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•NEUES THEMA17.08.2019, 00:17 Uhr
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18.08.2019, 02:10 Uhr
18.08.2019, 02:10 Uhr
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• 75. Jt. der Ermordung Ernst Thälmanns
jW heute:
Nicht vom Posten gewichen
Vor 75 Jahren wurde der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann von einem Sonderkommando der Gestapo im KZ Buchenwald ermordet
Von Leo Schwarz
Am 10. Juni 1929 referierte Ernst Thälmann auf dem 12. Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands über die politische Lage und die Aufgaben der Partei. Der Parteitag in den Pharus-Sälen im Berliner Wedding war, was keiner der Teilnehmer ahnen konnte, der letzte vor der Illegalität; das Referat war mithin auch die letzte große programmatische Rede des Hamburger Arbeiters, der seit 1925 Vorsitzender der KPD war.
Thälmann sprach über die Entwicklung der Kommunistischen Internationale und ihrer deutschen Sektion nach dem VI. Weltkongress im Vorjahr, über die wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland, die Rolle der Sozialdemokratie und den spezifischen Charakter der neueren Klassenkämpfe. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Berliner »Blutmai«, der erst einige Wochen zurücklag. Die Rede ist – wie der Parteitag insgesamt – ein Beleg für den vielen heutigen Betrachtern ganz unverständlichen revolutionären Optimismus und den kämpferischen Elan der KPD in den letzten Jahren der Weimarer Republik: Die künftigen Aufgaben, forderte Thälmann, waren »in der Linie der Organisierung der Revolution« zu stellen. Unter Thälmann hatte die Partei nach und nach die quälenden Fraktionskämpfe, die zuletzt nach der Niederlage im Herbst 1923 aufgebrochen waren und bis 1928 angehalten hatten, überwunden. Nicht unbemerkt freilich blieb schon im Juni 1929 eine Entwicklung, die ab 1930 das zentrale Problem der Politik der KPD werden sollte: Thälmann konstatierte eine »Verschiebung der Kräfte im Lager des Klassenfeindes« und eine »große Aktivität« faschistischer Organisationen. Als Beispiel für den »Vormarsch des Faschismus« führte der KPD-Vorsitzende die NSDAP an, die »überall in Deutschland an Anhang« gewinne.
Keine vier Jahre später hatte diese Partei zusammen mit konservativen Bündnispartnern die Regierung übernommen und war rasch dazu übergegangen, die Arbeiterbewegung – und hier zuerst die KPD – mit terroristischen Mitteln zu zerschlagen. Wenige Tage nach dem Reichstagsbrand war Thälmann am 3. März 1933 – ein paar Stunden vor der geplanten Übersiedelung in ein vorbereitetes illegales Quartier außerhalb der Stadt – in Berlin infolge einer Denunziation aus dem Umfeld des Quartiergebers festgenommen worden. Für ihn begann damit eine mehr als elf Jahre dauernde, fast durchweg in strenger Isolation zugebrachte Haftzeit, in der ihm anfänglich die Hoffnung blieb, in einem von den Nazis vorbereiteten Prozess sich und seine Partei offensiv verteidigen zu können.
Thälmann bereitete sich darauf akribisch vor. Ausgedehnten Verhören, darunter einer »verschärften« Vernehmung in der Gestapo-Zentrale im Januar 1934, bei der ihm vier Zähne ausgeschlagen wurden, hielt er stand. Die faschistische Justiz wollte den Thälmann-Prozess zum Tribunal über die KPD und deren vermeintliche »Putschpläne« machen. Durch Verlauf und Ausgang des Reichstagsbrandprozesses vorsichtig geworden, gelangte sie allerdings im Herbst 1935 nach langen Erörterungen zu der Einsicht, dass diese Veranstaltung erneut in einem für sie peinlichen Debakel enden musste. Sie blies den Prozess ab; aus dem Untersuchungshäftling Thälmann wurde ein Schutzhäftling der Gestapo. Für den KPD-Vorsitzenden war das ein sehr schwerer Schlag. Noch in seiner letzten überlieferten schriftlichen Äußerung, einem Brief an einen von ihm fälschlich für einen Genossen gehaltenen Mitgefangenen vom Februar 1944, sprach er von seiner »größten, ja allergrößten Enttäuschung«, als ihm klar wurde, dass der Prozess nicht stattfinden würde.
