel klar umriss.
Diesen Ruin wollen USA und EU vor allen durch die Handels- und Finanzblockaden erreichen, oder wie es Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire ausdrückte, durch einen »totalen Wirtschafts- und Finanzkrieg«.⁴ Sie werden zwar durchweg als »Sanktionen« bezeichnet. Da es sich aber um Blockaden einer Kriegspartei gegen eine andere handelt, ist der Begriff hier jedoch völlig verfehlt.
Auf Kosten der Armen
Dieser Stellvertreterkrieg zwischen der USA und NATO auf der einen und Russland auf der anderen Seite wird nicht nur auf dem Rücken der ukrainischen und russischen Bevölkerung geführt, sondern zulasten der ganzen Welt. Er ist dabei, die gesamte Weltwirtschaft zu destabilisieren. Nicht nur Treibstoff und Getreide wurden weltweit knapp, sondern auch Düngemittel. Gleichzeitig explodierten die entsprechenden Preise auch für viele andere lebensnotwendige Güter. Dadurch ist in vielen armen Ländern im globalen Süden die Nahrungsversorgung eingebrochen.⁵
Politik und Medien bemühen sich eifrig, die Folgen der westlichen Blockadepolitik zu verschleiern. Nach herrschender Sprachregelung sind allein die russische Invasion und »Putins Energiekrieg« für Engpässe und Preissteigerungen verantwortlich. Für nüchterne Betrachter besteht dagegen überhaupt kein Zweifel, dass die heftigen wirtschaftlichen Erschütterungen hauptsächlich auf die vielfältigen Boykottmaßnahmen zurückzuführen sind. »Wirtschaftssanktionen lösen weltweit größere Schocks aus als je zuvor«, überschrieb beispielsweise Finance & Development, die Zeitschrift des Internationalen Währungsfonds, einen Beitrag von Nicholas Mulder.⁶ In Verbindung mit der weltweiten Lieferkettenkrise und der kriegsbedingten Unterbrechung des ukrainischen Handels hätten sie zu »einem einzigartigen wirtschaftlichen Schock« geführt.
Allgemein haben Wirtschaftsblockaden selten einen signifikanten Einfluss auf die Politik der angegriffenen Länder. Im Fall Russlands kommt hinzu, dass ein so mächtiges Land mit so großen Ressourcen offensichtlich nicht effektiv blockiert werden kann. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist Russland die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt, kaufkraftbereinigt sogar die sechstgrößte.⁷ Vor allem seine Rolle als wichtigster Rohstoffexporteur neben den USA, Kanada und Australien verschafft dem Land eine strukturell bedeutende Position in der Weltwirtschaft. Daher haben die antirussischen Blockaden auch derart starke wirtschaftliche Auswirkungen in der ganzen Welt.
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•NEUER BEITRAG05.03.2023, 22:51 Uhr
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Diese tragen, neben politischen Motiven, dazu bei, dass sich die meisten Staaten außerhalb Europas und Nordamerikas strikt weigern, sich am Russland-Boykott zu beteiligen. Das sich gerne als »internationale Gemeinschaft« bezeichnende Bündnis, das die Blockaden betreibt, bleibt so auf den politischen Westen beschränkt. Außer den USA, Kanada und den 27 EU-Staaten beteiligen sich nur noch acht weitere Länder. Der Rest nutzt gerne die von Moskau gewährten Rabatte von bis zu 30 Prozent für eine Ausweitung seines Handels mit Russland. Nicht nur China kauft russisches Öl und Gas in Rekordmengen, auch Indien hat seine Ölimporte aus Russland vervielfacht. Russlands monatliches Handelsvolumen mit China legte nach Berechnungen der New York Times bis Oktober 2022 um 64 Prozent zu, das mit Brasilien verdoppelte sich und das mit Indien stieg auf mehr als das Vierfache.⁸ Insgesamt vollzieht sich so im Rekordtempo – ausgelöst durch die Blockaden – ein gravierender Umbruch im Welthandel.
Obwohl die Exportmengen sanken, erzielt Russland aufgrund der gestiegenen Preise für Öl und Gas insgesamt höhere Einnahmen als zuvor. Insgesamt rechnet das russische Wirtschaftsministerium für 2022 mit Energieexporteinnahmen in Höhe von 338 Milliarden US-Dollar, fast 100 Milliarden mehr als im vorherigen Jahr.⁹ Während die EU den russischen Ölhandel noch stärker zu blockieren sucht, ist die »Schattenflotte« für russisches Öl mittlerweile auf 600 Schiffe angewachsen.
Natürlich setzen die Blockaden der russischen Wirtschaft zu, indem sie zum Beispiel die Importe von Ersatzteilen, Hightechkomponenten und anderen wichtigen Gütern beeinträchtigen und verteuern. Und auch der Krieg belastet selbstverständlich das Land. So wuchs das Haushaltsdefizit trotz höherer Einnahmen auf knapp 50 Milliarden US-Dollar.¹⁰ Die russische Führung hatte sich jedoch offenbar gut vorbereitet und konnte die negativen Auswirkungen auf Wirtschaft, Währung und Versorgung bisher in engen Grenzen halten. Bereits auf die früheren Restriktionen hatte sie mit einer Politik der Importsubstitution, staatlichen Subventionen und der Verstaatlichung wichtiger Unternehmen reagiert. Davon profitierten auch die russischen Landwirte, die nun für Ernährungssicherheit sorgen, und auch in der Industrie wurde die Eigenproduktion seit 2014 angekurbelt.¹¹ Im Laufe des letzten Jahres entwickelten sich auch rasch neue Lieferwege. Westliche Waren werden nun durch asiatische ersetzt oder umgelabelt.
Die Analysen der Embargofolgen für die russische Wirtschaft variieren stark. Viele scheinen mit ihrer Schilderung düsterer Aussichten das westliche Durchhaltevermögen stärken zu wollen. Sie werden jedoch immer wieder von nüchternen Prognosen korrigiert. So vermeldete der IWF Ende Januar 2023, dass »die russische Wirtschaft (…) sich besser (schlägt) als von Experten zunächst erwartet« – und erhöhte seine Prognosen für ihr Wachstum deutlich. Nach einem Rückgang von 2,2 Prozent 2022 erwartet der IWF nun ein Wachstum von 0,3 Prozent für dieses und 2,1 Prozent für kommendes Jahr. Russland dürfte sich damit dieses Jahr besser schlagen als etwa Deutschland oder Großbritannien, für die ein »Wachstum« von 0,1 beziehungsweise 0,6 Prozent prognostiziert wird.¹²
Schuss nach hinten
Wenn auch nicht ganz so stark wie im Falle dieser beiden Schlusslichter, bricht das Wirtschaftswachstum aller europäischen NATO-Staaten infolge ihrer Boykottbemühungen ein. Was sie für schweres Geschütz gegen die russische Wirtschaft hielten, schlägt mit voller Wucht zurück und gefährdet die eigene wirtschaftliche Stabilität. Vor allem der hastige Ausstieg aus russischem Öl und Gas, der die Preise geradezu explodieren ließ, belastet Wirtschaft und Verbraucher und heizt die Inflation an. Zwar waren die Preise auch schon zuvor gestiegen, mit dem Boykott der russischen Lieferungen legten sie jedoch sprunghaft zu. Lagen die Großhandelspreise für Erdgas Anfang Februar 2022 bei rund 80 Euro pro Megawattstunde (MWh), so stiegen sie im Sommer zeitweise auf über 340 Euro pro MWh.
