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•NEUES THEMA22.10.2023, 23:14 Uhr
EDIT: arktika
22.10.2023, 23:15 Uhr
22.10.2023, 23:15 Uhr
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arktika | |
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• Oktober 1943 - Die Flucht der dĂ€nischen Juden
In der Nacht zum 2. Oktober 1943 sollten alle dĂ€nischen Juden u. JĂŒdinnen verhaftet u. nach Deutschland deportiert werden. Dies miĂlang bekanntermaĂen. Nur wenige JĂŒdInnen schafften es nicht, sie wurden in deutsche KZs verschleppt, die anderen konnten mit Hilfe der dĂ€nischen Bevölkerung fliehen oder sich zumindest verstecken. Eine besondere Rolle spielten hierbei die dĂ€nischen Fischer mit ihren Booten ...
Hierzu gibt es in Berlin eine Ausstellung »Oktober 1943 â Das Schicksal der Juden aus DĂ€nemark«, Felleshus der Nordischen Botschaften, Rauchstr. 1, 10787 Berlin, bis 29.10.2023
Auf der Flucht
Im Felleshus der Nordischen Botschaften in Berlin wird an das Schicksal der dÀnischen Juden im Oktober 1943 erinnert
Von Sabine Lueken
Die kleine Ausstellung dokumentiert ein in der Geschichte des Holocausts singulÀres Ereignis, die »wundersame Rettung« der dÀnischen Juden im Oktober 1943 vor 80 Jahren. Wie war es dazu gekommen?
Am 9. April 1940 hatte die deutsche Wehrmacht DĂ€nemark besetzt und mit der dĂ€nischen Regierung eine Kooperation vereinbart. Regierung, Justiz, Polizei, MilitĂ€r blieben unter dĂ€nischer Kontrolle, auch der König, Christian X., blieb im Amt â eine einzigartige Situation in einem von Deutschland besetzten Land. Die deutschen Interessen wurden von einem »ReichsbevollmĂ€chtigten« wahrgenommen, ab November 1942 war das der SS-Mann Werner Best, vormaliger Stellvertreter Reinhard Heydrichs, Theoretiker, Organisator und Personalchef der Gestapo. FĂŒr die Deutschen war es von Vorteil, dass in diesem â unter rassenideologischen Vorstellungen als »arisch« bewerteten â Nachbarvolk nicht so viele KrĂ€fte gebunden wurden. Ferner, dass die fĂŒr die Versorgung der deutschen Bevölkerung wichtigen Lebensmittellieferungen weitergingen. FĂŒr die DĂ€nen bedeutete es eine relative innenpolitische UnabhĂ€ngigkeit und die Abwendung von militĂ€rischer Niederlage, Krieg und Zerstörung.
Realpolitik oder Feigheit? Bis heute ist das in DĂ€nemark umstritten. Zumindest konnte eine antijĂŒdische Politik vermieden werden. Die DNSAP (Danmarks Nationalsocialistiske Arbejderparti), eine 1930 gegrĂŒndete Âfaschistische Partei, die (zusammen mit Teilen der deutschen Minderheit in DĂ€nemark) Anschluss an die deutschen Besatzer anstrebte, war eher einflusslos.
Die jĂŒdische Bevölkerung umfasste ca. 8.000 Menschen, die sich aus den Mitgliedern alteingesessener Familien, aus Anfang des 20. Jahrhunderts aus Osteuropa eingewanderten Juden und aus vor den Nazis GeflĂŒchteten zusammensetzte. Die meisten von ihnen lebten in oder nahe der Hauptstadt Kopenhagen. Hinzu kamen einige hundert junge MĂ€nner, die Chaluzim, die in der Landwirtschaft arbeiteten und ĂŒber die Sowjetunion nach PalĂ€stina auswandern wollten, was nach dem Juni 1941 nicht mehr möglich war.
Gegen die »Zusammenarbeitspolitik« gab es zunĂ€chst seitens der Bevölkerung kaum Widerstand, obwohl die Regierung den Deutschen viele ZugestĂ€ndnisse machen musste. So wurde z.âB. die dĂ€nische Polizei nach dem deutschen Ăberfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 angehalten, Kommunisten zu verhaften. Erst ab dem FrĂŒhjahr 1943 Ă€nderte sich â unter dem Eindruck der deutschen Niederlagen â die Situation. Im August gab es Unruhen und Streiks in verschiedenen dĂ€nischen StĂ€dten, am 29. August 1943 trat die Regierung zurĂŒck, nachdem die deutsche Wehrmacht das dĂ€nische Heer und die Flotte entmachtet hatte und der Ausnahmezustand ausgerufen worden war. Das verĂ€nderte die Situation der jĂŒdischen Bevölkerung drastisch. Am 8. September 1943 schlug Best dem AuswĂ€rtigen Amt in Berlin vor, alle Juden aus DĂ€nemark zu deportieren, in der Nacht zum 2. Oktober sollten die Verhaftungen stattfinden. Dieser Termin wurde von Georg Ferdinand Duckwitz, einem im Dienst des AuswĂ€rtigen Amtes stehenden Bremer Schiffahrtsexperten, an dĂ€nische Politiker weitergegeben, die wiederum Mitglieder der jĂŒdischen Gemeinde informierten. Bis heute ist umstritten, ob diese Informationen mit Wissen oder sogar auf Befehl Werner Bests weitergegeben wurden. SpĂ€ter fĂŒhrte dieser Umstand zu Bests Begnadigung von der Todesstrafe zu fĂŒnfjĂ€hriger Haft. Duckwitz gilt in Israel als »Gerechter unter den Völkern«.