Im August 1937 wurde Thälmann von Moabit in das Gerichtsgefängnis Hannover verlegt. Hier blieb er sechs lange Jahre, in denen er zwar Besuch empfangen konnte, ansonsten aber streng isoliert lebte. Das belastete ihn sehr. In dem eben erwähnten Brief rekapitulierte er diese Erfahrung: »Vorübergehende Seelenverstimmungen und Verzweiflungsschreie« seien die Folgen der »seelentötenden Kerkerumgebung«. Briefe, die er zwischen 1939 und Frühjahr 1941 über seine Frau Rosa bzw. die sowjetische Botschaft nach Moskau schickte, dokumentieren seine Hoffnung, eine sowjetische Intervention könne seine Freilassung und Ausreise in die UdSSR ermöglichen. Er litt mit jedem Jahr mehr darunter, an den Kämpfen seiner Genossen nicht aktiv teilnehmen zu können: »Wenn ich bedenke, was alles schon vorüberglitt an meinem Kerkerdasein, muss ich die Augen schließen. Es ist schon viel, wenn man hier die Richtung nicht verliert, und wenn man nur nicht tot ist, ehe man stirbt.«
Thälmanns letztes Jahr
Nach sechs Jahren Haft in Hannover wurde Thälmann am 11. August 1943 in das Zuchthaus Bautzen verlegt. Die Gestapo hatte nach den Bombenangriffen auf Hamburg im Juli nach einem »luftangriffssicheren« Haftort für den KPD-Vorsitzenden gesucht, um das Risiko zu minimieren, dass er bei einer Bombardierung entkam. Während über die zweite Hälfte der Haftzeit in Hannover, in die der deutsche Angriff auf die Sowjetunion fiel, kaum etwas bekannt ist, weiß man über das Jahr in Bautzen etwas mehr, da eine Ermittlungsgruppe des NKWD im Frühjahr 1945 mehrere Beamte des Zuchthauses verhörte. Der stellvertretende Direktor sagte dabei aus, dass die Gestapo Thälmann angeboten habe, ihn in einem Haus am Rande eines Konzentrationslagers unterzubringen – was dieser nachdrücklich ablehnte. Der Gefängnisarzt Konrad Schubert hatte mehrere Gespräche mit Thälmann geführt, in denen dieser sich von einem Sieg der Roten Armee und einer zukünftigen führenden Rolle der KPD in Deutschland überzeugt zeigte. Ein Wachtmeister sagte aus, dass Thälmann ihm gegenüber das Kriegsende für das Frühjahr 1945 prophezeit hatte.
Die Verlegung Thälmanns nach Bautzen war nicht unbemerkt geblieben. Zur Jahreswende 1943/44 bereitete die Landesleitung der KPD, die sich in Berlin um Anton Saefkow und Franz Jacob gebildet hatte, eine gewaltsame Befreiungsaktion vor. Der Grund lag auf der Hand: Mit der absehbaren militärischen Niederlage stand auch das faschistische Regime vor dem Ende, und das brachte den prominenten Gefangenen offensichtlich in höchste Gefahr. Die Landesleitung hatte Dresdener Genossen beauftragt, einen konkreten Plan für Thälmanns Befreiung auszuarbeiten. Einen Ansatz dafür gab es: Kommunisten aus Schmiedeberg bei Dippoldiswalde hielten Kontakt zu einem im Bautzener Zuchthaus beschäftigten Hilfspolizisten. Eine KPD-Gruppe aus Hainichen hatte in Irbersdorf bei Frankenberg bereits eine Unterkunft für Thälmann vorbereitet. Überlegt worden war auch, ihn mit einem Fahrzeug der schwedischen Botschaft nach Berlin zu bringen (zu einem der Fahrer bestand Kontakt). Saefkow fuhr im April 1944 selbst nach Dresden, um sich bei dem verantwortlichen Genossen über den Stand der Vorbereitungen zu informieren. Zur Ausführung kam die Aktion nicht: Im Juli 1944 zerschlug die Gestapo fast alle involvierten Widerstandsgruppen in Sachsen und in Berlin.
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Nicht vom Posten gewichen
Vor 75 Jahren wurde der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann von einem Sonderkommando der Gestapo im KZ Buchenwald ermordet
Von Leo Schwarz
Am 10. Juni 1929 referierte Ernst Thälmann auf dem 12. Parteitag der Kommunistischen Partei Deutschlands über die politische Lage und die Aufgaben der Partei. Der Parteitag in den Pharus-Sälen im Berliner Wedding war, was keiner der Teilnehmer ahnen konnte, der letzte vor der Illegalität; das Referat war mithin auch die letzte große programmatische Rede des Hamburger Arbeiters, der seit 1925 Vorsitzender der KPD war.
Thälmann sprach über die Entwicklung der Kommunistischen Internationale und ihrer deutschen Sektion nach dem VI. Weltkongress im Vorjahr, über die wirtschaftliche und soziale Lage in Deutschland, die Rolle der Sozialdemokratie und den spezifischen Charakter der neueren Klassenkämpfe. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Berliner »Blutmai«, der erst einige Wochen zurücklag. Die Rede ist – wie der Parteitag insgesamt – ein Beleg für den vielen heutigen Betrachtern ganz unverständlichen revolutionären Optimismus und den kämpferischen Elan der KPD in den letzten Jahren der Weimarer Republik: Die künftigen Aufgaben, forderte Thälmann, waren »in der Linie der Organisierung der Revolution« zu stellen. Unter Thälmann hatte die Partei nach und nach die quälenden Fraktionskämpfe, die zuletzt nach der Niederlage im Herbst 1923 aufgebrochen waren und bis 1928 angehalten hatten, überwunden. Nicht unbemerkt freilich blieb schon im Juni 1929 eine Entwicklung, die ab 1930 das zentrale Problem der Politik der KPD werden sollte: Thälmann konstatierte eine »Verschiebung der Kräfte im Lager des Klassenfeindes« und eine »große Aktivität« faschistischer Organisationen. Als Beispiel für den »Vormarsch des Faschismus« führte der KPD-Vorsitzende die NSDAP an, die »überall in Deutschland an Anhang« gewinne.