Diese Preissprünge waren selbstverständlich nicht nur eine Folge der Verknappung, sondern auch der Liberalisierung der Energiemärkte. Da langfristige, staatlich vermittelte Vereinbarungen durch kurzfristige Lieferverträge auf den Spotmärkten ersetzt wurden, kennt die Spekulation mit dem Rohstoff nun, nach Wegfall des günstigen Pipelinegases aus Russland, keine Grenzen mehr. Die Energieunternehmen sind daher neben den Rüstungskonzernen die ganz großen Gewinner des Krieges. Die fünf größten Öl- und Gasmultis BP, Shell, Exxon Mobil, Chevron und Total Energies haben 2022 Profite in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar eingefahren und erwarten für dieses Jahr ähnlich hohe Gewinne.¹³
Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg belief sich die Belastung der EU-Staaten durch die steigenden Energiekosten bereits im Dezember 2022 auf rund eine Billion US-Dollar. Die Krise, die als schwerste seit Jahrzehnten betrachtet wird, stehe aber erst am Anfang. Nach Angaben der Brüsseler Denkfabrik Bruegel haben die Regierungen den Unternehmen und Verbrauchern zwar mit 700 Milliarden US-Dollar geholfen, einen Großteil der Preisanstiege abzufedern, »aber der Ausnahmezustand könnte noch Jahre andauern«. Mit steigenden Zinssätzen und einsetzenden Rezessionen werde diese Unterstützung mehr und mehr unerschwinglich. Die Gasspeicher konnten zwar letztes Jahr am Ende noch gefüllt werden, wenn auch zu Rekordpreisen, die künftige Versorgung sei aber keineswegs gesichert.¹⁴
Neben den milden Temperaturen sorgten erhebliche Einsparungen für eine Entspannung bei der Versorgung mit Erdgas. Diese beruhen aber zu einem erheblichen Teil darauf, dass die hohen Preise viele Unternehmen zwangen, energieintensive Bereiche wie Düngemittel-, Stahl-, Keramik-, Glas- oder Zementherstellung ganz oder zeitweilig stillzulegen.
Die Gaspreise sind dadurch zum Jahresende 2022 deutlich gesunken, aber immer noch rund sechsmal so hoch wie im Durchschnitt der letzten zehn Jahre und mehr als viermal so hoch wie in den USA. Solange die Versorgung über Flüssiggas erfolgt, werden die Kosten für viele Fertigungsunternehmen weiterhin zu hoch bleiben, um wettbewerbsfähig zu sein. Viele planen, in die USA abzuwandern, wo neben günstiger Energie auch umfangreiche Subventionen durch das »Inflationsbekämpfungsgesetz« (Inflation Reduction Act) locken. In der Europäischen Kommission sieht man »die reale Gefahr einer Deindustrialisierung und Desinvestition«.¹⁵
BRD: Industriemuseum?
Am stärksten schlägt der Wirtschaftskrieg auf Deutschland zurück, das sich bisher zu einem sehr hohen Anteil durch sehr günstiges russisches Erdgas aus Pipelines versorgte und daraus erhebliche Wettbewerbsvorteile zog. Kurz- bis mittelfristig können nur die USA einen großen Teil des russischen Gases ersetzen. Wenn die anvisierten Mengen realisiert werden – wobei hier auch die anderen EU-Staaten Schlange stehen –, verlagert sich die Abhängigkeit Deutschlands wie die der gesamten EU beim Erdgasimport in Zukunft nur von Russland vollständig auf die USA – statt günstiges Gas per Pipeline vielfach teureres Flüssiggas, das per Schiff transportiert werden muss.
Einstweilen sind die Gasspeicher gefüllt. Aber der Preis, der dafür gezahlt wurde, war hoch. Indem Deutschland Gas zu jedem Preis kaufen ließ, trieb es den Preis auf Spitzenhöhen – im August schließlich auf über 340 Euro pro MWh, doppelt so viel wie im Vormonat und gut das Fünffache der Vorjahrespreise.¹⁶ Deutschland und die europäischen Staaten, die mithalten konnten, saugten den Weltmarkt regelrecht leer und ließen ärmere Länder des globalen Südens auf dem Trockenen sitzen. Der Einbruch in der Energieversorgung und die Vervielfachung der Preise stürzen sie in ernste Notlagen.
Auch die Menschen in Deutschland kommt die rücksichtslose Kriegspolitik Berlins teuer zu stehen. Sie müssen trotz Preisdeckel erheblich mehr für Strom und Gas zahlen und wurden mit der höchsten Inflation seit Gründung der Bundesrepublik konfrontiert.
Noch ist die Versorgung in den kommenden Jahren nicht gesichert. Sicher ist nur, dass ohne russische Lieferungen per Pipeline Erdgas, Erdöl und Energie allgemein dauerhaft viel teuer bleiben und damit das Erfolgsrezept der exportorientierten deutschen Wirtschaft, das zum guten Teil auf dem günstigen Gas aus Russland basierte, zusammenbrechen wird. Zahlreiche kleinere Unternehmen stehen wegen zu hoher Energiekosten bereits vor dem Ruin. Insgesamt hat fast jedes zehnte mittelständische Industrieunternehmen einer Umfrage zufolge seine Produktion in Deutschland schon wegen hoher Preise unterbrochen oder gedrosselt. Jede fünfte der befragten Firmen denkt wegen der Preissteigerungen über eine Verlagerung von Teilen oder des gesamten Unternehmens ins Ausland nach, vor allem in die USA, wo Gas wesentlich billiger ist.¹⁷ Experten warnen daher schon von einer drohenden »Deindustrialisierung«. »Der Schritt von der weltweit führenden Industrienation zum Industriemuseum war noch nie so klein«, warnte im Herbst der Verband der Chemischen Industrie (VCI).¹⁸
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Diese tragen, neben politischen Motiven, dazu bei, dass sich die meisten Staaten außerhalb Europas und Nordamerikas strikt weigern, sich am Russland-Boykott zu beteiligen. Das sich gerne als »internationale Gemeinschaft« bezeichnende Bündnis, das die Blockaden betreibt, bleibt so auf den politischen Westen beschränkt. Außer den USA, Kanada und den 27 EU-Staaten beteiligen sich nur noch acht weitere Länder. Der Rest nutzt gerne die von Moskau gewährten Rabatte von bis zu 30 Prozent für eine Ausweitung seines Handels mit Russland. Nicht nur China kauft russisches Öl und Gas in Rekordmengen, auch Indien hat seine Ölimporte aus Russland vervielfacht. Russlands monatliches Handelsvolumen mit China legte nach Berechnungen der New York Times bis Oktober 2022 um 64 Prozent zu, das mit Brasilien verdoppelte sich und das mit Indien stieg auf mehr als das Vierfache.⁸ Insgesamt vollzieht sich so im Rekordtempo – ausgelöst durch die Blockaden – ein gravierender Umbruch im Welthandel.
Obwohl die Exportmengen sanken, erzielt Russland aufgrund der gestiegenen Preise für Öl und Gas insgesamt höhere Einnahmen als zuvor. Insgesamt rechnet das russische Wirtschaftsministerium für 2022 mit Energieexporteinnahmen in Höhe von 338 Milliarden US-Dollar, fast 100 Milliarden mehr als im vorherigen Jahr.⁹ Während die EU den russischen Ölhandel noch stärker zu blockieren sucht, ist die »Schattenflotte« für russisches Öl mittlerweile auf 600 Schiffe angewachsen.
Natürlich setzen die Blockaden der russischen Wirtschaft zu, indem sie zum Beispiel die Importe von Ersatzteilen, Hightechkomponenten und anderen wichtigen Gütern beeinträchtigen und verteuern. Und auch der Krieg belastet selbstverständlich das Land. So wuchs das Haushaltsdefizit trotz höherer Einnahmen auf knapp 50 Milliarden US-Dollar.¹⁰ Die russische Führung hatte sich jedoch offenbar gut vorbereitet und konnte die negativen Auswirkungen auf Wirtschaft, Währung und Versorgung bisher in engen Grenzen halten. Bereits auf die früheren Restriktionen hatte sie mit einer Politik der Importsubstitution, staatlichen Subventionen und der Verstaatlichung wichtiger Unternehmen reagiert. Davon profitierten auch die russischen Landwirte, die nun für Ernährungssicherheit sorgen, und auch in der Industrie wurde die Eigenproduktion seit 2014 angekurbelt.¹¹ Im Laufe des letzten Jahres entwickelten sich auch rasch neue Lieferwege. Westliche Waren werden nun durch asiatische ersetzt oder umgelabelt.
