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NEUDt. Imp. an der inneren Nahost-Front
  [4 pics,2 files] begonnen von FPeregrin am 19.05.2022  | 168 Antworten
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NEUER BEITRAG19.10.2023, 11:55 Uhr
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FPeregrin

Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front Damit es nicht immer die jW ist: Ein sehr guter Kommentar im nd von gestern:

Berlin unterbindet Solidarität – die Sicht eines »Ausländers«

Es ist eine seltsame Zeit in Berlin: Solidaritätsbekundungen mit den Menschen in Gaza werden verboten

Nathaniel Flakin 18.10.2023, 16:03 Uhr

Am Samstag gingen in London bis zu 150.000 Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität mit der Bevölkerung in Gaza zu bekunden. Am Tag darauf versammelten sich in Berlin 1.000 Menschen aus demselben Grund am Potsdamer Platz. Doch sieben Minuten vor Beginn der Kundgebung verkündete die Polizei, dass diese verboten sei. Die Polizist*innen begannen, Menschen zu schlagen, mit Pfefferspray zu besprühen und zu verhaften.

Es ging bei dieser Kundgebung nicht darum, die Hamas zu feiern: Die Organisator*innen sagten, sie würden weder Hamas-Fahnen noch antisemitische Slogans dulden. Das Verbot war präventiv – es war nichts Illegales passiert, aber die Polizei behauptete, dass etwas Illegales passieren könnte. Das Versammlungsrecht (Artikel 8 des deutschen Grundgesetzes) wird so auf Nichts reduziert.

Seit fast zwei Jahren werden in Berlin immer wieder pro-palästinensischen Demonstrationen verboten. Jetzt schikaniert die Polizei am Hermannplatz, in der Sonnenallee und in ganz Neukölln Personen, die eine Kufiya, ein palästinensisches Kopftuch, tragen. Sie haben sogar eine Versammlung der »Jüdischen Berliner*innen gegen Gewalt im Nahen Osten« verboten. Klingt das nach einem Feiern der Hamas?

Eine israelische Jüdin versuchte alleine zu demonstrieren und stand mit einem Schild auf dem Hermannplatz: »Als Jüdin und Israelin – Stoppt den Völkermord in Gaza!« Die Polizei ging auf sie zu und erklärte dies zu einer »ungesetzlichen Versammlung«. Wie kann eine einzelne Person eine Versammlung sein? Das spielt keine Rolle. Das Video endet damit, dass die Frau von den Polizist*innen weggeführt wird.

Die Vereinten Nationen erklärten, dass die israelische Belagerung des Gazastreifens eine »eklatante Verletzung des humanitären Völkerrechts« darstellt. In Berlin ist es im Moment nicht möglich, UN-Positionen auf der Straße zu vertreten.

Die israelische Armee begeht Kriegsverbrechen, indem sie den mehr als zwei Millionen Menschen in Gaza das Wasser und den Strom abstellt. Hören Sie nur auf Ursula von der Leyen, die konservative deutsche Politikerin, die an der Spitze der EU steht: »Angriffe auf die zivile Infrastruktur, insbesondere die Stromversorgung, sind Kriegsverbrechen. Männer, Frauen und Kinder vor dem Winter von Wasser, Strom und Heizung abzuschneiden – das sind reine Terrorakte. Und wir müssen sie als solche bezeichnen.« Allerdings warf von der Leyen Russland Kriegsverbrechen vor, nicht Israel. Angriffe auf zivile Infrastrukturen sind nun scheinbar nicht mehr »Terror«, sondern fallen unter das »Recht auf Selbstverteidigung«.

Der größte Schock für die Amerikaner*innen in Berlin war der Besuch von Bernie Sanders in der vergangenen Woche. Sanders, dessen Familie väterlicherseits im Holocaust »ausgelöscht« wurde, dürfte der berühmteste jüdische Politiker der Welt sein. Doch Saskia Esken, die Vorsitzende der SPD, sagte ein Treffen mit Sanders ab, weil dieser erklärt hatte: »Das Angreifen von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen, egal wer es begeht.«

Es wäre schön, wenn der deutsche Staat ernsthaft Antisemitismus bekämpfen würde. Aber schauen Sie sich nur Hubert Aiwanger an. Als Teenager hatte er Flugblätter in der Schultasche dabei, in denen ein neues Auschwitz gefordert wurde. Als das aufflog, hat er sich nicht entschuldigt. Er murmelte nur etwas von einem bösen Zwilling. Aiwanger wurde soeben als stellvertretender Ministerpräsident Bayerns bestätigt. Das ist kein Einzelfall: Maaßen, Sarrazin und Höcke gehören zu den Politikern, die mit antisemitischen Äußerungen an die Öffentlichkeit gegangen sind. Der deutsche Staat bekämpft Antisemitismus nur, wenn er zur Unterdrückung von rassifizierten Menschen und Migrant*innen instrumentalisiert werden kann.

Es ist eine seltsame Zeit für uns Ausländer*innen in Berlin. In unseren Heimatländern ist es für Linke eine Selbstverständlichkeit, sich an die Seite von Kolonisierten zu stellen, die belagert und bombardiert werden. Deshalb hört man bei den verbotenen Demonstrationen in Berlin auch so viel Englisch. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass Zehntausende in London, New York oder Paris – darunter Tausende und Abertausende von jüdischen Linken – von Judenhass oder Liebe zu Islamisten motiviert sind? Was für ein düsteres Bild von der Welt! Die Realität ist, dass sich viele Menschen nach Frieden und Gerechtigkeit sehnen. Die Berliner Regierung kann solche Gefühle nicht für immer verbieten.


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NEUER BEITRAG20.10.2023, 17:34 Uhr
Nutzer / in
arktika

"Eine israelische Jüdin versuchte alleine zu demonstrieren und stand mit einem Schild auf dem Hermannplatz: »Als Jüdin und Israelin – Stoppt den Völkermord in Gaza!« Die Polizei ging auf sie zu und erklärte dies zu einer »ungesetzlichen Versammlung«. Wie kann eine einzelne Person eine Versammlung sein? Das spielt keine Rolle. Das Video endet damit, dass die Frau von den Polizist*innen weggeführt wird."

Das ist dann wohl dieses Video:
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Kann/Sollte man sich mal ansehen, auch wenn die Quelle Marin Lejeune ist (und dieser eine eher zweifelhafte Figur). Aber ein Fake scheint es nicht zu sein, eher traurige "Realsatire", wie dieser Staat funktioniert. - Jetzt gibt es also schon 1-Personen-Versammlungen/Zusammenrottungen/Rudelbildungen ...
NEUER BEITRAG22.10.2023, 17:45 Uhr
EDIT: arktika
22.10.2023, 17:48 Uhr
Nutzer / in
arktika

Diese Haltung des RH-Bundesvorstandes wird jedoch nicht überall in der RH geteilt, vielleicht - hoffentlich - ist es auch nur eine Minderheit, die zufällig gerade den Bundesvorstand majorisiert. Es gibt erkennbar auch Contra zu dieser Ungeheuerlichkeit, so z. B. eine deutliche Distanzierung der Berliner Ortsgruppe, in Teilen abgedruckt in der jW vom 20.10. in der 'abgeschrieben'-Rubrik:

Rote Hilfe Berlin weiterhin an der Seite der linken Palästinasolidarität

Die Berliner Ortsgruppe der linken Schutz- und Solidaritätsorganisation Rote Hilfe hat am Donnerstag die Erklärung ihres Bundesvorstandes zur Beendigung einer Solidaritätskampagne für den von Ausweisung bedrohten Sprecher des palästinensischen Gefangenenhilfsnetzwerkes Samidoun, Zaid Abdulnasser, zurückgewiesen:

Das Statement vom Bundesvorstand der Roten Hilfe vom 11.10.23 wurde weder von der Roten Hilfe Ortsgruppe Berlin verfasst, noch wurden wir in die Erstellung des Statements miteinbezogen. Wir teilen es nicht. Das Solikonto (…) war nie ein Solikonto für Samidoun, sondern ein Stichwortkonto (…) für alle Menschen, die aufgrund ihres linken Engagements für ein freies Palästina Repression erfahren. Das Solikonto besteht weiter.