Keine vier Jahre später hatte diese Partei zusammen mit konservativen Bündnispartnern die Regierung übernommen und war rasch dazu übergegangen, die Arbeiterbewegung – und hier zuerst die KPD – mit terroristischen Mitteln zu zerschlagen. Wenige Tage nach dem Reichstagsbrand war Thälmann am 3. März 1933 – ein paar Stunden vor der geplanten Übersiedelung in ein vorbereitetes illegales Quartier außerhalb der Stadt – in Berlin infolge einer Denunziation aus dem Umfeld des Quartiergebers festgenommen worden. Für ihn begann damit eine mehr als elf Jahre dauernde, fast durchweg in strenger Isolation zugebrachte Haftzeit, in der ihm anfänglich die Hoffnung blieb, in einem von den Nazis vorbereiteten Prozess sich und seine Partei offensiv verteidigen zu können.
Thälmann bereitete sich darauf akribisch vor. Ausgedehnten Verhören, darunter einer »verschärften« Vernehmung in der Gestapo-Zentrale im Januar 1934, bei der ihm vier Zähne ausgeschlagen wurden, hielt er stand. Die faschistische Justiz wollte den Thälmann-Prozess zum Tribunal über die KPD und deren vermeintliche »Putschpläne« machen. Durch Verlauf und Ausgang des Reichstagsbrandprozesses vorsichtig geworden, gelangte sie allerdings im Herbst 1935 nach langen Erörterungen zu der Einsicht, dass diese Veranstaltung erneut in einem für sie peinlichen Debakel enden musste. Sie blies den Prozess ab; aus dem Untersuchungshäftling Thälmann wurde ein Schutzhäftling der Gestapo. Für den KPD-Vorsitzenden war das ein sehr schwerer Schlag. Noch in seiner letzten überlieferten schriftlichen Äußerung, einem Brief an einen von ihm fälschlich für einen Genossen gehaltenen Mitgefangenen vom Februar 1944, sprach er von seiner »größten, ja allergrößten Enttäuschung«, als ihm klar wurde, dass der Prozess nicht stattfinden würde.
Im August 1937 wurde Thälmann von Moabit in das Gerichtsgefängnis Hannover verlegt. Hier blieb er sechs lange Jahre, in denen er zwar Besuch empfangen konnte, ansonsten aber streng isoliert lebte. Das belastete ihn sehr. In dem eben erwähnten Brief rekapitulierte er diese Erfahrung: »Vorübergehende Seelenverstimmungen und Verzweiflungsschreie« seien die Folgen der »seelentötenden Kerkerumgebung«. Briefe, die er zwischen 1939 und Frühjahr 1941 über seine Frau Rosa bzw. die sowjetische Botschaft nach Moskau schickte, dokumentieren seine Hoffnung, eine sowjetische Intervention könne seine Freilassung und Ausreise in die UdSSR ermöglichen. Er litt mit jedem Jahr mehr darunter, an den Kämpfen seiner Genossen nicht aktiv teilnehmen zu können: »Wenn ich bedenke, was alles schon vorüberglitt an meinem Kerkerdasein, muss ich die Augen schließen. Es ist schon viel, wenn man hier die Richtung nicht verliert, und wenn man nur nicht tot ist, ehe man stirbt.«
Thälmanns letztes Jahr
Nach sechs Jahren Haft in Hannover wurde Thälmann am 11. August 1943 in das Zuchthaus Bautzen verlegt. Die Gestapo hatte nach den Bombenangriffen auf Hamburg im Juli nach einem »luftangriffssicheren« Haftort für den KPD-Vorsitzenden gesucht, um das Risiko zu minimieren, dass er bei einer Bombardierung entkam. Während über die zweite Hälfte der Haftzeit in Hannover, in die der deutsche Angriff auf die Sowjetunion fiel, kaum etwas bekannt ist, weiß man über das Jahr in Bautzen etwas mehr, da eine Ermittlungsgruppe des NKWD im Frühjahr 1945 mehrere Beamte des Zuchthauses verhörte. Der stellvertretende Direktor sagte dabei aus, dass die Gestapo Thälmann angeboten habe, ihn in einem Haus am Rande eines Konzentrationslagers unterzubringen – was dieser nachdrücklich ablehnte. Der Gefängnisarzt Konrad Schubert hatte mehrere Gespräche mit Thälmann geführt, in denen dieser sich von einem Sieg der Roten Armee und einer zukünftigen führenden Rolle der KPD in Deutschland überzeugt zeigte. Ein Wachtmeister sagte aus, dass Thälmann ihm gegenüber das Kriegsende für das Frühjahr 1945 prophezeit hatte.