Die Analysen der Embargofolgen für die russische Wirtschaft variieren stark. Viele scheinen mit ihrer Schilderung düsterer Aussichten das westliche Durchhaltevermögen stärken zu wollen. Sie werden jedoch immer wieder von nüchternen Prognosen korrigiert. So vermeldete der IWF Ende Januar 2023, dass »die russische Wirtschaft (…) sich besser (schlägt) als von Experten zunächst erwartet« – und erhöhte seine Prognosen für ihr Wachstum deutlich. Nach einem Rückgang von 2,2 Prozent 2022 erwartet der IWF nun ein Wachstum von 0,3 Prozent für dieses und 2,1 Prozent für kommendes Jahr. Russland dürfte sich damit dieses Jahr besser schlagen als etwa Deutschland oder Großbritannien, für die ein »Wachstum« von 0,1 beziehungsweise 0,6 Prozent prognostiziert wird.¹²
Schuss nach hinten
Wenn auch nicht ganz so stark wie im Falle dieser beiden Schlusslichter, bricht das Wirtschaftswachstum aller europäischen NATO-Staaten infolge ihrer Boykottbemühungen ein. Was sie für schweres Geschütz gegen die russische Wirtschaft hielten, schlägt mit voller Wucht zurück und gefährdet die eigene wirtschaftliche Stabilität. Vor allem der hastige Ausstieg aus russischem Öl und Gas, der die Preise geradezu explodieren ließ, belastet Wirtschaft und Verbraucher und heizt die Inflation an. Zwar waren die Preise auch schon zuvor gestiegen, mit dem Boykott der russischen Lieferungen legten sie jedoch sprunghaft zu. Lagen die Großhandelspreise für Erdgas Anfang Februar 2022 bei rund 80 Euro pro Megawattstunde (MWh), so stiegen sie im Sommer zeitweise auf über 340 Euro pro MWh.
Diese Preissprünge waren selbstverständlich nicht nur eine Folge der Verknappung, sondern auch der Liberalisierung der Energiemärkte. Da langfristige, staatlich vermittelte Vereinbarungen durch kurzfristige Lieferverträge auf den Spotmärkten ersetzt wurden, kennt die Spekulation mit dem Rohstoff nun, nach Wegfall des günstigen Pipelinegases aus Russland, keine Grenzen mehr. Die Energieunternehmen sind daher neben den Rüstungskonzernen die ganz großen Gewinner des Krieges. Die fünf größten Öl- und Gasmultis BP, Shell, Exxon Mobil, Chevron und Total Energies haben 2022 Profite in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar eingefahren und erwarten für dieses Jahr ähnlich hohe Gewinne.¹³
Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Bloomberg belief sich die Belastung der EU-Staaten durch die steigenden Energiekosten bereits im Dezember 2022 auf rund eine Billion US-Dollar. Die Krise, die als schwerste seit Jahrzehnten betrachtet wird, stehe aber erst am Anfang. Nach Angaben der Brüsseler Denkfabrik Bruegel haben die Regierungen den Unternehmen und Verbrauchern zwar mit 700 Milliarden US-Dollar geholfen, einen Großteil der Preisanstiege abzufedern, »aber der Ausnahmezustand könnte noch Jahre andauern«. Mit steigenden Zinssätzen und einsetzenden Rezessionen werde diese Unterstützung mehr und mehr unerschwinglich. Die Gasspeicher konnten zwar letztes Jahr am Ende noch gefüllt werden, wenn auch zu Rekordpreisen, die künftige Versorgung sei aber keineswegs gesichert.¹⁴
Neben den milden Temperaturen sorgten erhebliche Einsparungen für eine Entspannung bei der Versorgung mit Erdgas. Diese beruhen aber zu einem erheblichen Teil darauf, dass die hohen Preise viele Unternehmen zwangen, energieintensive Bereiche wie Düngemittel-, Stahl-, Keramik-, Glas- oder Zementherstellung ganz oder zeitweilig stillzulegen.
Die Gaspreise sind dadurch zum Jahresende 2022 deutlich gesunken, aber immer noch rund sechsmal so hoch wie im Durchschnitt der letzten zehn Jahre und mehr als viermal so hoch wie in den USA. Solange die Versorgung über Flüssiggas erfolgt, werden die Kosten für viele Fertigungsunternehmen weiterhin zu hoch bleiben, um wettbewerbsfähig zu sein. Viele planen, in die USA abzuwandern, wo neben günstiger Energie auch umfangreiche Subventionen durch das »Inflationsbekämpfungsgesetz« (Inflation Reduction Act) locken. In der Europäischen Kommission sieht man »die reale Gefahr einer Deindustrialisierung und Desinvestition«.¹⁵
BRD: Industriemuseum?
Am stärksten schlägt der Wirtschaftskrieg auf Deutschland zurück, das sich bisher zu einem sehr hohen Anteil durch sehr günstiges russisches Erdgas aus Pipelines versorgte und daraus erhebliche Wettbewerbsvorteile zog. Kurz- bis mittelfristig können nur die USA einen großen Teil des russischen Gases ersetzen. Wenn die anvisierten Mengen realisiert werden – wobei hier auch die anderen EU-Staaten Schlange stehen –, verlagert sich die Abhängigkeit Deutschlands wie die der gesamten EU beim Erdgasimport in Zukunft nur von Russland vollständig auf die USA – statt günstiges Gas per Pipeline vielfach teureres Flüssiggas, das per Schiff transportiert werden muss.
Einstweilen sind die Gasspeicher gefüllt. Aber der Preis, der dafür gezahlt wurde, war hoch. Indem Deutschland Gas zu jedem Preis kaufen ließ, trieb es den Preis auf Spitzenhöhen – im August schließlich auf über 340 Euro pro MWh, doppelt so viel wie im Vormonat und gut das Fünffache der Vorjahrespreise.¹⁶ Deutschland und die europäischen Staaten, die mithalten konnten, saugten den Weltmarkt regelrecht leer und ließen ärmere Länder des globalen Südens auf dem Trockenen sitzen. Der Einbruch in der Energieversorgung und die Vervielfachung der Preise stürzen sie in ernste Notlagen.
Auch die Menschen in Deutschland kommt die rücksichtslose Kriegspolitik Berlins teuer zu stehen. Sie müssen trotz Preisdeckel erheblich mehr für Strom und Gas zahlen und wurden mit der höchsten Inflation seit Gründung der Bundesrepublik konfrontiert.