Die meisten Juden flohen aus ihren Wohnungen, fanden Zuflucht in KrankenhĂ€usern und Kirchen oder PrivathĂ€usern oder gelangten an die KĂŒste und wurden von dort von Fischern, von denen sich einige sehr gut bezahlen lieĂen, mit Booten ĂŒber den Ăresund nach Schweden ĂŒbergesetzt, unter ihnen etwa der Physiker und NobelpreistrĂ€ger Nils Bohr und der spĂ€tere hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Ăberliefert ist, dass 23 FlĂŒchtende ertrunken sind und 16 Suizid begingen. »Die DĂ€nen halfen ⊠den Juden, wo immer sie konnten«, heiĂt es in der Ausstellung, weil sie sie »als dĂ€nische MitbĂŒrger« sahen. Die schwedische Regierung hatte schon zuvor im Rundfunk verlauten lassen, dass sie die FlĂŒchtenden aufnehmen wĂŒrde. Etwa 90 Prozent der 8.000 Juden konnten in das neutrale Nachbarland gelangen. Aber es wurden auch etwa 500 gefasst oder von Kollaborateuren verraten und ins Ghetto Theresienstadt deportiert, von diesen kamen 50 um, die anderen wurden kurz vor Kriegsende durch die Rettungsaktion der »weiĂen Busse« des Roten Kreuzes, die von Norwegen initiiert worden war, befreit.
Einzelheiten, Motive und AblĂ€ufe dieser Geschichte sind bis heute umstritten. Zu Recht wird sie als Heldengeschichte erzĂ€hlt, und sie zeigt, dass Widerstand gegen die deutsche Vernichtungspolitik möglich war. Im Booklet zur Ausstellung erinnert der dĂ€nische AuĂenminister Lars LĂžkke Rasmussen an die Notwendigkeit, neben den Licht- auch die Schattenseiten zu sehen. Heute sprĂ€che man nicht mehr von der »Rettung«, sondern von der »Flucht« der dĂ€nischen Juden, um den Anteil der jĂŒdischen Gemeinde zu betonen, die so schnell vor der drohenden Gefahr warnte und reagierte â genau wie viele ihrer dĂ€nischen Nachbarn.
In der jW vom 23.10. unter Link ...jetzt anmelden!
#Daenemark
#Juden
#Judenverfolgung
Hierzu gibt es in Berlin eine Ausstellung »Oktober 1943 â Das Schicksal der Juden aus DĂ€nemark«, Felleshus der Nordischen Botschaften, Rauchstr. 1, 10787 Berlin, bis 29.10.2023
Auf der Flucht
Im Felleshus der Nordischen Botschaften in Berlin wird an das Schicksal der dÀnischen Juden im Oktober 1943 erinnert
Von Sabine Lueken
Die kleine Ausstellung dokumentiert ein in der Geschichte des Holocausts singulÀres Ereignis, die »wundersame Rettung« der dÀnischen Juden im Oktober 1943 vor 80 Jahren. Wie war es dazu gekommen?
Am 9. April 1940 hatte die deutsche Wehrmacht DĂ€nemark besetzt und mit der dĂ€nischen Regierung eine Kooperation vereinbart. Regierung, Justiz, Polizei, MilitĂ€r blieben unter dĂ€nischer Kontrolle, auch der König, Christian X., blieb im Amt â eine einzigartige Situation in einem von Deutschland besetzten Land. Die deutschen Interessen wurden von einem »ReichsbevollmĂ€chtigten« wahrgenommen, ab November 1942 war das der SS-Mann Werner Best, vormaliger Stellvertreter Reinhard Heydrichs, Theoretiker, Organisator und Personalchef der Gestapo. FĂŒr die Deutschen war es von Vorteil, dass in diesem â unter rassenideologischen Vorstellungen als »arisch« bewerteten â Nachbarvolk nicht so viele KrĂ€fte gebunden wurden. Ferner, dass die fĂŒr die Versorgung der deutschen Bevölkerung wichtigen Lebensmittellieferungen weitergingen. FĂŒr die DĂ€nen bedeutete es eine relative innenpolitische UnabhĂ€ngigkeit und die Abwendung von militĂ€rischer Niederlage, Krieg und Zerstörung.