Die Verlegung Thälmanns nach Bautzen war nicht unbemerkt geblieben. Zur Jahreswende 1943/44 bereitete die Landesleitung der KPD, die sich in Berlin um Anton Saefkow und Franz Jacob gebildet hatte, eine gewaltsame Befreiungsaktion vor. Der Grund lag auf der Hand: Mit der absehbaren militärischen Niederlage stand auch das faschistische Regime vor dem Ende, und das brachte den prominenten Gefangenen offensichtlich in höchste Gefahr. Die Landesleitung hatte Dresdener Genossen beauftragt, einen konkreten Plan für Thälmanns Befreiung auszuarbeiten. Einen Ansatz dafür gab es: Kommunisten aus Schmiedeberg bei Dippoldiswalde hielten Kontakt zu einem im Bautzener Zuchthaus beschäftigten Hilfspolizisten. Eine KPD-Gruppe aus Hainichen hatte in Irbersdorf bei Frankenberg bereits eine Unterkunft für Thälmann vorbereitet. Überlegt worden war auch, ihn mit einem Fahrzeug der schwedischen Botschaft nach Berlin zu bringen (zu einem der Fahrer bestand Kontakt). Saefkow fuhr im April 1944 selbst nach Dresden, um sich bei dem verantwortlichen Genossen über den Stand der Vorbereitungen zu informieren. Zur Ausführung kam die Aktion nicht: Im Juli 1944 zerschlug die Gestapo fast alle involvierten Widerstandsgruppen in Sachsen und in Berlin.
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•NEUER BEITRAG17.08.2019, 00:19 Uhr
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Mord nach Mitternacht
Vieles deutet darauf hin, dass seit dem Frühjahr 1944 im Amt IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) in Berlin die »Beseitigung« Ernst Thälmanns vorbereitet wurde. Spätestens Anfang Juli 1944 soll hier in dem von SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Günther Pütz geleiteten Referat IV A 1a (Marxismus-Kommunismus) – so die spätere Aussage einer Sekretärin – ein Befehl von Gestapo-Chef Heinrich Müller vorgelegen haben, eine »Verlegung« Thälmanns in das Konzentrationslager Buchenwald vorzubereiten. Bei einer Besprechung im Reichsjustizministerium sollen die dortigen leitenden Beamten das Vorhaben gebilligt haben. Der letzte Auslöser dafür war möglicherweise der der Gestapo Ende Juni bekanntgewordene Plan zur Befreiung Thälmanns. »Verlegung« aus der Gefängnis- oder Zuchthaushaft in ein KZ war in der Tarnsprache der SS bzw. der Gestapo eine Chiffre für »Exekution«. Im Januar 1943 waren für solche Fälle detaillierte Durchführungsbestimmungen erlassen worden. Darin hieß es: »Die Exekutionen erfolgen bei deutschen Häftlingen in der Regel im K. L., und zwar grundsätzlich im Lager, das dem Haftort des Delinquenten am nächsten liegt.«
Wir wissen allerdings, dass über die Ermordung Thälmanns nicht autonom im RSHA, sondern auf der höchsten Ebene des NS-Staates entschieden wurde. Heinrich Himmler, »Reichsführer SS«, Chef der deutschen Polizei und seit 1943 auch Reichsinnenminister, suchte Hitler am 14. August 1944 in dessen Hauptquartier in Ostpreußen auf. Für die Besprechung hatte er die Sachverhalte, zu denen er eine Stellungnahme oder Entscheidung einholen wollte, auf einem Zettel notiert, der erhalten geblieben ist. Der zwölfte und letzte Punkt lautete einfach »Thälmann«. Daneben steht, auch in Himmlers Handschrift, das Ergebnis der Unterredung: »ist zu exekutieren«.
Am 17. August begab sich ein Sonderkommando der Gestapo, dem vermutlich auch Pütz angehörte, mit drei Fahrzeugen von Berlin nach Bautzen. Die geforderte Übergabe Thälmanns ließ sich der Anstaltsleiter Rudolf Plischke, der wusste, was das bedeutete, vorsichtshalber von einer Berliner Stelle telefonisch bestätigen ließ. Die Fahrzeuge fuhren sodann nach Weimar ab.
Darüber, was genau in den folgenden Stunden geschah, gibt es bis heute keine abschließende Gewissheit. Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen ist am wahrscheinlichsten, dass das Fahrzeug, in dem sich Thälmann befand, kurz nach Mitternacht am 18. August 1944 auf den Hof des Krematoriums im Konzentrationslager Buchenwald fuhr. Alle Häftlinge befanden sich zu diesem Zeitpunkt in den Baracken; das im Krematorium tätige Häftlingskommando war in der Unterkunft eingeschlossen worden. Im Krematorium bzw. im Hof warteten die vorab verständigten Angehörigen des sogenannten Kommando 99, eines aus Angehörigen der Stabskompanie der SS-Wachmannschaft zusammengestellten, seit 1941 im Lager aktiven Exekutionskommandos.