Noch ist die Versorgung in den kommenden Jahren nicht gesichert. Sicher ist nur, dass ohne russische Lieferungen per Pipeline Erdgas, Erdöl und Energie allgemein dauerhaft viel teuer bleiben und damit das Erfolgsrezept der exportorientierten deutschen Wirtschaft, das zum guten Teil auf dem günstigen Gas aus Russland basierte, zusammenbrechen wird. Zahlreiche kleinere Unternehmen stehen wegen zu hoher Energiekosten bereits vor dem Ruin. Insgesamt hat fast jedes zehnte mittelständische Industrieunternehmen einer Umfrage zufolge seine Produktion in Deutschland schon wegen hoher Preise unterbrochen oder gedrosselt. Jede fünfte der befragten Firmen denkt wegen der Preissteigerungen über eine Verlagerung von Teilen oder des gesamten Unternehmens ins Ausland nach, vor allem in die USA, wo Gas wesentlich billiger ist.¹⁷ Experten warnen daher schon von einer drohenden »Deindustrialisierung«. »Der Schritt von der weltweit führenden Industrienation zum Industriemuseum war noch nie so klein«, warnte im Herbst der Verband der Chemischen Industrie (VCI).¹⁸
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•NEUER BEITRAG05.03.2023, 22:56 Uhr
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05.03.2023, 22:57 Uhr
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Nachdem die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten eine deutliche Rezession fürs nächste Jahr prognostiziert hatten,¹⁹ gehen sie aufgrund der gesunkenen Preise und staatlichen Subventionen mittlerweile von einem milderen Abschwung aus. Sie sehen jedoch die deutsche Wirtschaft weiterhin »schwierigen Zeiten« entgegengehen.²⁰
Die Gewinner des Wirtschaftskrieges gegen Russland sind bisher zweifellos die USA. Die seit langem bekämpften wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands und Westeuropas zum großen östlichen Nachbar sind nun weitgehend gekappt, die Abhängigkeit von der Vormacht der USA wird durch die Umstellung der Erdgasversorgung auf US-amerikanisches Frackinggas gestärkt und die US-amerikanischen Energiekonzerne können sich über rasant gestiegene Profite freuen. Der durch Verlust an Wettbewerbsfähigkeit einsetzende wirtschaftliche und geopolitische Niedergang Deutschlands und der EU stärkt die Vormachtstellung der USA in Europa zusätzlich.
Fragt man sich, warum die deutsche Regierung und die Regierungen der anderen EU-Staaten dennoch – auf Kosten der eigenen Wirtschaft – Washington dabei unterstützen, »to make America great again«, so muss man zunächst festhalten, dass zu den Gewinnern auch europäische Konzerne zählen. So konnten die 40 Dax-Konzerne im Schnitt ihre Gewinne 2022 erneut steigern und werden im Frühjahr so hohe Dividenden ausschütten wie noch nie.²¹
Hinzu kommt, dass die europäischen Länder, die einen derart umfassenden Boykott gegen ihre wirtschaftlichen Interessen ungern mittragen, sich dazu genötigt sehen, da die wirtschaftlichen und politischen Kosten, sich der Vormacht zu widersetzen, höher eingeschätzt werden als die des Wirtschaftskrieges. Und ein guter Teil der herrschenden Kreise in der EU teilt selbstverständlich auch das Ziel, die lukrative westliche Dominanz in der Welt so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und alles dafür zu tun, Russland niederzuringen und China zu schwächen.
Für Berlin kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Laut Kanzler Scholz soll die Bundeswehr mit den angestoßenen gigantischen Rüstungsvorhaben zur größten europäischen Armee im Rahmen der NATO aufgerüstet werden. Da es eine grundlegende Maxime US-amerikanischer Strategie ist, zu verhindern, dass die US-Vorherrschaft über Europa durch ein starkes Deutschland im Verein mit Russland untergraben wird, kann Washington solche Bestrebungen nur akzeptieren, wenn Deutschland seine Verbindungen zu Russland dauerhaft kappt. Allerdings untergräbt die deutsche Führung damit die wirtschaftliche Basis ihres Strebens nach »Führungsmacht«.
Neue Blockbildung
Der russische Krieg und mehr noch die Reaktion des Westens haben auch erhebliche Auswirkungen außerhalb Europas und brachten reichlich Bewegung in die internationalen Beziehungen. Manche sprechen von der größten Neuaufteilung der Welt seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Auf der einen Seite schuf der russische Einmarsch die einheitliche Front des Westens gegen Russland, die Washington seit langem anstrebt. Auch formal neutrale europäische Länder wie die Schweiz und Österreich beteiligen sich an den Wirtschaftsblockaden. Die Regierungen Finnlands und Schwedens nutzen die Stimmung, um auch formal Mitglied der NATO zu werden.
Die außenpolitische Isolierung Russlands ist jedoch krachend gescheitert. Eine klare Mehrheit aller Staaten verurteilte zwar den russischen Einmarsch in der UN-Vollversammlung, sieht diesen Krieg jedoch nur als einen weiteren neben den vielen, die vom Westen oder mit dessen Unterstützung geführt werden. In seinem aggressiven Vorgehen gegen Russland ist der Westen weitgehend isoliert.
Statt dessen kristallisiert sich eine neue Blockbildung heraus. Die vom Westen zum Feind erklärten Länder – wie Russland, China, Iran, Kuba und Venezuela – rücken enger zusammen und parallel dazu entsteht ein weiterer bedeutender Block von Staaten – von Indien über die Golfstaaten und Südafrika bis Brasilien und Mexiko –, die dem Westen die Gefolgschaft verweigern.
Diese Länder kritisieren mit Verweis auf die US- und NATO-Kriege die westliche Doppelmoral, prangern den Missbrauch des internationalen Finanzsystems durch die USA zur Erpressung anderer Staaten an und haben größtes Interesse, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern – naheliegenderweise gemeinsam mit China und Russland. Ungeachtet der Differenzen untereinander sind sie sich darin einig, dass die seit Jahrhunderten währende westliche Dominanz endlich enden und durch eine multipolare Weltordnung ersetzt werden muss. Sie führen daher ihre Zusammenarbeit mit Russland nicht nur fort, sondern intensivieren sie sogar noch, deutlich sichtbar im Bestreben einer Reihe weiterer Staaten, sich der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder der Vereinigung der BRICS-Staaten anzuschließen – beides Zusammenschlüsse, in denen Russland wie auch China führend beteiligt sind.
Wenn Devisenreserven eingefroren und Banken vom Interbankensystem ausgeschlossen werden können, wie es nun im Falle Russlands und zuvor für Venezuela, Iran und Afghanistan geschehen ist, kann sich kein Land mehr sicher fühlen. Dies beflügelt viele nichtwestliche Länder bei der Suche nach Alternativen. CIPS, der chinesische Konkurrent von SWIFT, verzeichnet bereits ein erhebliches Wachstum an Transaktionen, auch der Handel mit lokalen Währungen nimmt zu. Die »Sanktionsallianz« untergrabe »das Fundament der internationalen Arbeitsteilung« und schädige sich damit langfristig selbst, schreibt Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in der Zeitschrift Internationale Politik.²² Handelssanktionen sind der letzte Sargnagel für die regelbasierte internationale Handelsordnung.