Als strömungsübergreifende Organisation sind wir weiterhin solidarisch mit allen Linken, die wegen ihres Einsatzes für ein freies Palästina Repression erfahren. Der internationalistische Kampf gegen Kolonialismus ist Teil des Kanons linker Politik. Wir verurteilen die rassistische Hetze, die jegliche Solidarisierung mit der Zivilbevölkerung Palästinas mit der Unterstützung reaktionärer Gruppen wie der Hamas gleichsetzt. Gleichzeitig verurteilen wir die faktische Aufhebung des Demons­trationsrechts, wie sie gerade in Berlin mit allen Mitteln des Repressionsapparats, von Anordnungen der Versammlungsbehörde bis zu brutaler Polizeigewalt, durchgesetzt wird. Wir laden alle Betroffenen ein, sich an uns zu wenden. Den Missbrauch der Palästinasolidarität zum Ausleben von Antisemitismus verurteilen wir aufs schärfste.

Samidoun wird vom Staat als linke Organisation betrachtet und verfolgt. Unabhängig von unserer Position zu Samidoun verurteilen wir die staatlichen Bestrebungen, Samidoun zu verbieten. (…)


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==> In voller Länge findet sich die Erklärung vom 19. Okt. auf der Seite der Ortsgruppe Berlin. Ich spiegele sie hier noch einmal, um sie vollständig zu veröffentlichen.

Rote Hilfe Berlin weist Distanzierungserklärung zurück

Zur Stellungnahme des Bundesvorstands vom 11.10.2023

1. Das Statement vom Bundesvorstand der Roten Hilfe vom 11.10.23 wurde weder von der Roten Hilfe Ortsgruppe Berlin verfasst, noch wurden wir in die Erstellung des Statements miteinbezogen. Wir teilen es nicht.
2. Das Solikonto, auf das in der Stellungnahme Bezug genommen wurde, war nie ein Solikonto für Samidoun, sondern ein Stichwortkonto vom Revolutionären Solidaritätsbündnis für alle Menschen, die auf Grund ihres linken Engagements für ein freies Palästina Repression erfahren. Das Solikonto besteht weiter.
3. Als strömungsübergreifende Organisation sind wir weiterhin solidarisch mit allen Linken, die wegen ihres Einsatzes für ein freies Palästina Repression erfahren. Der internationalistische Kampf gegen Kolonialismus ist Teil des Kanons linker Politik.
4. Wir verurteilen die rassistische Hetze, die jegliche Solidarisierung mit der Zivilbevölkerung Palästinas mit der Unterstützung reaktionärer Gruppen wie der Hamas gleichsetzt. Gleichzeitig verurteilen wir die faktische Aufhebung des Demonstrationsrechts, wie sie gerade in Berlin mit allen Mitteln des Repressionsapparats, von Anordnungen der Versammlungsbehörde bis zu brutaler Polizeigewalt, durchgesetzt wird. Wir laden alle Betroffenen ein, sich an uns zu wenden.
5. Den Missbrauch der Palästinasolidarität zum Ausleben von Antisemitismus verurteilen wir auf‘s Schärfste.
6. Samidoun wird vom Staat als linke Organisation betrachtet und verfolgt. Unabhängig von unserer Position zu Samidoun verurteilen wir die staatlichen Bestrebungen Samidoun zu verbieten.
7. Sowohl unsere bisherige politische Arbeit, als auch dieses Statement betrachten wir als Eintreten für den strömungsübergreifenden Charakter der Roten Hilfe, der in den Werten unserer Satzung festgelegt ist: Das Eintreten für die Ziele der Arbeiter*innenbewegung, die internationale Solidarität, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische und gewerkschaftliche Kampf, sowie der Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg.


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- verlinkt übrigens in einem Artikel auf RTdeutsch, den ich im nächsten Post spiegele -
NEUER BEITRAG22.10.2023, 17:58 Uhr
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arktika

Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front Hier der Artikel von Susan Bonath vom 21. Oktober auf RTdeutsch, der sich nicht nur konkret mit der Situation in der RH befaßt, sondern dabei auf die deutsche "Staatsraison" zurückgreift u. deren Doppelzüngigkeit u. Rassismus benennt:

Solidarität mit palästinensischem Volk? Linker Verein "Rote Hilfe" gerät in Streit

Nach dem Anschlag auf israelische Zivilisten will die Bundesregierung neben der verantwortlichen islamistischen Hamas auch das linke palästinensische Netzwerk Samidoun verbieten. Die Vorgänge spalten nun auch den vom Verfassungsschutz als "linksextrem" beobachteten Verein "Rote Hilfe".

Nach dem Großangriff auf israelische Zivilisten an der Grenze zum Gazastreifen will die Bundesregierung nicht nur die angeblich in Deutschland aktive islamistische Organisation Hamas verbieten. Auch das Netzwerk Samidoun, das sich seit 2012 für die Befreiung palästinensischer Inhaftierter in israelischen Gefängnissen einsetzt, steht auf ihrer Verbotsliste. Das Problem: Samidoun hat mit radikalem Islamismus, somit auch der Hamas, nichts im Sinn. Im Gegenteil: Der Verfassungsschutz stufte das Netzwerk stets als "linksextrem" ein.

Deshalb hatte sich der linke Rechtshilfeverein "Rote Hilfe", der ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wird und "politisch verfolgte Linke" juristisch unterstützt, auch für den Palästinenser Zaid Abdulnasser eingesetzt. Abdulnasser wird vorgeworfen, für Samidoun aktiv zu sein, weswegen er abgeschoben werden soll. Doch mit dieser juristischen Unterstützung soll es laut Bundesvorstand jetzt vorbei sein. Berliner Mitglieder sind darüber erzürnt.

Keine Hilfe mehr für Palästinenser?

Die aktuellen Ereignisse, inklusive einseitiger Parteiergreifung von Bundesregierung und Leitmedien für die israelische Regierung und pauschalen Antisemitismus-Vorwürfen, haben Mitglieder des Bundesvorstandes der Roten Hilfe wohl in die Enge getrieben. Am 11. Oktober erschien eine Erklärung auf der Webseite des Vereins, wonach dieser sich von weiterer Unterstützung für den Palästinenser distanziert.

Der Erklärung zufolge hätten Samidoun-Mitglieder "linke Grundprinzipien verletzt". Zu diesen zählten sie unter anderem "das Eintreten für die Ziele der Arbeiterbewegung, die internationale Solidarität, den antifaschistischen, antisexistischen, antirassistischen, demokratischen und gewerkschaftlichen Kampf sowie den Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg".

Gegen welches der genannten Prinzipien der Roten Hilfe Abdulnasser oder andere Samidoun-Aktivisten in welcher Weise verstoßen haben sollen, verdeutlichte der Bundesvorstand als Herausgeber der Meldung nicht. Jedoch erklärte er die Unterstützung der Kampagne für Palästinenser für beendet. Auch ein entsprechendes "Spendenkonto" solle nicht weiter genutzt werden, heißt es.

Berliner Vereinsgruppe wehrt sich

Mit dieser Distanzierung sind aber nicht alle Vereinsmitglieder einverstanden. Am 19. Oktober wies die "Rote Hilfe Berlin" die Vorstandserklärung zurück. Die Berliner Ortsgruppe sei nicht in die Erstellung des Statements einbezogen worden, und "wir teilen es nicht", ließ sie verlautbaren.

Zunächst bemängelte die Berliner Gruppe der Roten Hilfe Inhaltliches: Es habe nie ein eigenes Spendenkonto für den Fall des von Abschiebung bedrohten Samidoun-Aktivisten gegeben. Das gemeinte Solidaritätskonto sei vielmehr für alle Menschen bestimmt, "die auf Grund ihres linken Engagements für ein freies Palästina Repression erfahren". Weiter bemängeln die Berliner Vereinsmitglieder:

"Wir verurteilen die rassistische Hetze, die jegliche Solidarität mit der Zivilbevölkerung Palästinas mit der Unterstützung reaktionärer Gruppen wie der Hamas gleichsetzt. Gleichzeitig verurteilen wir die faktische Aufhebung des Demonstrationsrechts, wie sie gerade in Berlin mit allen Mitteln des Repressionsapparats, von Anordnungen der Versammlungsbehörde bis zu brutaler Polizeigewalt, durchgesetzt wird."