Es gibt eine zuerst 1947 beim Dachauer Buchenwald-Prozess gemachte Aussage des polnischen Häftlings Marian Zgoda über das, was sich in dieser Nacht im Hof des Krematoriums abspielte. Zgoda war Leichenträger im Krematorium und hatte sich nach eigenen Angaben aus Neugier über einen Luftschacht aus seiner Unterkunft entfernt und hinter einem Schlackehaufen auf dem Hof des Krematoriums versteckt, um die ungewöhnlichen Vorgänge zu verfolgen. Bis Mitternacht seien nach und nach die SS-Leute Gust, Otto, Schmidt, Hofschulte, Warnstedt, Berger, Stobbe und der Lagerarzt Schiedlausky erschienen. Kurz nach Mitternacht sei dann ein »großer Personenwagen« auf den Hof gefahren. Zgoda: »Dem Wagen entstiegen drei Zivilisten, von denen offensichtlich zwei den dritten, der in der Mitte ging, bewachten. Den Gefangenen sah ich nur von hinten. Er war groß, breitschultrig und hatte eine Glatze. (…) Inzwischen waren auch die übrigen SS-Leute auf den Hof gekommen und flankierten die Eingangstür des Krematoriums. Die Zivilisten ließen ihren Gefangenen vorgehen. In dem Augenblick, als er das SS-Spalier passiert hatte und das Krematorium betrat, fielen drei Schüsse hinter ihm vom Hof her. Anschließend begaben sich alle SS-Leute und die beiden Zivilisten in das Krematorium und schlossen die Tür hinter sich. Etwa drei Minuten später fiel ein vierter Schuss im Krematorium.« Danach verbrannten die SS-Leute eigenhändig den Toten. Beim Verlassen des Krematoriums hat Hofschulte Zgoda zufolge Otto gefragt: »Weißt du, wer das war?« Darauf habe Otto erwidert: »Das war der Kommunistenführer Thälmann.« Zgoda will seine Beobachtungen noch am Abend des 18. August Ernst Busse, einem Mitglied des illegalen Lagerkomitees, mitgeteilt haben.
Die Ermordung Thälmanns wurde von den Justizbehörden und der Gestapo verschleiert. In der Berliner Ausgabe des Völkischen Beobachters erschien am 16. September 1944 eine kurze Notiz, derzufolge bei »einem Terrorangriff auf die Umgebung von Weimar am 28. August 1944« auch das Konzentrationslager Buchenwald »von zahlreichen Sprengbomben« getroffen worden sei. Unter den dabei ums Leben gekommenen Häftlingen seien auch die »ehemaligen Reichstagsabgeordneten Breitscheid und Thälmann« gewesen. Am 28. August hatte allerdings kein Luftangriff stattgefunden. Vier Tage zuvor hatten US-Bomber den Ettersberg bombardiert; der Angriff galt aber nicht dem Lager, sondern den angrenzenden Industriebetrieben und den Kasernengebäuden der SS. Dabei waren etwa 100 SS-Angehörige und rund 300 Häftlinge ums Leben gekommen. Unter letzteren war auch der außerhalb des Hauptlagers in einer »Isolierbaracke« festgehaltene SPD-Politiker Rudolf Breitscheid, der in einem Splitterschutzgraben verschüttet wurde. Thälmann war da mit Sicherheit schon nicht mehr am Leben.
In der von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Günter Hortzschansky erarbeiteten umfangreichen Thälmann-Biographie, die 1979 in der DDR herauskam, wurde die Ermordung Thälmanns im KZ Buchenwald auffällig kursorisch und ohne die Nennung von Namen abgehandelt. Grund hierfür war nicht zuletzt eine Intervention des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS): In zwei Dossiers hatte die für die Verfolgung von Kriegs- und Naziverbrechen zuständige Hauptabteilung IX/11 1975 bzw. 1976 eigene Ermittlungsergebnisse zusammengestellt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorliegenden Zeugenaussagen, darunter auch die von Zgoda, »sehr widersprüchlich« sind. Eberhard Czichon und Heinz Marohn, die 2010 die letzte und weiter maßgebende Thälmann-Biographie vorgelegt haben, teilen dieses Urteil nicht; ihrer Ansicht nach haben die Ermittler der HA IX/11 das zusammengetragene Material »unzureichend analysiert«. Es dürfte sich lohnen, hier weiter zu forschen.
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•NEUER BEITRAG17.08.2019, 00:20 Uhr
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20.08.2019, 02:23 Uhr
20.08.2019, 02:23 Uhr
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Die Ermittlungen
1947 eröffnete ein Weimarer Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren in der Mordsache Thälmann. Es kam zunächst nicht recht voran. Die Gestapo-Akten über Thälmann waren (und sind) restlos verschwunden; mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden sie spätestens 1945 vernichtet. Dennoch gelang es bis 1948, die Namen der wahrscheinlich an der Ermordung des KPD-Vorsitzenden beteiligten SS-Leute zu ermitteln. Im Beisein eines Staatsanwaltes aus Weimar wiederholte Zgoda im November 1948 seine Aussage; daraufhin wurde noch im gleichen Monat Haftbefehl gegen Berger, Schmidt, Otto, Warnstedt, Gust und Stobbe erlassen. Da keiner der Beschuldigten sich auf dem Gebiet der SBZ bzw. der DDR aufhielt und Anfragen bei zuständigen Stellen in Westdeutschland unbeantwortet blieben, wurde das Verfahren im Oktober 1952 eingestellt.