Anmerkungen
1 Patrick Lawrence: Der neue Eiserne Vorhang, Consortium News, 16.5.2022
2 Frank Umbach: Die westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland – Wie effektiv sind sie?, Europäische Sicherheit und Technik (ES&T), 9.11.2022
3 Connor Echols: Diplomacy Watch – Did Boris Johnson Help Stop a Peace Deal in Ukraine?, Responsible Statecraft, 2.9.2022; Roman Romaniuk: Possibility of Talks between Zelenskyy and Putin Came to a Halt after Johnson’s Visit, Ukrayinska Pravda, 5.5.2022
4 Stefanie Markert: Strafmaßnahmen gegen Russland – Sanktionen und drastische Worte aus Paris, tagesschau.de, 1.3.2022
5 Jörg Kronauer: Weltweiter Schaden, junge Welt, 23.11.2022
6 Nicholas Mulder: The Sanctions Weapon – Economic Sanctions Deliver Bigger Global Shocks Than Ever Before and Are Easier to Evade, Finance and Development, June 2022, 20–23
7 Bruno Urmersbach: Ranking der zwanzig Länder mit dem größten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021, Statista, 3.11.2022; Bruno Urmersbach: Die zwanzig Länder mit dem größten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021, Statista, 7.12.2022
8 Lazaro Gamio, Ana Swanson: How Russia Pays for War, New York Times, 30.10.2022
9 Patrick Cockburn: How the West’s Sanctions on Russia Boomeranged, Counter Punch, 10.10.2022
10 Valentin Radonici: Militärkosten – So teuer ist der Krieg für Russland wirklich, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 19.1.2023
11 Renate Bridenthal: How Western Sanctions Blow Back, Hurting Europe, Deepening Asian Integration, Geopolitical Economy Report, 10.1.2023
12 Romanus Otte: IWF sieht Deutschland und Großbritannien als Schlusslichter der Weltwirtschaft – und hebt die Prognose für Russland erneut an, Business Insider, 1.2.2023
13 Wolfgang Pomrehn: Ölkonzerne fahren Rekordgewinne ein, Telepolis, 21.1.2023
14 o. A.: Europe’s $1 Trillion Energy Bill Only Marks Start of the Crisis, Bloomberg, 18.12.2022
15 Charlie Cooper, Giorgio Leali: Is This the End of »Made in Europe«?, Politico, 15.1.2023
16 Jens Berger: Gaspreisexplosion – nun findet auch der Spiegel heraus, was Sie bereits vor mehr als zwei Monaten auf den Nachdenkseiten lesen konnten, Nachdenkseiten, 18.10.2022
17 o. A.: Institute erwarten Einbruch der Wirtschaft um bis zu 8 Prozent, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 29.9.2022
18 o. A.: Deutsche Chemieindustrie warnt vor Abwanderung von Produktion ins Ausland, NTV, 20.9.2022
19 o. A.: Institute erwarten Einbruch der Wirtschaft um bis zu 8 Prozent, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 29.9.2022
20 o. A.: Leibniz-Institut: Keine tiefe Rezession in 2023 – trotz Energiekrise und Zinsanstieg, Cash, 21.12.2022
21 Ulf Sommer: Dividenden – Dax-Unternehmen zahlen so viel Dividende wie noch nie, Handelsblatt, 30.11.2022
22 Heribert Dieter: Die Irrtümer der Sanktionsbefürworter, Internationale Politik, 25.10.2022
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Nachdem die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute in ihrem Herbstgutachten eine deutliche Rezession fürs nächste Jahr prognostiziert hatten,¹⁹ gehen sie aufgrund der gesunkenen Preise und staatlichen Subventionen mittlerweile von einem milderen Abschwung aus. Sie sehen jedoch die deutsche Wirtschaft weiterhin »schwierigen Zeiten« entgegengehen.²⁰
Die Gewinner des Wirtschaftskrieges gegen Russland sind bisher zweifellos die USA. Die seit langem bekämpften wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands und Westeuropas zum großen östlichen Nachbar sind nun weitgehend gekappt, die Abhängigkeit von der Vormacht der USA wird durch die Umstellung der Erdgasversorgung auf US-amerikanisches Frackinggas gestärkt und die US-amerikanischen Energiekonzerne können sich über rasant gestiegene Profite freuen. Der durch Verlust an Wettbewerbsfähigkeit einsetzende wirtschaftliche und geopolitische Niedergang Deutschlands und der EU stärkt die Vormachtstellung der USA in Europa zusätzlich.
Fragt man sich, warum die deutsche Regierung und die Regierungen der anderen EU-Staaten dennoch – auf Kosten der eigenen Wirtschaft – Washington dabei unterstützen, »to make America great again«, so muss man zunächst festhalten, dass zu den Gewinnern auch europäische Konzerne zählen. So konnten die 40 Dax-Konzerne im Schnitt ihre Gewinne 2022 erneut steigern und werden im Frühjahr so hohe Dividenden ausschütten wie noch nie.²¹
Hinzu kommt, dass die europäischen Länder, die einen derart umfassenden Boykott gegen ihre wirtschaftlichen Interessen ungern mittragen, sich dazu genötigt sehen, da die wirtschaftlichen und politischen Kosten, sich der Vormacht zu widersetzen, höher eingeschätzt werden als die des Wirtschaftskrieges. Und ein guter Teil der herrschenden Kreise in der EU teilt selbstverständlich auch das Ziel, die lukrative westliche Dominanz in der Welt so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und alles dafür zu tun, Russland niederzuringen und China zu schwächen.
Für Berlin kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Laut Kanzler Scholz soll die Bundeswehr mit den angestoßenen gigantischen Rüstungsvorhaben zur größten europäischen Armee im Rahmen der NATO aufgerüstet werden. Da es eine grundlegende Maxime US-amerikanischer Strategie ist, zu verhindern, dass die US-Vorherrschaft über Europa durch ein starkes Deutschland im Verein mit Russland untergraben wird, kann Washington solche Bestrebungen nur akzeptieren, wenn Deutschland seine Verbindungen zu Russland dauerhaft kappt. Allerdings untergräbt die deutsche Führung damit die wirtschaftliche Basis ihres Strebens nach »Führungsmacht«.
Neue Blockbildung
Der russische Krieg und mehr noch die Reaktion des Westens haben auch erhebliche Auswirkungen außerhalb Europas und brachten reichlich Bewegung in die internationalen Beziehungen. Manche sprechen von der größten Neuaufteilung der Welt seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Auf der einen Seite schuf der russische Einmarsch die einheitliche Front des Westens gegen Russland, die Washington seit langem anstrebt. Auch formal neutrale europäische Länder wie die Schweiz und Österreich beteiligen sich an den Wirtschaftsblockaden. Die Regierungen Finnlands und Schwedens nutzen die Stimmung, um auch formal Mitglied der NATO zu werden.
Die außenpolitische Isolierung Russlands ist jedoch krachend gescheitert. Eine klare Mehrheit aller Staaten verurteilte zwar den russischen Einmarsch in der UN-Vollversammlung, sieht diesen Krieg jedoch nur als einen weiteren neben den vielen, die vom Westen oder mit dessen Unterstützung geführt werden. In seinem aggressiven Vorgehen gegen Russland ist der Westen weitgehend isoliert.
Statt dessen kristallisiert sich eine neue Blockbildung heraus. Die vom Westen zum Feind erklärten Länder – wie Russland, China, Iran, Kuba und Venezuela – rücken enger zusammen und parallel dazu entsteht ein weiterer bedeutender Block von Staaten – von Indien über die Golfstaaten und Südafrika bis Brasilien und Mexiko –, die dem Westen die Gefolgschaft verweigern.
Diese Länder kritisieren mit Verweis auf die US- und NATO-Kriege die westliche Doppelmoral, prangern den Missbrauch des internationalen Finanzsystems durch die USA zur Erpressung anderer Staaten an und haben größtes Interesse, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern – naheliegenderweise gemeinsam mit China und Russland. Ungeachtet der Differenzen untereinander sind sie sich darin einig, dass die seit Jahrhunderten währende westliche Dominanz endlich enden und durch eine multipolare Weltordnung ersetzt werden muss. Sie führen daher ihre Zusammenarbeit mit Russland nicht nur fort, sondern intensivieren sie sogar noch, deutlich sichtbar im Bestreben einer Reihe weiterer Staaten, sich der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder der Vereinigung der BRICS-Staaten anzuschließen – beides Zusammenschlüsse, in denen Russland wie auch China führend beteiligt sind.
Wenn Devisenreserven eingefroren und Banken vom Interbankensystem ausgeschlossen werden können, wie es nun im Falle Russlands und zuvor für Venezuela, Iran und Afghanistan geschehen ist, kann sich kein Land mehr sicher fühlen. Dies beflügelt viele nichtwestliche Länder bei der Suche nach Alternativen. CIPS, der chinesische Konkurrent von SWIFT, verzeichnet bereits ein erhebliches Wachstum an Transaktionen, auch der Handel mit lokalen Währungen nimmt zu. Die »Sanktionsallianz« untergrabe »das Fundament der internationalen Arbeitsteilung« und schädige sich damit langfristig selbst, schreibt Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in der Zeitschrift Internationale Politik.²² Handelssanktionen sind der letzte Sargnagel für die regelbasierte internationale Handelsordnung.