Wenn Solidarität mit Palästina zum Ausleben von Antisemitismus missbraucht werde, "verurteilen wir das aufs Schärfste", stellte die Berliner Gruppe klar. Sie verdeutlichte aber auch, dass Samidoun "vom Staat als linke Organisation betrachtet und verfolgt" werde. Die Rote Hilfe müsse ihren "strömungsübergreifenden Charakter" behalten, so das Plädoyer der Berliner an den Bundesvorstand.

Fragwürdige Staatsräson

Der zugrunde liegende Konflikt in dem Verein dürfte – mal wieder – unterschiedlichen Auffassungen von Antisemitismus geschuldet sein. Nach deutscher Staatsräson zählt bekanntermaßen sogar Kritik an der ultrarechten israelischen Staatsführung dazu.

Wer sich mit der einfachen palästinensischen Bevölkerung solidarisiert oder die unmenschlichen Lebensbedingungen im abgeriegelten Gazastreifen anprangert, gerät ebenfalls schnell unter Verdacht, ein Antisemit zu sein. Diese Schwarz-weiß-Paradigmen spalten in Deutschland nicht nur die Linke.

Umgekehrt bedient die Bundesregierung mit ihrer Gleichsetzung von Hamas und Samidoun durchaus rassistische Stereotypen, indem sie offenbar alle Palästinenser und ihre Organisationen mit der islamistischen Hamas gleichsetzt und den zugrunde liegenden Konflikt durch die israelische Besatzung, Siedlungspolitik und fortgesetzte Ungleichbehandlung von Palästinensern ignoriert. Die Probleme löst sie damit allerdings nicht – im Gegenteil.


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NEUER BEITRAG22.10.2023, 23:04 Uhr
EDIT: FPeregrin
22.10.2023, 23:21 Uhr
Nutzer / in
FPeregrin

Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front jW morgen:

Gute Demo, schlechte Demo

Politik bekennt sich einseitig zur »Israel-Solidarität«. Beteiligung an palästinasolidarischen Demonstrationen in vielen Städten

Von Kristian Stemmler

Klar nach Staatsräson: Während das Leid der Bevölkerung in Gaza auf Berlins Straßen nicht thematisiert werden durfte, gab es staatlichen Zuspruch für eine proisraelische Kundgebung vor dem Brandenburger Tor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief vor knapp 3.000 Teilnehmern zur Solidarität mit Israel auf. »Tief eingebrannt in unser aller Gedächtnis« werde der 7. Oktober, der Tag des Angriffs der Hamas, »sein und bleiben auf ewig«, erklärte er. Den Menschen in Israel rufe er zu: »Ihr seid nicht allein, wir stehen in diesen furchtbaren Zeiten an eurer Seite, euer Schmerz ist unser Schmerz.«

Trotz der medialen Hetze und Repression gegen alle Formen von Palästina-Solidarität haben am Sonnabend Tausende Menschen in der BRD für die Befreiung Palästinas und gegen die israelischen Angriffe auf Gaza demonstriert. Auch in Berlin demonstrierten am Sonnabend Tausende – trotz anhaltender Demoverbote – von Kreuzberg nach Neukölln. In Düsseldorf nahmen mehrere tausend Menschen an einer Pro-Palästina-Demonstration teil. Ein Polizeisprecher schätzte die Teilnehmerzahl auf 5.500, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Kundgebungen gab es auch in Köln, Münster, Bielefeld und weiteren Städten. In Frankfurt am Main demonstrierten rund 700 Teilnehmer für Palästina.

In Düsseldorf zogen die Demonstranten vom Hauptbahnhof über die Königsallee zum Landtag. Auf den Spruchbändern standen Parolen wie »Für Frieden, Gerechtigkeit, Menschenwürde in Palästina« oder »Gegen Krieg, Gewalt und Aggression in Gaza«. Viele Teilnehmer schwenkten Palästina-Fahnen. Anders als es die hetzerische Berichterstattung etwa des Boulevardblatts Bild nahelegte, blieb es friedlich. Bis zum Nachmittag habe es keine Zwischenfälle gegeben, erklärte eine Polizeisprecherin gegenüber dpa.

In Münster nahmen laut Polizei rund 1.000 Menschen an einem palästinasolidarischen Umzug teil. Der Versammlungsleiter und sein Stellvertreter hätten »rechtswidrige Parolen« gerufen, behauptete ein Polizeisprecher. Da die beiden sich uneinsichtig gezeigt hätten, seien sie zur Verhinderung weiterer Straftaten vorübergehend in Gewahrsam genommen und nach dem Ende der Demonstration wieder entlassen worden.

In Frankfurt am Main versammelten sich nach Polizeiangaben rund 700 Menschen auf dem Opernplatz zu einer propalästinensischen Demonstration unter dem Motto »Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten«. Die Veranstaltung verlief den Angaben zufolge bis zum späten Nachmittag bis auf wenige Verstöße wegen des Zeigens verbotener Symbole ruhig. Viele Teilnehmer schwenkten die palästinensische Flagge und skandierten »Free Palestine«. Redner betonten, man demonstriere »für Frieden und Gerechtigkeit und gegen Hass«. Deutschland habe eine »besondere Verantwortung« gegenüber den Palästinensern. Der Veranstaltung war ein juristisches Tauziehen vorangegangen. Gerichte hatten ein Verbot der Demonstration gekippt.

In Berlin wurden die Verbote von zwei für den Sonnabend nachmittag geplanten propalästinensischen Demonstrationen weitgehend eingehalten. Am Brandenburger Tor sei lediglich eine Handvoll Demonstranten aufgetaucht, sagte eine Sprecherin der Polizei laut dpa. Bei der anderen verbotenen Demo, die auf dem Alexanderplatz vorgesehen war, seien keine Personen bekannt, die das Verbot ignoriert hätten. Die Berliner Polizei untersagte auch eine für Sonntag geplante Demo auf dem Potsdamer Platz unter dem Titel »Frieden im Nahen Osten«. Stereotype Begründung: Es bestehe die »unmittelbare Gefahr«, dass es bei der Versammlung zu volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen komme.

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, durfte sprechen und erklärte in seiner Rede am Brandenburger Tor, seit der Schoah habe es keinen Tag gegeben, »an dem mehr Jüdinnen und Juden ermordet wurde« als am 7. Oktober. Israel habe »das Recht auf Selbstverteidigung« und die Pflicht, »seine Bevölkerung vor Attacken in Zukunft zu schützen und der Hamas die Möglichkeit dafür ein für allemal aus der Hand zu schlagen«. Israel tue »alles, um die zivilen Opfer bei seinen Militärangriffen zu minimieren«, behauptete Beck ohne Angaben einer Quelle.

Der konservative Deutsche Richterbund nahm die propalästinensischen Proteste unterdessen zum Anlass für die Forderung nach rigoroserem Vorgehen der Justiz. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn mahnte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Sonntag schnellere Strafverfahren an, wenn es bei den Demos zu Straftaten komme. »Es ist wichtig, dass eine Strafe der Tat nicht irgendwann, sondern möglichst auf dem Fuße folgt, damit sie abschreckend wirkt«, so Rebehn.


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Der letzte Ansatz zeigt sehr schön, wohin es unter dem Deckmantel des Anti-Antisemitismus und der selbstlosen Liebe zum jüdischen Volke gehen soll: Schnelljustiz für mißliebige demokratische Äußerungen, #Faschisierung. Das liegt ganz auf der Linie des dt. Imp. die wir schon länger sehen können, wenn wir die Augen aufmachen. Und die furchtbaren Juristen sind dem dt. Imp. keineswegs abhanden gekommen, er kackt sie sich selbst nach, wie er sie braucht. Und denen ist egal, ob sie dem Itzig mal übers Köpfchen streicheln oder ihn ins Gas schicken; Recht ist, was was der Monoplbourgeoisie unmittelbar nützlich ist.