Realpolitik oder Feigheit? Bis heute ist das in DĂ€nemark umstritten. Zumindest konnte eine antijĂŒdische Politik vermieden werden. Die DNSAP (Danmarks Nationalsocialistiske Arbejderparti), eine 1930 gegrĂŒndete Âfaschistische Partei, die (zusammen mit Teilen der deutschen Minderheit in DĂ€nemark) Anschluss an die deutschen Besatzer anstrebte, war eher einflusslos.
Die jĂŒdische Bevölkerung umfasste ca. 8.000 Menschen, die sich aus den Mitgliedern alteingesessener Familien, aus Anfang des 20. Jahrhunderts aus Osteuropa eingewanderten Juden und aus vor den Nazis GeflĂŒchteten zusammensetzte. Die meisten von ihnen lebten in oder nahe der Hauptstadt Kopenhagen. Hinzu kamen einige hundert junge MĂ€nner, die Chaluzim, die in der Landwirtschaft arbeiteten und ĂŒber die Sowjetunion nach PalĂ€stina auswandern wollten, was nach dem Juni 1941 nicht mehr möglich war.
Gegen die »Zusammenarbeitspolitik« gab es zunĂ€chst seitens der Bevölkerung kaum Widerstand, obwohl die Regierung den Deutschen viele ZugestĂ€ndnisse machen musste. So wurde z.âB. die dĂ€nische Polizei nach dem deutschen Ăberfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 angehalten, Kommunisten zu verhaften. Erst ab dem FrĂŒhjahr 1943 Ă€nderte sich â unter dem Eindruck der deutschen Niederlagen â die Situation. Im August gab es Unruhen und Streiks in verschiedenen dĂ€nischen StĂ€dten, am 29. August 1943 trat die Regierung zurĂŒck, nachdem die deutsche Wehrmacht das dĂ€nische Heer und die Flotte entmachtet hatte und der Ausnahmezustand ausgerufen worden war. Das verĂ€nderte die Situation der jĂŒdischen Bevölkerung drastisch. Am 8. September 1943 schlug Best dem AuswĂ€rtigen Amt in Berlin vor, alle Juden aus DĂ€nemark zu deportieren, in der Nacht zum 2. Oktober sollten die Verhaftungen stattfinden. Dieser Termin wurde von Georg Ferdinand Duckwitz, einem im Dienst des AuswĂ€rtigen Amtes stehenden Bremer Schiffahrtsexperten, an dĂ€nische Politiker weitergegeben, die wiederum Mitglieder der jĂŒdischen Gemeinde informierten. Bis heute ist umstritten, ob diese Informationen mit Wissen oder sogar auf Befehl Werner Bests weitergegeben wurden. SpĂ€ter fĂŒhrte dieser Umstand zu Bests Begnadigung von der Todesstrafe zu fĂŒnfjĂ€hriger Haft. Duckwitz gilt in Israel als »Gerechter unter den Völkern«.
Die meisten Juden flohen aus ihren Wohnungen, fanden Zuflucht in KrankenhĂ€usern und Kirchen oder PrivathĂ€usern oder gelangten an die KĂŒste und wurden von dort von Fischern, von denen sich einige sehr gut bezahlen lieĂen, mit Booten ĂŒber den Ăresund nach Schweden ĂŒbergesetzt, unter ihnen etwa der Physiker und NobelpreistrĂ€ger Nils Bohr und der spĂ€tere hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Ăberliefert ist, dass 23 FlĂŒchtende ertrunken sind und 16 Suizid begingen. »Die DĂ€nen halfen ⊠den Juden, wo immer sie konnten«, heiĂt es in der Ausstellung, weil sie sie »als dĂ€nische MitbĂŒrger« sahen. Die schwedische Regierung hatte schon zuvor im Rundfunk verlauten lassen, dass sie die FlĂŒchtenden aufnehmen wĂŒrde. Etwa 90 Prozent der 8.000 Juden konnten in das neutrale Nachbarland gelangen. Aber es wurden auch etwa 500 gefasst oder von Kollaborateuren verraten und ins Ghetto Theresienstadt deportiert, von diesen kamen 50 um, die anderen wurden kurz vor Kriegsende durch die Rettungsaktion der »weiĂen Busse« des Roten Kreuzes, die von Norwegen initiiert worden war, befreit.
Einzelheiten, Motive und AblĂ€ufe dieser Geschichte sind bis heute umstritten. Zu Recht wird sie als Heldengeschichte erzĂ€hlt, und sie zeigt, dass Widerstand gegen die deutsche Vernichtungspolitik möglich war. Im Booklet zur Ausstellung erinnert der dĂ€nische AuĂenminister Lars LĂžkke Rasmussen an die Notwendigkeit, neben den Licht- auch die Schattenseiten zu sehen. Heute sprĂ€che man nicht mehr von der »Rettung«, sondern von der »Flucht« der dĂ€nischen Juden, um den Anteil der jĂŒdischen Gemeinde zu betonen, die so schnell vor der drohenden Gefahr warnte und reagierte â genau wie viele ihrer dĂ€nischen Nachbarn.
In der jW vom 23.10. unter Link ...jetzt anmelden!
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