In der Bundesrepublik ist zu dem Mordfall Thälmann lange überhaupt nicht ermittelt worden. Und als es schließlich so weit war, kam der Anstoß dazu von außen. 1962 erfuhr der ehemalige Buchenwald-Häftling Ludwig Landwehr, dass der Leiter des Kommandos 99, der SS-Stabsscharführer Wolfgang Otto, der 1947 im Dachauer Buchenwald-Prozess zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, schon seit 1952 ein freier Mann war und als Lehrer an einer katholischen Schule in Geldern arbeitete. Landwehr informierte Thälmanns Witwe Rosa, die in der DDR lebte und sofort den Berliner Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul beauftragte, in ihrem Namen Anzeige gegen Otto und den als Bankangestellten in Rottweil lebenden Werner Berger (ebenfalls Kommando 99) zu erstatten. Die Zentralstelle des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung »nationalsozialistischer Massenverbrechen« in Konzentrationslagern übernahm die Ermittlungen.
Das war der Auftakt für eine Justizaffäre, die sich über mehr als zwei Jahrzehnte hinzog. Insgesamt sechsmal stellte die westdeutsche Staatsanwaltschaft mit unterschiedlichen Vorwänden und Begründungen das Ermittlungsverfahren ein; und jedesmal brachten Kaul bzw. seine Nachfolger es mit Beschwerdeschriftsätzen wieder in Gang. Im Januar 1964 erfolgte die erste Einstellung mit der Begründung, dass die Anzeigeerstatterin Rosa Thälmann verstorben sei. Als Thälmanns Tochter Irma die Anzeige erneuert hatte, erfolgte kurz danach die erneute Einstellung, da sich »keine hinreichenden Verdachtsgründe dafür ergeben« hätten, dass die Beschuldigten in »strafrechtlich fassbarer Weise« an der Ermordung Thälmanns beteiligt gewesen waren. Immerhin: Zgoda wurde nun erneut vernommen. Und zwar so: »Ich kam mir bei dieser Vernehmung als Zeuge jedoch vor, als wäre ich der Beschuldigte. Staatsanwalt Korsch brüllte mich mehrmals an und sagte mir: ›Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen! Oder wollen Sie ins Gefängnis oder Zuchthaus?‹«
Bei besagtem Hans-Peter Korsch beantragte Kaul 1965 Akteneinsicht und entdeckte in dem Zusammenhang in dessen Amtszimmer in Köln eine Kopie des Himmlerschen Notizzettels vom 14. August 1944. Und er stieß in den Akten auf eine Aussage des Leiters des Standesamtes Buchenwald, Werner Fricke. Nach der hatte Otto ihm gegenüber schon in Dachau zugegeben, bei der Ermordung Thälmanns zugegen gewesen zu sein. Allerdings sei nicht er, sondern SS-Sturmbannführer Otto Heinrich Barnewald, der Leiter der allgemeinen Verwaltung im KZ Buchenwald, der Todesschütze gewesen. Korsch hatte Otto und Barnewald daraufhin vernommen; beide hatten alles abgestritten. 1972 und 1974 wurden die Ermittlungen erneut eingestellt. In der bemerkenswerten Einstellungsbegründung von 1974 wurde unter anderem abgestritten, dass es sich hier überhaupt um einen Mord gehandelt habe: Die Erschießung sei nicht »grausam« gewesen; und Heimtücke liege auch nicht vor, da Thälmann vermutlich »nicht arglos« gewesen sei, als er »nächtens in das Krematorium des KZ Buchenwald gebracht worden war«. Auch sei nicht nachzuweisen, dass das Handeln der Beschuldigten aus »niedrigen Beweggründen« erfolgt sei. Es folgten Einspruch, Wiederaufnahme und der sechste Einstellungsbescheid im März 1979. Barnewald war mittlerweile gestorben.
Nach dem Tod Kauls 1981 betrieb der Bremer Rechtsanwalt Heinrich Hannover das Verfahren weiter. Dank seiner Bemühungen wurde das Verfahren gegen Otto (Berger war 1964 gestorben) wieder aufgenommen und der 1985 vom Landgericht Krefeld zu vier Jahren Haft verurteilt. Jetzt griff der Bundesgerichtshof ein und hob das Urteil auf. Otto behauptete nun, in der Tatnacht gar nicht im KZ, sondern in einem Weimarer Hotel gewesen zu sein. Das konnte die Nebenklage zwar widerlegen, aber damit nicht verhindern, dass das Landgericht Düsseldorf den Leiter des Buchenwalder Exekutionskommandos im August 1988 freisprach. 1989 verwarf der Bundesgerichtshof die von der Nebenklage eingereichte Revision. Otto starb im selben Jahr.