#FaschistischeGefahr
#DrohenderFaschismus
NEUER BEITRAG24.10.2023, 23:19 Uhr
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FPeregrin

Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front taz:

Offener Brief jüdischer Intellektueller: Die Freiheit der Andersdenkenden

Über 100 in Deutschland beheimatete jüdische Künstler:innen, Schrift­stel­le­r:in­nen und Wis­sen­schaft­le­r:in­nen unterzeichnen diesen offenen Brief. Sie appellieren für Frieden und Meinungsfreiheit.

Wir, die unterzeichnenden jüdischen Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, die in Deutschland leben, verurteilen in diesem Schreiben das beunruhigende Vorgehen gegen die demokratische Öffentlichkeit nach den schrecklichen Gewalttaten in Israel und Palästina in diesem Monat.

Es gibt keine Rechtfertigung für vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten durch die Hamas. Wir verurteilen vorbehaltlos die terroristischen Angriffe auf Zivilisten in Israel. Viele von uns haben Familie und Freunde in Israel, die von dieser Gewalt direkt betroffen sind. Mit gleicher Schärfe verurteilen wir die Tötung von Zivilisten in Gaza.

In den letzten Wochen haben Landes- und Stadtregierungen in ganz Deutschland öffentliche Versammlungen mit mutmaßlichen Sympathien für Palästinenser verboten. Diese Repressionen bestrafen auch Demonstrationen wie „Jugend gegen Rassismus“ und „Jüdische Ber­li­ne­r*in­nen gegen Gewalt in Nahost“. In einem besonders absurden Fall wurde eine jüdische Israelin festgenommen, weil sie ein Schild in der Hand hielt, auf dem sie den Krieg, den ihr Land führt, anprangerte.

Die Polizei hat keine glaubwürdige Verteidigung für diese Entscheidungen geliefert. Praktisch alle Absagen, einschließlich derjenigen, die von jüdischen Gruppen organisierte Versammlungen verbieten, wurden von der Polizei zum Teil mit der „unmittelbaren Gefahr“ von „volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen“ begründet. Diese Behauptungen dienen unserer Meinung nach dazu, legitime und gewaltfreie politische Äußerungen, die auch Kritik an Israel beinhalten dürfen, zu unterdrücken.

Rassistische Vorverurteilungen

Versuche, sich diesen willkürlichen Einschränkungen zu widersetzen, werden mit wahlloser Brutalität beantwortet. Die Behörden haben Menschen mit Migrationshintergrund in ganz Deutschland ins Visier genommen und Zivilisten belästigt, verhaftet und verprügelt, oft unter den fadenscheinigsten Vorwänden.

In Berlin ist der Bezirk Neukölln, in dem große türkische und arabische Gemeinschaften leben, heute ein von der Polizei besetztes Viertel. Gepanzerte Lieferwagen und bewaffnete Bereitschaftspolizisten patrouillieren durch die Straßen und suchen nach spontanen Unterstützungsbekundungen für die Palästinenser oder nach Symbolen der palästinensischen Identität. Fußgänger werden auf dem Bürgersteig angerempelt und mit Pfefferspray attackiert. Kinder werden rücksichtslos angegriffen und verhaftet. Zu den Festgenommenen gehören bekannte syrische und palästinensische Aktivisten.

In den Schulen sind palästinensische Flaggen und Keffiyeh verboten. Obwohl der Besitz dieser Gegenstände in der Öffentlichkeit gesetzlich erlaubt ist, führt er zu Polizeigewalt und Verhaftungen. Anfang dieses Jahres gaben Berliner Polizeibeamte vor Gericht zu, dass sie bei der Niederschlagung von Protesten gegen Zivilisten vorgegangen sind, die dadurch „auffielen, dass sie Farben der palästinensischen Flagge trugen oder Schals, die mit der palästinensischen Solidarität in Verbindung gebracht werden.“ Eine Vielzahl von Filmaufnahmen deutet darauf hin, dass dies nach wie vor der Fall ist und dass rassistische Vorverurteilungen bei der gezielten Verfolgung von Verdächtigen eine wichtige Rolle spielt.

Diese Verstöße gegen die Bürgerrechte rufen bei den kulturellen Eliten in Deutschland kaum einen Aufschrei hervor. Große Kultureinrichtungen haben sich wie synchronisiert selbst zum Schweigen gebracht, indem sie Theaterstücke, die sich mit dem Konflikt befassen, abgesagt haben und Persönlichkeiten, die Israels Aktionen kritisch gegenüberstehen könnten – oder die einfach selbst Palästinenser sind –, das Rederecht entzogen wurde. Diese freiwillige Selbstzensur hat ein Klima der Angst, der Wut und des Schweigens geschaffen. All dies geschieht unter dem Vorwand, Juden zu schützen und den Staat Israel zu unterstützen.

Als Jüdinnen und Juden lehnen wir diese Gewalt ab

Als Jüdinnen und Juden lehnen wir diesen Vorwand für rassistische Gewalt ab und bekunden unsere volle Solidarität mit unseren arabischen, muslimischen und insbesondere palästinensischen Nachbarn. Wir weigern uns, in vorurteilsbehafteter Angst zu leben. Was uns Angst macht, ist die in Deutschland vorherrschende Atmosphäre von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die Hand in Hand mit einem zwanghaften und paternalistischen Philo-Semitismus geht. Wir lehnen insbesondere die Gleichsetzung von Antisemitismus und jeglicher Kritik am Staat Israel ab.

Zur gleichen Zeit, in der die meisten Formen des gewaltlosen Widerstands für den Gazastreifen unterdrückt werden, finden auch antisemitische Gewalttaten und Einschüchterungen statt: ein Molotowcocktail, der auf eine Synagoge geworfen wurde; Davidsterne, die auf die Türen jüdischer Häuser gezeichnet wurden. Die Beweggründe für diese nicht zu rechtfertigenden antisemitischen Straftaten und ihre Täter bleiben unbekannt.

Juden bereits eine gefährdete Minderheit

Klar ist jedoch: Es macht Juden nicht sicherer, wenn Deutschland das Recht auf öffentliche Trauerbekundung um verlorene Menschenleben in Gaza verweigert.

Juden sind bereits eine gefährdete Minderheit; einige Israelis berichten, dass sie Angst haben, auf der Straße Hebräisch zu sprechen. Demonstrationsverbote und ihre gewaltsame Durchsetzung provozieren und eskalieren nur die Gewalt.

Wir prangern an, dass die gefühlte Bedrohung durch solche Versammlungen die tatsächliche Bedrohung des jüdischen Lebens in Deutschland grob ins Gegenteil verkehrt, wo nach Angaben der Bundespolizei die „überwiegende Mehrheit“ der antisemitischen Straftaten – etwa 84 Prozent – von deutschen extremen Rechten begangen wird. Die Versammlungsverbote sollen ein Versuch sein, die deutsche Geschichte aufzuarbeiten, doch vielmehr besteht die Gefahr, dass man sie genau dadurch wiederholt.

Freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit

Dissens ist eine Voraussetzung für jede freie und demokratische Gesellschaft. Freiheit, schrieb Rosa Luxemburg, „ist immer Freiheit der Andersdenkenden“. Wir befürchten, dass mit der derzeitigen Unterdrückung der freien Meinungsäußerung die Atmosphäre in Deutschland gefährlicher geworden ist – für Juden und Muslime gleichermaßen – als jemals zuvor in der jüngeren Geschichte des Landes. Wir verurteilen diese in unserem Namen begangenen Taten.