Anmerkungen
1 Patrick Lawrence: Der neue Eiserne Vorhang, Consortium News, 16.5.2022
2 Frank Umbach: Die westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland – Wie effektiv sind sie?, Europäische Sicherheit und Technik (ES&T), 9.11.2022
3 Connor Echols: Diplomacy Watch – Did Boris Johnson Help Stop a Peace Deal in Ukraine?, Responsible Statecraft, 2.9.2022; Roman Romaniuk: Possibility of Talks between Zelenskyy and Putin Came to a Halt after Johnson’s Visit, Ukrayinska Pravda, 5.5.2022
4 Stefanie Markert: Strafmaßnahmen gegen Russland – Sanktionen und drastische Worte aus Paris, tagesschau.de, 1.3.2022
5 Jörg Kronauer: Weltweiter Schaden, junge Welt, 23.11.2022
6 Nicholas Mulder: The Sanctions Weapon – Economic Sanctions Deliver Bigger Global Shocks Than Ever Before and Are Easier to Evade, Finance and Development, June 2022, 20–23
7 Bruno Urmersbach: Ranking der zwanzig Länder mit dem größten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021, Statista, 3.11.2022; Bruno Urmersbach: Die zwanzig Länder mit dem größten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021, Statista, 7.12.2022
8 Lazaro Gamio, Ana Swanson: How Russia Pays for War, New York Times, 30.10.2022
9 Patrick Cockburn: How the West’s Sanctions on Russia Boomeranged, Counter Punch, 10.10.2022
10 Valentin Radonici: Militärkosten – So teuer ist der Krieg für Russland wirklich, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 19.1.2023
11 Renate Bridenthal: How Western Sanctions Blow Back, Hurting Europe, Deepening Asian Integration, Geopolitical Economy Report, 10.1.2023
12 Romanus Otte: IWF sieht Deutschland und Großbritannien als Schlusslichter der Weltwirtschaft – und hebt die Prognose für Russland erneut an, Business Insider, 1.2.2023
13 Wolfgang Pomrehn: Ölkonzerne fahren Rekordgewinne ein, Telepolis, 21.1.2023
14 o. A.: Europe’s $1 Trillion Energy Bill Only Marks Start of the Crisis, Bloomberg, 18.12.2022
15 Charlie Cooper, Giorgio Leali: Is This the End of »Made in Europe«?, Politico, 15.1.2023
16 Jens Berger: Gaspreisexplosion – nun findet auch der Spiegel heraus, was Sie bereits vor mehr als zwei Monaten auf den Nachdenkseiten lesen konnten, Nachdenkseiten, 18.10.2022
17 o. A.: Institute erwarten Einbruch der Wirtschaft um bis zu 8 Prozent, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 29.9.2022
18 o. A.: Deutsche Chemieindustrie warnt vor Abwanderung von Produktion ins Ausland, NTV, 20.9.2022
19 o. A.: Institute erwarten Einbruch der Wirtschaft um bis zu 8 Prozent, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 29.9.2022
20 o. A.: Leibniz-Institut: Keine tiefe Rezession in 2023 – trotz Energiekrise und Zinsanstieg, Cash, 21.12.2022
21 Ulf Sommer: Dividenden – Dax-Unternehmen zahlen so viel Dividende wie noch nie, Handelsblatt, 30.11.2022
22 Heribert Dieter: Die Irrtümer der Sanktionsbefürworter, Internationale Politik, 25.10.2022
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•NEUER BEITRAG10.04.2023, 18:19 Uhr
EDIT: arktika
10.04.2023, 18:24 Uhr
10.04.2023, 18:24 Uhr
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Die Kosten der Wirtschaftskriege
Laßt sie doch verhungern, die Neger - gibt ja eh viel zu viele davon ...
Frei nach diesem Motto verfahren aktuell (mal wieder) die "Guten" im Kampf gegen "das Böse" (sprich: Putin).
Nicht nur Weizen (jedenfalls nicht aus "bösen" Ländern), auch kein Dünger (gilt selbiges) soll den Trikont erreichen. Ist natürlich nicht persönlich gemeint, aber die Sanktionen sind eben heilig. Denn „Wenn wir die Sanktionen abschwächen, übernehmen wir das russische Narrativ.“ Und Arme (nicht nur, aber vor allem) im Globalen Süden ... s. o.
Am 28. März erschien dazu der 4. Teil der Die Hungermacher-Reihe auf gfp:
Die Hungermacher (IV)
EU weist Bitte des UN-Generalsekretärs zurück, ihre Sanktionsblockade russischer und belarussischer Düngemittelexporte aufzuheben. Düngermangel führt zu Hunger im Globalen Süden.
BRÜSSEL/MINSK/MOSKAU (Eigener Bericht) – Trotz einer persönlichen Intervention von UN-Generalsekretär António Guterres verhindert die EU weiterhin Düngemittelexporte aus Russland und Belarus und treibt damit zahlreiche Länder Afrikas in den Hunger. Konkret weigert sich Brüssel zur Zeit, Ausnahmen bei seinen Sanktionen gegen Belarus zu gewähren, die es ermöglichen würden, den sanktionsbedingt grassierenden Düngermangel vor allem auf dem afrikanischen Kontinent zu reduzieren. Experten zufolge ist der Düngemitteleinsatz in Afrika südlich der Sahara bereits um ein Viertel gesunken. Mit deutlich geringerer Ernte und empfindlich steigendem Hunger ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Guterres war zum EU-Gipfel nach Brüssel gereist, um für ein Ende der Düngemittelblockade zu plädieren, war jedoch von – so der EU-Jargon – „uns Europäern“ abgewiesen worden: Man sei nicht bereit, die Sanktionen einzuschränken, nur um „die UNO zu beschwichtigen“, hieß es. Besonders die Russland-Sanktionen tragen weiter zum Düngermangel bei, der sich in diesem und in den kommenden Jahren in einer zusätzlichen Knappheit an Nahrungsmitteln vor allem in den Ländern des Globalen Südens niederschlagen wird.
