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Von secarts

Eine ungewöhnliche Allianz: Islamhasser und Antisemiten, Nationalisten und Separatisten haben sich am 15. November in Wien zusammengetan, um im EU-Parlament eine neue rechte Fraktion zu bilden: Marine Le Pen, Anführerin des französischen »Front National« und Geert Wilders, Chef seiner eigenen Ein-Mann-Partei »für die Freiheit« (PVV) in den Niederlanden, haben das Projekt aus der Taufe gehoben. Gastgeberin des Treffens war die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Dazu kamen die italienische »Lega Nord«, der »Vlaams Belang« aus Belgien, die »Slowakische Nationalpartei« und die »Demokratische Partei« aus Schweden. Besiegelt werden soll die Rechts-Allianz nach einem geplanten Treffen aller Parteiführer.

Mindestens 25 Abgeordnete braucht es, um im EU-Parlament eine Fraktion zu bilden. Eine weitere Bedingung ist die Teilnahme von Parlamentariern aus mindestens einem Viertel der EU-Mitgliedsstaaten, also sieben. Zuletzt scheiterten die europäischen Rechten an dieser Hürde; der Hader zwischen Gruppierungen, die im Detail unterschiedlicher nicht sein könnten, verhinderte 2009 die Blockbildung. In der kleinen Fraktion »Europa der Freiheit und Demokratie« (efd) sammeln sich einige nationalistische und konservative Parteien, noch weiter rechts stehenden Gruppierungen wie die »Europäische Allianz der nationalen Bewegungen« und die »Allianz für Freiheit«, zu der auch der »Front National« gehört, sind derzeit fraktionslos.

Zur kommenden EU-Wahl im Mai 2014 stehen die Chancen besser: Marine Le Pen, die die Führung über die französische Rechtsaußenpartei von ihrem Vater, Jean-Marie Le Pen, geerbt hat, steht in den Umfragen gut dar, ihre Partei könnte bei den nächsten Wahlen gar die stärkste Kraft in Frankreich werden. Wilders PVV könnte die 17 Prozent, die seine Partei bei der letzten EU-Wahl 2009 einfahren konnte, diesmal laut Umfragen noch steigern. Vor allem aber ist den Rechtspolitikern gelungen, frühere Meinungsverschiedenheiten beizulegen – und das ist durchaus nicht selbstverständlich. So unterschiedlich, wie die Parteien ihrer Herkunft nach sind, so sehr gehen auch ihre politischen Ziele auseinander: »Front National«-Gründer Jean-Marie Le Pen mußte sich beispielsweise mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen vor Gericht verantworten. Der Niederländer Geert Wilders hingegen geriert sich als Philosemit; er betrachtet Israel als Bollwerk gegen den Islam.

Einig sind sich die künftigen Fraktionskollegen in ihrer Ablehnung der EU. Die europäischen Staaten müßten wieder Herr über ihr Geld und ihre Grenzen werden, befand Wilders: »Die EU kann uns nicht vorschreiben, wen wir ins Land lassen.« Le Pen sekundierte: »Wir wollen unseren Völkern die Freiheit zurückgeben.« Auch eine Rückkehr zu nationalen Währungen streben die Rechtsparteien an. Vor allem aber dürften sie sich für die Möglichkeiten, die ihnen der Fraktionsstatus im EU-Parlament eröffnet, interessieren: Längere Redezeiten, mehr Geld, mehr Rechte.

Die relative Stärke solcher Parteien wie des »Front National« und der PVV ist Ausdruck der ökonomischen und politischen Lage innerhalb der EU: Für die Mitgliedsstaaten neben der BRD wird die deutsche Wirtschaftsstärke mehr und mehr zum Verhängnis; die aggressive Exportorientierung und die Lohndumpingpolitik des deutschen Kapitals ruinieren die »Verbündeten«. Eine »Exitstrategie«, zurück zum souveränen Nationalstaat inklusive der Fähigkeit zur Auf- bzw. Abwertung einer eigenen Währung, könnte für Teile der Bourgeoisien anderer EU-Staaten irgendwann zum letzten Ausweg aus dieser ungleichen und ruinösen »Partnerschaft« werden. Es sind die Rechtsparteien, die solche Szenarien vorformulieren, verpackt im klassischen Gewand aus Hetze gegen Minderheiten, hemmungslosem Chauvinismus und Law-and-Order-Politik.

Nicht am Projekt der neuen Rechtsfraktion beteiligen will sich die »Alternative für Deutschland« (AfD), die im September bei der Bundestagswahl 4,7 Prozent auf sich vereinen konnte. Bei der EU-Wahl werden ihr gute Chancen zugebilligt. Doch ein Bündnis mit den Rechten komme »auf keinen Fall« in Betracht, sagte AfD-Chef Bernd Lucke. Zwar eint die Gruppierungen ihre Gegnerschaft zum Euro, doch die Bedrohungsszenarien unterscheiden sich: Bangt die deutsche Bourgeoisie um Höchstprofite, sorgen sich die restlichen europäischen Staaten um den drohenden Ruin. Die Strategie der AfD könnte dann zum Zuge kommen, wenn die der EU innewohnenden Widersprüche eskalieren – und tatsächlich Anti-EU-Parteien in anderen europäischen Staaten Regierungen stellen. Sollte die EU zerbrechen, benötigt auch die deutsche Bourgeoisie eine Aussteigsstrategie, denn ohne europäische Peripherie besteht kein Raum für eine deutsche Hegemonie mittels der EU-Institutionen. Für einen solchen - keineswegs ausgeschlossenen - Moment formuliert die AfD bereits jetzt das Programm.


Dieser Artikel ist zuerst in der UZ - Unsere Zeit, Zeitung der DKP - am 22. November erschienen.


 
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