Wir fordern Deutschland auf, sich an seine eigenen Verpflichtungen zur freien Meinungsäußerung und zum Versammlungsrecht zu halten, wie sie im Grundgesetz verankert sind, das wie folgt beginnt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“


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NEUER BEITRAG24.10.2023, 23:22 Uhr
Nutzer / in
FPeregrin

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Die Unterzeichnenden:

Yoav Admoni, Künstler
Abigail Akavia
Hila Amit, Schriftstellerin und Lehrerin
Maja Avnat, Wissenschaftlerin
Lyu Azbel, Professor
Gilad Baram, Filmemacher und Fotograf
Yossi Bartal
Alice Bayandin, Fotografin und Filmemacherin
Eliana Ben-David
Anna Berlin, Künstlerin
Sanders Isaac Bernstein, Schriftsteller
Adam Berry, Fotojournalist und TV-Nachrichtenproduzent
Jackson Beyda, Künstler
Julia Bosson, Schriftstellerin
Ethan Braun, Komponist
Candice Breitz, Künstlerin
Adam Broomberg, Künstler
Jeffrey Arlo Braun
Noam Brusilovsky, Theater- und Radiomacher
Cristina Burack
Dalia Castel, Filmemacherin
Alexander Theodore Moshe Cocotas, Schriftsteller und Fotograf
Eli Cohen, Tänzer
Zoe Cooper, Schriftstellerin
Miriam Maimouni Dayan, Schriftstellerin und Künstlerin
Dana Dimant, Filmemacherin
Emily Dische-Becker
Esther Dischereit, Schriftstellerin
Tomer Dotan-Dreyfus, Schriftsteller
Shelley Etkin, Künstlerin
Emet Ezell
Deborah Feldman, Schriftstellerin
Sylvia Finzi
Erica Fischer, Schriftstellerin
Nimrod Flaschenberg
Ruth Fruchtman, Schriftstellerin
Olivia Giovetti, Schriftstellerin und Kulturkritikerin
Harry Glass, Kurator
William Noah Glucroft
A.J. Goldmann, Schriftsteller und Fotograf
Jason Goldmann
Noam Gorbat, Filmemacher
Avery Gosfield
Max Haiven, Professor
Yara Haskiel, Künstlerin
Iris Hefets, Psychoanalytikerin und Autorin
Marc Herbst
Wieland Hoban, Komponist und Übersetzer
Sam Hunter, Schriftsteller/Regisseur
Alma Itzhaky, Künstlerin und Schriftstellerin
Eliana Pliskin Jacobs
Eugene Jarecki
Roni Katz, Choreographin und Tänzerin
Marett Katalin Klahn
Michaela Kobsa-Mark, Dokumentarfilmerin
David Krippendorff, Künstler
Quill R. Kukla, Philosoph
Sara Krumminga
Jenna Krumminga, Schriftstellerin und Historikerin
Matt Lambert, Künstler
Na'ama Landau, Filmemacherin
Elad Lapidot, Professor
Danny Lash, Musiker
Shai Levy, Filmemacher und Fotograf
Eliza Levinson, Journalistin und Schriftstellerin
Rapha Linden, Schriftsteller
Adi Liraz, Künstler
Anna Lublina
Sasha Lurje
Roni Mann, Professor
Ben Mauk, Schriftsteller
Lee Méir, Choreograph
Dovrat Meron
Aaron Miller, Wissenschaftler und Künstler
Ben Miller
Carolyn Mimran
Shana Minkin, Wissenschaftlerin
Susan Neiman, Philosophin
Gilad Nir, Philosoph
Ben Osborn, Musiker und Schriftsteller
Rachel Pafe, Schriftstellerin und Forscherin
Peaches, Mu­si­ke­r*in
Siena Powers, Künstlerin und Schriftstellerin
Udi Raz
Aurelie Richards, Kunstvermittlerin
Kari Leigh Rosenfeld
Liz Rosenfeld
Ryan Ruby, Schriftsteller
Rebecca Rukeyser, Schriftstellerin
Alon Sahar
Tamara Saphir
Eran Schaerf
Anne Schechner
Oded Schechter, Wissenschaftler
Jake Schneider
Ali Schwartz
Cari Sekendur, Designerin
Yael Sela (Teichler), Historikerin
Mati Shemoelof, Dichter und Schriftsteller
Maya Steinberg, Filmemacherin
Robert Yerachmiel Sniderman, Dichter und Künstler
Avinoam J. Stillman
Virgil B/G Taylor
Tanya Ury, Künstlerin und Schriftstellerin
Ian Waelder, Künstler und Verleger
Rachel Wells, Performerin und Produzentin
Sarah Woolf
Yehudit Yinhar
Sivan Ben Yishai, Schriftsteller
Dafna Zalonis, Künstlerin


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NEUER BEITRAG26.10.2023, 18:08 Uhr
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arktika

Nach antideutscher Weltsicht wahrscheinlich alle voll von "jüdischem Selbsthaß"?
NEUER BEITRAG26.10.2023, 23:18 Uhr
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arktika

Karin Leukefeld bei 'nd' rausgeflogen Auch ehemals (und in Teilen manchmal auch heute noch) linke Zeitungen sind - ob bewußt aus Opportunismus oder nur aus Dummheit - willfährige DienerInnen des Imperialismus, Papageien des Klassenfeinds. Und verhalten sich regimegetreu, wie z. B. das nd - das ehemalige Neues Deutschland, eine alte DDR-Zeitung.

In einer Mail, in der mir Text und Link zu einem Interview auf den Nachdenkseiten, bei denen man zwischen manchen zweifelhaften Texten immer wieder auch sehr gute Beiträge findet - wie in so vielen Medien! -, geschickt wurden, fand sich folgende Einleitung zu der Problematik:

"So wie die aktuellen deutschen polizeilichen Maßgaben zu den Themen Vereinigungs- und Demonstrationsrecht sowie zur freien Meinungsäußerung in der Öffentlichkeit von einem Tag zum anderen nicht tolerierbar verschärft wurden, so werden auch selbst Auslandskorrespondent*Innen, die im Ausland für irgend ein deutsches Medium z.B. seit 20 Jahren akkreditiert waren, ohne Aussprache mit der sie beschäftigenden Redaktionen von einem Tag zum anderen freigestellt. Was für Angst muss in derartigen Redaktionsgremien herrschen, dass eine vom verordneten Mainstream abweichende Erzählung veröffentlicht werden könnte und diesen relativieren könnte, indem Menschen aus dem Ausland Meinungen zu ihrer eigenen Lage in der Region, über die berichtet wird, z.B. inform eines Interviews kundtun. Karin Leukefeld wurde jetzt wegen ihrer unparteilichen - also nicht prowestlichen - Beiträge nicht mehr gebraucht."
--> Das trifft 's wohl ganz gut, wie die Lage für nichtkorrupte JournalistInnen ist, die die LeserInnen/ZuschauerInnen nicht manipulieren, sondern informieren wollen.

Karin Leukefeld über Schreibverbot im nd: „Vom ursprünglichen Selbstverständnis des Journalismus komplett entfremdet“

Die Zeitung nd – ehemals Neues Deutschland – hat der langjährigen Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld die Zusammenarbeit aufgekündigt. Der Vorgang erinnert angesichts der Begründungen nicht nur an das derzeitige Phänomen der „Cancel Culture“, sondern auch an den Stalinismus, von dem sich das nd noch als Neues Deutschland nach dem Untergang von DDR und SED distanziert und verabschiedet hat. Mit Karin Leukefeld hat Tilo Gräser über den Vorgang gesprochen.

Frau Leukefeld, Sie berichten seit vielen Jahren als fast einzige deutsche Korrespondentin direkt aus dem Nahen Osten. Leser der NachDenkSeiten kennen Sie sicherlich, da Sie ja häufig für uns schreiben. Ihre Berichte waren zuletzt auch immer wieder in anderen linken und alternativen Medien zu lesen. Doch selbst das wird anscheinend immer weniger. Warum?

Als ich im Jahr 2000 zunächst in der Türkei, dann im Irak meine Arbeit begann, habe ich für den ARD-Hörfunk, vor allem für den WDR, für den Deutschlandfunk und auch für die Deutsche Welle berichtet. Die Reportagen wurden häufig vom Schweizer Rundfunk übernommen. Die Junge Welt und das Neue Deutschland gehörten von Anfang an zu den Abnehmern meiner Berichte, auch die Katholische Nachrichten-Agentur.

2005 ging ich nach Damaskus, weil es in Bagdad zu gefährlich wurde. Ich folgte in gewisser Weise den irakischen Flüchtlingen, von denen mehr als 1 Million in Syrien Zuflucht fand. In Damaskus beantragte ich die Akkreditierung, die ich 2010 erhielt. 2011 waren meine Berichte aus Kairo vom Tahrir-Platz gefragt, doch als ich – zurück in Damaskus – von dort berichtete, dass die Menschen gegenüber dem „Arabischen Frühling“ sehr zurückhaltend waren und auf das verwiesen, was sie – mit dem jungen Präsidenten Assad – schon an Veränderungen erreicht hatten, erhielt ich Absagen selbst zu Reportagen, die schon bestellt waren.