Erst 1992 stellte sich heraus, dass der bis dahin offiziell als »unauffindbar« geltende SS-Obersturmführer und Schutzhaftlagerführer Erich Gust, den Kaul schon 1962 in seiner Anzeigebegründung als Tatbeteiligten namhaft gemacht hatte, noch lebte. Er hatte sich wie viele andere Angehörige der SS und der Gestapo vermutlich noch im Frühjahr 1945 falsche Papiere beschafft und unter dem Namen Franz Giese lange Jahre in Melle bei Osnabrück das Restaurant »Heimathof« betrieben. Aus den Akten des MfS geht hervor, dass der Verbleib von Gust spätestens 1969 ermittelt worden war. Wohl auch, weil das ausschließlich mit nachrichtendienstlichen Mitteln geschehen war, behielt man dieses Wissen trotz einer zumindest anfänglich diskutierten Weitergabe der Information an die westdeutsche und französische Presse bis zum Ende der DDR für sich. Die Spekulation, man habe Gust mit der Drohung, ihn zu enttarnen, als Quelle gewinnen wollen – der »Heimathof« galt als »Prominentenlokal« –, ist offenbar haltlos; Hinweise auf eine Ansprache finden sich in den Akten nicht. Der Fall wirft noch immer Fragen auf; ein Ruhmesblatt für das MfS ist er zweifelsohne nicht. Die dreiste Häme allerdings, mit der die Causa Gust seinerzeit unter anderem vom Spiegel kommentiert wurde – auch die »angebliche antifaschistische Bastion« DDR hatte auf einmal Kriegsverbrecher »gedeckt« –, war hier besonders verlogen: Der niedersächsische Verfassungsschutz soll bereits in den 1950er Jahren die wahre Identität von »Franz Giese« gekannt haben.
Im Juni 1929 hatte Thälmann den Delegierten des 12. Parteitages der KPD zugerufen: »Im Kampfe mit dem Klassenfeinde müssen wir unsere Positionen bis zum Äußersten verteidigen; kein Kommunist darf von dem Posten weichen, auf den ihn die Partei gestellt hat; selbst unter den härtesten Kampfbedingungen müssen wir unsere revolutionären Pflichten ohne Schwankungen erfüllen.« Für Thälmann waren das keine Phrasen. Er hat sich in den langen Jahren der faschistischen Haft nicht brechen lassen und das am Ende mit dem Leben bezahlt.
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Die Ermittlungen
1947 eröffnete ein Weimarer Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren in der Mordsache Thälmann. Es kam zunächst nicht recht voran. Die Gestapo-Akten über Thälmann waren (und sind) restlos verschwunden; mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden sie spätestens 1945 vernichtet. Dennoch gelang es bis 1948, die Namen der wahrscheinlich an der Ermordung des KPD-Vorsitzenden beteiligten SS-Leute zu ermitteln. Im Beisein eines Staatsanwaltes aus Weimar wiederholte Zgoda im November 1948 seine Aussage; daraufhin wurde noch im gleichen Monat Haftbefehl gegen Berger, Schmidt, Otto, Warnstedt, Gust und Stobbe erlassen. Da keiner der Beschuldigten sich auf dem Gebiet der SBZ bzw. der DDR aufhielt und Anfragen bei zuständigen Stellen in Westdeutschland unbeantwortet blieben, wurde das Verfahren im Oktober 1952 eingestellt.
In der Bundesrepublik ist zu dem Mordfall Thälmann lange überhaupt nicht ermittelt worden. Und als es schließlich so weit war, kam der Anstoß dazu von außen. 1962 erfuhr der ehemalige Buchenwald-Häftling Ludwig Landwehr, dass der Leiter des Kommandos 99, der SS-Stabsscharführer Wolfgang Otto, der 1947 im Dachauer Buchenwald-Prozess zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, schon seit 1952 ein freier Mann war und als Lehrer an einer katholischen Schule in Geldern arbeitete. Landwehr informierte Thälmanns Witwe Rosa, die in der DDR lebte und sofort den Berliner Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul beauftragte, in ihrem Namen Anzeige gegen Otto und den als Bankangestellten in Rottweil lebenden Werner Berger (ebenfalls Kommando 99) zu erstatten. Die Zentralstelle des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung »nationalsozialistischer Massenverbrechen« in Konzentrationslagern übernahm die Ermittlungen.