Die Düngemittelblockade
Die Versorgung der Welt mit Düngemitteln ist nach wie vor angespannt. Hauptursache ist unverändert der Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland, einen der größten Hersteller von Düngemitteln weltweit. Zum einen erschwert es der Wirtschaftskrieg immer noch, russische Düngemittel zu exportieren. Zwar haben die EU-Staaten offiziell Lieferungen, die der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung dienen, von ihren Sanktionen ausgenommen. Doch stehen immer noch die Sanktionen gegen die russische Finanz- und Transportbranche zahlreichen Ausfuhren im Weg. Hinzu kommt – wie üblich –, dass das undurchsichtige Sanktionsregime bei westlichen Firmen Unsicherheiten schafft und sie wegen verbleibender Risiken oft davon abhält, russische Düngemittelexporte etwa mit Versicherungen oder Hafendienstleistungen zu unterstützen – auch dann, wenn das mit den Ausnahmeregelungen der EU formal möglich wäre. Nicht zuletzt blockiert die Ukraine weiterhin die Pipeline aus der russischen Stadt Togliatti nach Odessa, die riesige Mengen Ammoniak transportieren kann. Ammoniak ist ein zentraler Grundstoff für die Düngemittelproduktion. Pipelines, die nicht Ammoniak, sondern Erdgas in die EU transportieren, werden von der Ukraine nicht blockiert.[1]
Absatz eingebrochen
Zum anderen hat das Bestreben der EU, aus dem Erwerb russischen Erdgases auszusteigen, die Erdgaspreise in Europa in die Höhe getrieben – und damit zugleich, da Erdgas in großen Mengen für die Herstellung von Düngemitteln verwendet wird, die Düngemittelpreise stark erhöht. Im Spätsommer 2022 war Erdgas in Europa so teuer, dass die Düngemittelproduktion in der EU zeitweise nicht mehr profitabel zu gewährleisten war und um bis zu 70 Prozent einbrach.[2] Bis Jahresende gingen die Preise zwar wieder zurück; Dünger kostete allerdings laut den Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) immer noch rund doppelt so viel wie im Frühjahr 2020.[3] Dies sorgt sogar in der wohlhabenden Bundesrepublik für Probleme. So ist im vergangenen Jahr der Absatz von Düngemitteln in Deutschland Berichten zufolge recht drastisch zurückgegangen: bei Dünger auf der Basis von Stickstoff um rund 13 Prozent, bei Kalidünger um 31 Prozent, bei Phosphatdünger sogar um 40 Prozent. Branchenvertreter warnen vor weit reichenden Folgen. Eine Sprecherin des Bayerischen Bauernverbandes urteilt: „Mit Ertrags- und Qualitätseinbußen wird zu rechnen sein“.[4]
Verlierer Afrika
Besonders stark betroffen sind die Staaten Afrikas südlich der Sahara. Als die Lieferungen aus Russland im vergangenen Jahr aufgrund der westlichen Sanktionen wegbrachen, konnten sich finanziell besser gestellte Staaten Ersatz aus anderen Ländern sichern; so weitete etwa Brasilien seine Importe aus Kanada aus, während Marokko Einfuhren aus Saudi-Arabien und Ägypten steigern konnte.[5] Ein wenig Ausgleich ergab sich auch daraus, dass Russland einen Teil seiner Düngemittel nach Indien umleiten konnte, das entsprechend weniger andere Vorräte aufkaufte. Vollständig ausgleichen ließen sich sanktionsbedingten Einbußen jedoch nicht. Laut Angaben der International Fertilizer Association (IFA) schrumpfte der globale Verbrauch im vergangenen Jahr um rund fünf Prozent, wobei die Staaten mit der geringsten Finanzkraft die größten Einbußen hinnehmen mussten: In Afrika südlich der Sahara – mit Ausnahme Südafrikas – brach der Verbrauch nach Schätzungen des International Fertilizer Development Center mit Sitz im US-Bundesstaat Alabama um rund 25 Prozent ein. Dies ist einer der Gründe dafür, dass die globale Nachfrage und mit ihr der Düngemittelpreis Ende vergangenen Jahres wieder etwas zurückgingen.[6]
Ein Fünftel unterernährt
Für zahlreiche Landwirte südlich der Sahara ist der Düngemittelpreis freilich immer noch zu hoch. Dort werde nun oft in unzureichendem Umfang gedüngt, wird ein WFP-Experte zitiert – mit der Folge, dass die Nahrungsmittelproduktion schrumpfe.[7] Laut den Statistiken der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) ist auf dem afrikanischen Kontinent die Getreideproduktion im vergangenen Jahr bereits gesunken, während die Getreideimporte nicht gesteigert werden konnten, zugleich jedoch aufgrund des Preisanstiegs teurer wurden. Dies wiederum treibt die Schulden in die Höhe. Dem WFP zufolge verzeichnet Afrika bereits heute den höchsten Anteil Unterernährter an der Gesamtbevölkerung – rund 21 Prozent.[8] Auch auf ihrem Rücken tragen die wohlhabenden Staaten der EU ihren Wirtschaftskrieg gegen Russland aus.
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Frei nach diesem Motto verfahren aktuell (mal wieder) die "Guten" im Kampf gegen "das Böse" (sprich: Putin).
Nicht nur Weizen (jedenfalls nicht aus "bösen" Ländern), auch kein Dünger (gilt selbiges) soll den Trikont erreichen. Ist natürlich nicht persönlich gemeint, aber die Sanktionen sind eben heilig. Denn „Wenn wir die Sanktionen abschwächen, übernehmen wir das russische Narrativ.“ Und Arme (nicht nur, aber vor allem) im Globalen Süden ... s. o.
Am 28. März erschien dazu der 4. Teil der Die Hungermacher-Reihe auf gfp:
Die Hungermacher (IV)
EU weist Bitte des UN-Generalsekretärs zurück, ihre Sanktionsblockade russischer und belarussischer Düngemittelexporte aufzuheben. Düngermangel führt zu Hunger im Globalen Süden.
BRÜSSEL/MINSK/MOSKAU (Eigener Bericht) – Trotz einer persönlichen Intervention von UN-Generalsekretär António Guterres verhindert die EU weiterhin Düngemittelexporte aus Russland und Belarus und treibt damit zahlreiche Länder Afrikas in den Hunger. Konkret weigert sich Brüssel zur Zeit, Ausnahmen bei seinen Sanktionen gegen Belarus zu gewähren, die es ermöglichen würden, den sanktionsbedingt grassierenden Düngermangel vor allem auf dem afrikanischen Kontinent zu reduzieren. Experten zufolge ist der Düngemitteleinsatz in Afrika südlich der Sahara bereits um ein Viertel gesunken. Mit deutlich geringerer Ernte und empfindlich steigendem Hunger ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Guterres war zum EU-Gipfel nach Brüssel gereist, um für ein Ende der Düngemittelblockade zu plädieren, war jedoch von – so der EU-Jargon – „uns Europäern“ abgewiesen worden: Man sei nicht bereit, die Sanktionen einzuschränken, nur um „die UNO zu beschwichtigen“, hieß es. Besonders die Russland-Sanktionen tragen weiter zum Düngermangel bei, der sich in diesem und in den kommenden Jahren in einer zusätzlichen Knappheit an Nahrungsmitteln vor allem in den Ländern des Globalen Südens niederschlagen wird.