Zunächst ging das Interesse an meinen Berichten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurück. Eine Ausnahme war lange noch der BR, der meine Reportagen gerne nahm, wie man mir versicherte. Weil sie so anders waren, weil dort Leute direkt zu Wort kamen. Ich traf in Damaskus politische Oppositionelle, mit denen ich Interviews führte, ihre Veranstaltungen besuchte u.a.m. Je mehr die Konfrontation in Syrien zunahm, desto weniger Berichte wurden mir abgenommen. Zudem erhielt ich Drohmails von angeblichen oder tatsächlichen syrischen Oppositionellen, die auch die Medien mit diffamierenden Leserbriefen gegen mich bombardierten. Dann wurde ich von Journalisten innerhalb des Rundfunks diffamiert, für den ich arbeitete und meine Angebote wurden oft gar nicht mehr beantwortet. Ich weiß von Kollegen aus anderen Ländern, denen es ähnlich erging, und ich gehe davon aus, dass dieses Vorgehen eine Kampagne gegen Journalisten war, die aus Syrien gegen den Strom berichteten. Wir haben uns an journalistische Maßstäbe gehalten: vor Ort recherchieren, verschiedene Quellen abfragen, nicht Partei ergreifen.


Welche Erklärung haben Sie dafür, dass nun nach den etablierten Medien auch solche, die sich links oder alternativ verorten, Ihre Berichte kaum noch veröffentlichen?

Die Redaktionen entwickelten eine eigene Vorstellung von dem, was in Syrien geschah. Sie waren sehr beeinflusst von der Berichterstattung der Agenturen und der „Leitmedien“, die allerdings nur selten eigene Korrespondenten im Land hatten. Die syrischen Oppositionellen im Ausland und diejenigen, die den bewaffneten Kampf propagierten, rückten in den Mittelpunkt. Diese Gruppen entwickelten ja mit so genannten „Bürgerjournalisten“ ihre eigenen „sozialen Medien“ und dominierten bald – mit Hilfe westlicher oder westlich orientierter Medien und Technologie – die Berichtslage über Syrien. Die linken Medien konzentrierten sich zunehmend auf die kurdisch geführten Kräfte im Nordosten des Landes, vermutlich, weil diese ihnen politisch näherstanden. Es gab und gibt auch in Deutschland eine starke Solidaritätsbewegung mit der kurdischen Bewegung. Manche Aktivisten schlossen sich den kurdischen bewaffneten Kräften an, zahlreiche verloren dabei ihr Leben. In den deutschen und linken Redaktionen verengte sich der Blick auf das gesamte Geschehen in und um Syrien.

Nun hat sich die Redaktion der Tageszeitung „nd“, früher „Neues Deutschland“, nach mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit von Ihnen getrennt. Was ist da passiert?

Ich weiß es nicht. Man hat mich in die Diskussion und Kritik, die es offenbar in der Redaktion über meine Artikel und Reportagen gab, nicht einbezogen. Ich erhielt ein Schreiben per E-Mail von der Redaktionsleitung, die mir den Beschluss einer Debatte und Abstimmung mitteilten, zu der der Redaktionsrat die Mitarbeiter eingeladen hatte. Ich war nicht eingeladen, niemand hat mich angesprochen. Dem Brief zufolge wurde über meine Texte und auch über meine Äußerungen in anderen Medien debattiert, dann schlug der Redaktionsrat vor, darüber abzustimmen, ob die Redaktion noch weiter mit mir zusammenarbeiten wolle. Eine „deutliche Mehrheit“ habe sich, „bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen, dafür ausgesprochen, die Zusammenarbeit“ mit mir „zu beenden und keine Texte mehr“ von mir „zu veröffentlichen“. Es hörte sich an wie ein Tribunal gegen eine Angeklagte, die nicht anwesend war. Ich weiß nicht, wer der Redaktionsrat ist. Das nd ist ja seit 2021 eine Genossenschaft, da hat sich einiges strukturell und wohl auch personell verändert.


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NEUER BEITRAG26.10.2023, 23:22 Uhr
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arktika

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Gab es einen konkreten Anlass? Was wird Ihnen konkret vorgeworfen?

In dem Schreiben wird kein konkreter Anlass genannt. Es hieß, meine Berichte aus Syrien seien „einseitig“, ich würde den (politischen) Westen für die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich machen und „Kriegsverbrechen und Interessen“ Syriens, Russlands und des Iran nicht nennen. Redakteure des nd hätten zudem meine Äußerungen in anderen Medien verfolgt, worüber kritisch diskutiert worden sei. Beispielsweise wurde meine Ablehnung des Verbots von RT Deutsch kritisiert, weil RT DE ein „Propagandainstrument der russischen Regierung“ sei und „erheblich mit Fake News“ arbeite. Wie gesagt, ich wurde nie darauf angesprochen.

Man hat sich auf das Redaktionsstatut berufen, in dem sich die Mitarbeitenden „der Verteidigung der Menschenrechte und der Vertretung der Interessen der Marginalisierten sowie dem Kampf gegen Rassismus, Klassismus, Antisemitismus, Sexismus und Faschismus und für den Frieden“ verpflichten. Davon hätte ich mich mit vielen meiner „Aussagen und Positionen so weit“ entfernt, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei.

Mir war nicht bekannt, dass meine sonstige Arbeit bei Vorträgen, Interviews oder für andere Medien von nd-Redakteuren verfolgt wurden und ich konnte mich zu keinem der im Brief genannten Punkte äußern, eine kafkaeske Situation. Offenbar war eine Diskussion mit mir auch nicht gewünscht.

Die „nd“-Redaktionsleitung hat Ihnen unter anderem „Einseitigkeit“ beim Thema Syrien, aber auch beim Ukraine-Konflikt vorgeworfen. Sie würden die Schuld für die dortigen Konflikte und Kriege nur dem Westen zuweisen …

Dazu könnte ich nur etwas sagen, wenn das nd mir einen konkreten Text vorgehalten hätte. Nehmen wir die einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen der EU und von den USA. Sie verstoßen gegen das Völkerrecht und es gibt zahlreiche Abstimmungen der UN-Vollversammlung, solche Maßnahmen zu stoppen. Die US-Armee hält wichtige Teile Syriens besetzt, u.a. die Gebiete, wo wichtige Ressourcen des Landes wie Öl, Weizen, Baumwolle sind. Eine US-Militärbasis wurde illegal in unmittelbarer Nähe eines wichtigen Grenzübergangs zwischen Irak, Jordanien, Syrien gebaut, die den Grenzübergang blockiert. Auch andere syrisch-irakische Grenzübergänge werden blockiert von den USA oder den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDK). Das alles sind Tatsachen und es sind nur einige der vielen Verletzungen des internationalen Rechts, die von den USA und ihren Verbündeten in Syrien verübt werden. Dabei geben sie an, dort den IS zu bekämpfen.

Soll man das nicht berichten? Keine dieser illegalen Maßnahmen hilft den Menschen in Syrien, die vielleicht politisch verfolgt oder gefangen gehalten werden. Im Gegenteil, es verschlimmert die Lage der Bevölkerung, darüber gibt es Berichte der UN-Sonderberichterstatterin Alena Douhan. Und schon ihr Vorgänger Idriss Jazaery hat darüber berichtet, sogar in Berlin auf Einladung von IPPNW. Kaum ein deutsches Medium in Berlin war an dem, was er zu sagen hatte, damals interessiert.

Als deutsche Korrespondentin in einem Kriegs- und Krisengebiet gehört es dazu, die Politik der deutschen Regierung in diesem Konflikt abzubilden und dem internationalen Recht gegenüberzustellen. Da gibt es erhebliche Diskrepanzen. Die Öffentlichkeit darüber zu informieren, ist journalistische Arbeit.

Zum Konkreten: Was ist dran an den Erklärungen aus dem „nd“, dass zum Beispiel in Syrien die dortige Führung mit ihren russischen und iranischen Unterstützern für die Eskalation verantwortlich ist?

