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Es gibt zwei mögliche Reaktionen im Umgang mit einem mutmaßlichen Terroranschlag. Entsetzen, Trauer und Bestürzung ist die eine, sie ist die menschliche. Doch dann gibt es diejenigen, die ihren Honig aus der Angst der Menschen saugen – die sind weder überrascht noch schockiert, sie haben schließlich nur darauf gewartet, ihren Säuberungs- und Ordnungsphantasien als Reaktion auf »den Terror« freien Lauf zu lassen. Ihre Pläne liegen ausgearbeitet in den Schubladen, an Fakten ist da kein Bedarf.

Am Montag abend tötete der Fahrer eines Lkw auf einem Berliner Weihnachtsmarkt mindestens 12 Menschen und verletzte 49, davon 30 erheblich. Bis zum Dienstag nachmittag war alles Weitere unklar – ein kurzzeitig Verdächtiger soll nach Polizeiangaben wohl doch unschuldig sein. Nichts ist bislang bekannt zur Herkunft oder zum Motiv des Täters.

Doch das bremst die mit den einfachen Antworten keineswegs. Noch bevor der Bundesanwalt am Montag abend die Ermittlungen an sich zog (und dementsprechend von »Terrorverdacht« ausgegangen werden kann), stand für Stephan Mayer von der Regierungspartei CSU fest: »Mit dem mutmaßlichen Anschlag haben sich unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet.« Parteigenosse Christian Schmidt, seines Zeichens Bundeslandwirtschaftsminister, rief die »Stunde der nationalen Einheit« zu einer Zeit aus, als ein tragischer Unfall noch nicht auszuschliessen war. Und der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU) riecht Pulverdampf: »Wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten.«

Das mit dem Krieg hat Bouillon später zurückgenommen. An seinem Hass auf die »Gutmenschen« hat sich hingegen nichts geändert, und dort befindet er sich in bester Gesellschaft mit den Neupolitikern der AfD. Deren Chefin Frauke Petry hat die Patentlösung: »rigorose Abschiebungen«. Es gibt weiterhin kein Niveaulimbo, bei dem ihr Partner Marcus Pretzell nicht von vornherein ununterbietbar als Sieger gesetzt ist: »Es sind Merkels Tote.«

Neue Politiker braucht das Land gar nicht, die alten reichen völlig. »Wir sind es den Opfern schuldig, dass wir unsere gesamte Zuwanderungspolitik neu justieren«, so der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer am Dienstag. Zuvor hatte sein Innenminister Joachim Herrmann verlangt, »über die Risiken durch die Aufnahme von Flüchtlingen« zu sprechen, da »wir ein erhöhtes Anschlagsrisiko von Personen haben, die aus einem radikalen Islamismusverständnis heraus solche Anschläge begehen«.

Klar, wir müssen über Islamismus sprechen. Nicht aber über »die Flüchtlinge«. So, wie wir über den Terror von Neonazis reden sollten, aber nicht über »die Deutschen«.

Wie wir auch, und zwar in erster Linie, über diesen Staat nachzudenken haben. Es ist ja sein Personal, das sich in diesen Zeiten gänzlich schamlos zeigt.


Aus: junge Welt, 21.12.2016


 
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