Die Düngemittelblockade
Die Versorgung der Welt mit Düngemitteln ist nach wie vor angespannt. Hauptursache ist unverändert der Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland, einen der größten Hersteller von Düngemitteln weltweit. Zum einen erschwert es der Wirtschaftskrieg immer noch, russische Düngemittel zu exportieren. Zwar haben die EU-Staaten offiziell Lieferungen, die der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung dienen, von ihren Sanktionen ausgenommen. Doch stehen immer noch die Sanktionen gegen die russische Finanz- und Transportbranche zahlreichen Ausfuhren im Weg. Hinzu kommt – wie üblich –, dass das undurchsichtige Sanktionsregime bei westlichen Firmen Unsicherheiten schafft und sie wegen verbleibender Risiken oft davon abhält, russische Düngemittelexporte etwa mit Versicherungen oder Hafendienstleistungen zu unterstützen – auch dann, wenn das mit den Ausnahmeregelungen der EU formal möglich wäre. Nicht zuletzt blockiert die Ukraine weiterhin die Pipeline aus der russischen Stadt Togliatti nach Odessa, die riesige Mengen Ammoniak transportieren kann. Ammoniak ist ein zentraler Grundstoff für die Düngemittelproduktion. Pipelines, die nicht Ammoniak, sondern Erdgas in die EU transportieren, werden von der Ukraine nicht blockiert.[1]
Absatz eingebrochen
Zum anderen hat das Bestreben der EU, aus dem Erwerb russischen Erdgases auszusteigen, die Erdgaspreise in Europa in die Höhe getrieben – und damit zugleich, da Erdgas in großen Mengen für die Herstellung von Düngemitteln verwendet wird, die Düngemittelpreise stark erhöht. Im Spätsommer 2022 war Erdgas in Europa so teuer, dass die Düngemittelproduktion in der EU zeitweise nicht mehr profitabel zu gewährleisten war und um bis zu 70 Prozent einbrach.[2] Bis Jahresende gingen die Preise zwar wieder zurück; Dünger kostete allerdings laut den Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) immer noch rund doppelt so viel wie im Frühjahr 2020.[3] Dies sorgt sogar in der wohlhabenden Bundesrepublik für Probleme. So ist im vergangenen Jahr der Absatz von Düngemitteln in Deutschland Berichten zufolge recht drastisch zurückgegangen: bei Dünger auf der Basis von Stickstoff um rund 13 Prozent, bei Kalidünger um 31 Prozent, bei Phosphatdünger sogar um 40 Prozent. Branchenvertreter warnen vor weit reichenden Folgen. Eine Sprecherin des Bayerischen Bauernverbandes urteilt: „Mit Ertrags- und Qualitätseinbußen wird zu rechnen sein“.[4]
Verlierer Afrika
Besonders stark betroffen sind die Staaten Afrikas südlich der Sahara. Als die Lieferungen aus Russland im vergangenen Jahr aufgrund der westlichen Sanktionen wegbrachen, konnten sich finanziell besser gestellte Staaten Ersatz aus anderen Ländern sichern; so weitete etwa Brasilien seine Importe aus Kanada aus, während Marokko Einfuhren aus Saudi-Arabien und Ägypten steigern konnte.[5] Ein wenig Ausgleich ergab sich auch daraus, dass Russland einen Teil seiner Düngemittel nach Indien umleiten konnte, das entsprechend weniger andere Vorräte aufkaufte. Vollständig ausgleichen ließen sich sanktionsbedingten Einbußen jedoch nicht. Laut Angaben der International Fertilizer Association (IFA) schrumpfte der globale Verbrauch im vergangenen Jahr um rund fünf Prozent, wobei die Staaten mit der geringsten Finanzkraft die größten Einbußen hinnehmen mussten: In Afrika südlich der Sahara – mit Ausnahme Südafrikas – brach der Verbrauch nach Schätzungen des International Fertilizer Development Center mit Sitz im US-Bundesstaat Alabama um rund 25 Prozent ein. Dies ist einer der Gründe dafür, dass die globale Nachfrage und mit ihr der Düngemittelpreis Ende vergangenen Jahres wieder etwas zurückgingen.[6]
Ein Fünftel unterernährt
Für zahlreiche Landwirte südlich der Sahara ist der Düngemittelpreis freilich immer noch zu hoch. Dort werde nun oft in unzureichendem Umfang gedüngt, wird ein WFP-Experte zitiert – mit der Folge, dass die Nahrungsmittelproduktion schrumpfe.[7] Laut den Statistiken der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) ist auf dem afrikanischen Kontinent die Getreideproduktion im vergangenen Jahr bereits gesunken, während die Getreideimporte nicht gesteigert werden konnten, zugleich jedoch aufgrund des Preisanstiegs teurer wurden. Dies wiederum treibt die Schulden in die Höhe. Dem WFP zufolge verzeichnet Afrika bereits heute den höchsten Anteil Unterernährter an der Gesamtbevölkerung – rund 21 Prozent.[8] Auch auf ihrem Rücken tragen die wohlhabenden Staaten der EU ihren Wirtschaftskrieg gegen Russland aus.
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•NEUER BEITRAG10.04.2023, 18:27 Uhr
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Belarus und die Pottasche
Das ist der Grund, weshalb UN-Generalsekretär António Guterres vergangenen Donnerstag am EU-Gipfeltreffen in Brüssel teilnahm. Dort standen unter anderem die Sanktionen auf der Tagesordnung, die die EU bereits 2021 gegen Belarus verhängt hat und die den Export von Düngemitteln, vor allem von Pottasche, unterbinden sollen. Belarus produzierte im Jahr 2020 noch gut 17,6 Prozent der weltweit verfügbaren Pottasche.[9] Laut dem International Food Policy Research Institute (IFPRI) aus Washington konnte das Land im Jahr 2022 gerade noch halb so viel Pottasche exportieren wie 2021.[10] Zwar will der größte Düngemittelhersteller der Welt, der kanadische Konzern Nutrien, seine Pottascheproduktion erheblich aufstocken. Doch wird dies im gewünschten Umfang erst im Jahr 2025 der Fall sein. Wie der globale Mangel bis dahin aufgefangen werden soll, ist nicht ersichtlich. Wegen des stark wachsenden internationalen Drucks war in Brüssel im Gespräch, die Belarus-Sanktionen mit Ausnahmen für zwei belarussische Düngemittelkonzerne (Belaruskali, Belarus Potash Company) sowie für zwei Geschäftsleute (die Leiter von Belaruskali und Slawkali) zu versehen. Es sprach sich sogar eine große Mehrheit der EU-Staaten für die Genehmigung der vier Ausnahmen aus.
„Nicht die UNO beschwichtigen“
Der Plan ist gescheitert. Zwar drang UN-Generalsekretär Guterres in Brüssel persönlich darauf, den Export russischer Düngemittel doch nun endlich zu ermöglichen.[11] Vor allem in Polen und den baltischen Staaten stieß er damit auf taube Ohren. So wurde ein anonymer Diplomat aus einem EU-Staat, der keine Abstriche bei den Sanktionen machen will, mit der Aussage zitiert, man werde sich „keinesfalls“ auf Erleichterungen einlassen: Ein solcher Schritt würde nur dazu dienen, „die UNO zu beschwichtigen“. Dies jedoch werde man nicht tun.[12] Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas behauptete in Brüssel: „Wenn wir die Sanktionen abschwächen, übernehmen wir das russische Narrativ.“[13] Die EU genehmigte bei den Belarus-Sanktionen keine Ausnahmen; Guterres reiste erfolglos nach New York zurück.
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#Duengemittel
#VerhungernLassen
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Belarus und die Pottasche
Das ist der Grund, weshalb UN-Generalsekretär António Guterres vergangenen Donnerstag am EU-Gipfeltreffen in Brüssel teilnahm. Dort standen unter anderem die Sanktionen auf der Tagesordnung, die die EU bereits 2021 gegen Belarus verhängt hat und die den Export von Düngemitteln, vor allem von Pottasche, unterbinden sollen. Belarus produzierte im Jahr 2020 noch gut 17,6 Prozent der weltweit verfügbaren Pottasche.[9] Laut dem International Food Policy Research Institute (IFPRI) aus Washington konnte das Land im Jahr 2022 gerade noch halb so viel Pottasche exportieren wie 2021.[10] Zwar will der größte Düngemittelhersteller der Welt, der kanadische Konzern Nutrien, seine Pottascheproduktion erheblich aufstocken. Doch wird dies im gewünschten Umfang erst im Jahr 2025 der Fall sein. Wie der globale Mangel bis dahin aufgefangen werden soll, ist nicht ersichtlich. Wegen des stark wachsenden internationalen Drucks war in Brüssel im Gespräch, die Belarus-Sanktionen mit Ausnahmen für zwei belarussische Düngemittelkonzerne (Belaruskali, Belarus Potash Company) sowie für zwei Geschäftsleute (die Leiter von Belaruskali und Slawkali) zu versehen. Es sprach sich sogar eine große Mehrheit der EU-Staaten für die Genehmigung der vier Ausnahmen aus.
„Nicht die UNO beschwichtigen“
Der Plan ist gescheitert. Zwar drang UN-Generalsekretär Guterres in Brüssel persönlich darauf, den Export russischer Düngemittel doch nun endlich zu ermöglichen.[11] Vor allem in Polen und den baltischen Staaten stieß er damit auf taube Ohren. So wurde ein anonymer Diplomat aus einem EU-Staat, der keine Abstriche bei den Sanktionen machen will, mit der Aussage zitiert, man werde sich „keinesfalls“ auf Erleichterungen einlassen: Ein solcher Schritt würde nur dazu dienen, „die UNO zu beschwichtigen“. Dies jedoch werde man nicht tun.[12] Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas behauptete in Brüssel: „Wenn wir die Sanktionen abschwächen, übernehmen wir das russische Narrativ.“[13] Die EU genehmigte bei den Belarus-Sanktionen keine Ausnahmen; Guterres reiste erfolglos nach New York zurück.
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#Duengemittelsanktionen
•NEUER BEITRAG10.04.2023, 19:15 Uhr
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