Ich kann das nicht bestätigen. Beide Länder haben den syrischen Staat gegen bewaffnete Gruppen unterstützt, weil Syrien um Unterstützung gebeten hatte. Es gab mehr als 50 Fronten in Syrien damals, die syrische Armee war völlig überfordert. Die Entwicklung und Geschichte des Syrien-Krieges macht das deutlich, es ist nachzulesen. Damit muss man sich – gerade im Journalismus – befassen, bevor man etwas berichtet.

Nochmal zur Erinnerung: Es gab einen internen Konflikt, der durch Einmischung von Saudi-Arabien, Katar, der Türkei und den USA mit massiven Waffenlieferungen zu einem regionalen und internationalen Konflikt gegen die syrische Regierung wurde. Waffen wurden aus Libyen über das Mittelmeer in die Türkei und von dort nach Syrien geschmuggelt. Aus Katar und Saudi-Arabien und Kroatien wurden Waffen nach Jordanien und in die Türkei geflogen, und von dort nach Syrien geschmuggelt. In der Türkei und in Jordanien entstanden militärische Operationszentren von Militärs und Geheimdiensten arabischer Staaten, der USA, Türkei und von NATO-Ländern, die die bewaffneten Gruppen in Syrien führten. Auch Israel war beteiligt.

Alles ist nachzulesen in Recherchen englischsprachiger Medien wie der New York Times, auch in meinem Buch Flächenbrand ist vieles darüber zu lesen. Internationale Medien, vor allem Al Jazeera, spielten – mit einer kampagnenartigen Darstellung – eine wesentliche Rolle in der Eskalation. Und zwar so sehr, dass Journalisten den Sender aus Protest verließen.

Wie gesagt, Russland und Iran haben auf Bitten der syrischen Regierung in den eskalierenden Krieg gegen das Land eingegriffen. Iran und die libanesische Hisbollah früher, Russland im September 2015. Die USA hatten schon im September 2014 mit dem Abschuss von Marschflugkörpern aus dem Persischen Golf die syrischen Ölfelder zerstört, nachdem diese von der „Freien Syrischen Armee“, der Nusra Front und Al Qaida im Irak besetzt worden waren. Die USA und das „Anti-IS-Bündnis“ haben in Syrien operiert, obwohl sie nie von Syrien darum gebeten worden waren und für ihr Handeln auch kein Mandat des UN-Sicherheitsrates vorweisen können. Das ist nach dem internationalen Recht nicht zulässig, sondern Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Russland hat den USA immer wieder Angebote zur Kooperation im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ gemacht, die USA haben das abgelehnt. Alles was es gab, war eine russisch-US-amerikanische Vereinbarung, sich gegenseitig über Luftangriffe in Syrien zu informieren, um sich nicht gegenseitig abzuschießen.

Der Krieg in Syrien war nie ein Bürgerkrieg, sondern es war ein internationaler Krieg gegen und um Syrien. Es gab einen internen Konflikt, der intern hätte gelöst werden müssen, und er hätte gelöst werden können. Da der aber von außen im wahrsten Sinne des Wortes befeuert wurde, wurden Gesellschaft und das Land mit allen seinen Errungenschaften zerstört.


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NEUER BEITRAG26.10.2023, 23:27 Uhr
EDIT: arktika
26.10.2023, 23:32 Uhr
Nutzer / in
arktika

Karin Leukefeld bei 'nd' rausgeflogen >>>>>

Gibt es da einen grundlegenden Konflikt zwischen Redaktionen in einer westeuropäischen Hauptstadt und Auslandskorrespondenten in entfernten Konfliktgebieten und Ländern, wenn es um die Einschätzungen der Vorgänge geht?

Ja. Nach mehr als 20 Jahren Arbeit in der Region des Nahen und Mittleren Ostens – aktuell können wir das in der Konfrontation Israel-Hamas sehen – kann ich diese Frage nur ganz klar mit Ja beantworten. Alle Konflikte haben eine Vorgeschichte, alle Krisen haben, bevor es zum Krieg kommt, Ursachen und es gibt Lösungen und Vorschläge, die berichtet werden können und müssen.

Woran liegt es, dass sich die Koordinaten in den Redaktionen verschoben haben? Ein Grund ist sicherlich der „Krieg gegen den Terror“ seit 2001, der Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien durchdrungen hat. In der Außenpolitik geht es um Geopolitik und um Interessen. Menschen, Gesellschaften, Völker werden dem untergeordnet. Über Flüchtlinge zu berichten, bedeutet, über die Zerstörung der Lebensgrundlagen dieser Menschen in ihrer Heimat zu berichten.

Medien in den westeuropäischen Hauptstädten suchen heute „einen Platz am Tisch mit der politischen Macht“, wie es der Journalist Patrick Lawrence in seinem Buch „Journalists and their shadows“ beschreibt. Auslandskorrespondenten in Ländern, die auf der „Achse des Bösen“ liegen und Hauptschauplatz des „Krieges gegen den Terror“ sind, sind unbequem, um nicht vielleicht sogar zu sagen, sie sind im Weg.

Ein Bericht aus Syrien – oder einem anderen Land – ist natürlich anders als der Blick aus deutschen oder anderen ausländischen Redaktionen auf Syrien. Dieses Problem haben viele ernsthaften Korrespondenten, die sich, wie ich, der klassischen journalistischen Korrespondenz verpflichtet haben. Das heißt, zwischen Reportage, Interview, Bericht, Meinung, Analyse, Feature zu trennen. Unter dem Motto „Leben hinter den Schlagzeilen“ versuche ich den Menschen eine Stimme zu geben, jenseits von politischer „Einordnung“, wie sie immer mehr von Redaktionen gefordert wird. Ich frage meine Gesprächspartner nicht: „Wollen Sie den Sturz des Regimes“, wie eine Al-Jazeera-Journalistin im März 2011 einen alten Mann in Deraaa fragte. Ich frage nach den Lebensumständen, welche Klagen es gibt. Ich schreibe für die Leserschaft und nicht, um den Redaktionen zu gefallen.

Die „nd“-Redaktion hat Ihnen auch vorgeworfen, sich in anderen Medien „politisch positioniert“ zu haben, und zwar so, wie es den Positionen der Zeitung laut Redaktionsstatut widerspräche. Das reicht von der Verteidigung der Menschenrechte über den Kampf gegen alle möglichen Ismen wie Rassismus und Klassismus samt Antisemitismus bis hin zum Frieden. Wie haben Sie dagegen verstoßen?

Dass nd – Mitarbeiter und Redaktionsleitung – das mitgemacht haben, zeigt, dass sie komplett den Kompass verloren haben. Jede Person hat das Recht, seine/ihre politische Meinung zu sagen. Das gilt auch für mich als Journalistin. Eine Redaktion lebt übrigens davon, unterschiedliche Meinungen der Redakteure zu hören und sich auszutauschen. Das schärft die Berichterstattung. Die Passage im Redaktionsstatut als Begründung für die Beendigung der Zusammenarbeit mit mir heranzuziehen, ist reine Diffamierung. Weil indirekt unterstellt wird, ich würde die Menschenrechte missachten, sei rassistisch und anti-semitisch und sei für Krieg, nicht für Frieden.

Das „nd“ wirbt derzeit für sich mit hehren Ansprüchen wie „Demokratie lebt von Streit“ und der Aufforderung: „Mischt mit, bringt Euch ein.“ Das Blatt leistet angeblich einen „wichtigen Beitrag zum Erhalt von Pluralität an Themen und Perspektiven in Gesellschaft und Politik“ und bezeichnet sich als „vielstimmig, nervig und immer ein erfrischendes Ärgernis“. Was Ihnen da gerade passiert ist, widerspricht dem ganz offensichtlich. Wie sehen Sie das?

Ich dachte ja erst, es sei ein Fake-Schreiben. Eine E-Mail ohne Briefkopf, ohne persönliche Unterschriften hätte von überall her kommen können. Und sicherlich würde so mancher viel dafür geben, eine mehr als 20-jährige, auf gewissem Vertrauen gebaute Arbeitsbeziehung mit so einem Fake-Schreiben aus den Angeln zu heben. Aber ich habe im Sekretariat der Redaktionsleitung angerufen und mir wurde bestätigt, dass es echt ist.