Das war der Auftakt für eine Justizaffäre, die sich über mehr als zwei Jahrzehnte hinzog. Insgesamt sechsmal stellte die westdeutsche Staatsanwaltschaft mit unterschiedlichen Vorwänden und Begründungen das Ermittlungsverfahren ein; und jedesmal brachten Kaul bzw. seine Nachfolger es mit Beschwerdeschriftsätzen wieder in Gang. Im Januar 1964 erfolgte die erste Einstellung mit der Begründung, dass die Anzeigeerstatterin Rosa Thälmann verstorben sei. Als Thälmanns Tochter Irma die Anzeige erneuert hatte, erfolgte kurz danach die erneute Einstellung, da sich »keine hinreichenden Verdachtsgründe dafür ergeben« hätten, dass die Beschuldigten in »strafrechtlich fassbarer Weise« an der Ermordung Thälmanns beteiligt gewesen waren. Immerhin: Zgoda wurde nun erneut vernommen. Und zwar so: »Ich kam mir bei dieser Vernehmung als Zeuge jedoch vor, als wäre ich der Beschuldigte. Staatsanwalt Korsch brüllte mich mehrmals an und sagte mir: ›Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen! Oder wollen Sie ins Gefängnis oder Zuchthaus?‹«
Bei besagtem Hans-Peter Korsch beantragte Kaul 1965 Akteneinsicht und entdeckte in dem Zusammenhang in dessen Amtszimmer in Köln eine Kopie des Himmlerschen Notizzettels vom 14. August 1944. Und er stieß in den Akten auf eine Aussage des Leiters des Standesamtes Buchenwald, Werner Fricke. Nach der hatte Otto ihm gegenüber schon in Dachau zugegeben, bei der Ermordung Thälmanns zugegen gewesen zu sein. Allerdings sei nicht er, sondern SS-Sturmbannführer Otto Heinrich Barnewald, der Leiter der allgemeinen Verwaltung im KZ Buchenwald, der Todesschütze gewesen. Korsch hatte Otto und Barnewald daraufhin vernommen; beide hatten alles abgestritten. 1972 und 1974 wurden die Ermittlungen erneut eingestellt. In der bemerkenswerten Einstellungsbegründung von 1974 wurde unter anderem abgestritten, dass es sich hier überhaupt um einen Mord gehandelt habe: Die Erschießung sei nicht »grausam« gewesen; und Heimtücke liege auch nicht vor, da Thälmann vermutlich »nicht arglos« gewesen sei, als er »nächtens in das Krematorium des KZ Buchenwald gebracht worden war«. Auch sei nicht nachzuweisen, dass das Handeln der Beschuldigten aus »niedrigen Beweggründen« erfolgt sei. Es folgten Einspruch, Wiederaufnahme und der sechste Einstellungsbescheid im März 1979. Barnewald war mittlerweile gestorben.
Nach dem Tod Kauls 1981 betrieb der Bremer Rechtsanwalt Heinrich Hannover das Verfahren weiter. Dank seiner Bemühungen wurde das Verfahren gegen Otto (Berger war 1964 gestorben) wieder aufgenommen und der 1985 vom Landgericht Krefeld zu vier Jahren Haft verurteilt. Jetzt griff der Bundesgerichtshof ein und hob das Urteil auf. Otto behauptete nun, in der Tatnacht gar nicht im KZ, sondern in einem Weimarer Hotel gewesen zu sein. Das konnte die Nebenklage zwar widerlegen, aber damit nicht verhindern, dass das Landgericht Düsseldorf den Leiter des Buchenwalder Exekutionskommandos im August 1988 freisprach. 1989 verwarf der Bundesgerichtshof die von der Nebenklage eingereichte Revision. Otto starb im selben Jahr.
Erst 1992 stellte sich heraus, dass der bis dahin offiziell als »unauffindbar« geltende SS-Obersturmführer und Schutzhaftlagerführer Erich Gust, den Kaul schon 1962 in seiner Anzeigebegründung als Tatbeteiligten namhaft gemacht hatte, noch lebte. Er hatte sich wie viele andere Angehörige der SS und der Gestapo vermutlich noch im Frühjahr 1945 falsche Papiere beschafft und unter dem Namen Franz Giese lange Jahre in Melle bei Osnabrück das Restaurant »Heimathof« betrieben. Aus den Akten des MfS geht hervor, dass der Verbleib von Gust spätestens 1969 ermittelt worden war. Wohl auch, weil das ausschließlich mit nachrichtendienstlichen Mitteln geschehen war, behielt man dieses Wissen trotz einer zumindest anfänglich diskutierten Weitergabe der Information an die westdeutsche und französische Presse bis zum Ende der DDR für sich. Die Spekulation, man habe Gust mit der Drohung, ihn zu enttarnen, als Quelle gewinnen wollen – der »Heimathof« galt als »Prominentenlokal« –, ist offenbar haltlos; Hinweise auf eine Ansprache finden sich in den Akten nicht. Der Fall wirft noch immer Fragen auf; ein Ruhmesblatt für das MfS ist er zweifelsohne nicht. Die dreiste Häme allerdings, mit der die Causa Gust seinerzeit unter anderem vom Spiegel kommentiert wurde – auch die »angebliche antifaschistische Bastion« DDR hatte auf einmal Kriegsverbrecher »gedeckt« –, war hier besonders verlogen: Der niedersächsische Verfassungsschutz soll bereits in den 1950er Jahren die wahre Identität von »Franz Giese« gekannt haben.
Im Juni 1929 hatte Thälmann den Delegierten des 12. Parteitages der KPD zugerufen: »Im Kampfe mit dem Klassenfeinde müssen wir unsere Positionen bis zum Äußersten verteidigen; kein Kommunist darf von dem Posten weichen, auf den ihn die Partei gestellt hat; selbst unter den härtesten Kampfbedingungen müssen wir unsere revolutionären Pflichten ohne Schwankungen erfüllen.« Für Thälmann waren das keine Phrasen. Er hat sich in den langen Jahren der faschistischen Haft nicht brechen lassen und das am Ende mit dem Leben bezahlt.
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