Der ganze Vorgang spricht der Eigenwerbung des nd Hohn, weil es ein gänzlich undemokratisches Vorgehen beschreibt. In einer Art „Cancel Culture“, wie man sie bei Facebook, WhatsApp oder X vormals Twitter findet, wurden meine Arbeit und meine Person diffamiert. Ich erhielt ein finales Schreibverbot im nd und das hat nichts mit Pluralität zu tun, geschweige denn mit dem journalistischen Auftrag von Aufklärung.

Stehen alternative und linke Medien so unter Druck, dass sie sich doch an die Vorgaben des Mainstreams anpassen? Das scheint bei den Vorwürfen gegen Sie zu den Themen Syrien und Ukraine der Fall zu sein. Warum geschieht das anscheinend?

Ich würde mich nicht wundern, wenn politischer Druck auf die Redaktion ausgeübt wurde. Von Genossenschaftlern oder anderen Geldgebern, politisch, von wem auch immer. Aber als Freiberuflerin bin ich ja außerhalb einer Redaktion und erfahre nichts oder kaum etwas über innere Vorgänge.

Ich habe der „nd“-Redaktion Fragen zu dem Vorgang gestellt. Die blieben bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne Antwort. Haben Sie Antworten auf Ihr Schreiben an die Kollegen bekommen? Verweigert die Redaktion dieser Zeitung die notwendige Debatte?

Keiner aus der Redaktion hat auf mein Antwortschreiben geantwortet. Entweder gibt es im nd ein Klima der Angst oder die Leute, die dort arbeiten, haben sich von dem ursprünglichen Selbstverständnis des Journalismus komplett entfremdet. Von Kollegialität oder Solidarität ganz zu schweigen.

Welche Folgen hat diese Trennung des „nd“ von Ihnen als langjähriger Korrespondentin für Sie selbst, für Ihre Arbeit?

Es fehlt natürlich Einkommen. Meine Akkreditierung in Syrien war 2010 für das Neue Deutschland erteilt worden. Ich hoffe, ein anderes Medium wird übernehmen. Auch können viele Leser und Leserinnen, die meine Reportagen und Berichte seit vielen Jahren verfolgten, gut fanden und das sowohl der Zeitung als auch mir persönlich schrieben, das nicht mehr lesen. Und sie wissen nicht, warum. Persönlich ist so eine Art von Trennung nach mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit ein Schlag ins Gesicht. Ich erinnere mich da lieber an den früheren, langjährigen Chefredakteur des Neuen Deutschland, Jürgen Reents. Mit ihm gab es immer Diskussionen, die oft nicht einfach waren. Er interessierte sich auch für die Umstände, unter denen ich arbeitete. Er war der Einzige, der mich angerufen hat, um zu fragen, wie es mir geht und ob ich Hilfe bräuchte. In Kairo 2011, in Damaskus 2012.


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Anmerkung der Redaktion: Die NachDenkSeiten werden Karin Leukefeld bei der Akkreditierung helfen und sie als gute, langjährige freie Mitarbeiterin enger als Korrespondentin für die Nahost-Region einbinden.

von Tilo Gräser am 20.10.2023 auf den NachDenkSeiten unter
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NEUER BEITRAG26.10.2023, 23:32 Uhr
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FPeregrin

Ob die "Antideutschen" jemals begreifen werden, wie "deutsch" sie sind ...?
NEUER BEITRAG27.10.2023, 11:55 Uhr
Nutzer / in
arktika

Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front Die deutsche Durchgeknalltheit in Sachen Palästina/Israel macht auch um den Sport, konkret in diesem Fall den Füßball, keinen Bogen. „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein.“ - Das gepostet oder geteilt zu haben, reicht aus, gefeuert zu werden. Wie das Beispiel Mainz 05 - ein wahrlich eher durchschnittlicher Verein - zeigt:

Nach Pro-Palästina-Post: FSV Mainz 05 stellt Neuzugang El Ghazi frei

Die Wege des FSV Mainz 05 und Anwar El Ghazi trennen sich. Der Grund: ein inzwischen wieder gelöschter Pro-Palästina-Post.

Mainz - Fußball-Bundesligist FSV Mainz 05 hat Anwar El Ghazi nach seinem inzwischen wieder gelöschten Pro-Palästina-Post bei Instagram vom Trainings- und Spielbetrieb freigestellt. Das vermeldete der Club auf seinen Social-Media-Kanälen.

FSV Mainz 05 feuert Neuzugang

In seinem Post habe El Ghazi „in einer Art und Weise Position zum Konflikt im Nahen Osten bezogen, die für den Verein so nicht tolerierbar war“, hieß es vonseiten der Rheinhessen. Der Freistellung sei ein ausführliches Gespräch zwischen Vorstand und Spieler vorangegangen.

„Mainz 05 respektiert, dass es unterschiedliche Perspektiven auf den seit Jahrzehnten währenden komplexen Nahost-Konflikt gibt. Der Verein distanziert sich jedoch von den Inhalten des Posts, da dieser nicht mit den Werten unseres Vereins einhergeht“, hieß es weiter.

Bereits am Mittag hatte El Ghazi, der erst Mitte September zu Mainz 05 gekommen war, nicht mehr mittrainiert. Der 28 Jahre alte Niederländer hatte zuvor einen Beitrag geteilt, in dem es unter anderem hieß: „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein.“

FSV Mainz 05: El Ghazis mit verhängnisvollem Post

Gemeint ist, dass sich Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer ausdehnen sollte. Damit wird Israel gewissermaßen das Existenzrecht abgesprochen. Der Post wurde später wieder gelöscht, bis Montag hatte er zudem ein Profilbild mit dem Schriftzug „I stand with Palestine“. Am Dienstag war dieses Foto durch ein Bild von El Ghazis Gesicht ersetzt worden. Zuerst hatte die Bild über den Fall berichtet.

Palästinensische Terroristen hatten vor gut einer Woche im Auftrag der Hamas einen verheerenden Angriff auf israelische Zivilisten durchgeführt. Bisher sind in Israel mehr als 1300 Tote zu beklagen. Die Zahl der bei israelischen Angriffen im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium auf 3000 gestiegen.
(dpa/red)

Am 18.10. in der HNA unter Link ...jetzt anmelden!
NEUER BEITRAG29.10.2023, 20:50 Uhr
Nutzer / in
Lars

Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front Die BRD hat in der Uno-Abstimmung mit Enthaltung gestimmt. Die EU ist breit verteilt über Ja (Verurteilung Israels), Enthaltung oder Ablehnung (der Verurteilung Israels). So haben Frankreich und Spanien mit Ja gestimmt, BRD und Italien mit Enthaltung und Österreich, Ungarn, Tschechische Republik und Kroatien mit Ablehnung (zusammen mit Israel und USA).

Was sagt das?
Meines Erachtens zeigt es, dass trotz dem ständigen Gerede von der Staatsräson es eben keine uneingeschränkte Unterstützung Israels gibt. Staatsräson ist Teil des deutschen Philosemitismus (mit dem man den eigenen Antisemitismus überdeckt). Der deutsche Imperialismus hält sich die sogenannte arabische Karte immer offen. Die starke Verbindung zu Katar inklusive ökonomischer Verstrickung ist dafür ein herausragendes Beispiel, aber nur Eines von Vielen.
Meines Erachtens steht das auch nicht im Widerspruch zu der masiven Repression, die hierzulande läuft. Diese hat eben auch einen Zweck "an sich".
Und ganz nebenbei zeigt es wieder einmal, dass es keinen „EU-Imperialismus“ oder so gibt. Die EU ist in der Abstimmung ziemlich zerbröselt: Acht stimmten mit ja, 15 Enthaltungen und vier stimmen nein…
NEUER BEITRAG31.10.2023, 21:32 Uhr
Nutzer / in
FPeregrin

@ Lars: Das ist ein Knoten mit Mißverständnissen und Vereinfachungen, auf den zu antworten mir jetzt etwas zu mühselig und zu zeitraubend ist. Es kann also etwas dauern, ich werde die Antwort aber nicht vergessen. Es kann natürlich sein, daß wir uns auch dann nicht einig werden. Das gibt's ...
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